Schriftform einer Beschwerdeschrift, der die Unterschrift des Bezirksrevisors fehlt
Gründe
I.
Für den Betroffenen war vom 20.4.1999 bis zur Aufhebung der Maßnahme im Mai 2000 eine Berufsbetreuerin bestellt.
Mit Beschluss vom 13.9.2000 setzte das Amtsgericht ihre Vergütung und ihre Aufwendungen auf insgesamt 5965,00 DM fest mit
der Maßgabe, dass der Betrag aus der Staatskasse zu bezahlen sei. Die Bestimmung von Regresszahlungen des Betreuten lehnte
es ab.
Die sofortige Beschwerde der Staatskasse, mit der diese geltend machte, dass der Betreute Eigentümer eines Hausgrundstücks
und damit nicht mittellos sei, ist gemäß Beschluss des Landgerichts vom 24.4.2001 ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen wendet sich die Staatskasse mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig. Das Landgericht hat es zugelassen (§ 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG). Die Beschwerdefrist hat nicht zu laufen begonnen, da der landgerichtliche Beschluss dem Bezirksrevisor entgegen § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG nicht zugestellt wurde. Die Schriftform (§ 29 Abs. 4 i.V.m. § 21 Abs. 2, § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG) ist gewahrt. Zwar ist die Beschwerdeschrift nicht unterschrieben. Aus der Verfügung des Bezirksrevisors vom 23.5.2001 lässt
sich jedoch hinreichend zuverlässig entnehmen, dass sie von ihm stammt und mit seinem Willen an das Gericht gelangt ist (vgl.
Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes NJW 1980, 172/174).
Die sofortige weitere Beschwerde ist zurückzuweisen.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung, teils durch Bezugnahme auf den Beschluss des Amtsgerichts, wie folgt begründet:
Der Betreute sei mittellos. Er habe keinen festen Wohnsitz und keine konkrete Sozialbindung. Wovon er seinen Lebensunterhalt
bestreite, sei unbekannt. Außer einem Guthaben von 265 DM auf einem Girokonto und einem 1994 erworbenen Grundstück zu 392
m², das mit einem über 78 Jahre alten Wohnhaus bebaut sei, besitze er kein Vermögen. Seine Schulden beliefen sich auf über
64000,00 DM. Das Hausgrundstück sei mit einem erstrangigen Wohnungsrecht und an zweiter Stelle mit einer Grundschuld zu 42000,00
DM belastet. Der nach der Sachwertmethode ermittelte Wert des Hausgrundstücks betrage ohne die Belastungen ca. 145000,00 DM.
Das auf Lebenszeit bestellte unentgeltliche Wohnungsrecht erstrecke sich auf das gesamte Anwesen und stehe einem am 7.7.1913
geborenen Großonkel des Betreuten zu. Die Grundschuld sei mit 30366,73 DM zuzüglich Zinsen valutiert und werde laut Auskunft
der Bank seit längerer Zeit "nicht bedient". Das Hausgrundstück sei zwar nicht Schonvermögen im Sinne des §
1836c Nr. 2
BGB i.V.m. § 88 Abs. 2 Nr. 7
BSHG, da es nicht vom Betreuten, sondern von einem Großonkel bewohnt werde. Es sei aber nicht verwertbar. Verwertbarkeit eines
Vermögensgegenstandes setze voraus, dass sein Einsatz volkswirtschaftlich sinnvoll sei, und der Vergütungsanspruch des Berufsbetreuers
hierdurch in angemessener Zeit erfüllt werden könne. Dem stehe hier das dingliche Wohnungsrecht des Großonkels entgegen, der
nicht bereit sei, das Recht aufzugeben oder ablösen zu lassen. Ein Verkauf des Hausgrundstücks scheide unter diesen Umständen
aus. Es dürfe kaum jemand bereit sein, ein Hausgrundstück auf dem Land, welches aufgrund eines ausgeübten Wohnungsrechts weder
