Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; Höhe der vom Grundsicherungsträger zu erstattenden Aufwendungen
für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im sog. "isolierten Vorverfahren"
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der vom beklagten Grundsicherungsträger zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung
eines Bevollmächtigten im sog "isolierten Vorverfahren".
Der beklagte Grundsicherungsträger (ARGE) bewilligte dem Kläger, dessen Ehefrau und deren Sohn Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.1. bis 30.5.2005. Gegen den Bewilligungsbescheid erhob Rechtsanwalt G.
(G) im Auftrag des Klägers Widerspruch. Auf Grund der nachfolgenden Korrespondenz zwischen Rechtsanwalt G und der beklagten
ARGE sowie der Vorlage von Seiten der Beklagten verlangter Nachweise über Fahrkosten und Höhe des Arbeitsentgelts der Ehefrau
erließ die Beklagte mehrere Bescheide, mit denen frühere Bescheide aufgehoben und jeweils höhere Alg II-Leistungen bewilligt
wurden. Außerdem stellte die Beklagte fest, die dem Kläger im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten einschließlich der
Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten würden auf Antrag erstattet, soweit sie notwendig und nachgewiesen seien. Rechtsanwalt
G reichte sodann eine Kostennote bei der Beklagten ein, die einen Gesamtbetrag in Höhe von 301,60 Euro auswies. Dieser setzte
sich wie folgt zusammen: 240 Euro Geschäftsgebühr, Nr 2500 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) aF zuzüglich 20 Euro Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen, Nr 7002 VV RVG, und 41,60 Euro Umsatzsteuer (16 %), Nr 7008 VV RVG, zusammen insgesamt 301,60 Euro.
Die Beklagte erstattete dem Kläger lediglich 208,80 Euro, die sie wie folgt aufschlüsselte: 160 Euro Geschäftsgebühr, Nr 2500
VV RVG aF, 20 Euro Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen, sowie 28,80 Euro Umsatzsteuer. Wegen der schlechten
Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers sei die Durchschnittsgebühr in Höhe von 240 Euro um ein Drittel zu mindern.
Der Widerspruch des Klägers gegen diese Festsetzung blieb ohne Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger 301,60 Euro zu erstatten (Urteil vom 19.3.2008). Auf
die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben, soweit dieses die Beklagte verurteilt hat, einen Betrag über 249,40 Euro hinaus zu erstatten. Die von Rechtsanwalt
G bestimmte Geschäftsgebühr in Höhe von 240 Euro sei unbillig. Angemessen seien insoweit lediglich 195 Euro. Bei der Bestimmung
der zu Grunde liegenden Betragsrahmengebühr sei zwar an sich von der Mittelgebühr in Höhe von 280 Euro auszugehen. Abweichend
hiervon sei allerdings nach dieser Gebührenziffer die Schwellengebühr in Höhe von 240 Euro anzusetzen, wenn weder Umfang noch
Schwierigkeit des anwaltlichen Handelns über dem Durchschnitt lägen. Mit dieser Gebühr werde die Tätigkeit eines Rechtsanwalts
in einem Durchschnittsfall abgegolten. Vorliegend handele es sich um einen leicht unterdurchschnittlichen Fall.
Denn der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers
seien als unterdurchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenheit allenfalls als durchschnittlich, eher als unterdurchschnittlich
zu bewerten. Bei Abwägung der Kriterien sei daher ein Betrag von 80 % der Schwellengebühr angemessen. Die Gebühr sei nicht
nach Nr 2500 VV RVG aF gemäß Nr 1008 VV RVG zu erhöhen. Dies komme nur dann in Betracht, wenn aus dem Begehren ersichtlich sei, dass auch die Ansprüche der übrigen Mitglieder
der Bedarfsgemeinschaft geltend gemacht werden sollen. Vorliegend habe der Kläger lediglich seinen Individualanspruch verfolgt;
jedenfalls sei weder aus dem Widerspruchsschreiben noch aus der Vollmacht erkennbar, dass Anderes gewollt gewesen sei (Urteil
vom 28.7.2008).
