Substantiiertheit einer Divergenzrüge
Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall
Fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen
1. Eine Abweichung i.S. des §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG ist dann hinreichend dargetan, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage
die angegriffene Entscheidung des Landessozialgerichts von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des Bundessozialgerichts,
des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht.
2. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das
BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung
einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt.
3. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche
Maßstäbe entwickelt hat.
4. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen
vermag die Zulassung wegen Abweichung zu begründen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 11.
Dezember 2014 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe
zu bewilligen und Rechtsanwalt N. beizuordnen, wird abgelehnt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil ist als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), weil die zu ihrer Begründung angeführten Zulassungsgründe der Abweichung (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht gemäß §
160a Abs
2 S 3
SGG schlüssig dargelegt sind.
a) Eine Abweichung iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG ist dann hinreichend dargetan, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage
die angegriffene Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage
des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht
(BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte,
die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung
einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über
den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung
im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung wegen Abweichung zu begründen
(vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX, RdNr 196 mwN; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34).
Dass eine entscheidungserhebliche Divergenz in diesem Sinne vorliegt, ist nicht schlüssig aufgezeigt. Die Beschwerde benennt
zwar Rechtsausführungen des BVerfG, von denen das LSG abgewichen sei. Jedoch ist ihr nicht zu entnehmen, mit welchem Rechtssatz
genau sich das LSG entscheidungstragend in Widerspruch im Grundsätzlichen zum BVerfG gestellt haben könnte. Schon im Ansatz
fehlt dem Vorbringen jede konkrete Angabe zum Gegenstand der angegriffenen Entscheidung und den maßgebenden Erwägungen des
LSG, die dem Senat allein anhand der Beschwerdebegründung eine Beurteilung des erhobenen Vorwurfs erlauben würde (zu dieser
Darlegungsanforderung vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160a RdNr 13e mwN). Dem Zusammenhang der Ausführungen ist nur zu entnehmen, dass für die angefochtene Entscheidung jedenfalls
auch der Beweis des Zugangs mehrerer "Sanktionsbescheide" nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch von Bedeutung gewesen sei. Ob in Bezug auf die dafür maßgeblichen Fragen der Beweiswürdigung angesichts der - nicht dargelegten
- Umstände des Falls hier überhaupt verallgemeinerungsfähige Rechtssätze aufgestellt sein können, denen im Grundsätzlichen
widersprochen werden kann, kann offen bleiben. Jedenfalls die in der Beschwerde gebrauchte Wendung, dass "das LSG bewusst
den Rechtssatz aufgestellt (hat), dass ein Streitfall bereits dann zu bejahen ist, wenn die Behörde den Zugang eines Bescheides
nicht einmal behauptet, sondern aus dem einfachen Bestreiten, dass mehrere Bescheide nicht zugegangen sein sollen, einen solchen
Streitfall herleitet", bezeichnet einen solchen Rechtssatz nicht. Vielmehr deutet diese Formulierung ebenso wie der Vorwurf,
dass das LSG die Entscheidung des BVerfG nicht "richtig angewandt" bzw daraus sich ergebende Anforderungen "verkannt" habe,
darauf hin, dass es der Beschwerde um die Richtigkeit der Entscheidung im Einzelnen und nicht um eine Abweichung im Grundsätzlichen
geht. Das eröffnet nach dem Dargelegten die Revision zum BSG indessen nicht.
b) Soweit die Beschwerde sinngemäß einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§
128 Abs
1 Satz 1
SGG) in der mangelhaften Aufklärung des LSG dazu sieht, "welche Bescheide im Einzelnen nicht bekannt gegeben worden sind", fehlt
es an Angaben, welchem im Hinblick darauf gestellten Beweisantrag das LSG iS von §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das nicht deshalb entbehrlich, weil
das Verfahren "verfassungsrechtliche Relevanz" hat. Ungeachtet dessen fehlt es mangels näherer Angaben zum streiterheblichen
Sachverhalt ohnehin an einer Grundlage dafür, allein anhand des Beschwerdevorbringens zu beurteilen, ob die angefochtene Entscheidung
auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen könnte (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG).
2. PKH gemäß §
73a SGG iVm §
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) ist der Klägerin nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§
73a SGG iVm §
121 ZPO) ist abzulehnen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183,
193 SGG.