Schongrenze zur Beurteilung der Mittellosigkeit eines Betroffenen
Gründe:
I. Für den Betroffenen ist dessen Vater als Betreuer bestellt. Mit Beschluß vom 21.1.1998 setzte das Amtsgericht (Rechtspfleger)
für den Betreuer eine Aufwandsentschädigung von 375 DM für die Zeit vom 25.1.1997 bis 24.1.1998 gegen die Staatskasse fest.
Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel des Bezirksrevisors wies das Landgericht mit Beschluß vom 4.5.1998 zurück. Hiergegen
richtet sich die weitere Beschwerde der Staatskasse, mit der geltend gemacht wird, daß das Landgericht zur Bestimmung der
Mittellosigkeit nicht mehr von einem Freibetrag in Höhe von 8000 DM hätte ausgehen dürfen. Dieser Betrag stehe nach der Änderung
der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2
BSHG (BGBl. 1996, 1099) mit Wirkung ab 1.8.1996 nur noch Schwerstpflegebedürftigen und Blinden zu.
II.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig.
Sie ist nicht durch § 16 Abs. 2
ZSEG ausgeschlossen. Diese Bestimmung eröffnet im gerichtlichen Festsetzungsverfahren nur die Erstbeschwerde und schließt die
weitere Beschwerde grundsätzlich aus (BayObLGZ 1993, 123; BayObLG FamRZ 1994, 1332; BayObLG Rpfleger 1984, 270). Dieser Ausschluß greift nach dem Sinn der in § 16 Abs. 2
ZSEG getroffenen Regelung nur ein, wenn die Höhe des festgesetzten Betrages angegriffen wird. Ziel der weiteren Beschwerde ist
hier jedoch nicht eine Abänderung des im Festsetzungsverfahren zuerkannten Betrages, sondern die Feststellung, daß die Voraussetzungen
für eine Inanspruchnahme der Staatskasse nicht vorliegen. In diesem Fall steht § 16
ZSEG der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde nicht entgegen (BGH BtPrax 1997, 29; BayObLGZ 1995, 212).
2. Die weitere Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
a) Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Betroffene verfüge über Vermögen in Höhe von noch rund 5500 DM; er sei damit mittellos.
Die Mittellosigkeit des Betroffenen sei unter Heranziehung der Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes zu bestimmen.
Der Maßstab für die Bestimmung der Mittellosigkeit sei in Rechtsprechung und Lehre umstritten. Das Bayerische Oberste Landesgericht
habe sich mit der Entscheidung vom 7.6.1995 (BayObLGZ 1995, 212 ff.) dafür entschieden, die Regeln des Bundessozialhilfegesetzes
entsprechend heranzuziehen. In dieser Entscheidung heisse es wörtlich:
"Bezüglich des Schonvermögens hält der Senat wegen der insoweit mit Behinderten gemäß § 69 IV Satz 2 in Verbindung mit § 24 II BSHG vergleichbaren Situation des Betreuten die Anwendung von § 1 I Nr.1 b der Verordnung zur Durchführung des § 88 II Nr. 9 BSHG und damit einen Betrag von 8000 DM für angemessen." Aus diesen Ausführungen ergebe sich für die Kammer, daß ein pauschaler
Vergleich zwischen der Situation eines Betreuten mit einem sozialhilfebezugsberechtigten Behinderten, der unter die vorgenannte
Vorschrift falle, gezogen werde. Eine Einzelfallprüfung, ob die Situation des konkreten Betreuten hiermit vergleichbar ist,
werde nicht durchgeführt.
Die Kammer teile diese Ansicht. Der Begriff der Mittellosigkeit sei durch die Heranziehung der hierfür gegebenen Kriterien
aus vergleichbaren Rechtsgebieten zu treffen. Dies geschehe durch Heranziehen der Regeln des Bundessozialhilferechts. Dies
bedeute jedoch nicht, daß diese Regeln exakt zu Übernehmen seien, daß jede Änderung im Bundessozialhilferecht zwangsläufig
sich auch auf den Begriff der Mittellosigkeit im Betreuungsrecht auswirken müßte. Die Beschränkung dieser Vermögensgrenze
im Rahmen des Bundessozialhilferechts auf den Personenkreis der Blinden und Schwerstpflegebedürftigen zwinge nicht zu einer
Änderung des Schonbetrages im Zusammenhang mit dem Betreuungsrecht.
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
Das Landgericht hat zutreffend unter Beachtung der Entscheidung des Senats vom 7.6.1995 (BayObLG aaO) die Mittellosigkeit
des Betroffenen bejaht. Der Senat hat in dieser Entscheidung ausgesprochen, daß die besondere Lage des Betroffenen, dem wegen
seiner Krankheit oder Behinderung ohne oder gegen seinen Willen gemäß §
1896 Abs.
1
BGB vom Vormundschaftsgericht ein Betreuer bestellt werde, es rechtfertigte, die Mittellosigkeit anhand der Einkommensgrenzen
des BSHG für die Hilfe in besonderen Lebenslagen zu bestimmen. Dadurch werde auch vermieden, daß eine Person, die auf Dauer Sozialhilfeleistungen
beziehe, als nicht mittellos im Sinne von §
1835 Abs.
4
BGB angesehen werde.
Bezüglich des Schonvermögens hielt es der Senat wegen der insoweit mit Behinderten im Sinn des § 69 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 76 Abs. 2 a
BSHG vergleichbaren Situation von Betreuten für angemessen, den in § 1 Abs. 1 Nr.1 b der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr.8 BSHG vom 11.2.1988 (BGBl. 1988 I 150) bestimmten Freibetrag von 8000 DM zugrundezulegen. Maßgebend war danach die grundsätzliche
Vergleichbarkeit der Lage eines Betreuten mit der einer Person, die nach der zitierten Regelung als schwerstbehindert einzustufen
war und der deshalb der höchstmögliche Freibetrag im Rahmen des § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG zustand. Diese Regelung ist durch Art.14 des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 29.7.1996 (BGBl. 1996 I 1088/1099) geändert worden. Durch diese Änderung wurde der Personenkreis, für den der Freibetrag von 8000 DM gilt, allerdings eingeschränkt.
Die grundsätzliche Vergleichbarkeit der Situation von Betreuten mit dem Personenkreis, dem der Freibetrag von 8000 DM zusteht
ist jedoch weiterhin gegeben. Der Senat hält deshalb insbesondere im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes
(vgl. BGHZ 85, 64/66) an seiner bisherigen Rechtsprechung, nach der das Schonvermögen 8000 DM beträgt, fest. Ob die durch
das Betreuungsänderungsgesetz vom 25.6.1998 (BGBl. 1998 I 1580) mit Wirkung ab 1.1.1999 eingefügte Regelung des §
1836c Nr.2
BGB zu einem anderen Ergebnis führen wird, bleibt offen. Das ist hier nicht zu entscheiden.
Da hier das Barvermögen des Betroffenen nach den Feststellungen des Landgerichts das Schonvermögen von 8000 DM nicht überschreitet,
ist die Inanspruchnahme der Staatskasse zurecht erfolgt.