Feststellung rentenrechtlicher Zeiten aufgrund Kindererziehung
Versorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz
Verfassungskonformität des Ausschlusses der Anerkennung von Kindererziehungszeiten
Gründe:
I
Die 1950 geborene Klägerin, die ein Ruhegehalt nach dem
Beamtenversorgungsgesetz bezieht, streitet um die Feststellung rentenrechtlicher Zeiten aufgrund der Erziehung ihrer vor 1992 geborenen Kinder.
Sie stand von 1975 bis 2013 in einem Beamtenverhältnis zum Land Nordrhein-Westfalen. Während dieser Zeit hat sie drei Kinder
geboren.
Der beklagte Rentenversicherungsträger stellte mit Vormerkungsbescheid vom 22.3.2012 für jedes der drei Kinder eine Kindererziehungszeit
im Umfang von 12 Monaten sowie Berücksichtigungszeiten ab dem Tag der Geburt bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr fest.
Mit Bescheid vom 17.2.2015 hob die Beklagte den Vormerkungsbescheid hinsichtlich der Feststellung von Kindererziehungs- und
Berücksichtigungszeiten nach §
149 Abs
5 S 2
SGB VI mit Wirkung ab 1.7.2014 auf und lehnte zugleich eine weitergehende Feststellung ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie
zurück (Widerspruchsbescheid vom 5.11.2015). Durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung
vom 23.6.2014 (BGBl I 787) sei der Anrechnungsausschluss des §
56 Abs
4 Nr
3 Halbs 2
SGB VI mit Wirkung ab 1.7.2014 neu gefasst worden. Danach seien Personen von der Anrechnung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten
ausgeschlossen, die während dieser Zeit Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften erworben hätten, die
als systembezogen annähernd gleichwertig gelten würden.
Die Klägerin ist mit ihrer Klage und Berufung dagegen erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, dass die Beklagte den Vormerkungsbescheid
auf der Grundlage des §
149 Abs
5 S 2
SGB VI zu Recht aufgehoben habe. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Rechtsänderung liege darin, dass
ab 1.7.2014 eine Prüfung der Gleichwertigkeit der Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Versorgung nach
beamtenrechtlichen Grundsätzen nicht mehr stattfinde. In der mit der Neuregelung beabsichtigten Meidung von Doppelanrechnungen
liege keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art
3 Abs
1 GG. Der Ausschluss sei durch die systembezogene Gleichwertigkeit der während der Erziehungszeit erworbenen Anwartschaften auf
Versorgung im Alter sachlich gerechtfertigt. Es sei insoweit nicht erforderlich, dass sich die Kindererziehung in den beiden
Systemen mit gleichen Beträgen auswirke.
Das Berufungsgericht hat in seinem Beschluss vom 1.2.2017 die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin
mit ihrer Beschwerde an das BSG und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie eine Divergenz iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG geltend.
In ihrer Beschwerdebegründung stellt die Klägerin die Frage nach der Vereinbarkeit des generellen Ausschlusses der Anrechnung
von Kindererziehungszeiten für Beamte durch §
56 Abs
4 Nr
3 Halbs 2
SGB VI mit Art
6 Abs
1 und
2, Art
2, Art
3 Abs
1 und
3 GG. Nach den beamtenrechtlichen Regelungen würden pro Kind nur höchstens sechs Monate als Erziehungszeit berücksichtigt, wohingegen
vergleichbaren nichtverbeamteten Müttern mit drei vor 1992 geborenen Kindern in der gesetzlichen Rentenversicherung insgesamt
72 Monate angerechnet werden könnten. Damit werde kein annähernd gleichwertiger Schutz durch die Beamtenversorgung sichergestellt.
Die Regelung wirke sich unverhältnismäßig benachteiligend für Beamte eines Geschlechts aus. Dieser Nachteil werde durch die
sog Mindestversorgung von Beamten nicht kompensiert. Kindererziehende Beamtinnen würden gegenüber ihren Kolleginnen in der
gesetzlichen Rentenversicherung diskriminiert.
Außerdem rügt die Klägerin eine Abweichung des LSG von den Urteilen des BSG vom 18.10.2005 (B 4 RA 6/05 R) und vom 31.1.2008 (B 13 R 64/06 R). Die darin aufgestellten Grundsätze zu der Anrechenbarkeit von Kindererziehungszeiten für Pflichtmitglieder berufsständischer
Versorgungswerke müssten auf Personen mit Beamtenversorgung übertragen werden.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe
der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) liegen nicht vor.
1. Grundsätzliche Bedeutung kommt nach ständiger Rechtsprechung einer Rechtsfrage zu, die sich nach der Gesetzeslage und dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres beantworten, eine verallgemeinerungsfähige Antwort des Revisionsgerichts
erwarten lässt und nach den Gegebenheiten des Falles klärungsfähig ist (vgl BSG Beschluss vom 4.6.1975 - 11 BA 4/75 - BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4). Die Beschwerde ist nicht begründet, wenn - wie hier - die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage
nicht mehr klärungsbedürftig ist (vgl BSG Beschluss vom 16.5.2007 - B 11b AS 61/06 B - Juris RdNr 6). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Klärungsbedürftigkeit ist der Zeitpunkt der Entscheidung
des Beschwerdegerichts (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
160a RdNr 19b mwN).
Zu diesem Zeitpunkt ist die Klärungsbedürftigkeit der Rechtssache nicht mehr gegeben. Denn der erkennende Senat hat mit Urteilen
vom 10.10.2018 - B 13 R 20/16 R und B 13 R 29/17 R - in vergleichbaren Fällen entschieden, dass der durch §
56 Abs
4 Nr
3 Halbs 2
SGB VI geregelte Ausschluss von der Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung für Elternteile,
die während der Erziehung eine Versorgung nach dem
Beamtenversorgungsgesetz erworben haben, verfassungsgemäß ist. Die in der Beschwerdebegründung vorgetragenen Bedenken waren sämtlich bereits Gegenstand
der genannten Revisionsverfahren. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf das Urteil des Senats vom 10.10.2018 (B 13 R 20/16 R), insbesondere RdNr 28 ff, verwiesen.
2. Eine Abweichung (Divergenz) iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG ist nur dann gegeben, wenn das LSG mit einem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz in seinem angegriffenen
Urteil von einer genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht. Es muss also das Nichtübereinstimmen
tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind, festgestellt werden. Eine Abweichung liegt nicht
schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt
hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere
Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen
abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt (vgl BSG Beschluss vom 29.11.1989 - 7 BAr 130/88 - SozR 1500 § 160a Nr 67, Juris RdNr 2; BSG Beschluss vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN; BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 = Juris RdNr 13; s auch BSG Beschluss vom 30.3.2015 - B 12 KR 102/13 B - Juris RdNr 10).
Eine Divergenz im ausgeführten Sinn liegt nicht vor. Eine Unvereinbarkeit zwischen dem angefochtenen LSG-Beschluss und den
von der Klägerin angeführten BSG-Urteilen besteht nicht. Die Entscheidungen des BSG betrafen - anders als hier - von der Versicherungspflicht befreite Eltern. Der Senat hat in der genannten Entscheidung vom
10.10.2018 - B 13 R 20/16 R - RdNr 41 ff Gründe für eine unterschiedliche Beurteilung der jeweiligen Sachverhalte dargestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.