Mit seiner Revision rügt der Kläger, dass der Umfang der Tätigkeit auch die Führung des gesamten Schriftverkehrs mit dem Mandanten
und der Gegenseite umfasse sowie das Vorverfahren mehr als sieben Monate gedauert habe. Zudem habe es sich um eine schwierige
Materie gehandelt; das Sozialrecht sei ein Spezialgebiet, das hohe Anforderungen stelle. Ebenso sei die Bedeutung der Angelegenheit
für ihn überdurchschnittlich gewesen. Denn die Leistungen nach dem SGB II dienten seiner Existenzsicherung. Abschläge wegen
seiner schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnisse habe er nicht hinzunehmen. Bei der Abwägung aller Kriterien sei zunächst
von der Mittel- und nicht der Schwellengebühr auszugehen und gegebenenfalls dann erst eine Kappung vorzunehmen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28.7.2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.3.2008 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung des beklagten Grundsicherungsträges
gegen das stattgebende Urteil des SG zurückzuweisen. Der Kläger hat, wie vom SG im Ergebnis zutreffend erkannt, Anspruch auf den von ihm bei der Beklagten geltend gemachten Aufwendungserstattungsanspruch.
1. Die Revision ist zulässig. Wird wie vorliegend in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens (vgl hier
§§
78 ff
SGG) gestritten, handelt es sich nicht um Kosten des Verfahrens iS von §
144 Abs
4 iVm §
165 Satz 1
SGG, bei denen Berufung und Revision nicht statthaft sind (vgl BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 30; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 1 S
2; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7.11.2006 - B 1 KR 23/06 R = NZS 2007, 612, 613).
2. Der Kläger verfolgt sein Anliegen zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage; der Erhebung einer Verpflichtungsklage
bedurfte es nicht.
a) Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Entscheidung der Beklagten darüber, in welcher Höhe die zu erstattenden Aufwendungen
festzusetzen sind (§ 63 Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X). Die Beklagte hat bindend entschieden, dass dem Kläger die Kosten des Vorverfahrens dem Grunde nach erstattet werden (vgl
§ 63 Abs 1 Satz 1, Abs 2, Abs 3 Satz 1 SGB X) und die Zuziehung eines Rechtsanwalts iS von § 63 Abs 2, Abs 3 Satz 2 SGB X notwendig war. Eine Einschränkung in Bezug auf die Kostengrundentscheidung, namentlich eine Quotelung der Kosten, hat sie
dabei nicht vorgenommen. Die Einschränkung, dass die Kosten erstattet werden, "soweit sie notwendig und nachgewiesen sind",
bezieht sich insoweit nur auf die Höhe der Aufwendungen.
Eine Konstellation, in welcher es einer Verpflichtungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1
SGG) bedarf, weil es schon an einer Entscheidung des Rechtsträgers darüber fehlt, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten überhaupt
notwendig war (vgl BSG, Urteil vom 27.1.2009 - B 7/7a AL 20/07 R = juris RdNr 9), liegt hier nicht vor.
b) Der Einholung eines Gutachtens nach § 14 Abs 2 des RVG idF von Art 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz [KostRMoG]) vom 5.5.2004 (BGBl I 718;
in Kraft getreten am 1.7.2004) bedurfte es nicht. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht im "Rechtsstreit" über die Höhe der
Gebühr ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um
eine von Amts wegen zu beachtende Verfahrensvorschrift handelt. Denn diese Regelung ist nur im Rechtsstreit zwischen Mandant
und Rechtsanwalt anwendbar, nicht hingegen im Prozess zwischen dem Gebührenschuldner, hier dem Kläger, und dem Erstattungspflichtigen,
hier dem beklagten Grundsicherungsträger (vgl BSG, Urteil vom 18.1.1990 - 4 RA 40/89 = juris RdNr 12; BSG, Urteil vom 27.1.2009 - B 7/7a AL 20/07 R = juris RdNr 17; vgl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen
Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap XII RdNr 105). Es stellt daher keinen Verfahrensfehler dar, dass das LSG ein derartiges Gutachten
nicht eingeholt hat.
3. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X auf der Grundlage einer nach dem RVG zu bestimmenden Geschäftsgebühr.
a) Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat,
demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen
Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten
notwendig war. Gemäß § 63 Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest.
Gebühren und Auslagen iS von § 63 Abs 2 SGB X sind die gesetzlichen Gebühren (BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 7 S 25 f). Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sind grundsätzlich auch die Gebühren und Auslagen, die ein
Rechtsanwalt seinem Mandanten, hier dem Kläger, in Rechnung stellt. Diese Vergütung bemisst sich seit dem 1.7.2004 nach dem
RVG (§ 1 Abs 1 Satz 1 RVG), sowie dem VV der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs 2 Satz 1 RVG).
Diese Vorschriften sind im vorliegenden Fall anwendbar, zumal der unbedingte Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit nach
Erlass des Bescheides vom 7.12.2004 und damit nach dem 30.6.2004 erteilt worden ist (vgl § 61 Abs 1 Satz 1 RVG).
b) Rechtsgrundlage der Geschäftsgebühr ist Nr 2500 VV RVG aF iVm § 14 RVG.
