Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen
Keine Bindung der Sozialgerichte an Entscheidungen von Strafgerichten
Eigene Beweiserhebung und Beweiswürdigung
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie Säumniszuschlägen streitig. Der Kläger erbringt als Einzelunternehmer
ua Trockenbauarbeiten und setzte dabei den Beigeladenen zu 2. ein. Für dessen Tätigkeit forderte die Beklagte vom Kläger mit
bestandskräftigem Bescheid vom 16.7.2012 für die Zeit vom 7.1.2008 bis zum 3.3.2011 Sozialversicherungsbeiträge sowie Säumniszuschläge
in Höhe von zusammen 78 972,82 Euro. Seinen Antrag auf Rücknahme dieses Verwaltungsakts lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom
29.10.2012, Widerspruchsbescheid vom 12.2.2013). Nachdem sie die Forderung auf 72 904,83 Euro herabgesetzt hatte (Bescheid
vom 18.9.2014), hat das SG Nürnberg die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.12.2015). Das Bayerische LSG hat die Berufung aus
den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände, ua der Vernehmung
des Klägers und des Beigeladenen zu 2. durch das Hauptzollamt, sei von einer Beschäftigung auszugehen. Der Beigeladene zu
2. sei in den Betrieb des Klägers eingegliedert und in zeitlicher, örtlicher sowie fachlicher Hinsicht weisungsgebunden gewesen.
Der Freispruch des Klägers im Strafverfahren führe zu keiner anderen Beurteilung (Urteil vom 9.8.2018). Gegen die Nichtzulassung
der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über
den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung
durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung
ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des §
162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und
des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich
ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger misst der Frage,
"ob das Landessozialgericht an eine Entscheidung des Amtsgerichts in Strafsachen in derselben Angelegenheit gebunden ist",
eine grundsätzliche Bedeutung bei. Es kann dahingestellt bleiben, ob damit schon keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich
oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert worden ist. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen
Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen
kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Jedenfalls ist die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen
Frage nicht dargetan.
Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese
bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche
Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten
Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Die daher gebotene Auseinandersetzung mit der entscheidungsrelevanten Rechtsprechung des BSG zur Bedeutung von Statusbeurteilungen durch Strafgerichte für sozialgerichtliche Verfahren lässt die Beschwerde aber vermissen.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 23.5.2017 (B 12 KR 9/16 R - BSGE 123, 180 = SozR 4-2400 § 26 Nr 4, RdNr 26) ausgeführt, dass Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte grundsätzlich nicht an die
Entscheidungen von Strafgerichten gebunden sind und sie weder deren Einschätzung zum Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung
oder selbstständigen Tätigkeit vorschnell übernehmen noch im Hinblick auf Strafurteile von einer eigenen Beweiserhebung und
Beweiswürdigung absehen dürfen. Weshalb sich anhand dieser Rechtsprechung die vom Kläger aufgeworfene Frage nicht beantworten
lassen soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschlüsse vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Eine solche Abweichung hat der Kläger nicht dargetan. Er macht lediglich geltend, die Qualifizierung der Tätigkeiten des Beigeladenen
zu 2. als nichtselbstständige Arbeit sei mit dem tragenden Rechtssatz des BSG in dessen Urteil vom 31.3.2017 (B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30) unvereinbar, dass eine selbstständige Tätigkeit immer dann vorliege, wenn die Vergütung des betroffenen
Subunternehmers deutlich über der Vergütung eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers liege.
Damit sind schon keine sich widersprechenden Rechtssätze aufgezeigt worden. Zudem hat der Kläger nicht dargelegt, dass das
LSG die Rechtsprechung des BSG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch infrage gestellt hätte. Vielmehr wird lediglich die Richtigkeit
der angefochtenen Entscheidung beanstandet. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber
nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
3. Auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann eine Beschwerde nur gestützt werden, wenn sich der geltend gemachte Verfahrensmangel auf einen
Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Das Übergehen eines Beweisantrags ist aber nur dann ein Verfahrensfehler, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen
wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht. Insoweit ist darzulegen,
dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt
wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte, in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder
bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, dass das LSG von sich
aus Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, bis zuletzt aufrechterhalten oder gestellt worden ist (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f; BSG Beschluss vom 28.5.1997 - 9 BV 194/96 - SozR 3-1500 § 160 Nr 20 S 32 f). Dass der Kläger einen prozessordnungsgemäß gestellten Beweisantrag zur Aufklärung der Vernehmungssituation
beim Hauptzollamt bis zuletzt aufrechterhalten hätte, ist ebenfalls nicht dargetan.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und 3 S 1, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG.