Ersetzung der Einwilligung zur Adoption - Ermittlungspflicht des Gerichts - Nichtzahlung von Unterhalt - Nachholung der Belehrung
durch Jugendamt im Ersatzungsverfahren
Gründe:
I. Die Beteiligten zu 2 und 3 schlossen am 11.6.1987 die Ehe, mit der das gemeinschaftliche Kind (Beteiligter zu 1), geboren
am 4.3.1987, legitimiert wurde. Die Eheleute trennten sich bereits im September 1987 wieder. Die Ehe wurde am 29.11.1989 geschieden
und die elterliche Sorge auf die Mutter (Beteiligte zu 2) übertragen.
Der aus San Salvador stammende Vater (Beteiligter zu 3) lebt in Deutschland; er hat erneut geheiratet und hat ein weiteres
eheliches sowie ein nichteheliches Kind. Durch Urteil vom 4.10.1990 wurde er wegen Unterhaltspflichtsverletzung gegenüber
dem Beteiligten zu 1 zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20 DM verurteilt.
Die Mutter ist seit 6.4.1990 mit dem Beteiligten zu 4 verheiratet, sie haben eine gemeinsame Tochter. Der Stiefvater will
den Beteiligten zu 1 als Kind annehmen. Das Kind, gesetzlich vertreten durch seine Mutter, beantragte, die Einwilligungserklärung
seines leiblichen Vaters zur Annahme als Kind durch seinen Stiefvater zu ersetzen. Das Vormundschaftsgericht holte die Stellungnahme
des Kreisjugendamts ein und hörte das Kind sowie seine Eltern an. Mit Beschluß vom 1.2.1996 wies das Vormundschaftsgericht
den Antrag auf Ersetzung der Einwilligung des Vaters zur Adoption zurück. Hiergegen legte der Beteiligte zu 1 Beschwerde ein,
die das Landgericht am 19.4.1996 zurückwies. Gegen diese Entscheidung richtet sich seine weitere Beschwerde. Dem Beteiligten
zu 3 wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben; er hat sich nicht geäußert.
II. Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung.
1. Das Landgericht hat die Ersetzung der Einwilligung in die Annahme abgelehnt. Es hat auf die Ausführungen des Vormundschaftsgerichts
Bezug genommen und im Verhalten des Beteiligten zu 3 keine gröbliche und anhaltende Pflichtverletzung gegenüber seinem Kind
gesehen. Es könne nicht festgestellt werden, daß der Beteiligte zu 3 tatsächlich in der Lage gewesen sei, überhaupt wesentliche
Beiträge zum Unterhalt zu leisten, zumal er auch noch weiteren Unterhaltspflichten nachzukommen habe. Auch sei das Kind dem
Beteiligten zu 3 nicht gleichgültig, wie sein Verhalten in der Vergangenheit gezeigt habe. Eine besonders schwere Pflichtverletzung
oder dauernde Unfähigkeit zur Pflege und Erziehung des Kindes lägen ebenfalls nicht vor. Das Unterbleiben der Annahme würde
den Beteiligten zu 1 außerdem nicht unverhältnismäßig benachteiligen.
2. Die Ausführungen des Landgerichts sind nicht frei von Rechtsfehlern (§ 27 Abs. 1
FGG, §
550
ZPO), denn das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine Ersetzung der Einwilligung zur Annahme nicht umfassend geprüft und
die vorhandenen Aufklärungsmöglichkeiten nicht in dem gebotenen Umfang ausgeschöpft.
a) Zutreffend sind die Vorinstanzen von der Anwendung deutschen Rechts (Art.
22,
23
EGBGB) ausgegangen und haben angenommen, daß die Ersetzung der Einwilligung des Beteiligten zu 3 in die Annahme wegen anhaltender
gröblicher Pflichtverletzung nicht in Betracht kommt (§
1748 Abs.
1 Satz 1 zweiter Halbsatz
BGB).
