Anspruch auf Witwenrente; Zulässigkeit der Begrenzung der Entgeltpunkte auf 25 nach dem FRG beim Zusammentreffen einer Hinterbliebenenrente mit einer Rente aus eigenem Recht; Verfassungsmäßigkeit
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Witwenrente im Zugunstenverfahren.
Die 1921 geborene Klägerin ist die Witwe des im selben Jahr geborenen und 1986 verstorbenen E. S. (nachfolgend: S.). Die Eheleute
legten sämtliche Beschäftigungszeiten in der Sowjetunion zurück. Am 12.6.1999 übersiedelte die Klägerin in die Bundesrepublik
Deutschland. Sie ist als Spätaussiedlerin nach §4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) bewilligte ihr
mit Bescheid vom 10.3.2000 Altersrente (AlR) aus eigener Versicherung vom Tag der Einreise an. Die ermittelten 29,4800 Entgeltpunkte
(EP) wurden gemäß § 22b Fremdrentengesetz (FRG) idF des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25.9.1996 (BGBl I 1461; im Folgenden: aF) auf 25 EP begrenzt.
Auf Antrag vom 13.7.1999 erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 22.3.2000 einen Anspruch der Klägerin auf große Witwenrente
ab 12.6.1999 an, wobei sie die ausschließlich nach dem FRG anrechenbaren Beschäftigungszeiten des S. mit 33,3595 EP ermittelte. Einen Anspruch auf Zahlung der Witwenrente verneinte
sie jedoch unter Berufung auf § 22b FRG aF wegen vorrangiger Berücksichtigung von 25 EP aus eigener Versicherung. Ein dagegen im Dezember 2001 gerichteter Widerspruch
blieb wegen Versäumung der Widerspruchsfrist erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.1.2002).
Den unter Hinweis auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 30.8.2001 (B 4 RA 118/00 R - BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2) im April 2002 gestellten Antrag der Klägerin auf Überprüfung des Bescheids vom 22.3.2000 und Neufestsetzung
der Rente in Höhe der tatsächlichen EP lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 27.1.2003 ab.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Berlin mit Urteil vom 11.3.2004 als unbegründet abgewiesen. Die auf eine zwischenzeitlich
gefestigte Rechtsprechung des BSG verweisende Berufung der Klägerin ist ebenfalls erfolglos geblieben (Urteil des LSG vom
17.9.2004). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe § 22b Abs 1 FRG aF zutreffend angewandt, obwohl die Norm erst nach Erlass des angefochtenen Bescheids verkündet worden sei. Die Auslegung
der Vorschrift spreche für eine Einbeziehung der Hinterbliebenenrente bei Begrenzung der EP auf insgesamt 25. Verfassungsrechtliche
Bedenken stünden § 22b Abs 1 Satz 1 FRG idF des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes (RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 1791; im Folgenden: nF) nicht entgegen. Anderslautender Rechtsprechung
des BSG zur echten Rückwirkung der Norm werde insofern nicht gefolgt (Hinweis auf das Senatsurteil vom 11.3.2004 - BSGE 92,
248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1 und auf BSG vom 30.8.2001 - B 4 RA 118/00 R - BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere verbiete Art
116 GG eine Diskriminierung von Vertriebenen bei der Hinterbliebenenrente. Ob § 22b FRG verfassungsgemäß sei, könne dahinstehen, weil die Witwenrente dem Grunde nach bestandskräftig bewilligt worden sei, so dass
deren Auszahlung nicht verweigert werden dürfe. Zudem stehe die Hinterbliebenenrente auch unter Eigentumsschutz. Die Beschränkung
ihrer EP verstoße gegen Art
3 und Art
14 GG. Die rückwirkende Änderung des Gesetzestextes durch das RVNG scheitere an dem Verbot der echten Rückwirkung von Gesetzen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2004 und des Landessozialgerichts Berlin vom 17. September 2004 sowie den
Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2003 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, unter teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 22. März 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 28. Januar 2002 ab 12. Juni 1999 große Witwenrente ohne Begrenzung nach § 22b Abs 1 Satz 1 FRG idF des RVNG zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat mit Beschluss vom 29.8.2006 - B 13 RJ 47/04 R - das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem BVerfG gemäß Art
100 Abs
1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art
15 Abs
3 RVNG vom 21.7.2004 (BGBl I 1791) insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art
20 Abs
3 GG (hier Verbot echter Rückwirkung von Gesetzen) verstoße, als er Art
9 Nr 2 RVNG mit Wirkung ab einem Zeitpunkt vor der Verkündung des Gesetzes am 26.7.2004 in Kraft gesetzt hat (hier: rückwirkend
zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 22b des FRG am 7.5.1996).
Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 21.7.2010 (BVerfGE 126, 369 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9) diese Frage verneint hat, hat der Senat mit Beschluss vom 27.5.2011 die Aussetzung aufgehoben und
das Verfahren fortgeführt.
Die Klägerin ist jetzt der Meinung, dass in ihrem und dem Lebenslauf des S. nicht nur Fremdrentenzeiten, sondern auch Zeiten
nach dem
SGB VI bei der Berechnung der Rente zugrunde zu legen seien. Daher sei zu klären, ob das BVerfG ihren Fall zutreffend erfasst habe,
auch weil die beantragte Rente dem Grunde nach bewilligt worden sei. Ersatzzeiten gemäß §
250 SGB VI müssten berücksichtigt werden, weil S. als Deutscher interniert und verschleppt worden sei. Die Rentenansprüche seien insgesamt
durch Art
14 GG geschützt. Dies folge aus der Vorschrift von § 15 FRG, die das BVerfG nicht beachtet habe. Die Gleichstellung der von S. entrichteten Auslandszeiten beruhe auf dem Gedanken der
Gesamthaftung des deutschen Staatsvolkes iS von Art
116 Abs
2 GG für die Folgen des Zweiten Weltkriegs. Art
3 GG sei verletzt, weil die Klägerin im Vergleich zu anderen Beziehern von Witwenrenten, die vom Gesetzgeber gleichgestellte Auslandszeiten
erhielten, willkürlich diskriminiert werde. Im Übrigen bestehe zwischen ihr und S. sowie DDR-Bürgern, die ihr Arbeitsleben
in der DDR verbracht haben, kein rechtlicher Unterschied. Letzteren seien die dort geleisteten Beitragszeiten wie bundesdeutsche
Beitragszeiten anerkannt worden. Ferner sei zu klären, ob es sich um Rentenansprüche handele, die Renten im Sinne des EU-Rechts
darstellten. Deshalb müsse die Rechtssache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt werden. Dort sei zu überprüfen, ob
Beitrags- und Versicherungszeiten iS von § 15 und § 16 FRG "Renten" oder "besondere Eingliederungssozialleistungen" seien. Denn der EuGH habe am 18.12.2007 (C 396/05, C 419/05, C 450/05 - SozR 4-6035 Art 42 Nr 2) entschieden, dass entgegen der Auffassung des BSG und des BVerfG Fremdrentenansprüche keine besonderen
kriegsbedingten Sozialleistungen seien. Die angegriffene Entscheidung stelle eine "vollkommene Enteignung" der dem Grunde
nach zugesprochenen Witwenrente dar. Dies wiederum verstoße gegen Protokoll Nr 1, Art 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw gegen Art 14 EMRK. Sowohl das BVerfG als auch das BSG hätten übersehen, dass es zwischen den Biographien eines Inländers und eines Deutschen,
der aufgrund eines Vertreibungsschicksals gezwungen gewesen sei, im Ausland Beiträge zu leisten, keinen qualitativen Unterschied
gäbe.
Die Beklagte ist der Meinung, dass das BVerfG den Rechtsstreit der Klägerin in der Entscheidung vom 21.7.2010 (BVerfGE 126,
369 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9) umfänglich entschieden habe. Zwar sei zutreffend, dass die Zeit vom 28.8.1941 bis 25.11.1942 aufgrund
der Internierung und Verschleppung des verstorbenen Ehegatten als Ersatzzeit nach §
250 Abs
1 Nr
2 SGB VI anerkannt und bei der Rentenberechnung als beitragsfreie bzw beitragsgeminderte Zeit berücksichtigt worden sei (S 1 der Anlage
2 und S 4 f der Anlage 4 zum Bescheid vom 22.3.2000). Daraus folgten aber keine unter Eigentumsschutz von Art
14 GG fallende Versicherungszeiten. Die EP beruhten gleichwohl ausschließlich auf FRG-Zeiten, wenn die Gesamt-EP - wie hier - den EP für Zeiten nach dem FRG entsprächen (unter Hinweis auf BSG vom 3.7.2002 - B 5 RJ 22/01 R - SozR 3-5050 § 22b Nr 3). Das BVerfG habe im Fall der Klägerin festgestellt, dass ihr Hinterbliebenenrentenanspruch allein
auf FRG-Zeiten beruhe (so S 18 Beschluss des BVerfG vom 21.7.2010 aaO).
