Neuberechnung einer Rente im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X
Rüge des Übergehens eines Beweisantrags
Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall
Gründe:
Das Thüringer LSG hat mit Urteil vom 1.10.2014 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X einen Anspruch des Klägers auf Neuberechnung seiner Rente unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten statt Entgeltpunkten (Ost)
für rentenrechtliche Zeiten vor dem 19.5.1990 verneint. Zutreffend habe die Beklagte für diese Zeiten Entgeltpunkte (Ost)
berücksichtigt, weil der Kläger nicht bereits am 18.5.1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
ohne das Beitrittsgebiet begründet habe.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf einen Verfahrensmangel und eine Rechtsprechungsabweichung.
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom 19.3.2015 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen
Form, denn er hat die Zulassungsgründe des Verfahrensmangels und der Divergenz nicht ordnungsgemäß dargetan (vgl §
160 Abs
2 Nr
2 und
3 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne
Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund
derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe
des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des
LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten
Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren
Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass er einen entsprechenden (prozessordnungsgemäßen) Beweisantrag gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG gestellt und bis zuletzt vor dem Berufungsgericht aufrechterhalten hat. Ein - wie hier - in der Berufungsinstanz anwaltlich
vertretener Beteiligter kann nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum
Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag
in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Nach Sinn und Zweck des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch
einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts
(§
103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52).
Diesen aufgezeigten Maßstäben genügt die Beschwerdebegründung nicht, wenn der Kläger lediglich vorträgt, das LSG habe zu Unrecht
die von ihm benannte Zeugin I. R. nicht gehört, weil diese Zeugin von großer Wichtigkeit dafür gewesen wäre, dass er sich
bereits vor dem 19.5.1990 überwiegend im Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland und insbesondere in Hannover aufgehalten
habe. Insofern fehlt es bereits an konkretem Vortrag, ob der Kläger einen entsprechenden Antrag bis zuletzt vor dem Berufungsgericht
in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten habe. Es ist auch nicht dargetan, dass das LSG einen solchen Antrag im Urteil
wiedergegeben habe. Entsprechendes gilt für den behaupteten Antrag des Klägers auf "Einvernahme seiner Ehefrau" und für seinen
Vortrag, dass "auch die Anhörung des Cousins W. M. R. erforderlich gewesen wäre". Sofern der Kläger insgesamt mit der Beweiswürdigung
durch das LSG nicht einverstanden sein sollte, kann hierauf nach der ausdrücklichen Bestimmung in §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden.
2. Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht
übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem
vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG
nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die
Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene
Urteil auf der Abweichung beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz
in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch
steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl
zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).
Der Kläger trägt vor, das BSG habe sich bereits in verschiedenen Entscheidungen zu dem Problem "gewöhnlicher Aufenthalt" geäußert. So zB im Beschluss vom
5.2.2009 (B 13 R 491/08 B) sowie im Urteil vom 31.10.2012 (B 13 R 1/12 R - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6). Das LSG sei "in der Subsumtion" von dem Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" von der Rechtsprechung
des BSG abgewichen. Hierauf beruhe "auch im Wesentlichen" die angefochtene Entscheidung des LSG.
Dieser Vortrag genügt nicht den aufgezeigten Anforderungen an die Bezeichnung einer Divergenz. Es mangelt bereits daran, dass
der Kläger es versäumt hat, einen tragenden abstrakten Rechtssatz aus den zitierten Entscheidungen des BSG einem diesem widersprechenden, tragenden abstrakten Rechtssatz aus dem Urteil des LSG gegenüberzustellen. Im Ergebnis macht
der Kläger mit seinem Vortrag nichts anderes als die inhaltliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend. Die
behauptete Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall - zB die Nichtbeachtung von höchstrichterlicher Rechtsprechung oder
die fehlerhafte Anwendung dortiger Maßstäbe - rechtfertigt aber nicht die Zulassung wegen Divergenz (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 ff). Das Beschwerdevorbringen des Klägers geht daher über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche
Subsumtionsrüge nicht hinaus.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.