Rente wegen Erwerbsminderung
Verfahrensrüge
Nicht rechtskundig vertretener Beteiligter
Verlangen eines weiteren Gutachtens
1. Auch wenn ein Beteiligter im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertreten war, muss er nach §
160 Abs.
2 Nr.
3 Hs. 2
SGG darlegen, einen konkreten Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt zu haben, und deshalb angeben, welche konkreten Punkte
er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen
sollen, um den Fall weiter aufzuklären.
2. Daher müssen auch unvertretene Kläger dem Berufungsgericht verdeutlichen, dass und ggf. aus welchem Grund sie die Sachaufklärungspflicht
noch nicht als erfüllt ansehen, und deshalb im Berufungsverfahren auf die weitere Sachverhaltsaufklärung hinwirken.
3. Es ist nicht ausreichend, lediglich in der Beschwerdebegründung vorzutragen, das Berufungsgericht habe den tatsächlichen
Gesundheitszustand nicht hinreichend berücksichtigt und es hätte unter Berücksichtigung weiterer ärztlicher Atteste ein "neues
umfangreiches Gutachten" einholen müssen.
4. Ein solcher Vortrag enthält keinen im Berufungsverfahren auch nur sinngemäß gestellten Beweisantrag.
Gründe:
I
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Beschluss vom 27.1.2015 einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung
verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihrer
Prozessbevollmächtigten beantragt. Sie rügt eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG).
II
Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.
Gemäß §
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist
hier nicht der Fall. Deshalb kommt eine Beiordnung von Rechtsanwältin S. aus A. für das Beschwerdeverfahren nicht in Betracht
(§
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 26.3.2015 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§
160a Abs
2 S 3
SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne
Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund
derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe
des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des
LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten
Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren
Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, dass sie einen entsprechenden
(prozessordnungsgemäßen) Beweisantrag gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG gestellt und bis zuletzt vor dem Berufungsgericht aufrechterhalten habe.
Auch wenn - wie hier - ein Beteiligter im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertreten war, muss er nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG darlegen, einen konkreten Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt zu haben, und deshalb angeben, welche konkreten Punkte
er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen
sollen, um den Fall weiter aufzuklären. Daher müssen auch unvertretene Kläger dem Berufungsgericht verdeutlichen, dass und
ggf aus welchem Grund sie die Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansehen, und deshalb im Berufungsverfahren auf
die weitere Sachverhaltsaufklärung hinwirken (vgl BSG vom 28.5.2013 - B 5 R 38/13 B - BeckRS 2013, 69985 RdNr 8; Senatsbeschluss vom 3.12.2013 - B 13 R 447/12 B - BeckRS 2013, 75098 RdNr 13, jeweils mwN). Ebenso wie bei vor dem LSG rechtskundig vertretenen Beteiligten ist im Rahmen
der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde der Beweisantrag so genau zu bezeichnen, dass ihn das Revisionsgericht ohne Weiteres
auffinden kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; Nr 21 RdNr 5). Es ist daher auch bei im Berufungsverfahren unvertretenen Beteiligten darzulegen, wann und wie
sie dem LSG gegenüber den aus ihrer Sicht noch notwendigen Aufklärungsbedarf geltend gemacht haben (vgl BSG vom 18.1.2011 - B 5 RS 55/10 B - BeckRS 2011, 68263 RdNr 9; Senatsbeschluss vom 3.12.2013, aaO). Wird - wie hier - im Beschlussverfahren (§
153 Abs
4 S 1
SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden, ist der Beweisantrag, der nach Erhalt einer Anhörungsmitteilung (§
153 Abs
4 S 2
SGG) nicht wiederholt wird, grundsätzlich so zu behandeln, als habe er sich erledigt (vgl BSG vom 18.12.2000 - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG vom 6.7.2006 - SozR 4-1500 § 160 Nr 11 RdNr 7, stRspr).
Der Beschwerdevortrag entspricht nicht den aufgezeigten Anforderungen. Es ist nicht ausreichend, lediglich in der Beschwerdebegründung
vorzutragen, das Berufungsgericht habe den tatsächlichen Gesundheitszustand der Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt
und es hätte unter Berücksichtigung weiterer von der Klägerin vorgelegter ärztlicher Atteste ein "neues umfangreiches Gutachten
von einem Nervenarzt und Psychiater" einholen müssen. Dieser Vortrag enthält keinen im Berufungsverfahren auch nur sinngemäß
gestellten Beweisantrag. Ihr weiterer Vortrag, das LSG hätte feststellen müssen, "dass sämtliche Beweisangebote der Klägerin
nicht ausgeschöpft wurden", entzieht sich einer Überprüfung durch den Senat. Es bleibt schon unklar, um welche Beweisangebote
der Klägerin es sich zumindest sinngemäß gehandelt habe. Jedenfalls ergibt sich aus dem Beschwerdevortrag nicht, dass die
Klägerin den aus ihrer Sicht notwendigen Aufklärungsbedarf dem LSG im Laufe des Berufungsverfahrens hinreichend verdeutlicht
hätte.
Soweit der Vortrag der Klägerin dahin geht, dass das LSG medizinische Unterlagen bei seiner Entscheidungsfindung und den Gesundheitszustand
der Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt habe, zielt der Vortrag auf Mängel in der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts
ab. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ein Verfahrensmangel nicht auf §
128 Abs
1 S 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.