Anspruch auf höhere Witwenrente ohne Minderung eines Zugangsfaktors und Einkommensanrechnung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Mit Urteil vom 13.6.2019 hat das LSG Mecklenburg-Vorpommern einen Anspruch der Klägerin auf höhere Witwenrente ohne Minderung
des Zugangsfaktors und Einkommensanrechnung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Verfahrensmängel (Zulassungsgründe nach §
160 Abs
2 Nr
1 und
3 SGG).
II
Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen
§
160a Abs
2 Satz 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet. Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig
hält, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
1. Die Klägerin macht zunächst geltend, die angegriffene Entscheidung des LSG beruhe auf Verfahrensmängeln (Revisionszulassungsgrund des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG), weil wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Richter hieran mitgewirkt hätten, gegen das Prinzip der mündlichen Verhandlung
verstoßen und ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
Ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.10.2018 - B 13 R 59/18 B - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen,
dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung
des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu §
162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 23). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer
diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser
Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel
beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.
a) Als Verfahrensmangel rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung ihres Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter
nach Art
101 Abs
1 Satz 2
GG durch die Mitwirkung von ihr wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnter Richter an der angefochtenen Entscheidung. Insoweit
macht sie geltend, dass LSG habe ihr Befangenheitsgesuch vom 12.6.2019 durch Beschluss vom 13.6.2019 zu Unrecht abgelehnt.
Im Hinblick auf die vom 4. Senat des LSG zuvor abgelehnte Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung über ihre Berufung
am 13.6.2019 sei das Befangenheitsgesuch iS des §
60 Abs
1 SGG (iVm §
42 Abs
1 Alt 2, Abs
2 ZPO) begründet gewesen.
Auf die vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit einer Entscheidung des LSG über ein Befangenheitsgesuch kann die Nichtzulassungsbeschwerde
aber schon deswegen nicht zulässig gestützt werden, weil auch diese Beschlüsse des LSG nach §
177 SGG unanfechtbar sind, eine Entscheidung über einen Befangenheitsantrag nicht revisibel ist und insoweit §
557 Abs
2 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren greift (vgl BSG Beschluss vom 27.6.2019 - B 5 R 1/19 B - juris RdNr 9 mwN). Die Rüge, das Berufungsgericht sei bei Erlass des angefochtenen Urteils fehlerhaft besetzt gewesen, weil ein Ablehnungsgesuch
gegen mitwirkende Richter wegen Besorgnis der Befangenheit zuvor zu Unrecht abgewiesen worden sei, kann im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde
deshalb nur darauf gestützt werden, die Zurückweisung des Ablehnungsantrags beruhe auf willkürlichen Erwägungen oder habe
Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG grundlegend verkannt (vgl BSG Beschluss vom 5.8.2003 - B 3 P 8/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 1; BSG Beschluss vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - SozR 4-1100 Art 101 Nr 3; BSG Beschluss vom 21.9.2017 - B 13 R 230/17 B - juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 16.7.2020 - B 1 KR 70/19 B - juris RdNr 6 jeweils mwN). Dass die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen manipulativen Erwägungen beruht hat, die für die Fehlerhaftigkeit
des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, oder dass die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs jedenfalls darauf
hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG grundlegend verkannt hat, hat die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen. Ebenso wenig hat die Klägerin geltend gemacht, dass
eine andere Konstellation vorgelegen habe, in der ausnahmsweise ein Verfahrensmangel in Bezug auf ein Befangenheitsgesuch
gerügt werden könnte, etwa weil hierüber nicht entschieden oder dieses zu Unrecht unter Mitwirkung der abgelehnten Richter
als unzulässig bzw rechtsmissbräuchlich abgelehnt worden wäre (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
60 RdNr 14 mwN).
b) Darüber hinaus rügt die Klägerin, das LSG habe einen Antrag eines ihrer Prozessbevollmächtigten übergangen, ihm zur ergänzenden
Begründung des Ablehnungsgesuchs die Gerichtsakte nebst dienstlicher Stellungnahmen der abgelehnten Richter zur Einsicht zuzuleiten.