Während unter Geltung der durch das KostRMoG ab 1.7.2004 aufgehobenen Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung [BRAGO] auf das sozialrechtliche
Vorverfahren noch § 116 Abs 1 Satz 1 BRAGO - mit entsprechenden Kürzungen - analog angewandt wurde (vgl BSG SozR 1300 § 63 Nr 2, 3 und 4; Roos in von Wulffen, aaO, Anh zu § 63 RdNr 21), enthält das RVG für die außergerichtlichen Tätigkeiten eines Rechtsanwaltes nunmehr eigenständige Tatbestände. Danach erhält der Rechtsanwalt
für die Vertretung im Verwaltungsverfahren in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF (vgl § 60 Abs 1 Satz 1 RVG; seit 1.7.2006 als Nr 2400 VV RVG, vgl Art 5 Abs 1 Nr 4 lit b KostRMoG). Die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF fällt in sozialrechtlichen Angelegenheiten an, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§
3 RVG). Betragsrahmengebühren sind in sozialgerichtlichen Verfahren vorgesehen, in denen das Gerichtskostengesetz [GKG] nicht anzuwenden ist (§ 3 Abs 1 Satz 1 RVG). Abs 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens (§ 3 Abs 2 RVG). Ginge es vorliegend um ein gerichtliches Verfahren, entstünden Betragsrahmengebühren, denn der Kläger macht als Leistungsempfänger
iS des §
183 Satz 1
SGG höhere Ansprüche nach dem SGB II geltend. Verfahren, die in dieser Eigenschaft vor den Gerichten geführt werden, sind (gerichts-)kostenfrei.
Die Geschäftsgebühr entsteht insbesondere für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Teil 2 Abschnitt
5 Abs 2 VV RVG aF iVm Vorbemerkung 2.4 Abs 3 VV RVG aF). Mit ihr werden die Tätigkeiten des Rechtsanwaltes abgegolten, die in der BRAGO noch auf drei selbstständige Gebühren verteilt waren, nämlich die Geschäfts-, Besprechungs- und Beweisaufnahmegebühr (§ 118 BRAGO; vgl Madert in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, Nr 2400, 2401 VV RVG RdNr 4).
Gemäß Nr 2500 VV RVG aF umfasst die Geschäftsgebühr einen Betragsrahmen von 40 Euro bis 520 Euro. Eine Gebühr von mehr als 240 Euro kann aber
nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog Schwellengebühr). Innerhalb dieses Gebührenrahmens
bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem
Ermessen. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass über die Bestimmung dessen, was noch als billig oder schon als unbillig zu
gelten hat, leicht Streit entstehen kann. Solchen Streit will der Gesetzgeber möglichst vermeiden, indem er dem Rechtsanwalt
ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt hat, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung jedenfalls der in § 14 RVG genannten Kriterien verbunden ist. Die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung gesteht dem Rechtsanwalt darüber hinaus
einen Spielraum von 20 % (Toleranzgrenze) zu, der von dem Dritten wie auch von den Gerichten zu beachten ist (BGH, Urteil
vom 31.10.2006 - VI ZR 261/05 = NJW-RR 2007, 420, 421; BVerwG, Urteil vom 17.8.2005 - 6 C 13/04 = juris RdNr 21; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, RdNr 12 mwN). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung
nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs 1 Satz 4 RVG).
Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind objektive Kriterien. Zu diesen treten die Bedeutung der Angelegenheit
für den Auftraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse als subjektive Kriterien hinzu. Darüber hinaus ist
nach § 14 Abs 1 Satz 3 RVG bei Verfahren, auf die Betragsrahmengebühren anzuwenden sind, ein besonderes Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Diese Norm
ergänzt für die Betragsrahmengebühren die allgemeine Regelung in § 14 Abs 1 Satz 1 RVG (Otto NJW 2006, 1472). Nach Systematik und Struktur ist das "besondere Haftungsrisiko" deshalb lediglich ein weiteres Kriterium für die Bemessung
der Betragsrahmengebühren. Es begründet keinen eigenen Gebührentatbestand (BSG, Urteil vom 27.1.2009 - B 7/7a AL 20/07 R =
juris RdNr 13 f).
Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs 1 Satz 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift ("vor allem") nicht abschließend, sodass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen
werden können (Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl 2008, § 14 RdNr 2). Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig
und gleichwertig nebeneinander, auch wenn der Gesetzgeber seine früher in § 12 Abs 1 Satz 1 BRAGO getroffene Wortwahl ("insbesondere") geändert und das Kriterium "Bedeutung der Angelegenheit" in der Aufzählung von der ersten
an die dritte Stelle gesetzt hat (im Ergebnis wohl auch BGH, Urteil vom 31.10.2006 - VI ZR 261/05 = NJW-RR 2007, 420, 421; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, § 14 RdNr 2; Mayer in Gerold/Schmidt, aaO, § 14 RdNr 10; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl 2008, RdNr 2; Winkler in Mayer/Kroiß, RVG, 2004, § 14 RdNr 15; aA Otto, NJW 2006, 1472 f). Solche weiteren Kriterien sind im vorliegenden Fall indessen nicht ersichtlich.
c) Die sog Schwellengebühr hat die sog Mittelgebühr nicht ersetzt. Deren Einführung hat zur Folge, dass die in einem ersten
Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr in einem zweiten Schritt in Höhe des Schwellenwertes gekappt wird,
wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind.
Wegen der Schwierigkeit zu bestimmen, wann eine Rahmengebühr billig bzw unbillig ist, und weil mit der Aufzählung der Umstände,
die einerseits für eine Erhöhung, andererseits für eine Ermäßigung der Gebühr sprechen, nicht viel gewonnen ist, weil ihr
ein konkreter Ansatzpunkt fehlt, hat sich die Praxis bereits unter Geltung der BRAGO mit der Mittelgebühr beholfen. Die Mittelgebühr errechnet sich in der Praxis aus der Mindestgebühr zuzüglich der Hälfte des
Unterschieds zwischen Mindest- und Höchstgebühr. Sie kann auch ermittelt werden, indem man Mindest- und Höchstgebühr addiert
und das Ergebnis durch zwei dividiert (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, RdNr 10). Für die Nr 2500 VV RVG aF ergibt sich eine Mittelgebühr in Höhe von 280 Euro (40 Euro + 520 Euro, geteilt durch 2).
Die Mittelgebühr wurde in "Normalfällen" zur billigen BRAGO-Gebühr. Sie ist in Fällen zu Grunde zu legen, in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom
Durchschnitt abhebt (vgl BGH, Urteil vom 23.2.1995 - IX ZR 42/94 = juris RdNr 47; BVerwG, Urteil vom 7.6.1985 - 6 C 63/83 = JurBüro 1985, 1813, 1814). Diese Vorgehensweise trägt Vereinfachungs- und Zweckmäßigkeitsgründen sowie dem verfassungsrechtlichen Gebot des
Art
3 Abs
1 GG Rechnung, gleich liegende Fälle gleich und unterschiedliche Fälle entsprechend ihren Unterschieden ungleich zu behandeln.
Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es, auch unter Geltung des RVG weiterhin jedenfalls im Grundsatz, jedoch nunmehr unter Beachtung der zusätzlich durch die Schwellengebühr gezogenen Grenze
(dazu sogleich), so zu verfahren und in einem ersten Schritt von der Mittelgebühr auszugehen. Den hinter der Mittelgebühr
stehenden Wert darf der Rechtsanwalt aber nicht ohne weitere Begründung um bis zu 20 % erhöhen (BVerwG, Urteil vom 17.8.2005
- 6 C 13/04 = juris RdNr 24 f). Die Regelung der Nr 2500 VV RVG aF, dass eine höhere Gebühr als 240 Euro (Schwellengebühr) nur dann gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich
oder schwierig war, macht die Mittelgebühr damit nicht hinfällig. Sie führt entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht
dazu, dass nunmehr der Durchschnittsfall bei der Schwellengebühr anzusiedeln ist. Mit der Einschränkung ist vielmehr gemeint,
dass Umfang oder Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit über dem Durchschnitt liegen müssen, um im Ergebnis eine höhere
Gebühr als die Schwellengebühr zu erreichen.
Ausweislich der Gesetzesmaterialien erfordert lediglich der gegenüber der BRAGO erweiterte Abgeltungsbereich der Geschäftsgebühr eine neue Definition des "Normalfalls". In durchschnittlichen Angelegenheiten
ist aber weiterhin grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen (vgl BT-Drucks 15/1971 S 207 zu Nr 2400 VV RVG aF). Eine gesonderte Bedeutung kommt dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit damit nicht innerhalb der
Abwägung nach § 14 RVG zu, sondern einzig für die Öffnung des Gebührenrahmens über die Schwellengebühr hinaus (vgl BSG, Urteil vom 29.3.2007 - B
9a SB 4/06 R = juris RdNr 16; Römermann in Hartung/Römermann, RVG, 2004, VV Teil 2 S 756 RdNr 58 aE; aA Otto, NJW 2006, 1472 1474; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 98).
