Ambulante ärztliche oder zahnärztliche Behandlung während einer stationären Entwöhnungsbehandlung als medizinische Leistungen
zur Rehabilitation
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten ambulanter ärztlicher und zahnärztlicher Behandlungen, die während
einer stationären medizinischen Leistung zur Rehabilitation (Reha) angefallen sind.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 1998 bewilligte die Beklagte dem damals drogenabhängigen Beigeladenen eine stationäre Entwöhnungsbehandlung
in der Fachklinik R. , A. , als medizinische Leistung zur Reha. Aus der am 5. Oktober 1999 begonnenen Maßnahme wurde der Beigeladene
am 6. Januar 2000 wegen eines Rückfalls vorzeitig entlassen.
Während seines Klinikaufenthaltes begab sich der nicht gesetzlich krankenversicherte Beigeladene mehrfach in ambulante Behandlung,
und zwar wegen Wirbelsäulenbeschwerden bei dem Arzt für Orthopädie Dr. T. , wegen Migräne und zum Ausschluß eines Gefäßprozesses
bei den Ärzten für Neurologie und Psychiatrie Dres. E. und R. sowie wegen Zahnbeschwerden bei den Zahnärzten Dres. B. und
T. . Die Kosten dafür in Höhe von insgesamt 1.390,59 DM trug der Kläger als Träger der Sozialhilfe. Die von ihm mit Schreiben
vom 31. Januar und 11. Juli 2000 geltend gemachte Erstattung dieser Kosten lehnte die Beklagte ab.
Die auf Kostenerstattung gerichtete Klage hat das Sozialgericht Münster (SG) durch Urteil vom 19. September 2000 im wesentlichen
mit folgender Begründung abgewiesen:
Die Beklagte sei nicht iS von § 104 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) vorrangig zur Gewährung der streitigen ambulanten Behandlungen verpflichtet gewesen. Zwar sei sie grundsätzlich gemäß §
13 Abs
2 Nr
1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) berechtigt, Leistungen zur akuten Behandlung einer Krankheit zu erbringen, wenn diese während der medizinischen Leistung
zur Reha auftrete. Im vorliegenden Fall habe sie jedoch die Behandlungen wegen Dorsalgie und Migräne sowie die Zahnbehandlung
ablehnen dürfen, weil diese in keinem Zusammenhang mit der bewilligten Reha-Leistung gestanden hätten. Insbesondere hätten
die behandelten Leiden keinen Einfluß auf die Entwöhnungsbehandlung gehabt.
Mit seiner vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung von §
13 Abs
2 Nr
1 Halbs 2
SGB VI. Zur Begründung trägt er ua vor: Da die akute Behandlungsbedürftigkeit des Beigeladenen während der von der Beklagten gewährten
Entwöhnungsbehandlung eingetreten sei, greife die Rückausnahme des §
13 Abs
2 Nr
1 Halbs 2
SGB VI ein. Mithin bleibe es bei der Zuständigkeit der Beklagten für die gesamte Reha-Maßnahme. Entgegen der Auffassung des SG liege
es nicht im Ermessen der Beklagten, ob sie Leistungen bei sog interkurrenten Erkrankungen erbringe. Es sei auch unerheblich,
ob die betreffenden Erkrankungen in einem engen Zusammenhang mit dem Reha-Leiden bzw der Reha-Leistung gestanden hätten. §
13
SGB VI sehe eine derartige Differenzierung nicht vor, sondern stelle nur auf die Zeitgleichheit von Hauptmaßnahme und akuter Behandlungsbedürftigkeit
ab. Auch aus §
13 Abs
3
SGB VI sei eine grundsätzliche Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger für alle interkurrenten Behandlungen zu entnehmen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Münster vom 19. September 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der im Zeitraum
zwischen dem 5. Oktober 1999 und 6. Januar 2000 durchgeführten ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen des Beigeladenen
in Höhe von insgesamt 1.390,59 DM zu erstatten und diesen Betrag gemäß § 108
SGB X zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert.
