Gründe:
Der 1981 geborene Beteiligte zu 1 ist das eheliche Kind de Beteiligten zu 5 und der Beteiligten zu 6. Die Personensorge und
die Vermögenssorge für ihn wurde durch das Familiengericht im Januar 1983 zunächst für die Dauer des Getrenntlebens der Eltern
einem Vormund übertragen. Dabei verblieb es, als die Ehe der Eltern am 3.12.1984 geschieden wurde. Als Vormund war zunächst
das Stadtjugendamt K. (Beteiligter zu 2) bestellt, in der Zeit vom 18.10.1985 bis 19.5.1992 das Kreisjugendamt U. (Beteiligter
zu 4) und danach wiederum das Stadtjugendamt K.
Das Kind wurde im November 1985 in den Haushalt seines Vaters und dessen zweiter Ehefrau aufgenommen. Nach der Scheidung der
zweiten Ehe des Vaters verblieb das Kind bei seiner Stiefmutter und wuchs in deren Haushalt auf. Nachdem dort Erziehungschwierigkeiten
aufgetreten waren, brachte das Stadtjugendamt K. das Kind am 14.6.1993 in einem Kinder- und Jugenddorf unter, das im Bezirk
des Jugendamts R. (Beteiligter zu 3) gelegen ist. Die Kosten dieses Heimaufenthalts trägt das Kreisjugendamt U.
Das Stadtjugendamt K. beantragte beim Vormundschaftsgericht, es als Amtsvormund zu entlassen und an seiner Stelle das Jugendamt
R. zu bestellen. Das Jugendamt R. war zur Übernahme der Amtsvormundschaft nicht bereit. Gegen den Beschluß des Vormundschaftsgerichts
vom 20.12.1993, mit dem dieses dem Entlassungsantrag des Stadtjugendamts K. stattgab, legte das Jugendamt R., das als neuer
Amtsvormund bestellt wurde, Beschwerde ein. Das Landgericht hob die Entscheidung durch Beschluß vom 19.4.1994 wegen Verfahrensfehlern
auf und verwies die Sache an das Vormundschaftsgericht zurück. Nunmehr hörte das Vormundschaftsgericht die Stiefmutter persönlich
an und ließ den Jugendlichen, den Vater und die Mutter im Weg der Rechtshilfe anhören. Mit Beschluß vom 15.3.1995 gab das
Vormundschaftsgericht wiederum dem Entlassungsantrag des Stadtjugendamts K. statt und bestellte das Jugendamt R. als neuen
Amtsvormund. Das Stadtjugendamt K. reichte die ihm erteilte Amtsbescheinigung des Vormundschaftsgerichts zurück und übersandte
seine Akten an das Jugendamt R. Dieses legte gegen den Beschluß des Vormundschaftsgerichts erneut Beschwerde ein. Zur Begründung
trug es vor, das Kreisjugendamt U. als Kostenträger der Heimunterbringung habe sich zur Übernahme der Amtsvormundschaft bereit
erklärt. Das Landgericht hörte daraufhin das Kreisjugendamt U. an. Mit Beschluß vom 6.2.1996 hob es die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts
hinsichtlich der die Bestellung des Jugendamts R. betreffenden Nr. 2 auf und "bestellte" das Kreisjugendamt U. zum neuen Amtsvormund.
Gegen den ihm am 14.2.1996 zugestellten landgerichtlichen Beschluß legte das Kreisjugendamt U. am 24.2.1996 weitere Beschwerde
ein.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig, es hat jedoch keinen Erfolg.
