Rente wegen Erwerbsminderung
Unvollständige Sachverhaltswiedergabe in einer Beschwerdeschrift
Warnfunktion eines Beweisantrags im sozialgerichtlichen Verfahren
Fehlende Aufrechterhaltung eines Beweisantrags
1. Zweifel an der Zulässigkeit einer Beschwerde bestehen, wenn der Kläger den der Entscheidung des LSG zugrunde liegenden
Sachverhalt nicht vollständig mitteilt.
2. Der - prozessordnungsgemäße - Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz
vor der Entscheidung vor Augen führen, dass der Antragsteller die gerichtliche Aufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht.
3. Ein Beweisantrag wird dann nicht i.S. von §
160 Abs.
2 Nr.
3 Halbsatz 2
SGG übergangen, wenn er bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nicht bis zum Schluss des Berufungsverfahrens weiterverfolgt
sondern durch abschließende Stellung (nur noch) eines Sachantrags - ohne Hilfsantrag in Bezug auf eine erforderlich gehaltene
weitere Sachaufklärung - signalisiert wird, dass mit einer Entscheidung des Rechtsstreits nach Schluss der mündlichen Verhandlung
Einverständnis besteht.
Gründe:
Mit Urteil vom 27.11.2014 hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente
wegen Erwerbsminderung verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt
und das Vorliegen eines Verfahrensmangels gerügt, weil das LSG ihre im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Anträge
übergangen habe, eine Stellungnahme des Therapeuten H. zu ihrem Gesundheitszustand in der Zeit von 2004 bis ungefähr 2007/2008
und ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Abschließend habe sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts
aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls
spätestens im November 2003 zu verurteilen.
Die Beschwerde ist unzulässig. Der geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensfehlers (§
160 Abs
2 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist nicht in der nach §
160a Abs
2 S 3
SGG gebotenen Weise bezeichnet worden.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und §
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Soweit - wie hier - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht
ohne Weiteres auffindbaren prozessordnungsgerechten Beweisantrags, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten
worden und dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, auf Grund deren bestimmte Tatfragen
als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung hätten drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen
Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich
fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen
Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen
können (vgl nur BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung vom 18.5.2015 nicht gerecht.
Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde bestehen bereits deshalb, weil die Klägerin den der Entscheidung des LSG zugrunde
liegenden Sachverhalt nicht vollständig mitteilt (zu diesem Erfordernis vgl BSG Beschlüsse vom 30.7.1993 - 7 BAr 12/93 -, vom 21.9.1993 - 7 BAr 82/93 -, vom 28.9.1993 - 7 BAr 58/93 -, vom 19.7.2010 - B 8 SO 35/10 B - RdNr 7 und vom 27.7.2011 - B 14 AS 3/11 B - RdNr 5, Senatsbeschluss vom 9.10.2014 - B 13 R 157/14 B - RdNr 10, alle veröffentlicht bei Juris), sondern wiederholt auf Akteninhalte verweist. Dies kann jedoch ebenso dahinstehen
wie die Frage, ob die Klägerin mit ihrem Vortrag, die Einholung einer Stellungnahme ihres Therapeuten und eines psychiatrischen
Sachverständigengutachtens beantragt zu haben, behauptet, dies in Gestalt eines prozessordnungsgerechten Beweisantrags iS
von §
118 Abs
1 SGG iVm §§
402 ff
Zivilprozessordnung getan zu haben (zu diesem Erfordernis vgl Fichte, Der Beweisantrag im Rentenrechtsstreit wegen Erwerbsminderung, SGb 2000,
653 ff). Denn jedenfalls trägt sie selbst vor, diese Anträge nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 27.11.2014 aufrechterhalten
zu haben. Vielmehr hat sie - eigenem Vortrag zufolge - "abschließend" (nur noch) einen Sachantrag (auf Aufhebung des sozialgerichtlichen
Urteils und Verurteilung der Beklagten zu einer Rentenleistung) gestellt. Entsprechend geht auch das LSG im angefochtenen
Urteil nicht davon aus, dass es noch über einen Beweisantrag zu befinden hatte.
Der - prozessordnungsgemäße - Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren aber Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz
vor der Entscheidung vor Augen führen, dass der Antragsteller die gerichtliche Aufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht.
Ein Beweisantrag wird daher dann nicht iS von §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG übergangen, wenn er bei einem - wie vorliegend - anwaltlich vertretenen Kläger nicht bis zum Schluss des Berufungsverfahrens
weiterverfolgt sondern durch abschließende Stellung (nur noch) eines Sachantrags - ohne Hilfsantrag in Bezug auf eine erforderlich
gehaltene weitere Sachaufklärung - signalisiert wird, dass mit einer Entscheidung des Rechtsstreits nach Schluss der mündlichen
Verhandlung Einverständnis besteht (stRspr; vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 und 18; BSG Beschluss vom 3.3.2014 - B 9 V 51/13 B - Juris).
Dass die Klägerin die Entscheidung des LSG in der Sache für fehlerhaft hält, eröffnet die Revisionsinstanz nicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.