II
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch kommt allein § 104 Abs 1
SGB X in Betracht. Dieser bestimmt: Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne daß die Voraussetzungen
von § 103 Abs 1
SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte,
soweit der Leistungsträger nicht bereits geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt
hat (Satz 1). Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungspflicht
eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre (Satz 2; vgl dazu auch Satz 3). § 104
SGB X geht mithin davon aus, daß Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger bestehen, wobei die Verpflichtung des einen
der des anderen wegen System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht (vgl zB BSGE 74, 36, 38 = SozR 3-1300 § 104 Nr 8).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar hat der Kläger dem Beigeladenen gemäß § 37 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) die streitigen ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen als Krankenhilfe gewährt. Diese Leistungspflicht wäre
nach § 2
BSHG gegenüber einer entsprechenden Verpflichtung der Beklagten auch nachrangig gewesen. Die Beklagte hatte diese Behandlungen
dem Beigeladenen jedoch nicht zu erbringen.
Ein derartiger Anspruch des Beigeladenen ergibt sich zunächst nicht aus dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 14. Dezember
1998. Dieser bezieht sich lediglich auf eine bestimmte stationäre Behandlung in der Behandlungsstätte R. - Einrichtung zur
Reha Drogenabhängiger - als medizinische Leistung zur Reha. Nach den für die Auslegung des Regelungsgehalts mit heranzuziehenden
Umständen der Antragstellung sollte diese Maßnahme (ausschließlich) der Entwöhnung des Beigeladenen von seiner Drogensucht
dienen. Dagegen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die streitigen ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen
von dieser Bewilligung mit erfaßt sein sollten. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus den einschlägigen gesetzlichen
Vorschriften.
Maßgebend sind insoweit die §§
9 ff
SGB VI. Dabei handelt es sich um ein System von Bestimmungen, die sowohl die Anspruchsvoraussetzungen als auch Art und Umfang von
Reha-Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung regeln.
Nach §
9 Abs
1 Satz 1
SGB VI erbringt die Rentenversicherung medizinische, berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Reha um
1. den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit
der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2. dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.
Diese Bestimmung ist zwar nicht selbst Anspruchsgrundlage, vielmehr verweist §
9 Abs
2
SGB VI insoweit auf die in den §§
10,
11
SGB VI geregelten persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Sie grenzt jedoch die Leistungszuständigkeit der Rentenversicherung
bereits deutlich ein, indem sie für Reha-Leistungen der Rentenversicherung eine bestimmte Zielrichtung verlangt. Es soll nämlich
den beeinträchtigenden Auswirkungen einer bestimmten Krankheit oder Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten
entgegengewirkt werden.
Was medizinische Leistungen zur Reha anbelangt, so ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) von einem denkbar
breiten Leistungsspektrum auszugehen (vgl zB BSGE 82, 143, 145 f = SozR 3-2600 §
13 Nr
1). Dieses umfaßt gemäß §
15 Abs
1
SGB VI insbesondere
1. Behandlung durch Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche
Anordnung durchgeführt werden, einschließlich der Anleitung der Versicherten, eigene Abwehr- und Heilungskräfte zu entwickeln,
2. Arznei- und Verbandmittel, Heilmittel einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie und Beschäftigungstherapie,
3. Belastungserprobung und Arbeitstherapie,
4. Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel einschließlich der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung
sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel.
Bereits nach dem Wortlaut dieser Vorschrift können ambulante Behandlungen ihrer Art nach als medizinische Leistungen zur Reha
erbracht werden. Aber auch die nicht ausdrücklich aufgeführte Behandlung durch Zahnärzte scheidet insoweit nicht aus. Wie
die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt, handelt es sich nämlich bei §
15 Abs
1
SGB VI nicht um einen abgeschlossenen Katalog, sondern um einen "offenen Tatbestand" (vgl zB BSGE 82, 143, 145 f = SozR 3-2600 § 13 Nr 1). Im übrigen ist der in Art 1 § 13 Abs 2 Nr 4 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992; vgl BT-Drucks 11/4124 S 16, 155) vorgesehene Ausschluß zahnärztlicher Behandlung im Gesetzgebungsverfahren mit der
Begründung gestrichen worden (vgl BT-Drucks 11/5490 S 21), daß diese Leistung unter den bisherigen Voraussetzungen möglich
bleiben solle (vgl BT-Drucks 11/5530 S 40).