1. Die weitere Beschwerde ist statthaft und formgerecht eingelegt (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Sätze 1 und 3 FGG). Die Beschwerdeberechtigung des Kreisjugendamts U. ergibt sich aus § 20 Abs. 1
FGG (vgl. Bassenge/Herbst FGG/
RPflG 7. Aufl. § 60
FGG Rn. 4). Soweit sich das Kreisjugendamt U. gegen die Übertragung der Vormundschaft wendet, ist das Rechtsmittel an keine Frist
gebunden (vgl. BayObLGZ 1977, 30, 35 m.w.N.). Ob das Schreiben vom 20.10.1995 eine Weigerung des Kreisjugendamts U. enthält,
die Amtsvormundschaft zu übernehmen, kann dahinstehen. Soweit eine solche Weigerung mit der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts
zurückgewiesen worden und hiergegen die sofortige weitere Beschwerde gegeben wäre (§ 60 Abs. 1 Nr. 2, § 63
FGG, vgl. BayObLG FamRZ 1989, 1340, 1341 m.w.N.), wäre die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels. gewahrt (§ 29 Abs. 2, § 22 Abs. 1
FGG).
2. Das Landgericht hat ausgeführt, die Regelung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 87c Abs. 3
SGB VIII - KJHG - betreffe nur die behördliche Zuständigkeit für die Führung einer bestellten Amtsvormundschaft. Ein Wechsel des gewöhnlichen
Aufenthalts des Kindes oder des Jugendlichen führe nicht kraft Gesetzes zu einem Wechsel in der Person des bestellten Amtsvormunds.
Vielmehr bedürfe es einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts über die Entlassung des bisherigen Amtsvormunds. Diese könne
nur auf der Grundlage von § 1889 Abs. 2 Satz 1, §
1887 Abs.
1
BGB ergehen, die durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz nicht verdrängt worden seien.
Die Ermittlungen des Vormundschaftsgerichts hätten ergeben, daß eine als Einzelvormund geeignete Person nicht vorhanden sei
und die Rückkehr des Jugendlichen zu einem Elternteil derzeit nicht in Betracht komme. Es entspreche dem Wohl des Mündels,
das Stadtjugendamt K. als Vormund zu entlassen und das Kreisjugendamt U., nicht aber das Jugendamt R. als neuen Amtsvormund
zu bestellen.
3. Die Beschwerdeentscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1
FGG, §
550
ZPO) stand.
a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß für die Entscheidung über die Entlassung eines zum Vormund bestellten Jugendamts
und die Neubestellung eines anderen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und die Grundsätze maßgeblich sind, die
von der Rechtsprechung vor der Neuregelung des Kinder- und Jugendhilferechts im Achten Buch Sozialgesetzbuch entwickelt worden
sind.
aa) Zwar enthält § 87c Abs. 3
SGB VIII eine Regelung der örtlichen Zuständigkeit des Jugendamts für die bestellte Amtsvormundschaft oder
Amtspflegschaft, die an den gewöhnlichen, hilfsweise den tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen zur Zeit der
Bestellung anknüpft. Jedoch hat bei einer Veränderung der danach maßgeblichen Umstände das Jugendamt beim Vormundschaftsgericht
einen Antrag auf Entlassung zu stellen, weil sich die gerichtliche Bestellung zum Amtsvormund oder Amtspfleger auf ein bestimmtes
Jugendamt bezieht (vgl. Wiesner/Kaufmann/Mörsberger/ Oberloskamp/Struck SGB VIII § 87c Rn. 15). Für die vom Vormundschaftsgericht
zu treffende Entscheidung enthält das Achte Buch Sozialgesetzbuch keine Bestimmungen. Daraus folgt, daß das Vormundschaftsgericht
über die Entlassung eines bestellten Amtsvormunds nach Maßgabe von § 1889 Abs. 2 Satz 1, §
1887 Abs.
1
BGB zu befinden hat (vgl. OLG Hamm FamRZ 1995, 830, 831; s. auch OLG Karlsruhe DAVorm 1993, 89, 91 f.). Diese Vorschriften stellen in erster Linie auf das Wohl des Kindes ab (vgl. BayObLG FamRZ 1989, 1340, 1341; LG Essen DAVorm 1995, 1068).
bb) Bejaht das Vormundschaftsgericht die Voraussetzungen einer Entlassung des zum Amtsvormund bestellten Jugendamt und ist
eine als Einzelvormund geeignete Person nicht vorhanden, so kann gemäß §
1791b Abs.
