Wichtiger Grund für Abgabe des vormundschaftsgerichtlichen Aufsichtsverfahrens für Amtspflegschaft bei Wohnsitzwechsel - Aufklärungspflicht
des abgebenden Gerichts
Gründe:
I. Für das nichteheliche Kind besteht Amtspflegschaft mit dem in § 1706
BGB bezeichneten Wirkungskreis. Amtspfleger war zunächst das Kreisjugendamt Kitzingen (§ 1709 Abs. 1 Satz 1
BGB). Nachdem beim dortigen Vormundschaftsgericht die Abstammung und Unterhaltsansprüche geklärt worden waren, hat - nach einem
Umzug der Mutter mit dem Kind - das Stadtjugendamt Nürnberg die Amtspflegschaft übernommen. Seit 25.11.1994 führt das Vormundschaftsgericht
Nürnberg das Pflegschaftsverfahren weiter.
Diesem teilte der Amtspfleger mit Schreiben vom 23.1.1997 mit, die Mutter sei nunmehr mit dem Kind nach Schweinfurt gezogen;
das Jugendamt der Stadt Schweinfurt habe sich bereit erklärt, die Amtspflegschaft zur Weiterführung zu übernehmen; es werde
angeregt, auch das gerichtliche Verfahren dorthin abzugeben.
Am 28.1.1997 hat das Vormundschaftsgericht Nürnberg die Akten an das Vormundschaftsgericht Schweinfurt mit der Bitte um Übernahme
des Pflegschaftsverfahrens übersandt, "da der Pflegling nunmehr im dortigen Bezirk wohne". Das Amtsgericht Schweinfurt hat
die Übernahme abgelehnt.
Daraufhin hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts Nürnberg die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung
gemäß § 46 Abs. 2
FGG vorgelegt.
II. 1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung zuständig (§ 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 199 Abs. 1 und 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 1
AGGVG).
2. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 46 Abs. 2
FGG liegen vor. Die beteiligten Amtsgerichte können sich über die Abgabe und Übernahme nicht einigen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 FGG). Das Jugendamt der Stadt Nürnberg als bisheriger Amtspfleger stimmt einer Abgabe des Pflegschaftsverfahrens an das Amtsgericht
Schweinfurt zu. Der Rechtspfleger des Vormundschaftsgerichts Nürnberg ist im Rahmen seiner funktionellen Zuständigkeit (§
4 Abs.
1 und
2, §
3 Nr.
2 lit. a, §
1
RPflG) zur Vorlage gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 FGG befugt (vgl. BayObLG Rpfleger 1996, 343 m.w.N.).
3. Das Amtsgericht Schweinfurt ist nicht verpflichtet, das vormundschaftsgerichtliche Pflegschaftsverfahren zu übernehmen,
weil wichtige Gründe für eine Abgabe gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3
FGG derzeit nicht vorliegen.
a) Ob dies der Fall ist, bestimmt sich unter vorrangiger Berücksichtigung der Belange des Pfleglings nach Zweckmäßigkeitserwägungen;
auch die Interessen des Pflegers an der Erleichterung seiner Amtsführung sind einzubeziehen (BayObLGZ 1993, 7, 8 m.w.N., ständige
Rechtsprechung; vgl. auch Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 46 Rn. 6 m.w.N.). Bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist auf die derzeitigen Verhältnisse abzustellen (BayObLG
FamRZ 1983, 744, 745).
aa) Auch bei einer Änderung der Zuständigkeit des Jugendamts als Amtspfleger, die auf Grund eines Wohnsitzwechsels der Mutter
ohne Mitwirkung des Vormundschaftsgericht eintreten kann (§ 87c Abs. 2
SGB VIII; vgl. BayObLG Rpfleger 1996, 343), verbleibt es für das gerichtliche Verfahren (§§ 1706, §
1915 Abs.
1, §
1837
BGB, § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5
FGG) bei der Abgabe nur aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten.
bb) Ein auf Dauer angelegter Aufenthaltswechsel des nichtehelichen Kindes mit seiner Mutter wird regelmäßig als wichtiger
Grund im Sinn des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGG angesehen, wenn das für den neuen Wohnsitz oder Aufenthalt zuständige Jugendamt die Amtspflegschaft bereits übernommen hat
und die Vaterschaftsfeststellung sowie der Unterhalt rechtskräftig geklärt sind (vgl. Keidel/Kuntze § 46 Rn. 6 b m.w.N.; SchlHOLG, Rpfleger 1991, 21; OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 896, 897; a.M. OLG Stuttgart Rpfleger 1994, 165).
b) Im vorliegenden Fall ist allein auf Grund der Mitteilung des Jugendamts der Stadt Nürnberg vom 23.1.1997 ein auf Dauer
angelegter neuer Wohnsitz von Mutter und Kind nicht feststellbar. Ein nur vorübergehender Aufenthalt genügt nach Auffassung
des Senats für eine Abgabe nicht. Auch wäre bei häufigem Wohnsitzwechsel eine Abgabe des Pflegschaftsverfahrens nicht sinnvoll.
Wie die Akten ausweisen, liegt bisher auch keine Übernahmeerklärung des Jugendamts Schweinfurt für die Amtspflegschaft (§
87c Abs. 2 Satz 2 SGB VIII) vor. Deshalb ist vorerst eine Abgabe des gerichtlichen Verfahrens nicht zweckmäßig.
Sollten sich die Verhältnisse ändern, kann dies Anlaß zur erneuten Prüfung sei, ob ein Wechsel des Vormundschaftsgerichts
in Betracht kommt. Die Anrufung des oberen Gerichts gemäß § 46 Abs. 2
FGG setzt allerdings voraus, das das abgebende Vormundschaftsgericht den Sachverhalt so vollständig aufgeklärt hat, daß die Frage
des wichtigen Grundes abschließend beurteilt werden kann (vgl. BayObLG FamRZ 1989, 1346 und Rpfleger 1991, 110).