Keine Mittellosigkeit des Betreuten bei Miteigentum an nicht selbst genutzter Eigentumswohnung
Gründe:
I. Am 7.12.1994 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene eine Betreuerin.
Mit Schreiben vom 2.11.1995 beantragte diese Ersatz ihrer zwischenzeitlichen Aufwendungen (insgesamt 6 005, 33 DM) aus der
Staatskasse.
Das Amtsgericht (Rechtspfleger) lehnte den Antrag am 16.11.1995 mit der Begründung ab, die Staatskasse könne nicht in Anspruch
genommen werden, da die Betroffene nicht mittellos sei.
Die als Beschwerde geltende Erinnerung der Betreuerin hat das Landgericht am 18.1.1996 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß wendet sich die Betreuerin mit der weiteren Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist insbesondere nicht durch § 1908i Abs.
1 Satz 1, §
1835 Abs.
4 Satz 2
BGB, § 16 Abs. 2
ZSEG ausgeschlossen, da es um die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Staatskasse geht (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 1160; BGH NJW 1997, 58).
Die weitere Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Das Amtsgericht habe den Antrag der Betreuerin auf Ersatz ihrer Aufwendungen aus der Staatskasse zu Recht abgelehnt. Die Betroffene
sei nicht mittellos. Sie sei zur Hälfte Miteigentümerin einer Eigentumswohnung, die für 135 000 DM erworben worden sei. Der
Miteigentumsanteil falle nicht in das Schonvermögen, da zwar der Ehemann der Betroffenen und die gemeinschaftlichen Kinder
in der Wohnung lebten, jedoch nicht mehr die Betroffene selbst. Im Hinblick darauf, daß die Betroffene dem Scheidungsantrag
ihres Ehemanns zugestimmt habe, sei auch nicht davon auszugehen, daß sie in die Wohnung wieder zurückkehren werde. Anhaltspunkte,
die den Einsatz des betreffenden Vermögenswerts für die Aufwendungen der Betreuerin als unzumutbare Härte erscheinen ließen,
seien nicht ersichtlich. Nach Auflösung der Ehe werde die Miteigentümergemeinschaft ohnehin aufgehoben werden.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1
FGG, §
550
ZPO).
a) Macht der Betreuer zum Zwecke der Führung der Betreuung Aufwendungen, kann er von dem Betreuten nach den für den Auftrag
geltenden Vorschriften der §§
669,
670
BGB Ersatz verlangen (§ 1908i Abs.
1 Satz 1, §
1835 Abs.
1 Satz 1
BGB). Ist der Betreute mittellos, richtet sich der Anspruch gegen die Staatskasse (§
1835 Abs.
4 Satz 1
BGB).
Der Betreute ist mittellos, soweit ihm bei seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen
des Betreuers zu tragen. Dem Betreuten ist ungeachtet der Betreuung weiterhin eine angemessene Lebensgestaltung zu ermöglichen.
Bis zu dieser Grenze hat er durch die Betreuerbestellung bedingte Einschränkungen in der bisherigen Lebensführung jedoch hinzunehmen
(vgl. OLG Oldenburg FamRZ 1996, 953/955). Der entsprechende Selbstbehalt (vgl. Damrau in Damrau/Zimmermann Betreuung und Vormundschaft
2. Aufl. §
1835
BGB Rn. 20; Palandt/Diederichsen
BGB 56. Aufl. §
1835 Rn. 16) ist nach Maßgabe der Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes zu bestimmen (BayObLGZ 1995, 212 und 307/309; vgl. auch §
115
ZPO).
Danach ist ein Betreuter grundsätzlich mittellos, wenn sein monatliches Einkommen 1 506 DM (vgl. § 81 Abs. 1 Nr. 5, § 82
BSHG) bzw. sein Vermögen 8 000 DM (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 b der Verordnung vom 11.2.1988 zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 des BSHG - BGBl. I S. 150) nicht übersteigt. Liegt das Vermögen über dieser Schongrenze, ist der Betreute gleichwohl mittellos, soweit
der Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gemäß § 88
BSHG ausscheidet. Dies ist u.a. bei einem angemessenen Hausgrundstück der Fall, das von dem Betreuten allein oder zusammen mit
Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird (§ 88 Abs. 2 Nr. 7
BSHG; vgl. BayObLGZ 1995, 307; Knittel BtG §
1835
BGB Rn. 24; MünchKomm/Wax §
115
ZPO Rn. 53). Hausgrundstück in diesem Sinn ist auch eine Eigentumswohnung (vgl. BVerwG NJW 1991, 1968; MünchKomm/Wax §
115
ZPO Rn. 53; Oestreicher/Schelter/Kunz BSHG §
88 Rn. 14 m.w.N.; Stein/Jonas/Bork
ZPO 21. Aufl. §
115 Rn. 108). Miteigentum genügt (vgl. BVerwG aaO; OLG Celle Nds.Rpfl. 1996, 57; Oestreicher/Schelter/Kunz § 88 Rn. 13; Stein/Jonas/Bork
§ 115 Rn. 107). Erforderlich ist jedoch, daß der Betreute das Hausgrundstück bzw. die Eigentumswohnung - zumindest auch -
selbst bewohnt (vgl. BVerwG NJW 1992, 1402/1403; Oestreicher/Schelter/Kunz § 88 Rn. 17; Stein/Jonas/Bork § 115 Rn. 109). Diese
Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der Betreute von dem Hausgrundstück bzw. der Eigentumswohnung nicht nur vorübergehend
abwesend ist (vgl. BVerwG aaO; OLG Celle aaO; Oestreicher/Schelter/Kunz aaO). Der Einsatz oder die Verwertung von über der
Schongrenze von 8 000 DM liegendem Vermögen scheidet ferner aus, soweit dies aufgrund einer Würdigung der Gesamtsituation.(vgl.