1
BGB ein anderes Jugendamt zum Vormund bestellt werden (vgl. BayObLG aaO m.w.N.). In diesem Fall hat das Vormundschaftsgericht
aus mehreren in Betracht kommenden Jugendämtern dasjenige auszuwählen, welche die Belange des Mündels voraussichtlich am besten
wahrnehmen kann. Es ist nicht verpflichtet, das nach § 87c Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB VIII für zuständig erklärte Jugendamt
auszuwählen (vgl. OLG Hamm FamRZ 1995, 830, 831;
BGB-RGRK/Dickescheid 12. Aufl. §
1791b Rn. 4; a.A. MünchKomm/Schwab
BGB 3. Aufl. §
1791b Rn. 6, 12; Staudinger/Engler
BGB 12. Aufl. §
1887 Rn. 11; Erman/Holzhauer
BGB 9. Aufl. §
1791 Rn. 2; Damrau/Zimmermann Betreuung und Vormundschaft 2. Aufl. § 1791b Rn. 11 und § 1887 Rn. 7). Zwar ist im allgemeinen davon
auszugehen, daß die Interessen des Mündels am besten von dem für seinen Aufenthaltsort zuständigen Jugendamt vertreten werden
können (vgl. BGHZ 70, 52, 54), das nach § 87c Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB VIII für den bestellten Amtsvormund zuständig ist. Das Wohl des Mündels kann
es jedoch rechtfertigen, die Amtsvormundschaft durch ein anderes Jugendamt, etwa das ortsnähere, führen zu lassen (vgl. BayObLG
FamRZ 1989, 1340, 1341; OLG Hamm aaO; Damrau/Zimmermann § 1887 Rn. 2; einschränkend wohl OLG Karlsruhe DAVorm 1993, 89, 92).
b) Das Landgericht hat die vom Vormundschaftsgericht vorgenommene Entlassung des Stadtjugendamts K. aus dem Amt des Vormunds
bestätigt und, weil ein geeigneter Einzelvormund nicht zu ermitteln sei, das Kreisjugendamt U. als neuen Amtsvormund ausgewählt.
Bei der Auswahl des Vormunds war das Beschwerdegericht nicht auf die Nachprüfung von Ermessensfehlern des Vormundschaftsgerichts
beschränkt. Es trat vielmehr in vollem Umfang an die Stelle der ersten Instanz und hatte nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen
über die Auswahl des Vormunds zu befinden (vgl. BayObLG Rpfleger 1990, 20). Das Gericht der weiteren Beschwerde kann die Ermessensentscheidung des Gerichts der Tatsacheninstanz nur dahin nachprüfen,
ob dieses von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustandegekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer
Betracht gelassen hat oder von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat;
hingegen sind Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der getroffenen Entscheidung der Nachprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts
entzogen (vgl. BayObLG Rpfleger 1975, 91, 92 m.w.N.). Der in diesem Rahmen vorzunehmenden Nachprüfung hält die Beschwerdeentscheidung stand.
aa) Das Landgericht durfte sich auf die Ermittlungen des Vormundschaftsgerichts und die von diesem durchgeführten Anhörungen
stützen. Diese hatten ergeben, daß mit dem Verbleib des Jugendlichen in dem Kinder- und Jugenddorf bis zu seiner Volljährigkeit
zu rechnen ist und daß eine als Einzelvormund geeignete Person nicht ausfindig zu machen war. Die vom Beschwerdegericht eingeholten
Stellungnahmen der beteiligten Jugendämter haben ebenfalls keine Hinweise auf eine als Einzelvormund in Betracht kommende
Person erbracht. Bei dieser Sachlage durfte das Beschwerdegericht von weiteren Ermittlungen absehen.
