Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
Gründe:
Mit Urteil vom 21. September 2006 hat das Thüringer Landessozialgericht (LSG) einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung höherer
Altersrente verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt.
Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensfehler.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung vom 21. Dezember 2006 genügt den gesetzlichen Anforderungen
nicht, weil keiner der in §
160 Abs
2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss
daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren
eine derartige Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) Eine konkrete Rechtsfrage,
(2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die
über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung). Diesen Anforderungen
wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin sieht folgende Fragen als grundsätzlich bedeutsam an:
"Ist bzw. war es von Verfassungswegen zulässig, im deutsch-deutschen Einigungsprozess ein Gesetz mit dem Ziel zu erlassen,
den Einigungsvertrag zu brechen, seine Zusagen zur Bewahrung des in der DDR erworbenen Eigentums und seine Bestands- und Vertrauensschutzzusicherungen
zu verletzen, die Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland zu verhindern und ein für die Betroffenen lebenslang wirkendes
Sonderrecht Ost auf dem Gebiet der Alterssicherung, u.a. mit Hilfe der Systementscheidung des RÜG, zu schaffen, dieses Gesetz
dann grob irreführend zu erläutern und rigoros aber unzutreffend differenziert durchzusetzen sowie schließlich die den betroffenen
Eigentümern aufgrund der erfolgreichen Täuschung vorbehaltenen Gelder weiter einzubehalten - oder verstößt eine solche Verfahrensweise,
die politisch und moralisch verwerflich ist und den mit dem Staatsvertrag und dem Einigungsvertrag erreichten Konsens bricht, gegen das
Grundgesetz und die EMRK?" (1)
"Sind die vom RÜG bewirkten die beigetretenen Bürger unter Bruch des EV umfassend benachteiligenden Maßnahmen der Renten-
und Versorgungsüberleitung zulässig und müssen weitere Einzelfragen durch weitere einzelne Prozesse und Änderungsregelungen
korrigiert werden oder können rechtsstaatliche Verhältnisse dauerhaft nur geschaffen werden, wenn auf einen neuen, dem EV,
dem
GG und der EMRK entsprechenden Konzept die bisherigen Umsetzungsmaßnahmen als rechtswidrig festgestellt und der Gesetzgeber zum Erlass eines
neuen Gesetzes - durch Entscheidungen der dritten Gewalt - gedrängt werden muss?" (2)
"Ist bzw. war es von Verfassungswegen und im Rahmen der EMRK zulässig, im deutsch-deutschen Einigungsprozess ein Gesetz zur Enteignung der in der DDR rechtmäßig erworbenen Alterssicherungsansprüche/-anwartschaften
zu erlassen, die Zusagen zur Bewahrung des in der DDR erworbenen Eigentums und seine Bestands- und Vertrauensschutzzusicherungen
zu beseitigen, ohne eine Entschädigung oder wenigstens einen angemessenen Ausgleich für die Alterssicherung zu schaffen, oder
verstößt eine solche Verfahrensweise, die zudem politisch und moralisch verwerflich ist und den mit dem Staatsvertrag und
dem Einigungsvertrag erreichten Konsens bricht, gegen das
Grundgesetz und die EMRK" (3)
"Ist es zulässig, die Zusicherungen des Einigungsvertrages hinsichtlich der in der DDR erworbenen Alterssicherungsansprüche
und -anwartschaften zu beseitigen, an deren Stelle weitaus geringerwertige Sozialpflichtversicherungsrentenansprüche/-anwartschaften
zu gewähren und gleichzeitig auf jegliche angemessene Ausgleichs- und Härtefallregelungen zu verzichten, die wenigstens Reste
der Zielstellung, die Einkommens- und Lebensverhältnisse Ost an West wenigstens schrittweise anzugleichen, für die aus der
DDR mit Alterssicherungsansprüchen/-anwartschaften gekommenen Generationen zu erhalten - oder verletzt diese Verfahrensweise
sowohl den Einigungsvertrag als auch das
GG und die EMRK?" (4)
"Ist es mit den Grundsätzen des Amtsermittlungsprinzips, mit dem Rechtsstaatsprinzip und mit den Anforderungen an ein faires
Verfahren vereinbar, dass das SG und insbesondere das LSG versäumt haben, die tatsächlichen Umstände, die zu der angeblich dauerhaft erworbenen Bestandskraft
der Bescheide geführt haben, aufzuklären und die damit versäumt haben, die gezielte Irreführung der Öffentlichkeit, der Masse
der Betroffenen, die auf diesem Gebiet keine ausreichenden Kenntnisse und Erfahrungen besaßen, und die Bf als Ursache des
Verhaltens der Bf und damit als Ursache des Fortbestands des verfassungswidrig der Bf genommenen Eigentum festzustellen,
dass diese Gerichte versäumt haben, die gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Liquidierung der DDR-Zusatzrenten-
und Versorgungsansprüche und der ungenügenden Berücksichtigung der Garantien des EV und des
GG und einer entsprechenden Vergleichsberechnung festzustellen sowie die zu einer genauen Aufklärung dieser die Bf unverhältnismäßig
benachteiligenden Auswirkungen notwendigen Maßnahmen, auch im Vergleich zu anderen Rentnern aus der DDR mit Renten- und Versorgungsansprüchen
einzuleiten?
