Entscheidungserheblichkeit einer Rechtsfrage
In einer Sachentscheidung zu prüfende Fragen
1. Da die Funktion des Revisionsverfahrens nicht darin besteht, Rechtsfragen abstrakt zu beantworten, kommt es auf die Entscheidungserheblichkeit
der in der Beschwerde herausgestellten Rechtsfrage in dem konkreten Rechtsfall an.
2. Wird das Begehren auf Zulassung der Revision gleichwohl auf Fragen gestützt, die im Rahmen einer Sachentscheidung zu beantworten
wären, genügt es den Darlegungsanforderungen nur, wenn in der gebotenen Weise gerügt wird, dass die Berufung entgegen der
Rechtsauffassung des LSG zulässig war und außerdem in der erforderlichen Weise dargetan wird, weshalb das Revisionsgericht
sich nicht nur auf die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung zu beschränken, sondern in der Sache und insoweit auch über die
als grundsätzlich bezeichneten Fragen zu entscheiden hat.
Gründe:
I
Im Ausgangsverfahren ist die Aufhebung einer Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und Erstattung eines Betrags von insgesamt 594,94 Euro streitig. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 30.1.2014 abgewiesen und die Berufung weder im Tenor, noch in den Entscheidungsgründen zugelassen.
In der beigefügten Rechtsmittelbelehrung heißt es, dass das Urteil mit der Berufung angefochten werden könne. Das LSG hat
die von der Klägerin eingelegte Berufung hiergegen - nach Anhörung zur Unzulässigkeit der Berufung durch Schreiben vom 17.7.2014,
der Klägerin zugestellt am 19.7.2014, unter Fristsetzung bis zum 10.8.2014 - durch Beschluss als unzulässig verworfen (Beschluss
vom 26.8.2014). Die Revision hat es nicht zugelassen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde an das BSG und rügt neben der fehlerhaften Rechtsanwendung durch SG und LSG die Verletzung rechtlichen Gehörs durch den Beschluss des LSG.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der geltend
gemachte Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (§
160a Abs
2 S 3
SGG).
Der erkennende Senat geht davon aus, dass, soweit die Klägerin sich mit der materiell-rechtlichen Fehlerhaftigkeit der Entscheidung
des LSG auseinandersetzt, sie den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG geltend macht. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache jedoch nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über
den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht
bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb
eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren
eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen:
(1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit)
sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung
(BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hat bereits keine konkrete Rechtsfrage formuliert. Selbst wenn man jedoch durch wohlwollende Auslegung ihrer
Ausführungen dazu gelangen wollte, dass sie Anlass und Umfang der Auskunfts- und Beratungspflichten der Verwaltung zum "Zuflussprinzip"
für höchstrichterlich klärungsbedürftig hält, so mangelt es an Darlegungen zur Klärungsfähigkeit dessen im konkreten Verfahren.
Da die Funktion des Revisionsverfahrens nicht darin besteht, Rechtsfragen abstrakt zu beantworten, kommt es auf die Entscheidungserheblichkeit
der in der Beschwerde herausgestellten Rechtsfrage in dem konkreten Rechtsfall an. Dazu hätte es hier schlüssiger Darlegungen
bedurft, weil das LSG vorliegend nicht in der Sache entschieden, sondern mit der Verwerfung der Berufung der Klägerin als
unzulässig, eine reine Prozessentscheidung getroffen hat. Wird das Begehren auf Zulassung der Revision gleichwohl auf Fragen
gestützt, die im Rahmen einer Sachentscheidung zu beantworten wären, genügt es den Darlegungsanforderungen nur, wenn in der
gebotenen Weise gerügt wird, dass die Berufung entgegen der Rechtsauffassung des LSG zulässig war und außerdem in der erforderlichen
Weise dargetan wird, weshalb das Revisionsgericht sich nicht nur auf die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung zu beschränken,
sondern in der Sache und insoweit auch über die als grundsätzlich bezeichneten Fragen zu entscheiden hat (vgl etwa BSG vom 29.11.2011 - B 4 AS 169/11 B, RdNr 7; BSG vom 9.1.2008 - B 12 KR 24/07 B; BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93, SozR 3-1500 § 160a Nr 16, dort für Fälle, in denen die Entscheidung des Revisionsgerichts in der Sache vom Vorliegen ausreichender tatsächlicher
Feststellungen abhängt). Hieran fehlt es vorliegend.
In der Beschwerdebegründung wird zur letzten der beiden Voraussetzungen nichts ausgeführt. Es wird lediglich darauf hingewiesen,
dass die Klägerin in ihrem rechtlichen Gehör verletzt worden sei, weil das LSG ihre Antwort auf das Schreiben vom 21.8.2014
nicht abgewartet, sondern bereits am 26.8.2014 die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen habe (nachdem die vom
LSG gesetzte Stellungnahmefrist verstrichen und die Klägerin bereits geantwortet hatte). Damit legt die Klägerin jedoch nicht
dar, dass vom LSG eine Sachentscheidung, die die Prüfung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch das BSG zuließe, anstelle einer Prozessentscheidung zu treffen gewesen wäre. Denn die behauptete Verletzung der Anhörungsverpflichtung
hinweggedacht, bliebe die Berufung wegen Unterschreitens des für die Zulässigkeit der Berufung vorausgesetzten Beschwerdewertes
unzulässig. Insoweit hätte es Ausführungen der Klägerin dazu bedurft, warum im konkreten Fall von der ständigen Rechtsprechung
des BSG zur Berufungszulassung im Urteil des SG abzusehen sein sollte. Danach ist eine Berufung im Urteil des LSG als nicht zugelassen zu bewerten, wenn allein eine falsche
Rechtsmittelbelehrung die Anfechtung des Urteils durch eine Berufung vorsieht, es jedoch im Tenor an einem derartigen Ausspruch
oder in den Gründen an ausdrücklichen Ausführungen hierzu mangelt (vgl nur BSG vom 16.12.2009 - B 7 AL 146/09 B, RdNr 5).
Die nicht formgerecht begründete Beschwerde war daher nach §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.