Wichtige Regelungen zur Leistungserbringung enthält §
13
SGB VI. Während sein Abs
1 vorsieht, daß der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Reha-Einrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen
bestimmt, heißt es in seinem Abs 2:
Der Träger der Rentenversicherung erbringt nicht
1. medizinische Leistungen zur Reha in der Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit, es sei denn, die Behandlungsbedürftigkeit
tritt während der medizinischen Leistungen zur Reha ein,
2. medizinische Leistungen zur Reha anstelle einer sonst erforderlichen Krankenhausbehandlung,
3. medizinische Leistungen zur Reha, die dem allgemein anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse nicht entsprechen.
Der hier einschlägige §
13 Abs
2 Nr
1
SGB VI enthält eine Ausschlußklausel mit Rückausnahmeregelung, jedoch keine eigenständige Anspruchsgrundlage (vgl dazu BSG SozR
3-2600 § 13 Nr 2). Dabei knüpfen sowohl der im 1. Halbsatz normierte Ausschluß von Reha-Leistungen als auch die dazugehörige
Rückausnahme (in Halbsatz 2) nicht bei der akuten Behandlungsbedürftigkeit irgendeiner gerade vorliegenden, sondern nur einer
solchen Krankheit an, die der betreffenden Maßnahme (mit) zugrunde liegt.
Diese Auslegung ergibt sich bereits aus dem systematischen Zusammenhang zwischen §
9 Abs
1 und §
13 Abs
2 Nr
1
SGB VI. Wenn §
9 Abs
1
SGB VI Reha-Leistungen betrifft, die erwerbsmindernden Auswirkungen einer bestimmten Krankheit entgegenwirken sollen, so erscheint
es folgerichtig, daß sich auch die Ausschlußregelung auf die akute Behandlungsbedürftigkeit gerade dieser Krankheit bezieht.
Darüber hinaus spricht die Begründung zum Entwurf des RRG 1992 dafür, daß es bei §
13 Abs
2 Nr
1
SGB VI um die Abgrenzung zwischen Akutbehandlung und Reha-Behandlung ein und derselben Erkrankung geht. Darin heißt es nämlich ua
(BT-Drucks 11/4124 S 155): "Abs 2 Nr 1 schließt entsprechend der bisherigen Rechtslage für die Dauer der akuten Phase einer
Erkrankung medizinische Leistungen zur Reha aus. Die Beurteilung, wann die Akutbehandlung endet, ob und in welchem Umfang
bestimmte Therapieformen vor allem bei psychisch Kranken der Akutbehandlung zuzurechnen sind, insbesondere wenn sie auf die
Behebung der psychischen Fehlhaltung und auf die Stabilisierung der Persönlichkeit ausgerichtet sind, ist jedoch häufig schwierig."
Schließlich entspricht es dem Sinn und Zweck des §
13 Abs
2 Nr
1
SGB VI, die Leistungszuständigkeit der Rentenversicherung nur insoweit auszuschließen, als sich das den Reha-Bedarf begründende
Leiden (noch) in einer Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit befindet. Hingegen wäre es sachwidrig, die Durchführung einer
medizinischen Reha-Maßnahme von vornherein allein daran scheitern zu lassen, daß der Versicherte an irgendeiner akut behandlungsbedürftigen
Krankheit leidet, es sei denn, diese beeinträchtigte seine Reha-Fähigkeit iS von §
10 Nr 2
SGB VI. Folglich sind bei einer rehabilitationsbedürftigen Suchterkrankung medizinische Reha-Leistungen der Rentenversicherung solange
ausgeschlossen, als noch eine Entgiftung erforderlich ist (vgl dazu BSGE 82, 143 = SozR 3-2600 § 13 Nr 1), nicht jedoch bereits dann, wenn eine davon unabhängige Krankheit des Versicherten akut einer Behandlung
bedarf.
Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus §
13 Abs
3
SGB VI. Diese Vorschrift betrifft nur das Verhältnis zwischen Rentenversicherung und Krankenversicherung. Die darin besonders vorgesehene
Möglichkeit einer Leistungserbringung des Rentenversicherungsträgers für den Krankenversicherungsträger ändert nichts an den
allgemeinen Leistungsgrenzen der Rentenversicherung, insbesondere im Verhältnis zur Sozialhilfe. Soweit diesbezügliche - im
übrigen nicht tragende - Ausführungen des erkennenden Senats in seinem Urteil vom 13. Januar 1999 (SozR 3-2600 § 13 Nr 2)
- wie zB vom Kläger - anders verstanden werden können, wird daran nicht festgehalten. Im übrigen hat der Senat bereits in
dieser Entscheidung ausgeführt, durch die Rückausnahme in §
13 Abs
2 Nr
1 Halbs 2
SGB VI bleibe es wieder bei der allgemeinen Regel, dh der Zuständigkeit für die gesamte Reha-Maßnahme nach §
15
SGB VI. In jenem Fall war diese Zuständigkeit ohne weiteres auch für die dort streitige Entgiftung gegeben, da es dabei um eine
interkurrente Akutbehandlung des "Reha-Leidens" ging.
Die hier streitigen ambulanten Behandlungen wegen Wirbelsäulen-, Migräne- und Zahnbeschwerden gehörten nicht zu der von der
Beklagten bewilligten stationären Entwöhnungsbehandlung. Weder betrafen sie unmittelbar die Drogenabhängigkeit des Beigeladenen,
die der gewährten medizinischen Leistung zur Reha zugrunde lag, noch standen sie damit in einem hinreichend engen Zusammenhang.
Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Rentenversicherungsträger allerdings für die Erbringung medizinischer Leistungen,
die bei isolierter Betrachtung in die Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers fallen würden, dann zuständig sein, wenn
diese mit einer von ihm gewährten Reha-Maßnahme eng verbunden sind (vgl zB zur Tbc-Behandlung: BSGE 29, 87, 89 = SozR Nr 11 zu § 1244a der
Reichsversicherungsordnung >
RVO<; BSG SozR 2200 § 1244a Nr 7; zur Suchtbehandlung: BSGE 66, 87, 93 f = SozR 2200 § 1237 Nr 23; BSGE 67, 100, 103 = SozR 3-7610 § 683 Nr 1; BSG SozR 3-2200 § 1236 Nr 3; BSG SozR 3-2600 § 13 Nr 2). Dabei ist vom erkennenden Senat der
Gesichtspunkt eines einheitlichen medizinisch begründeten Behandlungskonzepts betont worden (vgl BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr
4 S 20). Ein derartiger therapeutischer Zusammenhang ergibt sich in erster Linie daraus, daß sich die betreffenden Einzelmaßnahmen
auf das eigentliche Reha-Leiden beziehen. Hingegen bedarf die Behandlung anderer Erkrankungen, und seien es auch typische
Folge- oder Begleiterscheinungen des Reha-Leidens, grundsätzlich eines eigenständigen Therapiekonzeptes, das seinerseits den
Maßgaben des §
9 Abs
1
SGB VI entsprechen muß. Ob dies auch für Bagatellerkrankungen gilt, die ohne weiteres mit den Mitteln der Einrichtung - quasi nebenbei
- mitbehandelt werden können (vgl dazu §
2 Abs
2 der Vereinbarung zur Leistungsabgrenzung nach §
13 Abs
4
SGB VI, ErsK 1993, 172), braucht hier nicht entschieden zu werden, da die Leistungszuständigkeit der Beklagten für außerhalb der
Reha-Einrichtung R. ambulant durchgeführte ärztliche und zahnärztliche Behandlungen streitig ist. Diese sind nach dem Gesamtzusammenhang
der Feststellungen des SG nicht als Bestandteile eines einheitlichen Suchtbehandlungskonzeptes anzusehen.
