Begriff der Divergenz
Sich widersprechende abstrakte Rechtssätze
Beruhen der angegriffenen Entscheidung auf einem Widerspruch
1. Divergenz i.S. des §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG ist bei einem Widerspruch im Rechtssatz anzunehmen, nämlich beim Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die
zwei Urteilen zugrunde gelegt sind.
2. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder
das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt
hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat.
3. Das LSG weicht damit nur dann i.S. von §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG von einer Entscheidung u.a. des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen
abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt.
4. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen
enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht,
und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann.
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Verpflichtung der Klägerin,
Gesamtsozialversicherungsbeiträge, Umlagen und Säumniszuschläge in Höhe von 13 344,41 Euro zu zahlen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 11.4.2014 ist in
entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Klägerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung vom 23.7.2014 auf die Zulassungsgründe der Divergenz und der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache.
1. Divergenz iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG ist bei einem Widerspruch im Rechtssatz anzunehmen, nämlich beim Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die
zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung
nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm
genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von
§
160 Abs
2 Nr
2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen
abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte
Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung
des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
Die Klägerin trägt vor, das angefochtene LSG-Urteil weiche von der Entscheidung des BSG vom 30.3.2000 (B 12 KR 14/99 R - SozR 3-2400 § 25 Nr 7) ab. Dort habe das BSG ausgeführt, dass zum Vorsatz das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes festgestellt, dh anhand der konkreten Umstände
des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell ermittelt, werden
müsse. Weiter habe es ausgeführt, dass nicht aus rechtlichen Erwägungen Tatsachen (hier Vorsatz) abzuleiten seien und damit
vom Sollen auf das Sein geschlossen werden dürfe. Nach dieser Rechtsprechung könne aus dem Eingang des Haftungs- und Nachforderungsbescheids
des Finanzamts R vom 21.12.2007 bei ihrem Steuerberater am 27.12.2007 das subjektive Tatbestandsmerkmal Vorsatz bei der Klägerin
bzw ihrem Geschäftsführer nicht hergeleitet werden.
Mit diesem und ihrem weiteren Vortrag in ihrer Beschwerdebegründung (S 3 f) hat die Klägerin die oben dargestellten Zulässigkeitsanforderungen
an die Bezeichnung einer entscheidungserheblichen Abweichung iS von §
160a Abs
2 S 3
SGG nicht erfüllt. Sie versäumt es bereits, einen abstrakten und zu der bezeichneten BSG-Entscheidung divergierenden Rechtssatz aus dem Urteil des LSG zu formulieren bzw herauszuarbeiten. Stattdessen macht sie
Ausführungen zum Sachverhalt und stellt dem Urteil des LSG ihre hiervon abweichende rechtliche Würdigung gegenüber. Damit
beschränkt sie sich im Kern darauf, die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit der angefochtenen LSG-Entscheidung bezogen
auf ihren konkreten Fall, darzulegen. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie oben bereits ausgeführt - nicht
gestützt werden. Ihr Vortrag geht daher über eine unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus.
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang meinen sollte, dass ein Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG darin liege, dass das LSG ihre Buchhalterin, Frau H, als Zeugin zum Inhalt der "Schlussbesprechung" vom 20.11.2007 nicht
angehört habe (S 4 der Beschwerdebegründung), erfüllt ihr diesbezügliches Vorbringen nicht die Darlegungsanforderungen an
eine Sachaufklärungsrüge. Denn sie hat bereits nicht dargetan, den mit Schriftsatz vom 13.3.2013 gestellten Antrag bis zuletzt
vor dem LSG aufrechterhalten zu haben (vgl zu dieser und zu den weiteren Darlegungsanforderungen exemplarisch BSG Beschluss vom 25.11.2013 - B 13 R 339/13 B - Juris RdNr 5 ff mwN).
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Die Klägerin formuliert auf Seite 6 der Beschwerdebegründung, die "Frage, ob eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, wenn
jemand nach Stückzahl zu verrichtender Aufträge annimmt, diese wahlweise in eigener Betriebsstätte, in anderer Betriebsstätte
oder Zuhause erfüllt, ein eigenes Ladenlokal betreibt, in einer Branche in welche auch vorgenannte Aufträge gehören und sich
auf freien Stücken entschieden hat, selbstständig tätig zu sein," sei von grundsätzlicher Bedeutung. Die Entscheidung des
LSG beruhe auf der unzutreffenden Annahme, dass eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. vorliege.
Damit bezeichnet die Klägerin bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur
Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - (vgl hierzu allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 -B 5 R 8/10 B - Juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 -B 5 R 154/10 B - Juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - Juris RdNr 7). Im Kern und der Sache nach zielen die Ausführungen der Klägerin (nur) auf die Frage nach der zutreffenden
Subsumtion eines bestimmten - in der formulierten Frage skizzierten - Lebenssachverhalts unter die von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung entwickelten abstrakten Kriterien und Zuordnungsmerkmale zur Abgrenzung von abhängiger, zur Versicherungspflicht
führender "Beschäftigung" iS von §
7 SGB IV einerseits und nicht versicherungspflichtiger selbstständiger Tätigkeit andererseits durch das LSG. Damit geht das Vorbringen
der Klägerin auch hier nicht über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge hinaus. Dass sie
die Entscheidung des LSG für falsch hält, ist - wie oben bereits ausgeführt - für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.