Gründe:
I
Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vom 30.1.2012 bis zum 27.11.2013.
Der 1993 geborene Kläger ist bulgarischer Staatsangehöriger. Er reiste - nach seinen vom Landessozialgericht (LSG) festgestellten
Angaben - im Oktober 2011 nach Deutschland und wohnt gemeinsam mit seiner Mutter und zeitweise seiner Schwester sowie deren
Kindern in einer Wohnung in W.. Am 2.3.2012 meldete er ein "Garten- und Landschaftsbau"-Gewerbe an und am 20.5.2012 wieder
ab, ohne in diesem tätig geworden zu sein. Nach seinen Angaben war er im April 2012 fünf bis sechs Tage nicht-sozialversicherungspflichtig
beschäftigt, habe sich wegen Aussichtslosigkeit aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht auf Stellenangebote beworben und
verfüge über kein Einkommen oder Vermögen.
Den vom Kläger am 30.1.2012 beim beklagten Jobcenter - einem zugelassenen kommunalen Träger - gestellten Antrag auf Leistungen
nach dem SGB II lehnte dieses unter Hinweis auf § 8 Abs 2 SGB II ab (Bescheid vom 23.2.2012), ebenso den am 28.3.2012 gestellten Antrag auf Überprüfung dieses Bescheides (Bescheid vom 10.4.2012).
Der eingelegte Widerspruch wurde vom Kläger auf die Zeit vom 30.1.2012 bis zum 30.4.2012 beschränkt und vom Beklagten unter
Verweis auf § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 4.5.2012). Hiergegen ist Klage erhoben worden zum Sozialgericht (SG) Wiesbaden (Az: S 11 AS 382/12).
Für die Zeit ab dem 1.5.2012 stellte der Kläger einen weiteren Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, der vom Beklagten abgelehnt wurde (Bescheid vom 15.5.2012; Widerspruchsbescheid vom 20.6.2012). Auch hiergegen ist Klage
erhoben worden zum SG Wiesbaden (Az: S 11 AS 483/12).
Das SG hat die Klagen verbunden und abgewiesen (Urteil vom 12.10.2012). Das LSG hat unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide des Beklagten diesen verurteilt, dem Kläger vom 30.1.2012 bis zum 27.11.2013 "Leistungen nach dem SGB II zu gewähren" (Urteil vom 27.11.2013). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger erfülle die Leistungsvoraussetzungen
nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, insbesondere sei er mangels eigenen Einkommens und Vermögens hilfebedürftig gewesen und auch das Vermögen seiner Mutter
sei Ende des Jahres 2011 erschöpft gewesen. Er habe aufgrund der erforderlichen Zukunftsoffenheit einen gewöhnlichen Aufenthalt
in Deutschland gehabt. Der Kläger sei nicht gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Er könne sich nicht auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche nach § 2 Abs 2 Nr 1 Alt 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) berufen, denn er habe nicht mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit gesucht, zumal er keine dahin gehenden "Ambitionen"
entfaltet habe. Er könne sich auch nicht auf ein anderes Aufenthaltsrecht zB aus den Nachwirkungen der Tätigkeit im April
2012 oder als Dienstleistungserbringer berufen (§ 2 Abs 2 Nr 1, 2 iVm Abs 3 FreizügG/EU). § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II könne nicht als Auffangausschlusstatbestand im Weg eines "Erst-Recht"-Schlusses erweiternd dahin gehend ausgelegt werden,
dass er auch einen "nur" (formal-)legalen Aufenthalt umfasse, selbst wenn die Ausländerbehörde noch keine Feststellungen über
den Wegfall der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts getroffen habe.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte unter Hinweis auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs
(EuGH) vom 11.11.2014 (C-333/13 - Dano) die Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II. Nach diesem Urteil hätten wirtschaftlich inaktive EU-Ausländer wie der Kläger keinen Anspruch auf Sozialleistungen im Aufnahmestaat.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. November 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil
des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2012 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und rügt hilfsweise die nicht erfolgte Beiladung des Sozialhilfeträgers.
II
Auf die zulässige Revision des Beklagten ist das Urteil des LSG vom 27.11.2013 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen (§
170 Abs
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des genannten Urteils des LSG, das den Beklagten unter Aufhebung
des Urteils des SG und der Bescheide des Beklagten verurteilt hat, den Bescheid vom 23.2.2012 zurückzunehmen und dem Kläger vom 30.1.2012 bis
zum 27.11.2013 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, und letztlich das Begehren des beklagten Jobcenters, die Klage abzuweisen.