die zu dem Klagebegehren gehörenden Fragen nach Gleichbehandlung mit vergleichbaren Anspruchsberechtigten aus den neuen und
den alten Ländern nicht berücksichtigt, überhaupt keine nachvollziehbaren Vergleiche anstellt, willkürliche Auslegungsregelungen
formal nutzt und - vor allem - in der Sachverhaltsaufklärung die wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen der verfassungswidrigen
Ungleichbehandlung und der verfassungswidrigen Täuschung der Bf weder ermittelt noch bewertet hat?
den Stand der Rechtsprechung des BVerfG auf diesem Gebiet - die RÜG-Systementscheidung und den Eigentums-, Bestands- und Vertrauensschutz
(u.a. EV ./. § 4 Abs 4 AAÜG, EV Zahlbetragsgarantie) betreffend - und den Stand der Entscheidungspraxis des EGMR offensichtlich unberücksichtigt gelassen hat, bei der auch ausgehend von den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Entscheidungen
zu prüfen ist, ob der Bf durch den Gesetzgeber ein ausreichender Eigentums-, Besitzstands- und Vertrauensschutz zugebilligt
wird, wie er auch anderen Renten- und Versorgungsberechtigten gewährt wird?" (5)
Offen bleiben kann, ob die Klägerin damit konkrete Rechtsfragen aufgeworfen hat, die im angestrebten Revisionsverfahren vom
Revisionsgericht zu beantworten wären. Die Frage (2), ob "Einzelfragen durch weitere einzelne Prozesse und Änderungsregelungen
korrigiert werden" müssen, betrifft jedenfalls nicht den Streitgegenstand und ist daher nicht entscheidungserheblich (klärungsfähig);
im Übrigen fehlen Darlegungen, inwieweit die Fragen klärungsbedürftig, dh nicht bereits durch Gesetz und Rechtsprechung beantwortet
sind. Teilweise führt die Klägerin vielmehr (insbesondere Bl 29 ff der Beschwerdebegründung) Rechtsprechung des BSG und des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) an, wonach zuvor aufgeworfene Fragen beantwortet seien.
Soweit ihrem Vorbringen auf Bl 3 der Beschwerdebegründung überdies die (Rechts-)Frage entnommen werden kann, ob Behörden und
Gerichte verfassungs- und menschenrechtswidrige Gesetze anwenden dürfen, fehlen Darlegungen, inwieweit diese Frage klärungsbedürftig,
dh nicht bereits durch Gesetz und Rechtsprechung beantwortet ist. Entsprechendes gilt für die (Rechts-)Fragen, inwieweit das
BSG neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu prüfen und eine Einschätzung der nachteiligen Wirkungen bestehender Gesetze vorzunehmen
oder auf deren Beachtung durch die Instanzgerichte hinzuwirken hat. Insoweit weist die Klägerin selbst darauf hin, dass eine
Nichtbeachtung dem Gesetz (
SGG) widerspräche. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, das klägerische Vorbringen darauf zu untersuchen,
ob sich aus ihm evtl eine Rechtsfrage herausfiltern lässt (vgl BSG Beschlüsse vom 5. Februar 2003 - B 4 RA 66/02 B - und vom 5. März 2003 - B 4 RA 100/02 B - beide veröffentlicht bei Juris).