bb) Der Jugendliche hatte bei seiner Anhörung durch das Vormundschaftsgericht erklärt, er habe mit dem bisherigen Amtsvormund
keinen persönlichen Kontakt gehabt. Es sei ihm eigentlich egal, welches Jugendamt sein Vormund sei; Vormund solle dasjenige
Jugendamt sein, das ihm ein monatliches Kleidergeld zuweise. Von einer nochmaligen Anhörung des Jugendlichen (§ 50b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FGG) durfte das Beschwerdegericht absehen, da keine neuen wesentlichen Tatsachen zu erörtern waren.
cc) Zur Auswahl des Kreisjugendamts U. hat das Landgericht ausgeführt, es werde nicht verkannt, daß damit nicht das ortsnähere
Jugendamt zum Vormund bestellt werde. Die Anhörung des Jugendlichen habe ergeben, für ihn sei maßgeblich, daß dasjenige Jugendamt
zum Amtsvormund bestellt werde, das auch seine finanziellen Angelegenheiten regle. Hierfür sei das Kreisjugendamt U. verantwortlich,
das alle für die Unterbringung des Jugendlichen im Kinder- und Jugenddorf entstehenden Kosten zu tragen habe. Diese Kostentragungspflicht
würde nicht entfallen, wenn das Jugendamt R. zum Amtsvormund bestellt würde. Das Kreisjugendamt U. sei auch bei der Hilfeplanung
gemäß § 36
SGB VIII federführend und müsse in diesem Rahmen persönlichen Kontakt zu dem Jugendlichen halten, seine Entwicklung
beobachten und die Förderangebote aktualisieren. Im übrigen sei es bereits vom 18.10.1985 bis 19.5. 1992 Amtsvormund gewesen.
Es entspreche dem Wunsch und dem Wohl des Jugendlichen, einen Ansprechpartner zu haben, der alle persönlichen und finanziellen
Angelegenheiten mit ihm erörtere. Deshalb sei das Kreisjugendamt U. als neuer Amtsvormund zu bestellen und von einer Bestellung
des Jugendamts R. abzusehen.
Dies läßt keinen Ermessensfehler erkennen. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die bei dem jetzt 15jährigen Jugendlichen zu
erwartenden Entscheidungen in schulischer und beruflicher Hinsicht erforderten einen regelmäßigen persönlichen Kontakt zu
seinem Vormund, der in der Regel nur bei Ortsnähe möglich sei. Nachdem das Jugendamt R. jedoch erklärt hatte, es sei wegen
starker Arbeitsbelastung zum Aufbau von persönlichen Kontakten nicht in der Lage, brauchte das Landgericht nicht davon auszugehen,
daß die Auswahl des ortsnäheren Jugendamts persönliche Kontakte fördern und damit dem Wohl des Jugendlichen besser dienen
würde, zumal das Kreisjugendamt U. von 1985 bis 1992 zum Vormund bestellt war und den Jugendlichen daher kennt. Das weitere
Vorbringen des Rechtsbeschwerdeführers läuft darauf hinaus, seine eigene Würdigung der maßgeblichen Umstände an die Stelle
derjenigen des Landgerichts zu setzen.
4. Das Landgericht hat zwar in Nr. II der Beschwerdeentscheidung das Kreisjugendamt U. zum neuen Amtsvormund "bestellt", in
Wirklichkeit jedoch nur über die Auswahl des Amtsvormund entschieden. Für die Entlassung des derzeit amtierenden Vormunds
und die Bestellung des Kreisjugendamts U. zum neuen Vormund ist das Vormundschaftsgericht funktionell zuständig. In Ergänzung
der Beschwerdeentscheidung war dieses anzuweisen, die entsprechenden Ausführungshandlungen vorzunehmen (vgl. BayObLG Rpfleger
1990, 20 m.w.N.; Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 25 Rn. 6).
5. Eine Kostenentscheidung und die Festsetzung eines Geschäftswerts sind nicht veranlaßt.