Zur Bestimmung der konkreten Gebühr ist demgemäß wie folgt vorzugehen: In einem ersten Schritt ist die Gebühr ausgehend von
der Mittelgebühr zu bestimmen. Liegt diese über der Schwellengebühr, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob es bei
der ermittelten Gebühr bleibt. Dies ist der Fall, wenn der Umfang und/oder die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr
als durchschnittlich sind. Ist dem nicht so, wird die an sich zutreffende Gebühr in Höhe des Betrages der Schwellengebühr
gekappt. Dies führt zu einer Gebühr in Höhe von 240 Euro, wenn beispielsweise jedes der vier in § 14 Abs 1 Satz 1 RVG genannten Bemessungskriterien durchschnittlich ist. Sind aber zB der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit leicht überdurchschnittlich,
die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber leicht unterdurchschnittlich und die übrigen Kriterien durchschnittlich,
so ist eine Gebühr in Höhe von 280 Euro billig, obwohl die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Ergebnis ebenfalls dem Durchschnitt
zuzuordnen ist.
4. Die konkreten Umstände des vorliegenden Falles lassen eine Festsetzung der Betragsrahmengebühr durch den Rechtsanwalt des
Klägers auf 240 Euro zu.
a) Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war vorliegend durchschnittlich. Hierbei ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen,
den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste
(vgl Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, RdNr 15; Römermann in Hartung/Römermann, RVG, 2004, § 14 RdNr 19). Bezugspunkt der anwaltlichen Tätigkeit ist das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld. Die
Nr 2500 VV RVG aF umfasst außergerichtliche Tätigkeiten in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren
entstehen, mithin kostenfreie Verfahren (Verfahren nach der WBO, wenn im gerichtlichen Verfahren das Verfahren vor dem Truppendienstgericht oder vor dem BVerwG an die Stelle des Verwaltungsrechtswegs
gemäß § 82 SG tritt, kommen erst in Nr 2400 VV RVG nF hinzu).
Bei einer außergerichtlichen Tätigkeit im Bereich des Sozialrechts kann daher etwa der Aufwand für Besprechung und Beratung,
mitunter außerhalb der Kanzleiräume, das Lesen der Verwaltungsentscheidung, das Aktenstudium, die Anfertigung von Notizen,
allerdings nicht das Erstellen von Ablichtungen (zu deren gesonderter Vergütung vgl Nr 7000 VV RVG) und das Anfordern von Unterlagen beim Mandanten, deren Sichtung, die Rechtsprechungs- und Literaturrecherche, die Auseinandersetzung
hiermit berücksichtigt werden; ferner auch das Eingehen auf von der Behörde herangezogene Beweismittel (vgl § 21 Abs 1 SGB X), der Schriftverkehr mit dem Auftraggeber und der Gegenseite sowie ergänzend alle Tätigkeiten, die mangels entsprechender
Gebührenvorschriften nicht durch eine besondere Gebühr vergütet werden. Hilfreich ist es, wenn der Rechtsanwalt über den zeitlichen
Umfang der im Einzelnen entfalteten Tätigkeit Notizen fertigt, die ihm eine spätere Darlegung erleichtern können. Auch ein
objektiv überflüssiger Aufwand ist beachtlich, wenn und soweit er auf dem Wunsch des Auftraggebers beruht (Hartmann, Kostengesetze,
38. Aufl 2008, RdNr 3). Da Bezugspunkt die anwaltliche Tätigkeit ist, ist es entgegen der Ansicht des Klägers unerheblich,
wie lange das Vorverfahren als solches gedauert hatte. Der durchschnittliche Umfang lässt sich nicht exakt in Zeitstunden
ausdrücken; solche können hierfür allenfalls eine Orientierungshilfe bieten (vgl Otto, NJW 2006, 1472, 1474; Braun in Festschrift 50 Jahre Deutsches Anwaltsinstitut eV, 2003, S 369 ff, 379). Vielmehr hat sich der durchschnittliche
Umfang am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung am Ablauf eines Verfahrens, hier des sozialgerichtlichen Verwaltungsverfahrens,
zu orientieren (vgl Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl 2008, RdNr 3).
Wird ein mit der Sache bislang noch nicht befasster Rechtsanwalt mit der Durchführung des sozialrechtlichen Vorverfahrens
beauftragt (andernfalls ist die Gebühr nach Nr 2501 VV RVG aF zu bestimmen), kommt es für den Umfang seiner Tätigkeit nicht nur auf die Zahl der gefertigten Schriftsätze an. Von Bedeutung
ist darüber hinaus ua, welchen Einsatz der Rechtsanwalt im Einzelnen zur Erstellung dieser Ausführungen notwendigerweise erbringen
muss. Zu berücksichtigen sind dabei zB das Lesen der Verwaltungsentscheidung, die Beratung des Mandanten, das Aktenstudium,
das Anfertigung von Notizen, mithin bei Geltendmachung eines Anspruchs die Darlegung, wie sich dieser rechnerisch ermittelt,
und zwar unter Eingehung auf die streitigen Rechtsvorschriften sowie der Heranziehung von Kommentarliteratur und, soweit vorhanden,
einschlägiger Rechtsprechung.