Auch unabhängig von der seinerzeit durchgeführten Entwöhnungsbehandlung hatte der Beigeladene keinen (eigenständigen) Anspruch
auf Gewährung der streitigen ambulanten Behandlungen als medizinische Leistungen zu Reha. Es erscheint bereits zweifelhaft,
ob diese Behandlungen den Anforderungen des §
9 Abs
1
SGB VI entsprachen. Nach dieser Vorschrift ist den Rentenversicherungsträgern die Aufgabe der Reha nur insofern übertragen worden,
als mit der jeweiligen Leistung bezweckt wird, die Erwerbsfähigkeit des Versicherten iS der Erhaltung oder Wiederherstellung
zu beeinflussen. Ferner muß eine Reha-Maßnahme der Rentenversicherung auch geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen. Für Leistungen,
die diesem Zweck nicht zumindest auch dienen, dürfen die Rentenversicherungsträger ihre Mittel nicht einsetzen (vgl BSGE 68,
167, 170 = SozR 3-2200 § 1237 Nr 1). Dies gilt insbesondere für solche Maßnahmen, die allein auf die Gesundung des Versicherten
gerichtet sind (vgl BSG aaO; BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr 2; BSG SozR 3-5765 § 1 Nr 1; BSGE 85, 298, 302 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2).
Diese Zielsetzung muß sich grundsätzlich auch in der Art und Weise der Leistungserbringung niederschlagen. So hat das BSG
bei Blasmusikern den rehabilitativen Charakter eines im Hinblick auf die Berufsausbildung besonders gearteten Zahnersatzes
bejaht (vgl BSGE 27, 37 = SozR Nr 3 zu § 1236
RVO; BSGE 29, 133 = SozR Nr 5 zu § 1237
RVO; BSGE 45, 212 = SozR 2200 § 1282 Nr 29; BSGE 50, 156 = SozR 2200 § 1237 Nr 15). Gerade auch bei stationärer Suchtbehandlung hat das BSG zur Abgrenzung der Leistungsbereiche von
Kranken- und Rentenversicherung auf die konkrete Art und Weise der jeweiligen Maßnahme abgestellt (vgl zB BSGE 46, 41 = SozR 2200 § 184a Nr 1). Erfolgt die Maßnahme im wesentlichen unter der aktiven und fortdauernden - in der Regel äußerlich
- behandelnden Einwirkung des Arztes auf den Patienten unter Zuhilfenahme der technischen Apparaturen des Krankenhauses und
unter ständiger Assistenz, Betreuung und Beobachtung durch fachlich geschultes Pflegepersonal und ist sie darauf gerichtet,
die Krankheit zu bekämpfen und zumindest in erheblichem Maße den körperlichen Zustand des Patienten zu verbessern, fällt sie
danach in den Zuständigkeitsbereich der Krankenversicherung. Ist die Maßnahme hingegen vorwiegend darauf gerichtet, den Zustand
des Patienten durch seelische und geistige Einwirkung und durch Anwendung von Heilmitteln zu beeinflussen, ihm Hilfestellung
zur Entwicklung eigener Abwehrkräfte zu geben, hat die Veränderung des körperlichen Zustandes des Patienten eine zwar nicht
unwesentliche, jedoch mehr begleitende Bedeutung und ist die pflegerische Betreuung des Patienten der ärztlichen Behandlung
eher nebengeordnet, so liegt es nahe, sie primär dem Zuständigkeitsbereich der Rentenversicherung zuzuordnen (vgl BSG aaO
S 45).
Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Ausgestaltung der streitigen ambulanten Behandlungen über das
Ziel einer Besserung des Gesundheitszustandes des Beigeladenen hinaus entscheidend davon geprägt war, auch dessen Erwerbsfähigkeit
positiv zu beeinflussen. Allem Anschein nach handelte es sich um typischerweise rein kurative Behandlungsmaßnahmen von Ärzten
und Zahnärzten. Besondere auf eine Steigerung der Erwerbsfähigkeit ausgerichtete Heil- oder Hilfsmittel sind offensichtlich
nicht zum Einsatz gekommen.
Abgesehen davon scheidet bei einer gesonderten Betrachtung der einzelnen in Rechnung gestellten ambulanten Behandlungen eine
Leistungsgewährung durch die Beklagte jedenfalls nach §
13 Abs
2 Nr
1
SGB VI aus. Denn die zugrundeliegenden Krankheiten befanden sich - wovon das SG in Übereinstimmung mit dem Kläger und der Beklagten
ausgegangen ist - jeweils bei Beginn der fraglichen ärztlichen und zahnärztlichen Maßnahmen in einer Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Dabei ist berücksichtigt worden, daß sich der Beigeladene
während des gesamten Verfahrens nicht zur Sache geäußert hat.