2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, weil von Amts wegen zu beachtende
Verfahrensmängel nicht zu erkennen sind und von Seiten der Beteiligten keine Verfahrensrügen - mit Ausnahme der vom Kläger
hilfsweise gerügten, nicht erfolgten Beiladung des Sozialhilfeträgers - erhoben wurden.
3. Rechtsgrundlage der vom Kläger begehrten und vom LSG zugesprochenen "Leistungen nach dem SGB II" für die strittige Zeit ist neben § 40 Abs 1 SGB II iVm § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - hinsichtlich des ersten Zeitraums, in dem der bestandskräftige Ablehnungsbescheid vom 23.2.2012 zu überprüfen ist, und neben
den Voraussetzungen für die einzelnen Leistungen nach §§ 19 ff SGB II insbesondere § 7 SGB II über die Leistungsberechtigung dem Grunde nach.
Der Kläger erfüllt zwar die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (dazu 4.), unterliegt jedoch dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II, der EU-Ausländer umfasst, die weder über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung noch ein Aufenthaltsrecht verfügen (dazu
5.), was beim Kläger der Fall ist (dazu 6.). Diesem Leistungsausschluss stehen nicht das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA)
(dazu 7.), das Recht der Europäischen Union (EU) (dazu 8.) oder das
Grundgesetz (
GG) (dazu 9.) entgegen. Für den Kläger kommen aber Leistungen der Sozialhilfe in Betracht, weswegen der Rechtsstreit mangels
ausreichender Feststellungen des LSG zurückzuverweisen und der zuständige Sozialhilfeträger auf die vom Kläger hilfsweise
erhobene Rüge beizuladen ist (dazu 10.).
4. Die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllte der 1993 geborene Kläger in der strittigen Zeit vom 30.1.2012 bis zum 27.11.2013 nach den Feststellungen des LSG.
Er war erwerbsfähig nach § 8 Abs 1 SGB II und die fehlende deutsche Staatsangehörigkeit stand seiner Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs 2 SGB II nicht entgegen, weil für ihn als bulgarischen Staatsangehörigen die Möglichkeit, dass eine Beschäftigung erlaubt werden könnte,
bestand und ausreicht (Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 13 ff), worauf auch § 8 Abs 2 Satz 2 SGB II hinweist. Auf einen Antrag oder das Vorliegen einer "Arbeitserlaubnis EU" nach § 284 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung
- kommt es in solchen Fällen nicht an.
Der Kläger war hilfebedürftig nach §§ 9, 11 ff SGB II, weil er selbst kein Einkommen oder Vermögen hatte und das Vermögen seiner Mutter, mit der er in einem Haushalt lebte und
mangels eigenen Einkommens oder Vermögens eine Bedarfsgemeinschaft bildete (§ 7 Abs 3 Nr 1, 4 SGB II), nach den Feststellungen des LSG Ende des Jahres 2011 erschöpft war. Mögliches Einkommen oder Vermögen seiner Schwester,
die zeitweise auch in dem Haushalt der Mutter lebte, wäre allenfalls nach § 9 Abs 5 SGB II zu berücksichtigen; dass dieses eine Höhe erreichte (vgl zur Berechnung § 1 Abs 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung), die zu einer entsprechenden Vermutung führt, hat das LSG verneint.
Der Kläger hatte einen gewöhnlichen Aufenthalt in W. (zu dessen Erfordernissen: § 30 Abs 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch
- Allgemeiner Teil -), weil er dort nicht nur vorübergehend, sondern zukunftsoffen verweilte (vgl nur BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 18 ff mwN).
5. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II ist auf den Kläger anzuwenden, weil dieser sich weder auf eine Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) berufen kann, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag.
Nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II sind "ausgenommen" - also keine leistungsberechtigten Personen iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und ohne Leistungsberechtigung nach dem SGB II - nach Nr 1 Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland keine Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige sind
oder nicht nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts, nach Nr 2 Ausländerinnen
und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen sowie
nach Nr 3 Leistungsberechtigte nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz, wobei diese letzte Variante beim Kläger von vornherein ausscheidet.
Über diese wortwörtlich geregelten Fälle hinaus umfasst der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der EU, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer)
und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen. Der erkennende 14. Senat schließt sich dem 4. Senat an, der dies unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte
des Leistungsausschlusses, seine systematischen Zusammenhänge sowie den Sinn und Zweck der Vorschrift begründet hat (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 19 ff). Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt
werden, dass einerseits EU-Ausländer, die zB über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche verfügen, von
Leistungen nach dem SGB II, die auch der Integration in den Arbeitsmarkt dienen sollen, ausgeschlossen sind, andererseits aber EU-Ausländern, die ohne
Bereitschaft zu arbeiten oder ohne Aussicht auf Arbeit, also ohne materielle Freizügigkeitsberechtigung, und ohne ausreichende
eigene finanzielle Mittel sich in Deutschland aufhalten, Leistungen nach dem SGB II zu erbringen sind.
Da die materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder das materielle Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG entscheidend sind, kommt es auf den Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach dem FreizügG/EU nicht an, weil diese nur deklaratorische Bedeutung hat und keine materielle Freizügigkeitsberechtigung begründet (vgl nur
Begründung des Gesetzentwurfs zum FreizügG/EU in BT-Drucks 15/420 S 101 f). Im Übrigen wurde die Freizügigkeitsbescheinigung durch Änderung des § 5 FreizügG/EU mittlerweile abgeschafft. Von den materiellen Freizügigkeitsberechtigungen nach dem FreizügG/EU zu unterscheiden ist die generelle Freizügigkeitsvermutung für EU-Ausländer, für deren rechtmäßige Einreise nach Deutschland
ein gültiger Pass genügt (§ 2 Abs 5 FreizügG/EU). Aufgrund dieser generellen Freizügigkeitsvermutung muss der Aufenthalt eines EU-Ausländers zumindest solange als rechtmäßig
angesehen werden, bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts in entsprechender Anwendung
des § 5 Abs 5 FreizügG/EU in der bis Januar 2013 geltenden Fassung oder nunmehr aufgrund von § 5 Abs 4 FreizügG/EU bzw der Missbrauchstatbestände in § 2 Abs 7 FreizügG/EU festgestellt hat (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 34 mwN).
6. Auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG kann sich der Kläger für die strittige Zeit nicht berufen.
a) Eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer nach § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU setzt die Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als Arbeitnehmer voraus, die nicht nur von geringem Umfang oder
völlig untergeordneter oder unwesentlicher Bedeutung ist, wobei das erzielte Arbeitsentgelt aber nicht das Existenzminimum
der betreffenden Person und ihrer Familienangehörigen vollständig abdecken muss (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 18; BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 26).
Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, weil er im strittigen Zeitraum von mehreren Monaten nur fünf bis sechs Tage
nicht-sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
b) Eine Freizügigkeitsberechtigung als Selbstständiger nach § 2 Abs 2 Nr 2 FreizügG/EU setzt voraus, dass eine erwerbsorientierte Tätigkeit als Selbstständiger mittels einer bestimmten Einrichtung oder Organisation
auf unbestimmte Zeit tatsächlich ausgeübt wird, ohne dass der erzielte Gewinn das Existenzminimum abdecken muss; die bloße
Anmeldung eines Gewerbes genügt nicht (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 19; BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 28).
Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, weil er ein "Garten- und Landschaftsbau"-Gewerbe zwar vorübergehend angemeldet
hatte, in diesem aber nicht tätig war.
c) Eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer oder selbstständiger Erwerbstätiger nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU scheidet aufgrund der zuvor getroffenen Feststellungen aus.
d) Für eine Freizügigkeitsberechtigung als Familienangehöriger nach § 2 Abs 2 Nr 6, § 3 FreizügG/EU - der 1993 geborene Kläger war zu Beginn des strittigen Zeitraums am 30.1.2012 erst 19 Jahre alt - spricht nach den Feststellungen
des LSG nichts. Dasselbe gilt für eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 2 FreizügG/EU nach dessen Nr 3 oder Nr 4 (Erbringer oder Empfänger von Dienstleistungen) sowie Nr 7 (Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts).
e) Ein Aufenthaltsrecht des Klägers nach dem AufenthG, insbesondere vermittels der Günstigkeitsregelung in § 11 Abs 1 FreizügG/EU, ist nicht ersichtlich.
7. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA steht dem Leistungsausschluss des Klägers nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen (vgl zum EFA das Ausführungsgesetz vom 15.5.1956, BGBl II 563; zu dessen früherer Anwendbarkeit im Rahmen
des SGB II bei einem französischen Staatsangehörigen: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21; zu dessen Nichtanwendbarkeit nach dem 1.2.2012: BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR, RdNr 18 ff). Denn der Kläger ist bulgarischer Staatsangehöriger und
Bulgarien ist kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens.
Durchgreifende Gründe, dieses völkerrechtliche Abkommen zwischen bestimmten Staaten, die zwar (mittlerweile) größtenteils
zur EU gehören, auf die Staatsangehörigen auch anderer Mitgliedstaaten der EU auszudehnen (so wohl Eichenhofer in seiner Anmerkung
zu dem Urteil des BSG vom 19.10.2010, aaO, SGb 2011, 458 ff), sind nicht zu erkennen. Im Übrigen ist die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, auf die die dahin gehenden Überlegungen
gestützt werden, ein typisches Merkmal völkerrechtlicher Verträge und in der Konsequenz müssten alle völkerrechtlichen Verträge,
die Deutschland geschlossen hat, automatisch auch für alle in Deutschland lebenden EU-Ausländer gelten, was zB für die sozialrechtskoordinierenden
Vorschriften innerhalb der EU erhebliche Probleme nach sich ziehen dürfte.
8. Mit EU-Recht ist dieser Leistungsausschluss des Klägers nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II vereinbar, wie sich aus den Entscheidungen des EuGH vom 11.11.2014 (C-333/13 - Dano, NJW 2015, 145 ff) und vom 15.9.2015 (C-67/14 - Alimanovic, SGb 2015, 638 ff) ergibt. Auch wenn Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen iS des Art 70 VO Nr 883/2004/EG und als "Sozialhilfe" iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG eingeordnet werden, stehen Art 24 Abs 1 iVm Art 7 Abs 1 Buchst b RL 2004/38/EG und Art 4 VO Nr 883/2004/EG der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom
Bezug dieser Leistungen ausgeschlossen werden, sofern diesen Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht
nach der RL 2004/38/EG zusteht (EuGH Urteil vom 11.11.2014, aaO, RdNr 84). Gleiches gilt für Unionsbürger anderer EU-Staaten (einschließlich ihrer
Familienangehörigen), die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, wenn sie nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige
sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist (EuGH Urteil vom 15.9.2015, aaO, RdNr 63).
9. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen diesem Leistungsausschluss des Klägers nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Der Leistungsausschluss ist insbesondere schon deshalb mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums aus Art
1 Abs
1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art
20 Abs
1 GG vereinbar, weil für den Kläger Leistungen der Sozialhilfe seitens des zuständigen, vom LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren
beizuladenden Sozialhilfeträgers nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) in Betracht kommen.
Die Leistungsvoraussetzungen nach § 19 Abs 1, § 27 Abs 1 SGB XII erfüllte der Kläger nach den Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Hinsichtlich der nach § 18 Abs 1 SGB XII erforderlichen Kenntnis des Sozialhilfeträgers ist auf die Kenntnis des beklagten Jobcenters zu verweisen (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 39 mwN).
Der Kläger war nicht nach § 21 SGB XII von Leistungen zum Lebensunterhalt ausgeschlossen, weil die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII nicht auf das schlichte Kriterium Erwerbsfähigkeit reduziert werden kann, sondern differenzierter ist (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 40 ff mwN; vgl aus der Literatur mit stationär
Untergebrachten und Strafgefangenen als Beispielen nur: Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 21 RdNr 5, der in RdNr 1 ff die Probleme der Abgrenzung und wiederholten Änderungen der einschlägigen Vorschriften darstellt,
aber andererseits in RdNr 8 fordert, die Systeme "scharf voneinander abzugrenzen"; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 21 RdNr 9: Erwerbsfähigkeit ist nicht das alleinige, ausschließliche Abgrenzungsmerkmal; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl 2009, § 21 RdNr 2, die zudem Ausländer anführt, deren Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs 2 SGB II ausgeschlossen ist).