selbst noch durch Vermietung genutzt werden könne, zu einem auch nur annähernd dem Verkehrswert entsprechenden Kaufpreis zu
erwerben. Dies entspreche auch der Einschätzung der Grundschuldgläubigerin, die als Bank entsprechende Erfahrung besitze und
deshalb von einer Zwangsvollstreckung absehe. So habe das Amtsgericht auch den Antrag der Betreuerin abgelehnt, den von ihr
zur Schuldenregulierung für erforderlich gehaltenen Verkauf des Hausgrundstücks zu genehmigen. Bei der gegebenen Sachlage
komme schließlich auch eine andere Form der Verwertung nicht in Betracht. Nach der Aufhebung der Betreuung bestehe keine Möglichkeit,
zum Zwecke der Schaffung von Liquidität einen Kredit aufzunehmen. Dem Hilfsantrag der Staatskasse, eine Erstattungspflicht
des Betreuten gegenüber der Staatskasse festzustellen, könne mangels Bestimmbarkeit des Zeitpunkts entsprechender Zahlungen
nicht entsprochen werden. Es sei ungewiss, wann das Wohnungsrecht erlösche und ob der Betroffene das Hausgrundstück sodann
nicht etwa selbst bewohnen werde.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1
FGG, §
550
ZPO).
a) Ist der Betreute mittellos, kann der Berufsbetreuer Ersatz seiner Aufwendungen und Vergütung seiner Tätigkeit aus der Staatskasse
verlangen (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, §
1835 Abs.
4 Satz 1, § 1836a
BGB).
Der Betreute gilt unter anderem dann als mittellos, wenn er den Aufwendungsersatz oder die Vergütung aus seinem einzusetzenden
Einkommen oder Vermögen nicht erbringen kann (§
1836d Nr. 1
BGB).
Vermögen hat der Betreute nach Maßgabe des § 88 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) einzusetzen (§ 1836c-Nr. 2
BGB), mithin grundsätzlich sein gesamtes verwertbares Vermögen (§ 88 Abs. 1
BSHG), soweit keiner der Verschonungstatbestände des § 88 Abs. 2
BSHG vorliegt (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 31) und der Einsatz bzw. die Verwertung für ihn und für seine unterhaltsberechtigten
Angehörigen keine Härte bedeuten würde (§ 88 Abs. 3
BSHG).
"Schonvermögen" sind unter anderem kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte bis zu 4500,00 DM (§ 88 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 4
BSHG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 des Bundessozialhilfegesetzes; vgl. BayObLGZ 2001, 158) oder auch ein
angemessenes Hausgrundstück, das vom Betreuten oder einer der in den §§ 11, 28
BSHG genannten Personen allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird (§ 88 Abs. 2 Nr. 7
BSHG).
Unter der "Verwertung" von Vermögen ist nicht nur die Veräußerung, sondern jede Art der finanziellen Nutzbarmachung zu verstehen
(vgl. Fichtner BSHG § 88 Rn. 3). An der "Verwertbarkeit" von Vermögen fehlt es, wenn der Verwertung ein rechtliches oder tatsächliches Hindernis entgegensteht
(vgl. Schellhorn BSHG 15. Aufl. § 88 Rn. 12) oder die Verwertung wirtschaftlich unvertretbar ist (vgl. hierzu BVerwGE 47, 103/109; BVerwG FamRZ 1998, 547/548;
BayObLG FamRZ 1999, 1234 f.). So ist ein Vermögensgegenstand nicht verwertbar, wenn er nur weit unter Wert veräußert werden könnte (vgl. Fichtner
§ 88 Rn. 3; Kunz in Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker BSHG § 88 Rn. 3). Auszugehen ist insoweit vom Verkehrswert (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1234).
