Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Paketfahrer
Schönwetter-Selbstständigkeit
Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände
Nichtwahrnehmung von Weisungsrechten
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Beigeladene
zu 1. in seiner Tätigkeit als Paketfahrer für den Kläger aufgrund Beschäftigung vom 5.3.2012 bis 31.8.2014 der Versicherungspflicht
in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.
Der Kläger betreibt ein Satellitendepot für ein Logistikunternehmen und verpflichtete sich jenem gegenüber zur Zustellung
"auf der letzten Meile". Der Beigeladene zu 1. übte verschiedene Tätigkeiten aus, ua war er Inhaber eines Einzelhandelsgeschäfts.
Mit dem Kläger schloss er am 5.3.2012 einen Vertrag über die Durchführung von Sendungszustellungen und -abholungen. Im Rahmen
eines vom Beigeladenen zu 1. initiierten Statusfeststellungsverfahrens stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund
fest, dass er in der Tätigkeit für den Kläger aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung
unterlag. Während das SG unter Bejahung von Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1. die angefochtenen Bescheide aufgehoben hat (SG-Urteil vom 7.4.2016), hat das LSG die Klage abgewiesen (LSG-Urteil vom 25.1.2018). Mit seiner Beschwerde wendet sich der
Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer LSG vom 25.1.2018 ist gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).
Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 21.6.2018 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger wirft auf Seite 9 der Beschwerdebegründung die Frage auf,
"ob vertragliche Vereinbarungen zwischen Zivilpersonen durch abweichende mündliche Vereinbarungen und/oder eine abweichende
tatsächliche Handhabung geändert werden können, auch wenn im schriftlichen Vertrag für Änderungen des Vertrages Schriftform
vereinbart ist."
Unter anderem im Transportgewerbe sei es mittlerweile gang und gäbe, dass es wirtschaftlich starke Generalunternehmer gebe,
die Aufträge einsammelten und dann an Subunternehmer weiterreichen würden. Diesen würden mehr oder minder massive Knebelverträge
von den Generalunternehmern aufgezwungen. Die Subunternehmer wiederum würden die Verträge zumindest teilweise an Subunternehmer
weitergeben. Subunternehmer, die am Ende der Reihe von Kettenvertragsverhältnissen stünden, seien häufig - wie im vorliegenden
Fall der Beigeladene zu 1. - Personen, die nebenher ein Festanstellungsverhältnis hätten, davon aber nicht leben könnten.
Den Vertragsschließenden sei bewusst, dass tatsächlich der Auftragnehmer gerade nicht uneingeschränkt entsprechend diesen
Verträgen eingesetzt würde und Leistungen eben nur eingeschränkt neben seinem Festanstellungsverhältnis erbringen könne. Abweichungen
von den schriftlichen Verträgen, die zwischen den Parteien bekannt seien und tatsächlich so gehandhabt würden, würden nicht
schriftlich dokumentiert.
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil der Kläger keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich
oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert hat. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch
unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
b) Darüber hinaus legt der Kläger auch nicht die Klärungsbedürftigkeit der von ihm in den Raum gestellten Frage dar.
Der Kläger legt nicht dar, warum sich seine allgemeine Frage zur Wirkung von Schriftformabreden in dem konkreten Fall ernsthaft
stellt. Hierzu hätte aber angesichts der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von Selbstständigkeit und (abhängiger) Beschäftigung, auf die das LSG auf Seite 11 des Urteils zum Teil bereits
hingewiesen hat, Anlass bestanden. So hat der Senat insbesondere bereits entschieden, dass eine "Schönwetter-Selbstständigkeit"
mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar
ist (vgl grundlegend BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32 mwN). Damit liegt bereits Rechtsprechung des Senats zu der Thematik, die wohl den tieferen
Hintergrund des Vorbringens des Klägers bildet, vor. Danach kommt es für die Statusentscheidung regelmäßig nicht darauf an,
dass die Beteiligten in Phasen gegenseitigen Wohlwollens in der tatsächlichen Praxis von anderslautenden (schriftlichen) Vereinbarungen
abweichen und ihnen danach zustehende Rechte, zB Weisungsrechte, faktisch nicht wahrnehmen oder ausüben und/oder eine Eingliederung
in eine Organisationsstruktur im Alltag verschwimmen lassen. Hiermit setzt sich der Kläger nicht hinreichend auseinander,
um eine (erneute) Klärungsbedürftigkeit der von ihm in den Raum gestellten Frage darzulegen.
c) Schließlich legt der Kläger auch nicht die Klärungsfähigkeit der in den Raum gestellten Frage dar.
Der Kläger legt nicht dar, inwieweit die Feststellungen des LSG eine Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Frage in einem
Revisionsverfahren ermöglichen würden. Hierzu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil das LSG auf Seite 11 des Urteils
ausdrücklich ausgeführt hat, dass es keine Änderungen oder Ergänzungen des Vertragswerks gab und auch die zur Wirksamkeit
von Änderungen erforderliche Schriftform nicht abbedungen wurde.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Auf Seite 10 der Beschwerdebegründung erblickt der Kläger eine Abweichung zu einem Urteil des Senats (BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30). Er habe seinen Angestellten nur den Mindestlohn von 8,50 Euro gezahlt. Demgegenüber habe der Beigeladene
zu 1. monatlich zwischen 2000 und 2500 Euro bei einer nicht einmal regelmäßigen täglichen Arbeitszeit von zwei bis vier Stunden
erzielt. Die Nichtberücksichtigung der Honorarhöhe durch das LSG sei mit dem tragenden Rechtssatz im genannten Urteil des
BSG nicht vereinbar.
Hierdurch legt der Kläger eine entscheidungserhebliche Divergenz nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden
Weise dar, weil er keinen Widerspruch im Grundsätzlichen aufzeigt. Vielmehr behauptet er "nur", dass das LSG einen von ihm
- dem Kläger - als tragend angesehenen Rechtssatz des BSG nicht beachtet habe. Damit rügt der Kläger aber im Kern lediglich eine vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen
Urteils. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG, auch unter dem Aspekt einer Divergenz, nicht gestützt werden. Schließlich befasst sich der Kläger auch nicht hinreichend
damit, dass der Senat in dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil die Honorarhöhe lediglich als "gewichtiges Indiz" für Selbstständigkeit
angesehen (BSG, aaO, RdNr 50-52) und daher eine insoweit bestehende (alleinige) Entscheidungserheblichkeit nicht angenommen hat.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.