aa) Steht einem Elternteil. die elterliche Sorge nicht zu, so ist bei der Frage der Pflichtverletzung auf die ihm noch obliegenden
Pflichten abzustellen (BayObLG FamRZ 1994, 1348; Soergel/Liermann
BGB 12. Aufl. Rn. 10, Erman/Holzhauer
BGB 9. Aufl. Rn. 11, MünchKomm/Lüderitz
BGB 3. Aufl. Rn. 6, Palandt/Diederichsen
BGB 56. Aufl. Rn. 5, jeweils zu §
1748). Eine gröbliche Verletzung der elterlichen Pflichten kann auch darin liegen, daß ein Elternteil trotz bestehender Leistungsfähigkeit
seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind nicht nachkommt (BayObLG FamRZ 1994, 1348/1349; Staudinger/Frank
BGB 12. Aufl. Rn. 16, Erman/Holzhauer Rn. 12, Münch-Komm/Lüderitz Rn. 6, jeweils zu § 1748).
bb) Dem Beteiligten zu 3 verblieb seit der Scheidung der Ehe und nach Aussetzung der Umgangsbefugnis für drei Jahre mit Beschluß
vom 27.4.1994 als wesentliche elterliche Pflicht lediglich die Pflicht zur Unterhaltsleistung. Dieser Pflicht ist der Beteiligte
zu 3 seit November 1993 nicht mehr nachgekommen. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, daß die Vorinstanzen aus der Nichtleistung
des Unterhalts keine anhaltende gröbliche Pflichtverletzung abgeleitet haben. Denn eine gröbliche Pflichtverletzung liegt
nur vor, wenn die Nichterfüllung der Unterhaltspflicht von erschwerenden Umständen begleitet wird, etwa weil das Kind infolge
der Nichtleistung Not leidet (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 1348; Erman/Holzhauer § 1748 Rn. 12). Dies ist nicht der Fall. Auch sonstige Gründe für die Annahme eines gröblichen Verstoßes
durch Verletzung der Unterhaltspflichten sind nicht ersichtlich. Das Ermittlungsverfahren wegen Unterhaltspflichtverletzung
aufgrund der Anzeige des Kreisjugendamts vom 28.1.1994 hat nicht zu einer Verurteilung wegen Unterhaltspflichtverletzung geführt;
die frühere Verurteilung wegen Unterhaltspflichtverletzung liegt schon mehrere Jahre zurück.
b) Dagegen halten die Ausführungen des Landgerichts, soweit es die Ersetzung der Einwilligung wegen Gleichgültigkeit von vornherein
ausschließt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1
FGG, §
550
ZPO). Die Feststellung des Landgerichts, aus dem Verhalten des Beteiligten zu 3 in der Vergangenheit sei zu schließen, daß ihm
der Beteiligte zu 1 nicht gleichgültig sei, reicht als Begründung nicht aus. Es hat bei Prüfung dieser Voraussetzung nicht
alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25
FGG). Das Vorbringen des Beteiligten zu 1 und der festgestellte Sachverhalt hätten ferner Anlaß zu weiteren Ermittlungen gegeben
(§ 12
FGG; vgl. BGHZ 40, 54/57; BayObLGZ 1983, 153/161).
aa) Gleichgültig verhält sich ein Elternteil dann, wenn er gegenüber dem Kind und seiner Entwicklung teilnahmslos ist. Dies
ist insbesondere dann zu bejahen, wenn ihn das Kind und dessen Schicksal nicht interessieren (BayObLG FamRZ 1994, 1348; OLG Hamm 1991, 1103/1106) oder wenn er es an einer persönlichen Zuwendung völlig fehlen läßt (Staudinger/Frank Rn. 25, MünchKomm/Lüderitz
Rn. 9, jeweils zu § 1748). Gleichgültigkeit kann allerdings auch dann bejaht werden, wenn der "Besitzanspruch" des Elternteils
auf das Kind keiner echten gefühlsmäßigen Bindung entspricht, sondern anders motiviert ist, z.B. durch Eifersucht, verletzten
Stolz, Neid, Rachsucht, Böswilligkeit oder durch die bloße Besorgnis um das eigene Wohl (BayObLG DAVorm 1981, 131/138, OLG
Hamm 1991, 1103/1106).
bb) Der Beteiligte zu 1 hat vorgetragen, daß der Beteiligte zu 3 kein echtes Interesse mehr an ihm zeige. Dieser habe Ende
1993 mitgeteilt, daß er keinen Unterhalt mehr leisten könne und für einige Monate nach Südamerika fahre. Seither habe er ihm
gegenüber weder an Geburtstagen noch an Feiertagen durch irgendwelche Gesten sein Interesse gezeigt. Auch hat der Beteiligte
zu 3 es abgelehnt, trotz eindringlicher Schreiben die ihm durch das Kreisjugendamt angebotene Beratung anzunehmen. Die Anhörung
durch das Vormundschaftsgericht am 8.1.1996 erbrachte keinen Hinweis auf ein echtes Interesse an seinem Kind, sondern enthielt
nur eine Drohung gegenüber dem Gericht.
