Gewährung von berufsfördernden Leistungen durch Bewilligung einer Umschulung
Verfassungswidrigkeit einer Norm
Übergehen eines Beweisantrags
Anwaltlich vertretener Beteiligter
Sachaufklärungspflicht des Gerichts
Gründe:
Mit Urteil vom 10.12.2014 hat das LSG Rheinland-Pfalz einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von berufsfördernden Leistungen
durch Bewilligung einer zweijährigen Umschulung zum Kaufmann für Bürokommunikation verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensmängel (§
160 Abs
2 Nr
1 und
3 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist (§
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese
noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger hält für grundsätzlich bedeutsam die "Rechtsfrage des pflichtgemäßen Auswahlermessens bei Auswahl der Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben". Er sieht die grundsätzliche Bedeutung darin, "ob die von den Sozialversicherungsträgern regelmäßig
gewährten Leistungen in Form von Aufschulungen, Kurzzeitmaßnahmen/-schulungen, Qualifikationen, Anpassungsmaßnahmen tatsächlich
den Betroffenen den Weg zurück in den Arbeitsmarkt ermöglichen können oder ob gezielte Umschulungen bzw. Ausbildungen verbunden
mit dem Erwerb eines vollwertigen Berufsabschlusses, auch bei älteren Menschen, die eigentlich einzige tatsächlich wirksame
Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist".
Hierzu trägt er vor, dass die laufende Praxis der Sozialversicherungsträger pflichtwidrig sei, die mit immer wieder durchgeführten
Kurzzeitmaßnahmen keine tatsächliche Verbesserung der Situation der Betroffenen am Arbeitsmarkt herbeiführten, insbesondere
dann, wenn die ursprüngliche Ausbildung - wie beim Kläger - bereits Jahrzehnte zurückliege und nur eine komplette Umschulung
bzw Ausbildung mit einem neuen Ausbildungsabschluss die Chance zur Wiedererlangung der Teilhabe am Arbeitsleben erhöhten.
Die angestrebte Entscheidung des BSG dürfte daher die grundlegende Praxis der Sozialversicherungsträger erheblich verändern bzw beeinflussen.
Mit diesem Vortrag hat der Kläger bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung und zum Anwendungsbereich einer
revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) gestellt (stRspr, vgl nur BSG Beschlüsse vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl Becker, SGb 2007, 261, 265).
Die vom Kläger aufgeworfene Problematik erschöpft sich im Tatsächlichen. Ob die Praxis der Sozialversicherungsträger und die
von ihnen gewährten Maßnahmen effektiv und tatsächlich wirksam sind, lässt sich allenfalls durch eine Evaluation der durchgeführten
Maßnahmen überprüfen.
Doch selbst wenn eine abstrakte Rechtsfrage gestellt wäre, fehlte es an hinreichender Darlegung der Klärungsbedürftigkeit
der Problematik. Soweit der Kläger meint, die "laufende Praxis der Sozialversicherungsträger" verstoße gegen Grundrechte (Art
1 Abs
1, Art
12 Abs
1 und
2 iVm Art
2 Abs
1 GG), so hätte er unter Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Problemkreis substantiiert vortragen müssen,
dass weder das BSG noch das BVerfG zu diesem Bereich eine Entscheidung gefällt hat, oder dass durch schon bereits vorliegende Entscheidungen
die hier maßgebenden Fragen von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sind (stRspr, vgl nur BSG vom 27.7.2011 - B 5 R 110/11 B - RdNr 11 mwN; ausführlich dazu Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr
183 ff). Im Hinblick auf den Vortrag zur Verfassungswidrigkeit einer Norm reicht es nicht aus, lediglich zu behaupten, dass
das BVerfG insoweit noch nicht entschieden habe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34). Vorliegend fehlt es an hinreichend substantiiertem Vortrag. Der Kläger hat selbst die einschlägigen Rechtsvorschriften
nicht benannt, die er für verfassungswidrig hält.
2. Auch ein Verfahrensmangel ist nicht hinreichend bezeichnet. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein
Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Der Kläger trägt vor, dass ihm kein ausreichendes rechtliches Gehör in der mündlichen Verhandlung gewährt worden sei. Ihm
sei es nicht möglich gewesen, seine Sichtweise der Dinge zu erläutern, insbesondere weshalb - unter Berücksichtigung seiner
Erwerbsbiografie - die von ihm begehrte Leistung die einzig richtige Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben gewesen sei. Für
den Senat bleibt demnach aber offen, aus welchem Grund ihm dies nicht möglich gewesen sein sollte. Hierzu fehlt es an Vortrag
in der Beschwerdebegründung. Der Kläger hat nicht etwa behauptet, dass das LSG ihm solchen Vortrag abgeschnitten habe, oder
dass er an der Teilnahme in der mündlichen Verhandlung gehindert worden sei. Im Übrigen verlangt der Grundsatz rechtlichen
Gehörs (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) nicht, dass der Beteiligte selbst gehört wird, wenn er sich durch den im Berufungsverfahren Bevollmächtigten Gehör verschaffen
kann (vgl Senatsbeschlüsse vom 14.11.2005 - B 13 RJ 245/05 B und vom 21.8.2008 - B 13 R 109/08 B - beide in Juris).
Soweit der Kläger die Verletzung der Amtsermittlungspflicht geltend macht, fehlt es an der Darlegung eines (prozessordnungsgemäßen)
Beweisantrags in der Beschwerdeschrift. Nach Ansicht des Klägers habe das LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§
103 SGG) verstoßen, weil es "alle Beweisanträge des Klägers im Schriftsatz vom 25.06.2013 und 19.10.2013 auf Einholung eines Sachverständigengutachtens"
übergangen habe. Ein anwaltlich vertretener Beteiligter kann aber nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags
gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten
hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Nach Sinn und Zweck des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch
einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts
(§
103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (stRspr, vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52). Diesen aufgezeigten Darlegungserfordernissen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.