Ob einem Anspruch des Klägers auf Sozialhilfe der Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII - eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen - entgegensteht, kann mangels Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden. Im
Weiteren ist zu beachten, dass ebenso wie nach dem SGB II aufgrund von § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB XII Ausländer, die weder materiell freizügigkeitsberechtigt nach dem FreizügG/EU noch aufenthaltsberechtigt nach dem AufenthG sind, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 48 ff). § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII beinhaltet, wie schon dem Wortlaut entnommen werden kann, jedoch nur einen Ausschluss von einem Anspruch auf Sozialhilfe,
nicht aber von im Wege des Ermessens zu gewährenden Leistungen auf Sozialhilfe, wie sie § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII vorsieht (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 51 mwN, auch auf die Rspr des Bundesverwaltungsgerichts
zur Vorläufervorschrift in § 120 Bundessozialhilfegesetz).
Hinsichtlich der Leistungen im Einzelnen, insbesondere ob vorliegend die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf
null vorliegen (vgl dazu BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 53 ff), sind weitere Feststellungen notwendig,
die das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu treffen hat.
10. Aufgrund dieses möglichen Anspruchs des Klägers gegen den Sozialhilfeträger und dessen nicht erfolgter Beiladung, die
der Kläger hilfsweise gerügt hat, ist das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen.
Nach §
75 Abs
2 Alt 2
SGG ist, wenn sich in einem Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein Träger der Sozialhilfe als leistungspflichtig
in Betracht kommt, dieser Träger beizuladen (zur Verurteilung des Beigeladenen siehe §
75 Abs
5 SGG). Die im Revisionsverfahren grundsätzlich unzulässige Beiladung ist vorliegend auch nicht mit Zustimmung des Beigeladenen
nachzuholen (vgl §
169 SGG), weil der Rechtsstreit mangels Feststellungen des LSG ohnehin nicht entscheidungsreif, sondern zurückzuverweisen ist.
Der Beiladung der Stadt W. als Sozialhilfeträger steht nicht entgegen, dass sie als zugelassener kommunaler Träger zugleich
Rechtsträger des beklagten Jobcenters ist. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass ein solcher "In-sich-Prozess",
der auch das Verhältnis eines Hauptbeteiligten zu einem notwendig Beizuladenden betreffen kann, zulässig und insbesondere
ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist sowie die entsprechenden Folgen für die Beteiligtenstellung zu ziehen sind, wenn die
betroffenen Behörden oder Einrichtungen desselben Rechtsträgers eine gewisse Verselbstständigung erfahren haben und Inhaber
eigener Rechte und Pflichten im Verhältnis zueinander sind, über die im Streitfall von der gemeinsamen Spitze nicht verbindlich
entschieden werden kann (BSG Urteil vom 23.4.1975 - 9 RV 136/74 - BSGE 39, 260 = SozR 3100 § 52 Nr 1; BSG Urteil vom 28.1.2004 - B 6 KA 4/03 R - SozR 4-1500 § 70 Nr 1 RdNr 18 ff; letztens etwa BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 4/14 R - SozR 4-2500 § 80 Nr 1 RdNr 18 f; vgl nur Böttiger in Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl 2014, §
54 RdNr 56a; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
54 RdNr 15; Kopp/Schenke,
VwGO, 21. Aufl 2015, §
63 RdNr 7; Redeker/von Oertzen,
VwGO, 16. Aufl 2014, §
63 RdNr 8 f).
Diese Voraussetzungen sind im Verhältnis zwischen dem Jobcenter eines zugelassenen kommunalen Trägers und dessen Stellung
als Sozialhilfeträger erfüllt. Denn ein zugelassener kommunaler Träger muss sich verpflichten, das Jobcenter als besondere
Einrichtung zu errichten und zu unterhalten (§ 6a Abs 2 Satz 1 Nr 2, Abs 5 SGB II), der Bund trägt bestimmte Aufwendungen dieses zugelassenen kommunalen Trägers einschließlich der Verwaltungskosten (§ 6b Abs 2 Satz 1 SGB II), kann für die Bewirtschaftung der Mittel bestimmte Vorgaben machen (§ 6b Abs 2, § 46 Abs 1 Satz 4, Abs 2 SGB II) und hat seitens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie des Bundesrechnungshofs bestimmte Aufsichts- und Kontrollrechte
(§ 6b Abs 3, 4 SGB II). Letztlich muss der zugelassene kommunale Träger gegenüber dem Bund die Verwendung der erhaltenen Mittel im Rahmen des SGB II belegen (§ 6b Abs 5 SGB II; vgl letztens BSG Urteil vom 12.11.2015 - B 14 AS 50/14 R).
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.