Mehrbedarf durch kostenaufwändige Ernährung
Mehrbedarfsempfehlungen 2008 keine antizipierten Sachverständigengutachten
Divergenzrüge
1. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben sich bereits mehrfach mit den Tatbestandsvoraussetzungen für eine Mehrbedarfsleistung wegen kostenaufwändiger Ernährung
befasst.
2. Die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 sind keine antizipierten Sachverständigengutachten, die von den Gerichten normähnlich
angewendet werden könnten.
3. Auf das Ergebnis im konkreten Fall kommt es bei der Divergenzrüge nicht an.
4. Eine Abweichung liegt auch nicht schon dann vor, wenn das Berufungsurteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das
BSG aufgestellt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt einen höheren Regelbedarf für den Zeitraum vom 23.10.2012 bis zum 22.4.2014 wegen eines Mehrbedarfs durch
kostenaufwändige Ernährung. Der Beklagte lehnte dies ab. Zur Begründung verwies er auf ein von ihm in Auftrag gegebenes medizinisches
Sachverständigengutachten. Der Sachverständige hatte keine, eine kostenaufwändige Ernährung bedingende Erkrankung der Klägerin
feststellen können. Das daraufhin von der Klägerin angerufene SG hat die Klage hiergegen abgewiesen. Es hat sich auf einen Befundbericht der behandelnden Kinderärztin, die Erkenntnisse einer
Untersuchung der Klägerin in der kindernephrologischen Ambulanz einer Kinderklinik und ein von ihm eingeholtes internistisches
Sachverständigengutachten gestützt (Gerichtsbescheid vom 22.9.2014). Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen diese Entscheidung
mit im Wesentlichen derselben Begründung zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 14.4.2015).
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde an das BSG und beantragt, ihr PKH für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens zu bewilligen sowie einen Rechtsanwalt beizuordnen.
Sie trägt vor, die beauftragten Ärzte seien nicht auf sämtliche vorhandene medizinische Unterlagen eingegangen. Zum Beleg
reicht sie weitere ärztliche Unterlagen ein, die im Wesentlichen eine Umstellung der Ernährung der Klägerin bestätigen.
II
Der zulässige Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH war abzulehnen. Gemäß §
73a Abs
1 SGG iVm §
114 ZPO kann PKH nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. An der erforderlichen
Erfolgsaussicht fehlt es hier.
Es sind unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in der ersten und zweiten Instanz sowie des Akteninhalts keine
Gründe für eine Zulassung der Revision ersichtlich. Die Revision ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), wenn das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) oder ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) sind nicht gegeben. Im Hinblick auf den ausgangs umrissenen Streitgegenstand stellen sich keine Fragen von grundsätzlicher
Bedeutung, die nicht bereits höchstrichterlich entschieden worden sind. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende
zuständigen Senate des BSG haben sich bereits mehrfach mit den Tatbestandsvoraussetzungen für eine Mehrbedarfsleistung wegen kostenaufwändiger Ernährung
befasst (siehe nur BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 17; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 14). Es ist nicht erkennbar, dass sich im konkreten Fall neue, noch nicht geklärte Rechtsfragen stellen oder neue Erkenntnisse
vorhanden sind, die eine wiederholte höchstrichterliche Überprüfung erforderlich machen könnten.
Auch eine Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) ist nicht ersichtlich. Sie ist nur dann anzunehmen, wenn das Berufungsurteil im Hinblick auf eine konkrete Rechtsfrage eine
tragende Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG in dessen rechtlichen Ausführungen enthält. Dabei muss ein abstrakter Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen
Urteil von einem abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung abweichen und die berufungsgerichtliche Entscheidung
muss auf der gerügten Divergenz beruhen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67). Eine derartige Abweichung ist nach summarischer Prüfung nicht zu erkennen. Das LSG setzt sich mit den Anforderungen
des BSG im Hinblick auf den Prüfumfang für den Fall des geltend gemachten Bedarfs für kostenaufwändige Ernährung ausführlich auseinander.
Es hat insoweit insbesondere beachtet, dass der erkennende Senat befunden hat, die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 seien keine
antizipierten Sachverständigengutachten, die von den Gerichten normähnlich angewendet werden könnten (BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 14). Auch hat es sich mit der Problematik der rückwirkenden Gewährung der Leistungen für diesen Mehrbedarf befasst (vgl
hierzu BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 17). Unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung kam es im konkreten Fall allerdings nicht darauf an, dass die Klägerin
schon längere Zeit, wenn auch ohne ausreichende ärztliche Diagnose, von ihrer Mutter diätetisch ernährt worden war. Es stützt
sich für seine Würdigung auf die gewonnenen Erkenntnisse insbesondere aus dem vom SG eingeholten internistischen Sachverständigengutachten sowie die Untersuchungsergebnisse der kindernephrologischen Ambulanz.
Seine abstrakten Ausführungen divergieren insoweit nicht mit denen des BSG in der zuvor benannten Entscheidung. Auf das Ergebnis im konkreten Fall kommt es bei der Divergenzrüge hingegen nicht an.
Eine Abweichung liegt auch nicht schon dann vor, wenn das Berufungsurteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das
BSG aufgestellt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Dies
ist hier nicht der Fall.
Ebenso wenig ist erkennbar, dass ein Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, einen Verfahrensfehler des LSG (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) hinreichend darzulegen. Dies betrifft auch das Vorbringen der Klägerin, dass nicht alle medizinischen Unterlagen zur Grundlage
der Einschätzung der Sachverständigen gemacht worden seien. Soweit hierin die Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht
des LSG zu erkennen sein sollte, mangelt es bereits an einem entsprechenden Beweisantrag in der Berufungsinstanz. Denn nach
§
160 Abs
2 Nr
3 SGG kann eine Beschwerde wegen eines Verfahrensfehlers bei der Amtsermittlung (§
103 SGG) nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht
gefolgt ist. Zudem ist nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG auf der Nichteinbeziehung der von der Klägerin ihrer
Beschwerdeschrift beigefügten ärztlichen Auskünfte beruht. Das LSG ist davon ausgegangen, dass die Mutter der Klägerin diese
auf diätetische Ernährung umgestellt hat und dies auch im Kindergarten nachvollzogen worden ist. Allein dies belegen die eingereichten
Unterlagen. Tragend hat das LSG seine Entscheidung jedoch darauf gestützt, dass nach den eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten
und beigezogenen Untersuchungsunterlagen bereits keine Erkrankung der Klägerin im Bereich des Magen- und Darmtraktes festgestellt
werden konnte, die eine besondere und gar kostenaufwändige Ernährung nach sich ziehen müsste. Soweit die Klägerin diese Würdigung
des LSG für unzutreffend hält, könnte eine Revisionszulassung hierauf ebenfalls nicht gestützt werden. Eine Revisionszulassung
wegen einer Verletzung von §
128 Abs
1 S 1
SGG (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) käme allenfalls bei einer Überschreitung der Grenzen der freien Beweiswürdigung in Betracht. Eine solche vermag der Senat
jedoch nicht zu erkennen.
Da der Klägerin PKH nicht zusteht, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß §
73a SGG iVm §
121 ZPO nicht in Betracht.
Die Nichtzulassungsbeschwerde war - aus den zuvor dargelegten Gründen - ohne die Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als
unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.