Aufgrund dieses Verhaltens hätten daher die Vorinstanzen der Frage nachgehen müssen, ob der Beteiligte zu 3 tatsächlich überhaupt
nicht in der Lage ist, wenigstens teilweise seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinem Kind nachzukommen, oder ob die Nichtleistung
der Unterhaltspflicht ebenfalls ein Indiz für eine inzwischen eingetretene Gleichgültigkeit des Beteiligten zu 3 gegenüber
dem Beteiligten zu 1 ist. Die Akten des weiteren Ermittlungsverfahrens gegen den Beteiligten zu 3 wegen Unterhaltspflichtverletzung
könnten hierüber Aufschluß geben und hätten beigezogen werden müssen. Auch hätte das Kreisjugendamt über den Sachstand in
der Unterhaltsangelegenheit und die eingeleiteten Maßnahmen sowie über das Verhalten des Beteiligten
zu 3 in dieser Sache befragt werden können.
Bei der Würdigung, ob die Einwilligung des Beteiligten zu 3 - in die Annahme gegenüber dem Kind zu ersetzen ist, wird im übrigen
zu berücksichtigen sein, daß das Gesetz an das äußere Verhalten anknüpft und es genügen läßt, wenn das gesamte Verhalten zu
dem Schluß führt, daß dem Elternteil das Kind gleichgültig ist (BayObLG DAVorm 1981, 131/138; OLG Hamm FamRZ 1991, 1103/1106)..
cc) Das Vormundschaftsgericht kann wegen Gleichgültigkeit, die nicht zugleich eine anhaltende gröbliche Pflichtverletzung
ist, die Einwilligung erst ersetzen, wenn der Elternteil vom Jugendamt über die Möglichkeit ihrer Ersetzung belehrt und entsprechend
§ 51 Abs. 2
SGB VIII beraten worden ist und seit der Belehrung mindestens drei Monate verstrichen sind (§
1748 Abs.
2 Satz 1
BGB). Die vom Gesetz geforderte Belehrung und Beratung kann auch noch während des Ersetzungsverfahrens vorgenommen werden (vgl.
OLG Köln FamRZ 1987, 203/205; Soergel/Liermann § 1748 Rn. 20). Auf das Verhalten, das der Beteiligte zu 3 nach der Belehrung
und Beratung an den Tag legt, wird es bei der Beurteilung maßgeblich ankommen.
c) Die Frage, ob das Unterbleiben der Annahme als Kind dem Beteiligten zu 1 zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde
(§
1748 Abs.
1 Satz 1
BGB), kann nicht allein unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, daß das Kind auch ohne Adoption in der Familie seiner Mutter
gut versorgt wird (vgl. BayObLG DAVorm 1990, 381 m.w.N.). Der Beteiligte zu 1 ist nach der Stellungnahme des Kreisjugendamts im Umgangsverfahren verunsichert; er will in
erster Linie Ruhe und Harmonie in der Familie, in der er jetzt lebt. Es wurde vorgetragen, daß er bei Unterbleiben der Annahme
großem psychischen Druck ausgesetzt wäre.
Die Interessen des Kindes und des die Einwilligung verweigernden Elternteils sind gegeneinander abzuwägen. Die Ersetzung muß
erforderlich sein, um die infolge des Versagens des Elternteils eingetretene oder drohende Gefahr für eine gesunde Entwicklung
des Kindes abzuwenden (BayObLG FamRZ 1975, 232/233). Dabei sind auch die psychischen Folgen für das Kind im Fall des Unterbleibens
der Adoption zu berücksichtigen.
3. Wegen der weiteren erforderlichen Ermittlungen sind die Entscheidungen des Vormundschaftsgericht und des Landgerichts aufzuheben.
Der Senat verweist die Sache an das Vormundschaftsgericht zurück (vgl. Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 27 Rn. 66 c).
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 131 Abs. 3
KostO). Gerichtsgebühren sind nicht angefallen; über eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird das Vormundschaftsgericht zu
entscheiden haben. Unter diesen Umständen ist auch eine Festsetzung des Geschäftswerts nicht erforderlich (§ 31 Abs. 1 Satz 1 KostO).