Auch soweit die Klägerin den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) geltend macht, genügt die Beschwerdebegründung den Anforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG an die Bezeichnungspflicht nicht. Dies gilt von vornherein insoweit, als eine Abweichung auch von Urteilen des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte [EGMR] (Bl 21 der Beschwerdebegründung) geltend gemacht wird. Denn insoweit stellen Abweichungen
keinen Zulassungsgrund dar (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
Zur formgerechten Rüge des Zulassungsgrundes der Divergenz (Abweichung) ist ferner in der Beschwerdebegründung nicht nur die
Entscheidung genau zu bezeichnen, von der die Entscheidung des LSG abweichen soll; es ist auch deutlich zu machen, worin genau
eine Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muss daher darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine die Berufungsentscheidung
tragende Abweichung in deren rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss mithin einen abstrakten Rechtssatz der
vorinstanzlichen Entscheidung und einen abstrakten Rechtssatz aus dem höchstrichterlichen Urteil so bezeichnen, dass die Divergenz
erkennbar wird. Nicht hingegen reicht es aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen,
das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der
gerügten Divergenz beruhe (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29). Diesen Kriterien hat die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung vom 21. Dezember 2006 nicht hinreichend Rechnung getragen.
Die Klägerin führt aus (vgl Beschwerdebegründung Bl 13), das LSG folge dem Satz, "dass der Bruch des Einigungsvertrages zulässig
ist und mit dem RÜG und der Systementscheidung ein einheitliches Rentenrecht in Deutschland geschaffen worden wäre", das BVerfG
habe hingegen in seinen Entscheidungen "Schutzrechte, die der Einigungsvertrag zugesichert hatte, wieder in Kraft gesetzt und die Durchsetzung des EV als Voraussetzung für die schrittweise Schaffung eines
einheitlichen Rentenrechts in Deutschland vorgegeben" (Bezug auf BVerfGE 100, 1 ff). Weiter trägt sie vor (vgl Beschwerdebegründung S 21), das LSG folge dem Satz, "dass die Enteignung ('gesetzliche Novation')
ohne Entschädigung bzw angemessenen Ausgleich unter Bruch von Wortlaut und Sinn des Einigungsvertrages zulässig ist und dass
die Durchsetzung der so genannten gesetzlichen Novation berechtigt war und dass es keine gesetzliche Grundlage für höhere
Alterssicherungsansprüche der Bf u.a. Betroffener gibt", während das BVerfG und der EGMR in den Entscheidungen zum Eigentum aus der früheren DDR die so genannte gesetzliche Novation verworfen und festgestellt hätten,
"dass das in der DDR in Form von Alterssicherungsansprüchen erworbene Eigentum über den Beitritt hinaus bestehen bleibt, dass
Enteignungen grundsätzlich verboten sind und Eingriffe nur gegen angemessene Entschädigung erfolgen dürfen". Der Senat lässt
offen, ob sie damit tragende abstrakte Rechtssätze des LSG und des BVerfG herausgearbeitet hat. Denn die Klägerin legt jedenfalls
nicht dar, dass die angefochtene Entscheidung des LSG auf der vermeintlichen Abweichung beruht.
Ebenso wenig hat die Klägerin einen Verfahrensmangel iS des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensfehler vorliege, muss nämlich zur Bezeichnung des
Verfahrensmangels dieser Zulassungsgrund schlüssig dargetan werden (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 4 S 11 mwN). Darüber hinaus
ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf
dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 §
160a Nr
14, 36). Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Einen solchen Beweisantrag benennt die Klägerin nicht, sie trägt vielmehr nur vor, das LSG habe den Sachverhalt nicht
"gewissenhaft" genug ermittelt und hätte sich unabhängig von direkten Beweisanträgen zu weiterer Sachaufklärung gedrängt fühlen
müssen (vgl Beschwerdebegründung S 39). Dieser Vortrag ist nicht geeignet, die Revisionsinstanz zu eröffnen.
Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens rügt (vgl Bl 40 Beschwerdebegründung), fehlt
es ebenfalls an der hinreichenden Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Für das angeblich unfaire Verfahren führt die Klägerin
im Wesentlichen nur an, dass es "quälend" sei, ihr Recht in einem langjährigen Prozess zu erstreiten. Einen das Verfahren
vor dem LSG betreffenden Vorwurf erhebt sie insoweit nicht.
Mit ihrem Vortrag, die Entscheidung verstoße insbesondere gegen den Einigungsvertrag, rügt die Klägerin vielmehr die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit des Berufungsurteils und damit die Sachentscheidung
als solche, die aber nicht zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und damit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Auf den nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz der Klägerin vom 10. Februar 2007 war nicht einzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.