Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Versäumung der Revisionsfrist - fehlende Kontrolle des Fax-Sendeberichts
Gründe:
I. Das Sozialgericht D. (SG) hat mit Urteil vom 22. September 2004 die (Sprung-)Revision zugelassen; das Urteil ist der klagenden Landesversicherungsanstalt
am 5. November 2004 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Die mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2004 eingelegte Revision
der Klägerin ist am 7. Dezember 2004 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs
trägt die Klägerin vor: Nachdem die beklagte Bank am Donnerstag, dem 2. Dezember 2004, die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision
erteilt habe, habe die zuständige Referentin am selben Tag den Verwaltungsamtsrat (VAR) S. beauftragt, die Sprungrevision
per Fax einzulegen und am Folgetage dem BSG die Revisionsschrift im Original zuzuleiten. Aufgrund einer fehlerhaften Eingabe
der Fax-Nummer durch VAR S. sei das Fax nicht abgesandt worden. Den Sendebericht mit dem Fehlerprotokoll habe dieser dann
missachtet. VAR S. sei nicht eigenverantwortlich zur Führung eines Rechtsstreits beim BSG ermächtigt. Die Klägerin hat eidesstattliche
Versicherungen des VAR S. sowie des Leiters der Widerspruchs- und Rechtsbehelfsstelle vorgelegt. VAR S. hat unter dem 23.
Dezember 2004 angegeben, laut Sendebericht sei die Absendung offensichtlich aufgrund eines technischen Fehlers storniert,
dh das Fax nicht gesendet worden; dies habe er leider nicht erkannt. Der Leiter der Widerspruchs- und Rechtsbehelfsstelle
hat unter dem 11. März 2005 angegeben, dass es sich bei Herrn S. um einen zuverlässigen, verantwortungsbewussten, stets gewissenhaft
und sorgfältig arbeitenden Mitarbeiter handele, dem bislang bei der Nutzung des Faxgerätes noch nie ein Fehler unterlaufen
sei. Außerdem hat die Klägerin die Originale des Fax-Vorblatts sowie des Sendeberichts vom 2. Dezember 2004, 15:38 Uhr beigefügt;
hiernach ist als Fax-Nr des BSG jeweils "0651 3107 475" (richtig: 0561 3107 475) eingegeben. Ferner hat sie Auszüge aus der
Dienstanweisung für die Widerspruchs- und Rechtsbehelfsstelle der Abteilung Versicherung und Rente sowie aus den Anweisungen
für Bürokommunikation und Datenverarbeitung vorgelegt.
II. Die Revision ist unzulässig und daher gemäß §
169 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Gemäß §
164 Abs
1 SGG ist die Revision beim BSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses schriftlich einzulegen.
Das mit der Revision angefochtene Urteil des SG ist der Klägerin am 5. November 2004 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Die einmonatige Revisionsfrist ist daher
am Montag, dem 6. Dezember 2004, abgelaufen (§
164 Abs
1 Satz 1, §
64 Abs
3 SGG). Die am Dienstag, dem 7. Dezember 2004, beim BSG eingegangene Revision ist mithin verspätet.
Der Antrag der Klägerin, ihr wegen Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§
67 Abs
1 SGG) zu gewähren, ist abzulehnen. Denn die Klägerin war nicht ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten.
Nach der Rechtsprechung des BSG liegt ein Verschulden in diesem Sinn grundsätzlich vor, wenn die von einem gewissenhaften
Prozessführenden im prozessualen Verkehr erforderliche Sorgfalt (BSGE 1, 227, 232; BSGE 61, 213, 214 = SozR 1500 § 67 Nr 18) außer acht gelassen ist. Das Verschulden einer Hilfsperson ist den Beteiligten nicht zwingend
zuzurechnen. Die Hilfspersonen müssen jedoch entsprechend ausgebildet, auf ihre Zuverlässigkeit überwacht und die Büroorganisation
muss so ausgestattet sein, dass Fehler vermieden werden. Anderenfalls trifft den Beteiligten ein Auswahl-, Überwachungs- oder
Organisationsverschulden, das ihm zuzurechnen ist (vgl Littmann in HandKomm
SGG, §
67 RdNr 8; Meyer-Ladewig,
SGG-Komm, 7. Aufl, §
67 RdNr 8b jeweils mwN; zur Anwendung dieser Grundsätze auf Träger öffentlicher Verwaltung BSGE 61, 213 = SozR 1500 § 67 Nr 18).