Zwar kann dies einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art 103 Abs 1
SGG) begründen. Jedoch versäumt es die Klägerin, der vor Beschwerdebegründung Akteneinsicht durch das BSG gewährt worden ist, wie erforderlich darzulegen, welches weitere Vorbringen durch das Verhalten des LSG unterblieben sei
(vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 697 mwN) und dass die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen könne.
c) Schließlich wird auch eine zumindest sinngemäß gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art 103 Abs 1
SGG) nicht hinreichend bezeichnet, wenn die Klägerin wiederholt darauf hinweist, das LSG habe wegen der angezeigten Erkrankung
des Rechtsanwalts S am 13.6.2019 nicht verhandeln und entscheiden dürfen.
Zwar hat das BVerwG - worauf sich die Klägerin beruft - durch Beschluss vom 9.12.1983 (4 C 44/83 - NJW 1984, 882) entschieden, dass bei Erkrankung des sachbearbeitenden Anwalts einer prozessbevollmächtigten Rechtsanwaltssozietät kurze
Zeit vor der mündlichen Verhandlung die beantragte Verlegung des Verhandlungstermins nicht schlechthin mit der Begründung
abgelehnt werden dürfe, eines der anderen Sozietätsmitglieder könne den Termin wahrnehmen. Im konkreten Fall sei es nach der
Erkrankung des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten der dortigen Klägerin den beiden anderen Rechtsanwälten der Sozietät
nicht zuzumuten gewesen, bereits am folgenden Tag vor dem OVG eine Berufungsverhandlung in einer ihnen bis dahin unbekannten
Sache zu führen (BVerwG Beschluss vom 9.12.1983 - 4 C 44/83 - NJW 1984, 882 - juris RdNr 17). Hieraus kann aber entgegen der Ansicht der Klägerin keinesfalls gefolgert werden, ein Antrag auf Terminsverlegung dürfe
niemals mit der Begründung abgelehnt werden, ein anderes Mitglied der Sozietät könne und müsse den Termin wahrnehmen und sich
in die Sache einarbeiten. Vielmehr stellt die Durchführung der mündlichen Verhandlung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
keinen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dar, wenn einem mit dem an der Terminwahrnehmung gehinderten Rechtsanwalt
in Sozietät stehendem Rechtsanwalt genügend Zeit zur Einarbeitung in den Prozessstoff verbleibt (BFH Beschluss vom 23.8.2006 - V B 171/04 - juris RdNr 13 ff unter ausdrücklichem Hinweis auf den Beschluss des BVerwG vom 9.12.1983), etwa bei Urlaub oder längerer Krankheit des sachbearbeitenden Rechtsanwalts. In diesem Sinne hat auch der erkennende Senat
bereits entschieden, dass die Verhinderung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts einer insgesamt bevollmächtigten Sozietät nur
dann ein erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung ist, wenn einem anderen Rechtsanwalt der Sozietät keine ausreichende
Einarbeitungszeit mehr bleibt oder ein sonstiges besonderes Interesse an der Wahrnehmung des Termins durch den sachbearbeitenden
Rechtsanwalt gegenüber dem Interesse des Gerichts an der Beschleunigung des Verfahrens überwiegt (BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 13 R 443/13 B - juris RdNr 9 mwN).
Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin in der Beschwerdebegründung detailliert aufzeigen müssen, dass und aus welchen Gründen
die weiteren Mitglieder der bevollmächtigten Sozietät nicht in der Lage gewesen seien, sich rechtzeitig in den Prozessstoff
einzuarbeiten. Zwar wird dies pauschal behauptet, jedoch fehlt es in der Beschwerdebegründung an jeglichen konkreten Angaben
hierzu. Schon die Angabe, wann die Erkrankung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts eingetreten und die Notwendigkeit einer
Vertretung im Termin am 13.6.2019 erkennbar geworden ist, erfolgt nicht. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil sich die
Klägerin auf einen mehrtägigen Krankenhausaufenthalt und eine attestierte Reiseunfähigkeit des sachbearbeitenden Rechtsanwalts
beruft, weshalb nicht ohne Weiteres erkennbar ist, dass den weiteren Sozietätsangehörigen nicht genügend Zeit verblieben ist,
um sich auf die Vertretung vorzubereiten. Auch deren Verhinderung am 13.6.2019 wird nicht geltend gemacht.
