Witwenrente nach Versorgungsehe
Verletzung rechtlichen Gehörs
Nicht mehr klärungsbedürftige Rechtsfrage
Auswertung der Rechtsprechung des BSG
Gründe:
Mit Urteil vom 15.10.2014 hat das LSG Sachsen-Anhalt einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente verneint, weil
es den Ausschlussgrund von §
46 Abs
2a SGB VI (sog Versorgungsehe) festgestellt hat.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf einen Verfahrensfehler.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 4.2.2015 genügt den gesetzlichen Anforderungen
nicht, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß
dargetan worden sind (§
160 Abs
2 Nr
1 und Nr
3 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese
noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam die Fragen,
"ob die Absicherung des Verbleibens der Überlebenden in dem von ihr in den letzten Jahren bewohnten Hauses als wirtschaftlicher
Vorteil zu sehen ist, der entsprechend dem 'Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung' i. S. d. § 46 Abs 2a SGBVI zu werten ist,"
bzw "ob in der Sicherung der Eigentumssituation an dem in den letzten 25 Jahren gemeinsam bewohnten Hauses, die Zweckerfüllung
der Heirat als Begründung eines 'Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung' im Sinne des §§
46 Abs.
2 Buchst. a
SGB VI zu sehen ist".
Hierzu trägt sie vor, diese "Wertung" treffe für eine Vielzahl von Fällen im Rahmen der Eheschließung nach einem langjährigen
Zusammenleben zu. Das LSG habe seine Entscheidung im Wesentlichen auf die "unterstellte Aussage" des Zeugen G. gestützt. Demnach
sei das Motiv der Eheschließung die Regelung über das Eigentum an dem Eigenheim gewesen. Dem Versicherten sei daran gelegen
gewesen, Erbstreitigkeiten mit den Kindern aus seiner zweiten Ehe zu vermeiden (S 3 der Beschwerdebegründung). Das LSG habe
ein starkes Indiz für den Versorgungswunsch der Klägerin darin gesehen, dass sie in dem von ihr mindestens seit 1989 bewohnten
Haus nach dem Tode des Versicherten habe verbleiben dürfen. Hieraus ergäben sich die als grundsätzlich bedeutsam zu klärenden
Rechtsfragen.
Der Senat kann offenlassen, ob die aufgeworfenen Fragen abstrakte Rechtsfragen zum Anwendungsbereich und zur Auslegung einer
revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) sind. Jedenfalls fehlt es an hinreichender Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen. Zwar behauptet die Klägerin,
dass weder das BSG noch das BVerfG hierzu entschieden hätten. Eine Rechtsfrage ist aber bereits dann nicht mehr klärungsbedürftig, wenn das
Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche
Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten
Rechtsfrage geben (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem aufgeworfenen Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebenden Fragen
von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens,
6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 183 mwN).
Die Argumentation der Klägerin geht insofern fehl, weil sie sich von vornherein nicht mit höchstrichterlicher Rechtsprechung
auseinandersetzt (vgl aber Senatsurteile vom 5.5.2009 - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6 und BSGE 103, 91 = SozR 4-2600 § 46 Nr 5 und vom 6.5.2010 - B 13 R 134/08 R - Juris; zuletzt vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - Juris, ausführlich zu §
46 Abs
2a SGB VI), sondern vielmehr die vom LSG getroffene Beweiswürdigung bemängelt. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann aber die Verletzung von §
128 Abs
1 S 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) nicht zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden. Denn
in diesem Verfahren kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung des LSG zutreffend ergangen ist, sondern ob die geltend
gemachten Revisionszulassungsgründe formgerecht dargelegt sind.
2. Soweit die Klägerin als Verfahrensmangel die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) rügt, ist auch dieser Fehler nicht hinreichend bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) liegt insbesondere dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und
in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BVerfGE 25, 137, 140) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können
(vgl Senatsurteil vom 23.5.1996 - BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19; Senatsbeschlüsse vom 4.8.2004 - B 13 RJ 167/03 B - Juris RdNr 8; vom 20.8.2008 - B 13 R 217/08 B - Juris RdNr 5).
Die Klägerin sieht eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs darin, dass das LSG sieben Tage vor der mündlichen Verhandlung
Unterlagen - wie das Testament - zur Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse angefordert habe. Weder im schriftlichen
Vorverfahren noch in der mündlichen Verhandlung sei die Frage, ob die Absicht der Vererbung des Hauses an die Klägerin als
Form der Hinterbliebenenversorgung iS von §
46 Abs
2a SGB VI zu verstehen sei, thematisiert worden. Daher sei der Klägerin die Möglichkeit genommen worden, sich zu dieser Darstellung
zu positionieren. Die Entscheidung des LSG beruhe im Wesentlichen auf dieser Tatsachen- und Rechtsfrage.
Vorliegend fehlt es bereits an substantiierter Darlegung, dass die Entscheidung des LSG auf dem Mangel beruhen kann. Denn
die Klägerin hat versäumt, in nachvollziehbarer Weise in der Beschwerdebegründung darzulegen, mit welcher tragenden Argumentation
das LSG den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente verneint hat. Insofern ist unklar, ob die vom LSG kurz vor dem Termin zur
mündlichen Verhandlung ermittelten Unterlagen bzw die daraus gezogenen Schlussfolgerungen maßgebliche Entscheidungsrelevanz
hatten. Die Klägerin behauptet dies zwar einerseits, ohne jedoch substantiiert darzulegen, auf welchen festgestellten Tatsachen
das Urteil des LSG konkret beruht. Andererseits trägt sie vor, dass das LSG seine Entscheidung "wesentlich auf die unterstellte
Aussage des Zeugen G." gestützt habe. Damit fehlt es an hinreichender Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des behaupteten
Verfahrensmangels.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen einer Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.