Vor diesem Hintergrund ist die Tätigkeit des den Kläger vertretenden Rechtsanwalts als durchschnittlich zu betrachten. Dieser
hat sich nach den Feststellungen des LSG (§
163 SGG) mit insgesamt sechs Schriftsätzen an die Beklagte gewandt und auf Verlangen Unterlagen beim Kläger angefordert, die der
Beklagten übersandt wurden.
b) Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist vorliegend durchschnittlich. Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit
der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, RdNr 16). Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der
Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls
unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Dies beinhaltet aber auch, dass hierfür spezielle
Kenntnisse und Fertigkeiten in eingeschränktem Umfang erforderlich sein können (BVerwG, Urteil vom 17.8.2005 - 6 C 13/04 = juris RdNr 28). Damit ist auf der einen Seite unerheblich, ob der Rechtsanwalt wegen geringer Berufserfahrung Schwierigkeiten
bei der Bewältigung der Aufgabe hat. Andererseits spielt es keine Rolle, dass der Anwalt zB auf Grund vertiefter Fachkenntnisse
oder Erfahrung das Mandat leichter als andere Rechtsanwälte bewältigen kann (vgl Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, RdNr 16).
Überdurchschnittlich schwierig ist die Tätigkeit etwa dann, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten;
diese können sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen (Mayer, aaO; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl
2008, RdNr 3; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 23; Otto, NJW 2006, 1472, 1475). Beispielhaft lassen sich für überdurchschnittliche tatsächliche Schwierigkeiten nennen: der Umgang mit einem problematischen
Mandanten (OLG München, Beschluss vom 22.6.1981 - 2 AR 314/81 = AnwBl 1981, 462; LG Karlsruhe, Beschluss vom 17.2.1987 - III Qs 177/86 = AnwBl 1987, 338), sprachliche oder akustische Verständigungsprobleme (OLG Bamberg, Beschluss vom 18.7.1979 = JurBüro 1979, 1527, 1528; OLG Bamberg, Beschluss vom 5.5.1988 - 2 AR 27/88 = JurBüro 1988, 1178; OLG Hamm, Beschluss vom 15.1.1998 - 2(s) Sbd 5 - 265/97 = AnwBl 1998, 416), die eingehende Auseinandersetzung mit medizinischen oder anderen Fachgutachten (vgl OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.8.1997
- 19 W 5/97 = DB 1997, 2112, 2113) oder eine umfangreiche Beweiswürdigung (vgl OLG Hamm, Beschluss vom 26.5.1998 - 2 Ws 168/98 = AnwBl 1999, 124, 125).
Eine über dem Durchschnitt liegende tatsächliche Schwierigkeit kann sich auch daraus ergeben, dass der Rechtsanwalt nicht
nur die Verhältnisse des Mandanten, sondern - wie typischerweise im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende - auch diejenigen
weiterer Personen zu berücksichtigen hat (vgl etwa § 9 Abs 2 SGB II), dieser Umstand aber nicht die Voraussetzungen der Nr 1008 VV RVG erfüllt (vgl Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 32).
Hinsichtlich der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich, über- oder unterdurchschnittlich ist, hält
es der Senat hingegen nicht für angebracht, nach einzelnen Rechtsgebieten zu differenzieren (aA Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, RdNr 16; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 26 ff). Ohne Aussagekraft ist daher auch, ob hierfür ein Fachanwaltstitel erworben werden kann (aA Jungbauer
in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 31). Von einer nur durchschnittlich schwierigen anwaltlichen Tätigkeit ist dann nicht mehr auszugehen,
wenn der zu bearbeitende Fall unter Berücksichtigung des aufgezeigten Maßstabs von einem Normal- bzw Routinefall abweicht;
und zwar bezogen auf jedes Rechtsgebiet (zB Sozialrecht), nicht aber jedes Teilrechtsgebiet (zB Sozialhilferecht). Damit ist
gewährleistet, dass in Rechtsgebieten, die gemeinhin nur deshalb als schwierig empfunden werden, weil kein Fall dem anderen
gleicht, überwiegend eine überdurchschnittliche Schwierigkeit angenommen werden kann. Der Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts
ist danach etwa die Darlegung eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen
Rechtsvorschriften, aber ohne umfangreichere Beweiswürdigung und eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur.