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.1.2003 ist rechtmäßig.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin unter teilweiser Rücknahme des bestandskräftigen Rentenbescheids vom
22.3.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.1.2002 Witwenrente zu zahlen. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die
Höhe der eigenen Versichertenrente der Klägerin; diese ist unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen Hinterbliebenenrente.
Der geltend gemachte Rücknahmeanspruch richtet sich nach § 44 SGB X. Nach dessen Abs 1 Satz 1 ist ein bindend gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall
ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als
unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen für die Rücknahme
des Rentenbescheids vom 22.3.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.1.2002 sind hinsichtlich der Rentenhöhe nicht
erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte bei Erlass dieses Bescheids (spätestens bei seiner Bekanntgabe iS von §
39 Abs 1 Satz 1 SGB X) das Recht richtig angewandt hat. Denn sie hat jedenfalls die große Witwenrente zu Recht nicht ausgezahlt (dazu unter 1.),
ohne damit gegen Bundesrecht (dazu unter 2.) oder Verfassungsrecht (dazu unter 3. und 4.) verstoßen zu haben. Aus dem Vortrag
der Klägerin zur Entscheidung des BVerfG vom 21.7.2010 (BVerfGE 126, 369 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9) ergibt sich keine für sie günstigere Rechtsfolge (dazu unter 5.).
1. Selbst wenn die Beklagte das bei Erlass des Bescheids vom 22.3.2000 geltende Recht fehlerhaft angewandt hätte, würde dies
keinen Rücknahmeanspruch der Klägerin begründen. Denn maßgeblich ist insoweit das im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats
geltende Recht, soweit es auch den Zeitpunkt des Bescheiderlasses umfasst. Hat sich das Recht während des anhängigen Rechtsstreits
rückwirkend geändert, so ist das neue Recht auch im Revisionsverfahren zu beachten (stRspr; vgl BSG vom 21.6.2005 - BSGE 95,
29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4, RdNr 8; vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - Juris RdNr 14; BSG vom 25.1.2011 - B 5 R 46/10 R - Juris RdNr 10; B 5 R 47/10 R - Juris RdNr 12; jeweils mwN).
Das ist hier der Fall. § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF ist während des anhängigen (Berufungs-) Verfahrens zunächst mit Art 9 Nr 2 iVm Art 15 Abs 3 RVNG rückwirkend zum 7.5.1996 durch eine Neufassung (§ 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF) ersetzt worden, wonach für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der Rentenversicherung der
Arbeiter und der Angestellten (ab 1.1.2005: der allgemeinen Rentenversicherung) zugrunde gelegt werden. Bereits zuvor hatte
Art 12 Nr 2 des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) ebenfalls mit (Rück-)Wirkung zum 7.5.1996 § 22b Abs 1 Satz 3 FRG angefügt, wonach EP aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor vorrangig zu berücksichtigen sind.
Danach gilt hier Folgendes: Die EP aus der AlR der Klägerin sind vorrangig zu berücksichtigen. Denn der Rentenartfaktor der
persönlichen EP bei dieser Rentenart (§
35 SGB VI) ist mit 1,0 höher (§
67 Nr 1
SGB VI) als der Rentenartfaktor bei der großen Witwenrente nach Ablauf des sog Sterbevierteljahres für persönliche EP in der allgemeinen
Rentenversicherung gemäß §
67 Nr 6
SGB VI in Höhe von 0,6 (ab 1.1.2002: 0,55). Da aber bei der AlR bereits 25 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG zu berücksichtigen waren, war damit schon die Höchstzahl an EP erreicht, die § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF für ein Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes zulässt. Folglich war für die große Witwenrente
kein (zahlbarer) "Monatsbetrag der Rente" (§
64 SGB VI) festzustellen. Im Ergebnis ist die Klägerin damit lediglich Inhaberin eines "leeren Rechts" auf Witwenrente und bleibt auf
die Rente aus eigener Versicherung beschränkt (vgl BSG vom 25.1.2011 - B 5 R 47/10 R - Juris RdNr 13).
2. Übergangsregelungen waren zur Umsetzung der Neufassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nicht erforderlich (Senatsbeschlüsse vom 29.8.2006 - B 13 RJ 47/04 R - Juris RdNr 47-51; B 13 RJ 8/05 R - Juris RdNr 50-54; B 13 R 7/06 R - Juris RdNr 51-54). Aus Sicht des Gesetzgebers bestand hierfür von vornherein auch kein Bedarf, denn die zu § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF ergangenen Verwaltungsakte der Rentenversicherungsträger entsprachen regelmäßig bereits - wie auch hier - der Neufassung
dieser Vorschrift, weil sich die Träger der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG vom 30.8.2001 (BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2), des 8. Senats des BSG vom 7.7.2004 (BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2) und vom 21.6.2005 (SozR 4-1300 § 44 Nr 5) sowie des erkennenden Senats vom 11.3.2004 (ua BSGE 92,
248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1) nicht angeschlossen hatten; nach dieser Rechtsprechung sollte die Begrenzung auf insgesamt 25 EP
in § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF keine Anwendung finden, wenn ein Begünstigter neben einem Anspruch auf Rente aus eigener Versicherung einen Anspruch auf
Hinterbliebenenrente hatte. Für die Ausnahme, dass im Einzelfall (aufgrund welcher Umstände auch immer) ein bindender begünstigender
Verwaltungsakt (über die Zahlung von Hinterbliebenenrente) ergangen war, verwies die Begründung zum Gesetzentwurf auf die
vertrauensschützenden Regelungen des SGB X (vgl Begründung zum Gesetzentwurf des RVNG BT-Drucks 15/2149 S 32 zu Art 13 Abs 3).
Die Klägerin kann sich nicht auf die Regelung des §
300 Abs
2 SGB VI berufen, wonach ua durch Neuregelungen innerhalb des
SGB VI ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind,
wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Monaten nach der Aufhebung geltend gemacht worden ist. Hieraus kann sie nicht herleiten,
dass ihr Anspruch auf Witwenrente weiterhin nach § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF zu beurteilen sei, weil sie diesen bereits vor Verkündung des RVNG geltend gemacht habe. Dies gilt schon deshalb, weil
"Aufhebung" iS von §
300 Abs
2 SGB VI den - auch rückwirkenden - Zeitpunkt des Außerkrafttretens der alten und des Inkrafttretens der neuen Vorschrift meint, hier
also, nach Art 15 Abs 3 RVNG, den 7.5.1996 (vgl Senatsurteil vom 19.5.2004 - BSGE 93, 15 = SozR 4-5050 § 22b Nr 3, RdNr 19; BSG vom 21.6.2005 - BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4, RdNr 10; Senatsbeschlüsse vom 29.8.2006 - B 13 RJ 47/04 R - Juris RdNr 52; B 13 RJ 8/05 R - Juris RdNr 55; B 13 R 7/06 R - Juris RdNr 55; BSG vom 25.1.2011 - B 5 R 46/10 R - Juris RdNr 12; B 5 R 47/10 R - Juris RdNr 14; jeweils mwN). Die Klägerin hatte aber am 7.5.1996 (noch) keinen Anspruch auf Witwenrente. Ihr Witwenrentenanspruch
ist (dem Grunde nach) erst mit ihrem Zuzug im Juni 1999 entstanden (vgl Senatsurteil vom 19.5.2004 - BSGE 93, 15 = SozR 4-5050 § 22b Nr 3, RdNr 18).
Nichts anderes ergibt sich aus Art 6 § 4 Abs 4a des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) (vgl BSG vom
25.1.2011 - B 5 R 46/10 R - Juris RdNr 14; B 5 R 47/10 R - Juris RdNr 16), der seit dem 1.1.2001 in Kraft ist und speziell für das FRG - im Wesentlichen wortgleich mit §
300 Abs
3 SGB VI - das Folgende regelt: Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen EP neu
zu ermitteln, sind die Vorschriften des FRG maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren, soweit §
317 Abs
2a SGB VI nichts anderes bestimmt. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind vorliegend offensichtlich nicht erfüllt, da vor
Inkrafttreten des anzuwendenden Rechts am 7.5.1996 weder eine derartige Rente an die Klägerin geleistet wurde noch aus diesem
Grund EP "neu" zu ermitteln waren.
3. Art 15 Abs 3 RVNG, der § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF rückwirkend zum 7.5.1996 in Kraft gesetzt hat, verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Dies hat das BVerfG mit Beschluss
vom 21.7.2010 (BVerfGE 126, 369, 388 f = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 63) auf die Vorlagebeschlüsse des erkennenden Senats vom 29.8.2006 (B 13 RJ 47/04 R; B 13 RJ 8/05 R; B 13 R 7/06 R - alle veröffentlicht in Juris) mit Gesetzeskraft (§ 13 Nr 11 iVm § 31 Abs 2 Satz 1 BVerfGG) im Fall der Klägerin entschieden; daran ist der Senat mithin auch im fortgesetzten Verfahren gebunden (Art
20 Abs
3 GG; s auch die Bekanntmachung in BGBl I 2010, 1358).
4. Weiterhin hat das BVerfG in dem genannten Beschluss auf eine Verfassungsbeschwerde hin ebenfalls entschieden, dass die
Regelung in § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF ihrerseits mit dem
GG in Einklang steht (BVerfGE 126, 369, 391 ff = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 83 ff). Dieser Entscheidung des BVerfG vom 21.7.2010 kommt allerdings keine Gesetzeskraft
gemäß § 31 Abs 2 Satz 2 iVm § 13 Nr 8a BVerfGG zu, da das BVerfG in Nr 2 der Entscheidungsformel (BVerfGE 126, 369, 370 - in Juris vor RdNr 1) lediglich die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, nicht aber die angegriffene Norm für mit
dem
GG vereinbar erklärt hat (vgl BVerfGE 85, 117, 121; s dazu auch Heusch in Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl 2005, § 31 RdNr 77). Dessen ungeachtet hält der Senat § 22 Abs 1 Satz 1 FRG nF ebenfalls für verfassungsgemäß (vgl bereits den Vorlagebeschluss des Senats vom 29.8.2006 - B 13 R 7/06 R - Juris RdNr 64 ff; s auch BSG vom 21.6.2005 - BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4, RdNr 11 ff).
Da die Klägerin keine neuen Gesichtspunkte, die verfassungsrechtlich noch klärungsbedürftig wären, vorgetragen hat, nimmt
der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen in den vorgenannten Entscheidungen des BVerfG
und des BSG Bezug.
5. Auch die weiteren Einwendungen, die die Klägerin in Kenntnis der Entscheidung des BVerfG vom 21.7.2010 (aaO) aufrechterhalten
bzw erstmals vorgetragen hat, führen zu keinem für sie günstigeren Ergebnis:
a) Zu Recht weist sie zwar darauf hin, dass das BVerfG in seinem og Beschluss offen gelassen hat, ob sich an seiner Entscheidung
aus verfassungsrechtlicher Sicht etwas ändere, "wenn ein Hinterbliebenenrentenanspruch sowohl auf Zeiten nach dem FRG als auch auf Beitragszeiten in einer deutschen Rentenversicherung beruhen würde" (BVerfGE 126, 369, 388 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 60). Dies bedarf jedoch auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn bei S. liegen
lediglich in der Sowjetunion zurückgelegte und keine in Deutschland erworbenen Beitragszeiten vor. Dies ergibt sich bereits
daraus, dass er sein Herkunftsland nicht verlassen hat und dort verstorben ist.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin beruht ihr Anspruch auf Witwenrente (dem Grunde nach) allein auf Zeiten nach dem FRG. Auch die Berücksichtigung von 15 Monaten an Ersatzzeiten (im Zeitraum vom 28.8.1941 bis 25.11.1942) des S. bei der Berechnung
der Rente ändert daran nichts. Zwar ist es zutreffend, dass Ersatzzeiten (§
250 SGB VI) als solche keine FRG-Zeiten sind. Eine rentenrechtliche Bewertung der Ersatzzeiten des S. ergibt sich aber allein aufgrund seiner FRG-Beitragszeiten. Denn die für die Witwenrente ermittelten GesamtEP von 33,3595 sind identisch mit den "EP einer Rente mit
anrechenbaren Zeiten nach dem FRG" iS des § 22b Abs 2 FRG, weil sich ohne Berücksichtigung der anrechenbaren Zeiten nach dem FRG im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung der Ersatzzeiten als beitragsfreie Zeiten (§
54 Abs
4 iVm §
71 Abs
1 SGB VI) ein Gesamtleistungswert von Null und somit auch 0 EP für die Ersatzzeiten ergibt (vgl Anlage 6 Seite 2 des Bescheids vom
22.3.2000: "Ohne Berücksichtigung von anrechenbaren Zeiten nach dem FRG ergeben sich keine Entgeltpunkte. Die Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG betragen somit 33,3595.") mit der Folge, dass allein aus den Ersatzzeiten des S. kein Zahlungsanspruch resultieren kann.
Der Senat ist nicht gehindert, diese tatsächlichen Umstände seiner Entscheidung zugrunde zu legen, obgleich sie das LSG im
Urteil nicht ausdrücklich festgestellt hat (vgl §
163 SGG). Denn sie sind unzweifelhaft dem Bescheid über die große Witwenrente vom 22.3.2000 zu entnehmen, der sich in den vom LSG
zur Ergänzung des Tatbestands in Bezug genommenen Verwaltungsakten befindet. Der Rückgriff auf solche tatsächlichen Umstände
ist dem Revisionsgericht insbesondere auch deshalb erlaubt, weil die Klägerin die Problematik der Ersatzzeiten und ihrer Bewertung
erstmals im Revisionsverfahren geltend gemacht hat, während es für die Entscheidung des LSG darauf nicht ankam (vgl Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
163 RdNr 5d mwN). Eine Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung zur ergänzenden Tatsachenfeststellung hinsichtlich der
Ersatzzeiten und ihrer Auswirkungen auf die Witwenrente ist mithin nicht erforderlich.
c) Soweit die Klägerin geltend macht, ihr sei von der Beklagten eine große Witwenrente durch bestandskräftig gewordenen Bescheid
bewilligt worden, aus dem auch die Zahlung der Witwenrente erfolgen müsse, trifft dies nicht zu. Denn die Beklagte hat zu
keinem Zeitpunkt mit dem Bescheid vom 22.3.2000 einen Zahlungsanspruch in Form eines Verwaltungsakts festgestellt (vgl §
117 SGB VI).
Zwar hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 21.7.2010 (BVerfGE 126, 369 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9) eine verfassungsrechtliche Bewertung hinsichtlich solcher Personen, denen bereits eine Hinterbliebenenrente
ohne die Begrenzung auf 25 EP bestandskräftig gewährt wurde, ausdrücklich offen gelassen (aaO S 387 bzw RdNr 60). Die Klägerin
unterfällt aber entgegen ihrer Rechtsmeinung nicht dem zuletzt genannten Personenkreis. Denn die mit bestandskräftig gewordenem
Bescheid vom 22.3.2000 dem Grunde nach anerkannte große Witwenrente hatte die Beklagte von vornherein in gleicher Weise auf
25 EP begrenzt, wie dies später in § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF (rückwirkend ab 7.5.1996) ausdrücklich angeordnet worden war. Mithin ist auch der Klägerin - wie auch das BVerfG festgestellt
hat - "nie bestandskräftig eine Hinterbliebenenrente ohne Begrenzung auf 25 EP gewährt worden" (aaO).
d) Sofern die Klägerin meinen sollte, ihr verstorbener Ehemann sei selbst FRG-Berechtigter gewesen und habe einen Rentenanspruch erworben, ist dies nicht zutreffend.
Insoweit sei darauf hingewiesen, dass sich der ihr dem Grunde nach zuerkannte Anspruch auf große Witwenrente nicht aus der
allgemeinen rentenrechtlichen Regelung des §
46 Abs
2 Satz 1
SGB VI ableiten lässt, sondern allein aus ihrer FRG-Berechtigung als anerkannte Spätaussiedlerin (§ 1 Buchst a FRG; vgl auch BSG vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - Juris RdNr
12). Denn gemäß §
46 Abs
2 Satz 1
SGB VI besteht Anspruch auf Witwenrente nach dem Tod des versicherten Ehegatten, "wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit
erfüllt hat". Die Klägerin ist aber nicht Witwe eines "versicherten Ehegatten", denn ihr bereits 1986 verstorbener Ehemann
hatte stets nur in der Sowjetunion gelebt und war zu keinem Zeitpunkt in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung versichert.
Er gehörte auch nicht zu den Berechtigten iS des § 1 FRG, insbesondere nicht des § 1 Buchst a FRG in der hier maßgeblichen Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes (KfbG) vom 21.12.1992 (BGBl I 2094). Diese Vorschrift
erfasst ausdrücklich nur Personen, die selbst als Vertriebene iS von § 1 BVFG oder als Spätaussiedler iS von § 4 BVFG anerkannt sind und erstreckt sich demgemäß ua nicht auch auf diejenigen, die - wie S. - ihr Herkunftsland nicht verlassen
haben und nicht nach Deutschland übergesiedelt sind (vgl BSG vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - Juris RdNr 12 mwN). Allerdings haben die Rentenversicherungsträger auch nach Inkrafttreten des KfbG (am 1.1.1993) weiterhin
die Rechtsprechung des BSG beachtet, wonach als Vertriebene iS des § 1 BVFG anerkannte Personen einen (eigenständigen) Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben mit der Folge, dass für diesen Anspruch
die bis zur Vertreibung des Hinterbliebenen vom Verstorbenen zurückgelegten Beitragszeiten nach § 15 FRG und Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG zu berücksichtigen sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dessen Tod vor oder nach der Vertreibung des Hinterbliebenen
eingetreten ist (BSG [GS] vom 6.12.1979 - BSGE 49, 175, 181 ff = SozR 5050 § 15 Nr 13 S 37 ff, insbesondere auch Leitsatz 1). Sie haben diese Rechtsprechung, mit der der im Rentenrecht
sonst vorherrschende Grundsatz mindestens partiell verlassen wurde, dass das Hinterbliebenenrecht grundsätzlich (nur) ein
von dem Versichertenrecht abgeleiteter Anspruch sein könne (BSG [GS] aaO S 183 bzw S 40), ungeachtet der Frage, inwieweit
diese durch das KfbG überholt war, auch auf Personen bezogen, die - wie die Klägerin - die Republiken der ehemaligen Sowjetunion
nach dem 31.12.1992 verlassen hatten und daher nach dem ab 1.1.1993 geltenden Recht nicht mehr als Vertriebene nach § 1 BVFG, sondern nur noch als Spätaussiedler nach § 4 BVFG anerkannt werden konnten (vgl BSG vom 5.10.2005 aaO; s auch die Darstellung in KommGRV [früher Verbandskomm], Anhang Bd 1,
Anhang 2, § 1 FRG Anm 5.2 S 52, 8 ff, Einzelkommentierung Stand 1.1.1998).
Diese Verwaltungspraxis ist seit dem Inkrafttreten des § 14a FRG, eingefügt durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) vom 21.3.2001 (BGBl I 403), ab 1.1.2002 überholt. Nach dieser
Vorschrift werden - zur Beseitigung einer sachlich ("rechtssystematisch" und "sozialpolitisch") nicht mehr vertretbaren Privilegierung
(vgl die Begründung zum Gesetzentwurf des AVmEG, BT-Drucks 14/4595 S 78 zu Art 11 Nr 1 [§ 14a FRG]) - bei Renten wegen Todes
an Witwen und Witwer von Personen, die nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehören, Zeiten nach diesem Gesetz nicht (mehr) angerechnet; dies gilt jedoch nicht für Berechtigte (Satz 1), die vor dem
1.1.2002 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Ehegatte vor diesem Zeitpunkt
verstorben ist (Satz 2). Daraus hat die Rechtsprechung des BSG im Umkehrschluss gefolgert, dass die vor dem 1.1.2002 übergesiedelten
Berechtigten - wie die Klägerin - grundsätzlich weiterhin - der früheren Verwaltungspraxis entsprechend - "Hinterbliebenenrente
nach einer fiktiven FRG-Rente des Verstorbenen" (so aaO, BT-Drucks 14/4595 S 78 zu Art 11 Nr 1 [§ 14a FRG]) beanspruchen können (vgl BSG vom 21.6.2005 - BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4, RdNr 4; BSG vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - Juris RdNr 12); nunmehr allerdings hinsichtlich der EP umfangmäßig begrenzt durch die Regelung in § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF. Für den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente ergibt sich danach aber kein Zahlbetrag, weil die Höchstzahl der nach dem
FRG anrechenbaren EP bereits durch ihre AlR ausgeschöpft ist.
