Versicherungspflicht eines GmbH-Gesellschafters in der gesetzlichen Rentenversicherung
Grundsatzrüge
Höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage ohne ausdrückliche Entscheidung
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Beigeladene
zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin als "Director Finance and Operations" in der Zeit vom 1.9.2011 bis 16.12.2012 aufgrund
(abhängiger) Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung
unterlag.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.5.2014 ist
in entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
1. Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 30.12.2014 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Die Klägerin wirft auf Seite 2 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Ist die Rechtsmacht eines GmbH-Gesellschafters, der über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt und in der
Gesellschaft angestellt, jedoch nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, der einer Sperrminorität vergleichbar, wenn sein Geschäftsanteil
in Höhe von 50 % treuhänderisch durch einen weiteren, ebenfalls zu 50 % am Stammkapital der GmbH beteiligten GmbH-Gesellschafter
Geschäftsführer verwaltet wird, dieser aber durch notarielle Regelung an Anweisungen des GmbH-Gesellschafters gebunden ist,
so dass der GmbH-Gesellschafter nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH steht."
Das BSG habe für GmbH-Gesellschafter, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügten und damit einen
maßgebenden Einfluss auf deren Entscheidung besäßen, grundsätzlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH verneint
(Hinweis auf BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5). Bei Vorliegen einer Sperrminorität gehe die ständige Rechtsprechung des BSG bei einem Kapitalanteil von 50 % an der GmbH davon aus, dass dann ein entscheidender Einfluss auf die Geschicke der GmbH
sowie insbesondere die Rechtsmacht bestehe, Beschlüsse zu verhindern, die sich nachteilig auf das Dienstverhältnis auswirkten,
so dass in diesen Fällen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis von vornherein auszuschließen sei. Wer kraft seiner Gesellschafterrechte
die für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vermeiden könne, könne nicht Arbeitnehmer der
Gesellschaft sein. Der Beigeladene zu 1. habe eine, einer Sperrminorität vergleichbare, Rechtsmacht besessen, die es ihm ermöglicht
habe, Beschlüsse zu verhindern, die sich nachteilig auf sein Dienstverhältnis auswirkten. Diese Rechtsmacht habe dem Beigeladenen
zu 1. trotz des Treuhandvertrages zugestanden, da dieser Treuhandvertrag vorgesehen habe, dass der Treuhänder - der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer
- an Anweisungen des Treugebers - also des Beigeladenen zu 1. - gebunden sei.
Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge nicht (vgl hierzu allgemein BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
a) Es bestehen bereits Zweifel daran, ob die Klägerin überhaupt eine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich
oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert hat (vgl allgemein BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181). Dies kann jedoch offenbleiben,
denn jedenfalls genügt die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen
Frage - ihre Qualität als hinreichend konkrete, in einem späteren Revisionsverfahren prüfbare Rechtsfrage unterstellt - nicht.
Als höchstrichterlich geklärt muss eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar für einzelne
Berufsgruppen oder bestimmte Tätigkeitsfelder und Fallkonstellationen noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung
der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift jedoch schon viele höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende
Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Hier kommt es dann
in der Regel (lediglich) auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt
an (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Zweifel, muss die Beschwerde diese ausräumen.
Hierzu gehört auch, die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte
hin zu untersuchen oder in der gebotenen Weise Widersprüche und damit Klärungsbedarf herauszuarbeiten. Dies unterlässt die
Klägerin trotz der umfangreichen Hinweise des LSG auf die aktuelle Rechtsprechung des BSG.
b) Schließlich wird die Beschwerdebegründung auch den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen
Frage nicht gerecht: Die Klägerin befasst sich insbesondere nicht damit, dass die Zuordnung einer Tätigkeit zum rechtlichen
Typus der (abhängigen) Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit nach deren Gesamtbild vorzunehmen ist und voraussetzt,
dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend
erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend
und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 25 mwN). Demzufolge beachtet sie nicht die sich hieraus für die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der von
ihr formulierten Frage ergebenden Konsequenzen: Weil das LSG sein Ergebnis auf eine Gesamtabwägung verschiedener Indizien
gegründet hat (vgl insbesondere Seite 13 und 18 des Berufungsurteils), hätte die Klägerin alle vom LSG in die Abwägung eingestellten
Gesichtspunkte sowie deren jeweilige vom LSG vorgenommene Gewichtung benennen und darlegen müssen, dass sich durch die von
ihr favorisierte Beantwortung der formulierten Frage das Gewicht der vom LSG in die vorgenommene Gesamtabwägung eingestellten
Indizien so zu ihren (der Klägerin) Gunsten verschieben würde, dass entgegen dem Abwägungsergebnis des LSG eine Beschäftigung
des Beigeladenen zu 1. nicht mehr angenommen werden könnte. Zur Erfüllung entsprechender Darlegungserfordernisse genügt es
nicht, dass die Klägerin ihre Frage nach der Bedeutung eines "Treuhandverhältnisses" zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer
der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. als weiteren Gesellschafter derart zuspitzt, dass sie nur in Form eines "entweder/oder"
beantwortet werden kann (so Seite 4 der Beschwerdebegründung: "in diesen Fällen [ist] ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
von vornherein auszuschließen."). Vielmehr hätte die Klägerin insbesondere die vom LSG zur Ausgestaltung des "Treuhandverhältnisses"
konkret festgestellten Tatsachen insgesamt darstellen, im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Unterwerfung des Beigeladenen
zu 1. unter Weisungen des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin rechtlich bewerten und ihrem hieraus folgenden Gewicht
entsprechend zusammen mit allen anderen vom LSG festgestellten Indizien (insbesondere: keine Stellung des Beigeladenen zu
1. als Mit-Geschäftsführer der Klägerin, umfassende Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in die Betriebsorganisation) in die
Abwägung einstellen müssen. Denn nur anhand des vom LSG konkret mit Bindungswirkung für das BSG festgestellten Inhalts eines "Treuhandverhältnisses" kann - dessen grundsätzliche Eignung zur Ablösung eines Weisungsrechts
(der Klägerin folgend) unterstellt - beurteilt werden, ob dieses im Einzelfall entscheidungserheblich sein kann.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 8.12.2010 - 1 BvR 1382/10 - NJW 2011, 1497).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG.