Vertretung juristischer Person im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Rechtmäßigkeit einer Beitragsforderung.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Hamburg
macht die Klägerin von den in §
160 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) genannten Zulassungsgründen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel geltend.
Die Beschwerde ist unzulässig, denn in der Begründung ist weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der nach §
160a Abs
2 Satz 2
SGG gebotenen Weise dargelegt noch der Verfahrensmangel bezeichnet.
Die Beschwerde sieht es als Verfahrensmangel an, dass das LSG die Berufung als zulässig angesehen hat, obwohl die Berufungsschrift
von einem Beschäftigten der Beklagten mit dem Zusatz "i.A." unterzeichnet worden war.
Mit diesem Vorbringen wird ein Verfahrensmangel nicht schlüssig bezeichnet. Lassen sich juristische Personen des öffentlichen
Rechts wie die Klägerin gemäß §
71 Abs
3 SGG durch eigene Beamte oder Angestellte vertreten, so ist es unerheblich, ob der für die juristische Person des öffentlichen
Rechts Handelnde ausdrücklich "in Vertretung" oder "im Auftrag" auftritt oder ob er bei schriftlichen Erklärungen seiner Unterschrift
entsprechende Zusätze hinzufügt oder nicht. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach entschieden (Beschluss
vom 22. April 1994, Az.: 14/14b BEg 7/93 = JURIS Nr KSRE 046041106 und Beschluss vom 27. Mai 1998, Az.: B 13 RJ 177/97 B = JURIS Nr KSRE 026161508). Für die Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze durch Beschäftigte einer Behörde im sozialgerichtlichen
Verfahren gilt damit nicht die von der Beschwerde angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Unwirksamkeit
einer Unterzeichnung mit dem Zusatz "im Auftrag" bei bestimmenden Schriftsätzen im Anwaltsprozess.
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage wird in der Beschwerdebegründung nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dargelegt.
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage
sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung
im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit)
ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtslage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt
die Beschwerdebegründung nicht. Die Beschwerde sieht es als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung an,
- wer kann eine Berufungsschrift außer dem Geschäftsführer eines Sozialversicherungsträgers rechtswirksam unterzeichnen?
- in welcher Weise muss der Unterzeichner einer Berufungsschrift kenntlich machen, dass er hierbei den Geschäftsführer vertritt?
- gibt ein Unterzeichner einer Berufungsschrift mit dem Zusatz "i.A." (im Auftrag) zum Ausdruck, dass er selbst keine Verantwortung
für den Inhalt übernimmt und nur als Erklärungsbote auftritt?
- können Umstände außerhalb der Urkunde zur Klärung des Vertretungswillens und der Vertretungsmacht herangezogen werden oder
nicht und ggf in welchem Umfang?
- sind die vorgenannten Voraussetzungen, wenn sie bei Unterzeichnung fehlen, nachträglich noch heilbar, ggf wodurch und in
welchem Zeitraum?
Die ersten drei hier aufgeworfenen Rechtsfragen sind entgegen der Behauptung in der Beschwerdebegründung nicht zweifelhaft
oder ungeklärt, da sie sich aus dem Gesetz ergeben oder durch die Rechtsprechung geklärt sind. Nach §
71 Abs
3 SGG handeln für Behörden ihre gesetzlichen Vertreter, Vorstände oder besonders Beauftragte. In den genannten Beschlüssen vom
22. April 1994 und 27. Mai 1998 hat das BSG nicht nur entschieden, dass es bei der Vertretung einer juristischen Person durch
Beschäftigte nach §
71 Abs
3 SGG unerheblich ist, ob der Handelnde schriftliche Erklärungen mit dem Zusatz "i.A." oder im Auftrag unterzeichnet. Das BSG hat
auch entschieden, dass es für die Wirksamkeit einer Prozesshandlung keiner Vollmacht des Beschäftigten bedarf. Aus diesen
Entscheidungen und dem Gesetz ergibt sich damit, dass Beschäftigte des Sozialversicherungsträgers eine Berufungsschrift wirksam
unterzeichnen können, auch wenn sie nicht Geschäftsführer des Sozialversicherungsträgers sind,
der Unterzeichner einer Berufungsschrift nicht kenntlich machen muss, dass er den Geschäftsführer vertritt und
der Zusatz "i.A." bei der Unterschrift für die Wirksamkeit der Berufungseinlegung unerheblich ist.
Diese Rechtsprechung des BSG stimmt mit der Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) als auch des Bundesfinanzhofs
(BFH) zu vergleichbaren Vorschriften in der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) und der Finanzgerichtsordnung überein (vgl BVerwG, Beschluss vom 16. März 1993, Az.: 4 B 253/92 = DVBl 1993, 884 = Buchholz 310 §
67 VwGO Nr 80 und BFH, Urteil vom 26. Februar 2002, Az.: X R 4/00 = BFH/NV 2002, 1140 mwN). Die Beschwerde setzt sich mit diesen Entscheidungen und dem Wortlaut von §
71 Abs
3 SGG nicht auseinander, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, um die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage aufzuzeigen.
Die vorletzte in der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, weil sie sich nach dem Stand der Rechtsprechung
nicht ernsthaft stellt. Soweit Vertretungsvollmacht und Vertretungswille bei einer Berufungsschrift, die von einem Beschäftigten
des Sozialversicherungsträgers unterzeichnet ist, überhaupt zweifelhaft sein kann, ist es offensichtlich, dass auch "Umstände
außerhalb der Urkunde" für die Feststellung herangezogen werden können. Auch hier zeigt die Beschwerde nicht auf, weshalb
die Frage gleichwohl klärungsbedürftig sein soll. Die letzte Frage ist keine klärungsfähige Rechtsfrage, weil nicht zu erkennen
ist, was mit den fehlenden "vorgenannten Voraussetzungen" gemeint ist.
Die unzulässige Beschwerde hat der Senat in entsprechender Anwendung von §
169 SGG verworfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.