Versicherungspflicht eines LKW-Fahrers in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung
Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit
Grundsatzrüge
Zweifel an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
1. Die Zuordnung einer Tätigkeit zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. selbstständigen Tätigkeit ist nach deren Gesamtbild
vorzunehmen und setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt,
in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar,
d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden.
2. Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Zweifel, muss die Beschwerde diese ausräumen.
3. Hierzu gehört auch, die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte
hin zu untersuchen oder in der gebotenen Weise Widersprüche und damit Klärungsbedarf herauszuarbeiten.
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger - ein
LKW-Fahrer - in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - einer Spedition - aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung
unterlag.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 26.11.2014 ist
gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil bzw der angefochtene Beschluss von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil bzw der auf die Berufung ergangene Beschluss sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber
nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
1. Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 27.2.2015 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Der Kläger führt auf Seite 2 der Beschwerdebegründung aus, es gehe "um die korrekte Anwendung von Verfassungsrecht, nämlich
Art.
12 des
Grundgesetzes (Berufsfreiheit)". Das LSG habe entscheidend darauf abgestellt, ob ein Fahrer ein eigenes Fahrzeug für Transporte einsetze.
Dies könne jedoch "nicht wirklich maßgeblich entscheidend sein, denn dann würde man dem Kläger auf dem Weg in die Selbständigkeit
Knüppel zwischen die Beine werfen". Das "legitime aber auch gesellschaftspolitische gewollte Ziel, nämlich möglichst viele
dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu entziehen und auf den Weg der Selbständigkeit zu bringen" dürfe nicht "durch eine viel zu
enge Auslegung/Annahme des Begriffs eines 'abhängigen Beschäftigungsverhältnisses' verwehrt werden", vielmehr bestehe hierauf
ein verfassungsrechtlicher Anspruch. Dies habe das LSG verkannt. Ein vom LSG herangezogenes Urteil des BSG (Hinweis auf BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5) sei wegen des unterschiedlichen Sachverhalts mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.
Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge schon im Ansatz nicht (vgl hierzu exemplarisch
BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
a) Der Kläger formuliert bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl allgemein BSG vom 6.4.2010 -B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).
b) Auch genügt die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht. Als höchstrichterlich
geklärt muss eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar für einzelne Berufsgruppen oder
bestimmte Tätigkeitsfelder noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift
jedoch schon viele höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von
der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Hier kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung
der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt - eine bestimmte Berufsgruppe oder ein
bestimmtes Tätigkeitsfeld - an (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Zweifel, muss die Beschwerde diese ausräumen.
Hierzu gehört auch, die bereits vorliegende - und von dem Kläger teilweise auch zitierte - höchstrichterliche Rechtsprechung
auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte hin zu untersuchen oder in der gebotenen Weise Widersprüche und damit Klärungsbedarf
herauszuarbeiten. Dies unterlässt der Kläger in seiner drei Seiten umfassenden Beschwerdebegründung völlig und verweist lediglich
hinsichtlich einer einzigen Entscheidung des BSG auf unterschiedliche Sachverhaltskonstellationen. Soweit der Kläger auf die durch Art
12 Abs
1 GG verfassungsrechtlich garantierte Berufsfreiheit verweist, unterlässt er jedwede vertiefte Auseinandersetzung hiermit sowie
mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Versicherungspflicht in der Sozialversicherung (zu den insoweit geltenden Anforderungen
vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - Juris).
c) Schließlich wird die Beschwerdebegründung auch den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen
Frage nicht gerecht: Der Kläger befasst sich insbesondere nicht damit, dass die Zuordnung einer Tätigkeit zum rechtlichen
Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit nach deren Gesamtbild vorzunehmen ist und voraussetzt, dass alle nach
Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet,
in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei
gegeneinander abgewogen werden (stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 25 mwN). Demzufolge beachtet er nicht die sich hieraus für die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit ergebenden
Konsequenzen: Weil das LSG sein Ergebnis auf eine Gesamtabwägung verschiedener Indizien gegründet hat (vgl insbesondere Seite
10 der Berufungsentscheidung), hätte der Kläger alle vom LSG in die Abwägung eingestellten Gesichtspunkte sowie deren jeweilige
vom LSG vorgenommene Gewichtung benennen und darlegen müssen, dass sich das von ihm hinterfragte Kriterium (Vorhandensein
eines eigenen LKW) das Gewicht der vom LSG in die vorgenommene Gesamtabwägung eingestellten Indizien so zu seinen (des Klägers)
Gunsten verschieben würde, dass entgegen dem Abwägungsergebnis des LSG eine Beschäftigung nicht mehr angenommen werden könnte.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 8.12.2010 - 1 BvR 1382/10 - NJW 2011, 1497).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.