e) Der Senat sieht keinen Anlass, wie von der Klägerin gefordert, den EuGH um eine Vorabentscheidung nach Art 267 des Vertrages
über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl EU Nr C 83 vom 30.3.2010, 47) zur Klärung der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher
Vorschriften zu ersuchen. Denn eine entscheidungserhebliche Frage des Unionsrechts stellt sich vorliegend nicht. Dass es sich
bei Renten, die auf Beitragszeiten nach dem FRG beruhen, um Leistungen der sozialen Sicherheit iS von Art 4 Abs 1 EWGV Nr 1408/71 handelt, die Renten deshalb vom sachlichen Geltungsbereich der VO erfasst werden und somit auch in das EU-Ausland
zu zahlen sind, hat der EuGH am 18.12.2007 (C-450/05 [Wachter] - SozR 4-6035 Art 42 Nr 2 RdNr 109, 125, 129) bereits entschieden; einen Zahlungsanspruch auf die Witwenrente kann
die Klägerin aber auch hieraus ersichtlich nicht ableiten.
f) Soweit die Klägerin schließlich einen Anspruch wegen "vollkommene(r) Enteignung" aus dem Diskriminierungsverbot des Art
14 EMRK iVm Art 1 des Protokolls Nr 1 (Schutz des Eigentums) zur EMRK ([Zusatzprotokoll zur EMRK], BGBl II 1956, 1880) herleiten will (zu Rang und Reichweite der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle innerhalb der deutschen Rechtsordnung s zuletzt ausführlich BVerfG vom 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08 ua - Juris RdNr 86 ff mwN, wonach die EMRK und ihre Zusatzprotokolle im Rang eines Bundesgesetzes und damit unter dem
GG stehen, jedoch auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des
GG heranzuziehen sind), steht ihr auch nach diesen Normen kein Zahlungsanspruch auf Witwenrente zu. Denn nur soweit Sozialleistungsansprüche
im nationalen Recht begründet worden sind, fallen sie in den Anwendungsbereich von Art 1 des Protokolls Nr 1 zur EMRK (vgl zB EGMR vom 25.9.2007 - SozR 4-6021 Art 1 Nr 1 RdNr 126, 131 f; stRspr) und damit (auch) in den Schutzbereich von Art 14 EMRK (vgl auch Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl 2011, Zusatzprotokoll zur EMRK Art 1 RdNr 14 f mwN). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn zum einen unterfällt nach der Rechtsprechung des BVerfG
selbst der Anspruch eines ausschließlich in der deutschen Rentenversicherung Versicherten auf Versorgung seiner Hinterbliebenen
nicht unter den Eigentumsschutz des Art
14 Abs
1 GG (BVerfGE 97, 271 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1), und zum anderen hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 21.7.2010 (aaO) - wie oben unter 3. ausgeführt - mit Gesetzeskraft
entschieden, dass die rückwirkende Inkraftsetzung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF zum 7.5.1996 verfassungsgemäß war. Aus Art 1 des Protokolls Nr 1 zur EMRK ergeben sich hier aber keine Anforderungen, die weiter reichen als diejenigen, die nach dem
GG an eine Rückwirkung zu stellen sind. Insoweit hat die Klägerin nie einen Anspruch auf Zahlung einer Witwenrente erworben;
aber nur unter dieser Voraussetzung läge überhaupt eine "berechtigte Erwartung" auf ein - vermeintliches - Eigentumsrecht
iS von Art 1 des Protokolls Nr 1 zur EMRK vor (vgl EGMR vom 25.9.2007 aaO RdNr 126).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.