Sofern die Klägerin im Rahmen der Sachverhaltsschilderung auf Seite 13 der Beschwerdebegründung vorträgt "Gleiches gilt für
die (unstreitige) Behauptung, die Klägerin sei nicht allein durch Herrn S bevollmächtigt worden, sondern die (Mitglieder der)
Kanzlei", ist schon nicht eindeutig erkennbar, ob sich die Klägerin in Bezug auf die unterbliebene Terminsverlegung auf eine
alleinige Bevollmächtigung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts beruft. Jedenfalls fehlt es insoweit an konkreten Angaben,
etwa zum Inhalt der erteilten Vollmacht, die eine Einzelbevollmächtigung anstelle der üblichen Kanzleibevollmächtigung nachvollziehbar
machen könnten.
2. Die Beschwerdebegründung vom 2.10.2019 genügt ebenfalls nicht den Anforderungen aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG, soweit sich die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen,
inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt
darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - juris RdNr 12).
Die Klägerin misst folgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung zu:
"1. Ist die gleichzeitige Anwendung der Absenkung des Zugangsfaktors gemäß §
77 SGB VI und der Anrechnungsregeln des §
97 SGB VI mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art.
14 und Art.
3 Abs.
1 GG, vereinbar?
2. Ist die gleichzeitige Anwendung der Absenkung des Zugangsfaktors gemäß §
77 SGB VI und der Anrechnungsregeln des §
97 SGB VI mit Art. 28 Abs. 2e der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar?"
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit zwei hinreichend konkrete Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder
zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt
ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls hat sie - die Qualität als Rechtsfrage jeweils unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit
bzw Klärungsfähigkeit dieser Fragen nicht den nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.
a) Hinsichtlich der ersten Frage, mit der die Klägerin einen Grundgesetzverstoß infolge kumulativer Anwendung von §
77 SGB VI und §
97 SGB VI rügt, genügt die Beschwerdebegründung nicht den insoweit geltenden Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit.
Wird mit der Beschwerde ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, darf sich die Beschwerdebegründung nicht auf die bloße Behauptung
der Verfassungswidrigkeit beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und
des BSG zu der oder den als verletzt erachteten Verfassungsnormen in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen
welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG Beschluss vom 24.7.2018 - B 13 R 23/18 B - juris RdNr 8 mwN). Speziell in Bezug auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des BSG und des BVerfG darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen.
Dabei muss sie sich insbesondere auch mit den Gründen für eine Differenzierung zwischen den Vergleichsgruppen auseinandersetzen
(BSG Beschluss vom 25.1.2017 - B 13 R 350/16 B - juris RdNr 8 mwN). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
aa) In Bezug auf eine vermeintliche Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art
3 Abs
1 GG fehlt es an jedweder Darstellung der in der Rechtsprechung des BVerfG hierzu entwickelten Dogmatik und dem vorliegend anzuwendenden
Prüfungsmaßstab (vgl zB BVerfG Urteil vom 17.12.2014 - 1 BvL 21/12 - BVerfGE 138, 136 RdNr 121 f). Auch die im Rahmen der Rüge einer Gleichheitssatzverletzung stets erforderliche Vergleichsgruppenbildung wird mit einem
Hinweis auf den Wohnort der Klägerin im Beitrittsgebiet und der dadurch fehlenden Möglichkeit, von der Übergangsregelung des
§
314 SGB VI Gebrauch zu machen, allenfalls angedeutet. Doch wird in keiner Weise erläutert, inwiefern unter dem Gesichtspunkt des nach
§
314 SGB VI gewährten Vertrauensschutzes in die bis zum 31.12.1985 im Altbundesgebiet fehlende Einkommensanrechnung bei Hinterbliebenenrenten
eine Vergleichbarkeit zwischen Versicherten in den alten und in den neuen Bundesländern bestehen könnte. Dies wäre schon deswegen
erforderlich gewesen, weil nach dem vor Inkrafttreten des
SGB VI im Gebiet der neuen Bundesländer in der DDR geltenden Recht eine solche Anrechnung vorgeschrieben war. Insofern wäre darzulegen
gewesen, warum gleichwohl ein solches Vertrauen hätte entstehen können.