Nicht verwertbar ist ein Vermögensgegenstand ferner, wenn die Verwertung nicht in angemessener Zeit durchgeführt werden kann
(vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1234; LG Oldenburg FamRZ 2001, 309; vgl. auch Kunz § 88 Rn. 3). Bei der Bestellung eines Betreuers für einen Volljährigen, der auf Grund einer psychischen Krankheit
oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann
(§
1896 Abs.
1 Satz 1
BGB), handelt es sich um eine staatliche Fürsorgemaßnahme. Soweit diese Aufgabe einer natürlichen Person übertragen wird (§
1897 Abs.
1
BGB), die die Betreuung entsprechend Hilfsbedürftiger im Interesse der Gemeinschaft zu ihrem Beruf gemacht hat, korrespondiert
hiermit die Verpflichtung des Staates, die Erstattung der zum Zwecke der Führung der Betreuung gemachten Aufwendungen und
die Entlohnung sicherzustellen (vgl. OLG Oldenburg Nds.Rpfl. 1996, 59/60). Dies ist nur gewährleistet, wenn die Ansprüche
auf Aufwendungsersatz und Vergütung von Betreuten, wenn auch nicht sofort, so doch in angemessener Zeit erfüllt werden können
(vgl. LG Koblenz FamRZ 1995, 1444/1445; Staudinger/Engler
BGB 13. Aufl. §
1835 Rn. 51) oder, soweit dies nicht der Fall ist, zunächst die Staatskasse hierfür aufkommt (vgl. BayObLGZ 1997, 301/303).
Die Verwertung von Vermögen bedeutet für den Betreuten eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3
BSHG, wenn sie zu einem den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2
BSHG nicht entsprechenden Ergebnis führen (vgl. BayObLGZ 1995, 307/310; Kunz § 88 Rn. 23), insbesondere eine angemessene Lebensführung des Betreuten oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung
wesentlich erschweren würde (§ 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG; vgl. BayObLGZ 1995, 307/310; 1997, 82/84).
b) Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei festgestellt. Die Rüge der Rechtsbeschwerde,
zum Inhalt und damit insbesondere zum Umfang des Wohnungsrechts seien keine Ermittlungen angestellt worden, geht ins Leere.
Die insoweit maßgeblichen urkundlichen Unterlagen befinden sich bei den Akten.
Die Auffassung des Landgerichts, dass das Hausgrundstück nicht Schonvermögen sei, ist zutreffend. Der das Anwesen allein bewohnende
Großonkel gehört nicht zu dem in § 88 Abs. 2 Nr. 7
BSHG vorausgesetzten Personenkreis.
Die Würdigung des Landgerichts, dass das Hausgrundstück unter den gegebenen Umständen derzeit nicht verwertbar sei, ist rechtlich
nicht zu beanstanden. Die Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs durch die Kammer lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
Die in Betracht kommenden Verwertungsmöglichkeiten hat das Landgericht geprüft. Dafür, dass es einen wesentlichen Umstand
unberücksichtigt gelassen oder die Auswirkungen des Wohnungsrechts auf die Verkäuflichkeit des Hausgrundstücks unvertretbar
überbewertet hätte, liegen Anhaltspunkte nicht vor. Insbesondere begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht
sich maßgeblich an der Einschätzung des Kreditinstituts orientiert hat, für das an dem Hausgrundstück eine Grundschuld bestellt
ist und das wegen des Wohnungsrechts von Vollstreckungsmaßnahmen absieht. Weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung
eines Sachverständigengutachtens, wären zur Höhe des aus der Staatskasse zu begleichenden Anspruchs außer Verhältnis gestanden
56g Abs. 2 Satz 3 FGG).
c) Soweit das Landgericht davon Abstand genommen hat, Höhe und Zeitpunkt von Regresszahlungen des Betreuten festzusetzen,
hat es hierdurch nicht gegen § 56g Abs. 1 Satz 2 FGG verstoßen, da nicht feststeht, ob und wann der Betreute zu entsprechenden Leistungen fähig sein wird.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Die Festsetzung des Geschäftswerts stützt sich auf § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1
KostO.