BSG, Beschluss vom 22.11.2017 - 14 AS 25/17
Grundsatzrüge
Mindestanforderungen an eine Revisionsbegründung
Zumindest kurze Darstellung des entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalts
1. Wenn mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, muss in der Begründung dargelegt werden, weshalb eine
Vorschrift des materiellen Rechts im angefochtenen Urteil nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
2. Die Angabe der verletzten Rechtsnorm ist notwendig, aber allein noch nicht ausreichend; vielmehr ist im Sinne einer erkennbaren
und notwendigen Befassung des Revisionsführers mit der angefochtenen Entscheidung auszuführen, warum die Rechtsansicht der
Vorinstanz nicht geteilt wird.
3. Die Revisionsbegründung muss sich deshalb - zumindest kurz - auch mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils
auseinandersetzen und erkennen lassen, dass und warum das LSG die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts nicht
oder nicht richtig angewandt hat.
4. Das erfordert auch eine zumindest kurze Darstellung des entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalts, weil die Rechtsverletzung
das Ergebnis der Anwendung einer fehlerhaft ausgelegten Norm auf den zugrunde liegenden Sachverhalt ist; denn erst das Ergebnis
eines Subsumtionsschlusses kann Rechte des in der Vorinstanz unterlegenen Beteiligten "verletzen".
Vorinstanzen: LSG Baden-Württemberg 27.06.2017 L 9 AS 1742/14 , SG Konstanz 19.03.2014 S 11 AL 168/14
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Juni 2017 wird als unzulässig
verworfen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Entscheidungstext anzeigen:
Gründe:
Die vom Beklagten fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist nach §
169 Satz 2 und
3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, weil die Revisionsbegründung vom 25.7.2017 die an
sie zu stellenden Zulässigkeitsanforderungen nicht wahrt.
Nach §
164 Abs
2 Satz 1 und
3 SGG ist die Revision nicht nur fristgerecht, sondern unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse zu begründen. Die Begründung
muss "einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen
bezeichnen, die den Mangel ergeben". Diese gesetzlich festgelegten Anforderungen hat das BSG in ständiger Rechtsprechung präzisiert. Danach muss, wenn mit der Revision - wie hier ua auch - die Verletzung materiellen
Rechts gerügt wird, in der Begründung dargelegt werden, weshalb eine Vorschrift des materiellen Rechts im angefochtenen Urteil
nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Die Angabe der verletzten Rechtsnorm ist notwendig, aber allein noch nicht
ausreichend. Vielmehr ist im Sinne einer erkennbaren und notwendigen Befassung des Revisionsführers mit der angefochtenen
Entscheidung auszuführen, warum die Rechtsansicht der Vorinstanz nicht geteilt wird. Die Revisionsbegründung muss sich deshalb
- zumindest kurz - auch mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und erkennen lassen, dass
und warum das LSG die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts nicht oder nicht richtig angewandt hat. Das erfordert
auch eine zumindest kurze Darstellung des entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalts, weil die Rechtsverletzung das Ergebnis
der Anwendung einer fehlerhaft ausgelegten Norm auf den zugrunde liegenden Sachverhalt ist; denn erst das Ergebnis eines Subsumtionsschlusses
kann Rechte des in der Vorinstanz unterlegenen Beteiligten "verletzen" (vgl nur BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 25/15 R - juris, mwN; zur Mitteilung der Tatsachengrundlagen ebenfalls BSG vom 6.10.2016 - B 5 SF 3/16 AR - NZS 2017, 340 RdNr 19; ebenso BSG vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4, RdNr 15; vgl auch aus der Rechtsprechung des Senats BSG vom 23.1.2017 - B 14 AS 5/16 R - juris).
Hieran gemessen ist die Revision des Beklagten unzulässig. Die Revisionsbegründung vom 25.7.2017 bezeichnet zwar eine verletzte
Rechtsnorm. Jedoch fehlt jede Angabe zum Inhalt der angegriffenen Entscheidung, deren tragenden Gründen und eine zumindest
knappe Auseinandersetzung hiermit. Die Revisionsbegründung beschränkt sich auf den Hinweis, dass die Frage, ob die durch eine
Räumungsklage entstandenen Kosten Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II darstellen, höchstrichterlich zu klären sein dürfte, und die daran anschließende Passage: "Zu den als Kosten der Unterkunft
nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu erbringenden Leistungen gehören alle Aufwendungen, soweit sie auf einem Mietvertrag des Hilfebedürftigen mit dem Vermieter
beruhen, also Mietzins und vertraglich vereinbarte Nebenkosten. Hierzu gehören nach Ansicht des Beklagten Kosten eines Räumungsverfahrens
nicht, wie das Sozialgericht Konstanz im Gerichtsbescheid vom 19. März 2014 - S 11 AS 168/14 - entschieden hat." Diesen Ausführungen lässt sich das gebotene "Mindestmaß an Auseinandersetzung" mit der angefochtenen
Entscheidung des LSG (zu diesem Erfordernis vgl BSG vom 30.1.2017 - B 14 AS 20/16 R - juris, RdNr 3) nicht entnehmen.
An der Unzulässigkeit der Revision ändert es nichts, dass auf das gerichtliche Hinweisschreiben vom 26.9.2017 durch den Beklagten
mit Schreiben vom 30.10.2017 zur Revisionsbegründung ergänzend Stellung genommen worden ist. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist
am 4.9.2017 ist für eine den aufgezeigten Erfordernissen Rechnung tragende Ergänzung der Begründung kein Raum. Auch hierauf
hat das Gericht den Beklagten mit Schreiben vom 26.9.2017 hingewiesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.