bb) Auch im Übrigen wird die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht dargelegt. So wird in der Beschwerdebegründung zwar
eingeräumt, dass nach ständiger Rechtsprechung des BSG sowohl die Minderung des Zugangsfaktors als auch die Einkommensanrechnung bei Hinterbliebenenrenten unbedenklich sind (vgl zB BSG Urteil vom 14.8.2008 - B 5 R 98/07 R - SozR 4-2600 § 77 Nr 6; BSG Urteil vom 17.4.2012 - B 13 R 15/11 R - SozR 4-2400 § 18a Nr 2; BSG Urteil vom 7.8.2014 - B 13 R 39/13 R - juris RdNr 18; BSG Urteil vom 27.5.2014 - B 5 R 6/13 R - BSGE 116, 64 = SozR 4-2600 § 97 Nr 2, RdNr 12 mwN). Zur Darlegung, dass die aufgeworfenen Fragen gleichwohl nicht höchstrichterlich geklärt seien, behauptet die Klägerin jedoch
lediglich, die kumulative Wirkung der Minderung des Zugangsfaktors und der Einkommensanrechnung sei bisher nicht berücksichtigt
worden. Allerdings versäumt sie es, auf die einschlägigen Entscheidungen des BSG und des BVerfG (BVerfG Beschluss vom 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86 - BVerfGE 97, 271; BVerfG Kammerbeschluss vom 7.2.2011 - 1 BvR 642/09) im Einzelnen einzugehen. So mangelt es insbesondere an einer Untersuchung, ob dort ausreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden
sind, wie BVerfG und BSG die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer Kumulation beider Mechanismen beantworten würden. Denn hätte die Klägerin die
erforderliche Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung vorgenommen, hätte sie erkennen können, dass dem Urteil des BSG vom 14.8.2008 (B 5 R 98/07 R - SozR 4-2600 § 77 Nr 6) durchaus eine Fallgestaltung zugrunde lag, in der neben einer Minderung des Zugangsfaktors auch eine Einkommensanrechnung
stattgefunden hatte.
cc) Nicht dargelegt ist die Klärungsbedürftigkeit schließlich auch, wenn die Klägerin zwar einräumt, das BVerfG habe die Einkommensanrechnung
bereits für verfassungsgemäß erachtet, aber im Hinblick auf die im Urteil des BSG vom 29.1.2004 (B 4 RA 29/03 R - BSGE 92, 113 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1) geäußerte Kritik am Beschluss des BVerfG vom 18.2.1998 (1 BvR 1318/86 - BVerfGE 97, 271) erneuten Klärungsbedarf sieht. In Bezug auf die Darlegung einer erneuten Klärungsbedürftigkeit (zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl BSG Beschluss vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13, juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 2.8.2018 - B 10 ÜG 7/18 B - juris RdNr 8 mwN) versäumt es die Klägerin auch hier zunächst, sich mit dem weiteren Inhalt des genannten BSG-Urteils auseinanderzusetzen, wonach auch der damals entscheidende 4. Senat des BSG die Anrechnung von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen auf den Witwen-/Witwerrentenanspruch für verfassungsgemäß befunden
und sich so der Rechtsprechung des BVerfG im Ergebnis angeschlossen hat. Zum anderen versäumt es die Klägerin aber auch, die
jüngere Rechtsprechung des BSG und BVerfG in ihre Betrachtung mit einzubeziehen, die der vom 4. Senat geäußerten abweichenden Auffassung zum Eigentumsschutz
der Hinterbliebenenrenten nach Art
14 Abs
1 GG gerade nicht gefolgt ist (vgl zB BSG Urteil vom 14.8.2008 - B 5 R 98/07 R - SozR 4-2600 § 77 Nr 6; nachgehend BVerfG Kammerbeschluss vom 7.2.2011 - 1 BvR 642/09; BSG Urteil vom 17.4.2012 - B 13 R 15/11 R - SozR 4-2400 § 18a Nr 2 RdNr 27).