Die Fristversäumung ist vorliegend maßgeblich durch die Eintragung einer falschen Faxnummer (Zahlendreher) auf dem Fax-Vorblatt
und die entsprechende Eingabe in das Faxgerät durch VAR S. verursacht; sie hat bewirkt, dass das Fax der Klägerin mit der
Revisionseinlegung vom 2. Dezember 2004 beim BSG nicht eingegangen ist. Diese Versäumung ist von dem Sachbearbeiter auch verschuldet,
weil er den Sendebericht des Faxes (Fehlermeldung: "Storno") nicht kontrolliert hat. Bei Kontrolle des Faxberichts hätte er
den Fehler bereits kurz nach dem Sendeversuch vom Donnerstag, 2. Dezember 2004, 15:38 Uhr oder spätestens am Folgetag erkennen
und immer noch rechtzeitig Revision einlegen können. Da VAR S. nicht zur eigenständigen Führung der Rechtsstreite vor dem
BSG berechtigt war, war er Hilfsperson der Klägerin. Sein Verschulden ist der Klägerin zuzurechnen, weil sie keine organisatorischen
Vorkehrungen getroffen hat, die Nichtweiterleitung eines Faxes zur Fristwahrung auszuschließen. Sie hat es unterlassen, hinsichtlich
fristwahrender Schriftsätze per Fax eine ordnungsgemäße Organisation sicherzustellen.
Fristsachen sind mit größter Genauigkeit zu behandeln (vgl Kummer, DAngVers 1991, 245). Bei fristwahrenden Schriftsätzen,
die per Fax übermittelt werden, ist vorzusehen, dass anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts kontrolliert wird, dass der
Schriftsatz abgesandt worden ist, dh keine Fehlermeldung vorliegt (vgl BSG, Urteil vom 22. August 1990 - 9b RAr 14/90; BGH
vom 7. Mai 2001 - II ZB 16/00; BGH vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 -, NJW-RR 2002, 1289; BGH vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 -, FamRZ 2004, 1275). Solche Organisationsmaßnahmen hat die Klägerin nicht getroffen. In ihren vorgelegten Anweisungen für Bürokommunikation
und Datenverarbeitung hat sie unter Nr 5.2.3.2 zum Sendeprotokoll nur festgelegt: "Automatisch erzeugte Sendeprotokolle enthalten
zu jedem Vorgang u.a. den Sendezeitpunkt sowie die Anschlusskennung der anderen Station. Diese Daten unterliegen dem besonderen
Schutz des Fernmeldegeheimnisses; sie sind deshalb besonders gegen Missbrauch zu schützen und am Standort des Gerätes gesichert
aufzubewahren. Ein Ausdruck durch Unbefugte ist untersagt." Eine Kontrolle des Sendeberichts ist darin nicht vorgesehen. Diese
wird auch nicht dadurch ersetzt, dass nach den genannten Anweisungen ua auch Sorge dafür zu tragen ist, dass die Anschlussnummer/-kennung
des Empfängers gültig ist und ferner zu prüfen, ob die richtige Anschlussnummer eingegeben wurde. Die Anweisung zur Kontrolle
des Sendeberichts wird davon nicht umfasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels (§
154 Abs
2 VwGO). Kosten sind die Gerichtskosten und zur Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beklagten (§
162 Abs
2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 1
SGG iVm §
63 Abs
2 Satz 1, § 47 Abs 1 sowie § 52 Abs 1 und 4 des Gerichtskostengesetzes (GKG - in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004, BGBl I 718). Gemäß § 72 Nr 1 Halbsatz 2 GKG nF ist diese Neufassung für die nach dem 1. Juli 2004 erhobene Revision anzuwenden. Der Streitwert war nach der Beschwer
der Klägerin entsprechend ihrem im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag auf den Betrag von EUR 1.022,72 festzusetzen.