Betrug durch Unterlassen der Mitteilung eines Aufenthaltswechsels an das Sozialamt
»Die alleinige Feststellung, dass ein Sozialhilfeempfänger entgegen der ihm obliegenden Mitteilungspflicht einen Aufenthaltswechsel
dem bisher Hilfe gewährenden Sozialleistungsträger gegenüber verschwiegen hat, trägt eine Verurteilung wegen Betrugs nicht,
wenn die den Anspruch begründende Notlage unverändert fortbesteht. Die Fragen, ob die Leistungspflicht überhaupt auf einen
anderen Träger übergegangen ist (§ 97 Abs. 1, § 107 BSHG), ob bejahendenfalls Erstattungsansprüche greifen (§ 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X) und ob eine Zuvielleistung wegen möglicherweise niedrigerer Wohn- und Lebenshaltungskosten erschlichen wurde,
bedürfen weiterer tatricherlicher Aufklärung.«
Tatbestand:
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 12.10.2000 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung
es zur Bewährung aussetzte. Auf die Berufung des Angeklagten erkannte das Landgericht am 24.1.2001 auf eine Freiheitsstrafe
von sechs Monaten und verwarf das Rechtsmittel im übrigen als unbegründet.
Mit seiner Revision rügte der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hatte mit der Sachrüge
Erfolg.
Gründe:
Das Urteil des Landgerichts München I hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die tatsächlichen Feststellungen unzureichend
sind und deshalb die Verurteilung wegen Betrugs nicht zu tragen vermögen (§
337
StPO).
Die Strafkammer legt dem Angeklagten zur Last, er habe sich in der Zeit vom 1.6.1998 bis 30.4.1999 eine "ihm nicht zustehende
Sozialhilfe" von insgesamt 16211,78 DM erschlichen. Er habe - trotz Belehrung - seine Verpflichtung verletzt, Änderungen seiner
persönlichen Verhältnisse dem Sozialamt der Stadt M. mitzuteilen, er habe der Behörde nicht mitgeteilt, dass er in der genannten
Zeit nicht in M., sondern in U., S., W. und Mu. gewohnt habe. Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen Betrugs
mit einer Schadenshöhe von über 16000 DM nicht. Denn die landgerichtlichen Feststellungen lassen insgesamt keinen Zweifel
zu, dass sich an der den Anspruch auf Sozialhilfe begründenden Notlage auch in der Zeit ab 1.6.1998 nichts geändert hat. Der
Angeklagte war in der ihm zur Last gelegten Tatzeit materiell-rechtlich unverändert bedürftig und damit sozialhilfeberechtigt,
die Geldleistungen, die er vom Sozialamt der Stadt M. über den 1.6.1998 hinaus bezog, standen ihm dem Grunde nach zu, denn
er verheimlichte weder Vermögen noch anderweitige Einkünfte. Die nach den Urteilsfeststellungen dem Angeklagten vorwerfbare
Unredlichkeit bestand in der Verheimlichung der Tatsache, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt an Orte außerhalb des Stadtgebietes
verlegt hatte, was sowohl für die Frage, welcher Leistungsträger örtlich zuständig ist, als auch für die Höhe der Leistung
im Hinblick auf möglicherweise niedrigere Wohn- und Lebenshaltungskosten von Bedeutung sein kann. Zu beiden Fragen hat die
Strafkammer keine Feststellungen getroffen, sie hat sich insbesondere nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die festgestellten
Ortswechsel die örtliche Zuständigkeit und die Leistungspflicht des bisher Hilfe leistenden Trägers haben entfallen lassen
(vgl. § 2 Abs. 1 - 3 SGB X, § 97 Abs. 1 und § 107
BSHG). Dem Träger, der in Unkenntnis des Ortswechsels die Hilfeleistung im bisherigen Umfang fortsetzt, entsteht kein Schaden
in Höhe der vollen Hilfeleistung, wenn nach dem Gesetz seine Leistungspflicht dem Grunde nach ohnehin fortbesteht oder wenn
ihm - bei Übergang der Leistungspflicht auf einen anderen Träger - ein Erstattungsanspruch gegen diesen erwächst (vgl. § 2
Abs. 3 Satz 2 SGB X).
Der Senat kann nicht gemäß §
354 Abs.
1
StPO in der Sache selbst entscheiden, da die Frage, ob die Verheimlichung des Ortswechsels die leistende Behörde davon abgehalten
hat, die Höhe der Leistung den ab 1.6.1998 möglicherweise niedrigeren Wohn- und Lebenshaltungskosten anzupassen, weiterer
tatrichterlicher Aufklärung bedarf.