b) Die Beschwerdebegründung genügt darüber hinaus nicht den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der zweiten
von der Klägerin formulierten Frage, die auf die Vereinbarkeit der Regelungen der §§
77 und
97 SGB VI mit Art 28 Abs 2 Buchst e des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) zielt.
Zwar trifft es zu, dass zu dieser Frage bisher keine Rechtsprechung des BSG vorliegt, jedoch durfte es die Klägerin nicht bei dieser Feststellung und der impliziten Behauptung eines Konventionsverstoßes
belassen. Vielmehr hätte es der Klägerin oblegen, sich unter Würdigung der zur Bedeutung der UN-BRK in Bezug auf die Anwendung
einfachen Bundesrechts im allgemeinen bereits ergangen höchstrichterlichen Rechtsprechung mit dem Wortlaut des Art 28 Abs
2 Buchst e UN-BRK auseinanderzusetzen und die konkrete Möglichkeit eines Konventionsverstoßes nachvollziehbar darzulegen.
Im Rahmen des Abschnitts "III. Grundsätzliche Bedeutung" der Beschwerdebegründung fehlen solche Ausführungen vollständig.
Aber selbst wenn man Passagen des Abschnitts "I. Sachverhalt" heranziehen wollte, die auf eine vermeintliche Konventionsverletzung
bezogenen Vortrag im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren wiedergeben, wären diese nicht geeignet, den genannten Darlegungsanforderungen
zu genügen. Zwar wird danach erkennbar, dass sich die Klägerin in früheren Verfahrensstadien auf die Rechtsprechung des BVerfG
bezogen hat, wonach die UN-BRK in Deutschland Gesetzeskraft im Range einfachen Bundesrechts hat (Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu
dem Fakultativprotokoll vom 13.12.2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
vom 21.12.2008, BGBl II 1419) und generell als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte herangezogen werden kann (BVerfG Beschluss vom 23.3.2011 - 2 BvR 882/09 - BVerfGE 128, 282 - juris RdNr 52; vgl zur Europäischen Menschenrechtskonvention BVerfG Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307 - juris RdNr 31 ff mwN). Jedoch hätte die Beschwerdebegründung auch auf die vom BSG in ständiger Rechtsprechung vorgenommene Unterscheidung zwischen unmittelbar anwendbaren Klauseln der UN-BRK und solchen
Klauseln eingehen müssen, die nicht unmittelbar anwendbar sind, weil sie einer Ausführungsgesetzgebung bedürfen und non-self-executing
sind, was das BSG zB für die Regelungen des Art 25 Satz 3 Buchst a und b UN-BRK entschieden hat (BSG Urteil vom 15.10.2014 - B 12 KR 17/12 R - BSGE 117, 117 = SozR 4-2500 § 5 Nr 24, RdNr 27; BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - BSGE 110, 194 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 69, RdNr 23 ff; BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 30/16 R - BSGE 124, 1 = SozR 4-2500 § 27 Nr 29, RdNr 20). Hieran fehlt es.
Schließlich wäre die Klärungsbedürftigkeit der zweiten von der Klägerin formulierten Frage auch dann nicht hinreichend dargelegt,
wenn sie aus Art 28 Abs 2 Buchst e UN-BRK keine unmittelbaren Ansprüche auf eine ungeminderte Witwenrente herleiten, sondern
sich nur auf ein darin möglicherweise enthaltenes spezielles Diskriminierungsverbot zugunsten von Menschen mit Behinderung
beziehen wollte. In diesem Sinne können die Ausführungen im Rahmen der Wiedergabe der Berufungsbegründung auf Seite 10/11
der Beschwerdebegründung verstanden werden. Jedoch wird auch unter Berücksichtigung dieser Ausführungen nicht nachvollziehbar
dargetan, dass die Voraussetzungen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung in Bezug auf das in Art 28 Abs 2 Buchst
e UN-BRK angesprochene Recht der Menschen mit Behinderung auf gleichberechtigten Zugang zu Leistungen und Programmen der Altersversorgung
- vorliegend auf Zugang zu einer Witwenrente - überhaupt vorliegen könnten (vgl zu den Darlegungserfordernissen in Bezug auf eine Verletzung der UN-BRK wegen mittelbarer Diskriminierung von behinderten
Menschen BSG Beschluss vom 26.6.2018 - B 11 AL 20/18 B - juris RdNr 6).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.