In einer Anfechtungssituation wäre dies die vergleichbare Begründung, warum die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage, auf die
sich der Leistungsträger stützt, nicht vorliegen. Dass eine Teilrechtsmaterie einer sehr dynamischen Entwicklung unterliegt,
besagt dann für sich aber noch nicht, dass die rechtliche Schwierigkeit überdurchschnittlich ist (aA OLG des Landes Sachsen-Anhalt,
Beschluss vom 29.8.2008 - 1 Verg 1/08 = juris RdNr 5). Auch das Tätigwerden in einem "neuen Teilrechtsgebiet", mithin die Anwendung von Normen kurz nach ihrem
Inkrafttreten, genügt für sich allein nicht, eine mehr als durchschnittliche rechtliche Schwierigkeit anzunehmen.
Nach alledem ist die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vorliegend dem durchschnittlichen Bereich zuzuordnen. Darauf,
dass die kompetente Interessenwahrnehmung des Mandats von dem Rechtsanwalt des Klägers an sich mehr abverlangt hätte, worauf
das LSG abstellt, ist ein nicht bei diesem Kriterium, sondern allenfalls bei dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zu beachtender
Gesichtspunkt.
c) Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger ist weit überdurchschnittlich. In Bezug hierauf kommt es auf eine unmittelbare
tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die
Allgemeinheit, an (vgl Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl 2008, RdNr 5; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 41 f). Mit dem Widerspruch verfolgte der Kläger Leistungen nach dem SGB II für fünf Monate in Höhe von
monatlich weiteren 116,77 Euro, worin die überdurchschnittliche wirtschaftliche Bedeutung für ihn zum Ausdruck kommt. Da es
in diesem Zusammenhang allein auf sein Begehren ankommt, ist ohne Belang, dass es sich hierbei materiell-rechtlich auch um
Ansprüche der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft handelte (vgl hierzu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 12 f). Derartige
Leistungen sichern das soziokulturelle Existenzminimum (vgl hierzu den Vorlagebeschluss des BSG vom 27.1.2009 an das BVerfG
[Az: B 14/11b AS 9/07 R] = juris RdNr 25), weshalb mangels Vorliegens gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass allenfalls monatliche
Euro-Beträge im einstelligen Bereich und für einen nur kurzen streitigen Zeitraum von längstens sechs Monaten eine allenfalls
durchschnittliche wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber haben. Soweit das LSG auch darauf abgestellt
hat, dass der Kläger lediglich Leistungen der Höhe und nicht dem Grunde nach begehrt hatte, so ist dieses Differenzierungsmerkmal
nicht geeignet, die Bedeutung der Angelegenheit hinreichend abzubilden. Denn auch bei ergänzend begehrten Leistungen (sog
"Aufstocker"), die der Grundsicherungsträger ablehnte, handelt es sich um Leistungen dem Grunde nach, hinter denen allerdings
ein nur geringer Betrag stehen kann.
d) Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers sind weit unterdurchschnittlich. Es kann dahingestellt bleiben, ob
für die Bestimmung dieser wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Erteilung des Mandats oder einen späteren Zeitpunkt abzustellen
ist (vgl hierzu Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, RdNr 18; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 48). Unerheblich ist weiter, ob der heranzuziehende Vergleichsparameter das Durchschnittseinkommen und
-vermögen der Gesamtbevölkerung ist, oder ob hiervon deshalb noch ein Abschlag vorzunehmen ist, weil das Durchschnittseinkommen
die Personenkreise vernachlässigt, die kein eigenes Einkommen haben (so Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, RdNr 18, der daher den Durchschnitt bei 1 500 Euro ansetzt). Denn dem vermögenslosen Kläger selbst stand
nach dem Änderungsbescheid vom 5.8.2005 jedenfalls kein höheres Einkommen als 420,16 Euro zu (Februar 2005: Regelleistung
in Höhe von 264,90 Euro, KdU in Höhe von 153,26 Euro, Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 2 Euro). Seine Einkommens- und
Vermögensverhältnisse sind damit in jedem Fall weit unterdurchschnittlich. Dieser Umstand würde es allein zwar rechtfertigen,
eine Herabbemessung der Mittelgebühr vorzunehmen (Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl 2008, RdNr 18; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 45; aA LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.4.2007 - L 19 AS 54/06 = NJW-RR 2008, 87, 88, anhängig BSG, Az: B 14 AS 1/08 R). Denn die Kriterien nach § 14 Abs 1 Satz 1 RVG stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander. Entgegen der Auffassung des Klägers ist hierin jedoch keine "unzulässige
Doppelberücksichtigung" zu sehen, zumal der Wortlaut des § 14 Abs 1 Satz 1 RVG die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ausdrücklich als Bemessungskriterium aufführt. Im Übrigen ist der in §
183 Satz 1
SGG genannte Personenkreis, der unter den Gebührenrahmen von Nr 2500 VV RVG aF fällt, hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse heterogen, sodass dieses Merkmal durchaus einer differenzierten
Betrachtung zugänglich ist. In den allermeisten Fällen werden jedoch, wie hier, schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse
mit einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit einhergehen, sodass eine Kompensation dieser Kriterien eintritt
(vgl hierzu OLG Thüringen, Beschluss vom 2.2.2005 - 9 Verg 6/04 = JurBüro 2005, 303, 305 f; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 72 mwN).
e) Ein besonderes Haftungsrisiko, das allenfalls die Gebühr erhöhen könnte, und sonstige unbenannte Kriterien, die geeignet
wären, zu einer Herauf- oder Herabbemessung zu führen, sind unter Berücksichtigung der Feststellungen des LSG nicht gegeben.
Die vom Durchschnitt abweichenden Kriterien "Bedeutung der Angelegenheit" sowie "Einkommens- und Vermögensverhältnisse" kompensieren
sich. Da im Übrigen sowohl Umfang als auch Schwierigkeit der Tätigkeit durchschnittlich sind und nicht wenigstens eines dieser
beiden Kriterien überdurchschnittlich ausgeprägt ist, greift die in Nr 2500 VV RVG aF geregelte Schwellengebühr ein. Die danach vorzunehmende Kappung führt hier zu einer Geschäftsgebühr in Höhe von 240 Euro.
5. Hinzu kommen die zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitigen Auslagentatbestände nach Nr 7002 VV RVG und Nr 7008 VV RVG iVm § 12 Abs 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) idF der Bekanntmachung der Neufassung des UStG vom 21.2.2005 (BGBl I 386), weshalb sich der vom Kläger erstrebte Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 301,60 Euro bereits
hiernach ergibt.
6. Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob Rechtsanwalt G vorliegend für einen (allein den Kläger) oder mehrere Auftraggeber
(auch die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft) gehandelt hat. Zwar erhöhen sich nach Nr 1008 VV RVG die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag um 30 % für jede weitere Person,
wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind; dabei ist fraglich, ob sich bei mehreren Auftraggebern
auch die Schwellengebühr entsprechend der Anzahl der Auftraggeber um jeweils 30 % bis maximal zum Doppelten des Ausgangsbetrages
erhöht (verneinend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.10.2008 - L 3 AS 2648/08, zustimmend Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, Nr 1008 VV RVG RdNr 236; Dinkat in Mayer/Kroiß, RVG, 2004, Nr 1008 VV RVG RdNr 8; Revision anhängig beim BSG, Az: B 14 AS 83/08 R). Diese Fragen können hier entgegen der Ansicht des Klägers aber offen bleiben, weil Rechtsanwalt G von vornherein nur
die auf 240 Euro begrenzte Gebühr geltend gemacht und der Kläger die Feststellungen des LSG, Auftraggeber sei allein der Kläger,
nicht aber die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gewesen, nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffen hat.
7. Der Senat hat auch nicht darüber zu entscheiden, ob eine Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV RVG zu einer Erhöhung der Gebühr hätte führen können. Nach Nr 1005 VV RVG betragen die Gebühren für die Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren
Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), 40 bis 520 Euro. Im Zusammenhang mit Nr 2500 VV RVG aF führt diese Gebührenziffer, die denselben Betragsrahmen aufweist, dazu, dass die (zunächst) ermittelte Gebühr nicht mehr
in Höhe der Schwellengebühr gekappt werden kann. Nr 1005 VV RVG käme vorliegend allein wegen einer Erledigung in Betracht, die jedoch im Vorverfahren regelmäßig eine Tätigkeit des Rechtsanwalts
verlangt, die über die bloße Erhebung und Begründung des Widerspruchs hinausgeht (BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 1 KR 13/06 R = SGb 2007, 226 f; BSG, Urteil vom 21.3.2007 - B 11a AL 53/06 R = SGb 2007, 291 f; BSG, Urteil vom 2.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R = SGb 2009, 154, 155; BSG, Urteil vom 2.10.2008 - B 9/9a SB 5/07 R = ASR 2009, 53, 54). Es kann jedoch dahin gestellt bleiben, ob ein solcher Fall hier vorliegt, zumal der Rechtsanwalt diese Gebühr tatsächlich
nicht geltend gemacht hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.