OLG Oldenburg FamRZ 1996, 953/955) für den Betreuten und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine besondere Härte bedeuten
würde (§ 88 Abs. 3
BSHG; vgl. BayObLGZ 1995, 307; Knittel §
1835
BGB Rn. 24).
b) Das Landgericht hat diese Grundsätze beachtet. Seine Würdigung, daß es sich bei dem Miteigentumsanteil der Betroffenen
an der Eigentumswohnung ein für die Aufwendungen der Betreuerin verwertbares Vermögen handle, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
(1) Zwar sind die vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen lückenhaft. Dieser Mangel führt jedoch nicht zur Zurückverweisung
der Sache, da der Senat den Sachverhalt, ohne daß es weiterer Ermittlungen bedarf, aus den Akten - ergänzen kann (vgl. BGHZ
35, 135/142 f.; BGH NJW 1996, 2581; BayObLGZ 1985, 63/66).
(2) Danach sind die Betroffene und ihr Ehemann je zur Hälfte Miteigentümer einer im Jahre 1983 erbauten, 51, 4 m² großen und
für einen Kaufpreis von 135 000 DM erworbenen Eigentumswohnung.
Nachdem die Betroffene und ihr Ehemann ab 26.9.1994 kurze Zeit in dieser Wohnung bereits getrennt gelebt hatten, erlitt die
Betroffene bei einem Sturz auf der Treppe eine schwere Schädel-Hirn-Verletzung, die zunächst in verschiedenen Krankenhäusern
ärztlich versorgt wurde. Am 18.10.1994 wurde sie zur neurologisch-neurochirurgischen frührehabilitativen Behandlung in eine
Neurologische Klinik und am 24.8.1995 zur weiteren Rehabilitation in eine entsprechende Einrichtung verlegt. Dort soll sie
bis 24.8.1998 bleiben. Für die Folgezeit soll ein geeigneter Aufenthaltsort gesucht werden. Eine Rückkehr in die Eigentumswohnung,
in der der Ehemann der Betroffenen und die beiden, am 28.4.1979 bzw. 16.12.1983 geborenen ehelichen Kinder nach wie vor leben,
ist nicht geplant. In die von ihrem Ehemann betriebene Scheidung hat die Betroffene eingewilligt. Sie hat sich ferner damit
einverstanden erklärt, daß die elterliche Sorge für die Kinder auf ihren Ehemann übertragen wird. Dieser hat ihr angeboten,
ihren Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung abzulösen.
(3) Bei dieser Sachlage kann die Eigentumswohnung für die Betroffene die nach der gesetzlichen Zweckbestimmung des § 88 Abs. 2 Nr. 7
BSHG maßgebliche Funktion, der Betroffenen selbst als Wohnstatt zu dienen (vgl. BVerwG NJW 1992, 1402/1403; MünchKomm/Wax §
115
ZPO Rn. 53), nicht mehr erfüllen..
(4) Ferner begegnet die Auffassung des Landgerichts, dem Einsatz bzw. der Verwertung des Miteigentumsanteils stehe auch die
Härteklausel des § 88 Abs. 3
BSHG nicht entgegen, keinen rechtlichen Bedenken. Nach dieser Bestimmung soll die Lebensgrundlage des Betreuten nicht unzumutbar
beeinträchtigt werden (vgl. BayObLGZ 1995, 307/310). Dies ist hier jedoch nicht zu erwarten, da aller Voraussicht nach die
Ablösung des Miteigentumsanteils durch den Ehemann der Betroffenen bzw. die Veräußerung oder Versteigerung der Eigentumswohnung
nicht zu verhindern sein wird.
3. Von der Anordnung einer Kostenerstattung sieht der Senat ab, da kein Anhalt besteht, daß erstattungsfähige Kosten angefallen
sind.