Nichtzulassungsbeschwerde
Divergenzrüge
Begriff der Abweichung
Einander widersprechende abstrakte Rechtssätze
Entwickeln anderer rechtlicher Maßstäbe
1. Eine Abweichung i.S. des §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG ist nur dann hinreichend dargetan, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen
Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht.
2. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das
BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung
einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt.
3. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche
Maßstäbe entwickelt hat.
4. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen
vermag die Zulassung wegen Abweichung zu begründen.
5. Sowohl die rechtliche Aussage des LSG in seiner Entscheidung als auch die, von der es abweicht, müssen in der Beschwerdebegründung
so genau bezeichnet werden, dass sie ohne größere Schwierigkeiten auffindbar sind.
Gründe:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG). Der Kläger hat zur Begründung seiner Beschwerde keinen der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung oder Verfahrensmangel) gemäß §
160a Abs
2 Satz 3
SGG schlüssig dargelegt oder bezeichnet.
Da der Beschluss kurz begründet werden soll, jedoch von einer Begründung abgesehen werden kann, wenn sie nicht geeignet ist,
zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2
SGG), beschränkt sich der Senat auf folgende Hinweise:
1. Der Kläger stützt seine Beschwerde zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach
§
160 Abs
2 Nr
1 SGG. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage,
der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 60). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die begehrte Revisionszulassung
nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX, RdNr 181). Eine grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand
erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen
Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder
Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl
Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 65 f).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Beschwerdebegründung sind folgende Fragen zu entnehmen:
1. "Ermächtigt §
66 SGB-I, 'beantragte Leistungen zu versagen' oder ermächtigt §
66 SGB-I lediglich, 'die Entscheidung bis zur Nachholung der Mitwirkung zu versagen'?"
2. "Hat ein Bescheid, dessen Verfügungssatz 'beantragte Leistungen versagt' anstatt 'die Entscheidung bis zur Nachholung der
Mitwirkung zu versagen', die Ermächtigung des §
66 SGB-I überschritten und ist deswegen rechtswidrig?"
3. "Ist ein solcher rechtswidriger Bescheid auf eine Anfechtungsklage hin aufzuheben?"
4. "Ist die Behörde nach Ablauf der 6monatigen Sperrfrist auf eine mit der Anfechtungsklage im Wege der objektiven Klagehäufung
kombinierte Verpflichtungsklage mindestens zum Erlass eines neuen Bescheids zu verpflichten, weil die Beklagte im Fall ihrer
Untätigkeit nach §
88 Abs.
1 S. 1
SGG zur Neubescheidung verpflichtet ist?"
5. "Ist die These zutreffend, dass nicht festgestellt werden kann, ob und wie viel Einkommen voraussichtlich in einem bestimmten
Zeitraum erzielt wird, wenn sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben für diesen Zeitraum als Schätzbetrag vorliegen und
dadurch eine Berechnung des Überschusses durch Abzug der Einnahmen von den Ausgaben möglich ist und überdies die Ausgaben
hinsichtlich der enthaltenen Positionen aufgeschlüsselt sind und diese Positionen auch hinsichtlich ihrer Höhe weitgehend
bekannt sind und im übrigen durch den bekannten Gesamtbetrag der Ausgaben begrenzt sind."
Hinsichtlich der Frage 1 zeigt der Kläger nicht auf, wieso diese angesichts der von ihm zitierten Entscheidung des BSG vom 22.2.1995 (- 4 RA 44/94 - BSGE 76, 16 = SozR 3-1200 § 66 Nr 3) überhaupt von grundsätzlicher Bedeutung ist und wieso noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung
oder Änderung der dortigen Grundsätze durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich
erscheint.
Hinsichtlich der Frage 2 und der auf ihr aufbauenden Frage 3 ("solcher") mangelt es an Darlegungen zu ihrer grundsätzlichen
Bedeutung, da sie auf Formulierungen in einem bestimmten Bescheid abstellen.
Hinsichtlich der Frage 4 fehlen in den weiteren Ausführungen nähere Darlegungen zu den Voraussetzungen einer Grundsatzrüge.
Hinsichtlich der Frage 5 ist nicht ersichtlich, auf die Auslegung welcher Rechtsnorm sie abzielt.
2. Des Weiteren stützt der Kläger seine Beschwerde auf den Zulassungsgrund einer Abweichung (Divergenz). Eine Abweichung iS
des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG ist nur dann hinreichend dargetan, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen
Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte,
die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung
einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über
den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung
im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung wegen Abweichung zu begründen
(vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 196 mwN; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34). Sowohl die rechtliche Aussage des LSG in seiner Entscheidung als auch die, von der es abweicht, müssen in der Beschwerdebegründung
so genau bezeichnet werden, dass sie ohne größere Schwierigkeiten auffindbar sind (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 29).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger meint, das LSG weiche von der zuvor angeführten Entscheidung des BSG ab, und führt dazu zwei Aussagen des LSG an. Hinsichtlich der ersten Aussage ("Nachholung unerheblich") mangelt es schon
an der Bezeichnung der Stelle in dem Urteil des LSG, wo diese zu finden sein soll. Hinsichtlich der zweiten Aussage, das LSG
stelle auf S 11 ausschließlich auf den Ausgangsbescheid ab und widerspreche damit einer These des BSG, wird nicht aufgezeigt, worin die Abweichung des LSG im Grundsätzlichen liegt, weil ein Abstellen auf einen konkreten Bescheid
eher für eine Einzelfallentscheidung und gegen die Entwicklung abweichender Maßstäbe spricht.
3. Abschließend rügt der Kläger als Verfahrensmangel das Übergehen eines Beweisantrags, den er im Schriftsatz vom 31.3.2017
gestellt habe. Nach dem Sinn und Zweck des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist das Übergehen eines Beweisantrags nur dann ein Verfahrensmangel, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen
wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§
103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 9, 20, 31 sowie BVerfG SozR 3-1500 § 160 Nr 6; Krasney/Udsching, aaO, RdNr 130). Dem Beweisantrag soll eine Warnfunktion zukommen,
die er nicht erfüllt, wenn er zwar in einem früheren Verfahrensstadium schriftsätzlich gestellt wurde, im Entscheidungszeitpunkt
selbst aber nicht mehr erkennbar weiterverfolgt wird. Das Übergehen eines Beweisantrags liegt daher zumindest bei rechtskundig
vertretenen Beteiligten nur vor, wenn der Beweisantrag in der abschließenden mündlichen Verhandlung gestellt bzw wiederholt
wurde.
Es fehlt an der Bezeichnung eines berücksichtigungsfähigen Beweisantrags. Der Kläger hätte darlegen müssen, welchen konkreten
Beweisantrag iS der
ZPO er im Rahmen der mündlichen Verhandlung gestellt hat, dem das LSG nicht gefolgt sein soll. Dies hat er versäumt. Im Übrigen
ist seinen Ausführungen nicht zu entnehmen, auf welche vom LSG verneinte Voraussetzung für den von ihm geltend gemachten Anspruch
sich sein Antrag bezog und was damit bewiesen werden sollte.
Auch hinsichtlich der in dieser Rüge inzident angesprochenen - angeblichen - Verletzungen der Ansprüche des Klägers auf ein
faires Verfahren und auf rechtliches Gehör mangelt es an den dazu notwendigen näheren Darlegungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183,
193 SGG.