SGB II - Leistungen
Anspruch auf Entfernung von Kontoauszügen aus einer Verwaltungsakte
Grundsatzrüge
Verhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
1. Eine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche
Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht
zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist.
2. Der Beschwerdeführer hat deshalb vorzutragen, inwiefern die Rechtsfrage unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll.
3. Das "Erheben" von Daten durch die Einbeziehung von Kontoauszügen bzw Fotokopien in die Akten des Grundsicherungsträgers
ist im Grundsatz als noch verhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anzusehen.
Gründe:
I
Der laufend SGB II-Leistungen beziehende Kläger beantragte im Oktober 2013 die Entfernung sämtlicher Kontoauszüge aus den ihn betreffenden Verwaltungsakten.
Der Beklagte teilte mit, soweit Kontoauszüge eingereicht worden und Angaben enthalten seien, welche die Höhe des Leistungsbezugs
beeinflussten, seien die Voraussetzungen des § 67c Abs 1 S 1 SGB X gegeben. Soweit sich in der Akte Kontoauszüge befänden, die diese Voraussetzungen nicht erfüllten, würden diese gelöscht.
Das Aufbewahren von Kontoauszügen sei zulässig, wenn sich aus deren Inhalt ein weiterer Ermittlungsbedarf oder eine Änderung
der Leistungshöhe ergebe. Als begründende Unterlagen für das rechtmäßige Handeln der Grundsicherungsträger sei die Aufbewahrung
von Unterlagen unverzichtbar. Der Kläger habe auch nicht substantiiert vorgetragen, auf welche Kontoauszüge sich sein Begehren
beziehe (Schreiben vom 14.10.2013; Widerspruchsbescheid vom 11.12.2013).
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Gerichtsbescheid des SG vom 14.1.2015; Urteil des LSG vom 5.10.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klage sei als
kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage und Klage auf Feststellung der ursprünglichen Rechtswidrigkeit der Speicherung
zulässig. Die Aufbewahrung der Kontoauszüge in den Verwaltungsakten sei eine rechtmäßige Datenspeicherung, weil die vollständige,
sichere und schnelle Verfügbarkeit der in den Kontoauszügen enthaltenen Daten für eine korrekte und zügige Aufgabenerledigung
unerlässlich sei. Auch ein Anspruch auf Entfernung der Kontoauszüge bestehe nicht. Die Kenntnis der in den Kontoauszügen enthaltenen
Daten sei auch nach Abschluss des jeweiligen Verwaltungsverfahrens, in dem sie vorgelegt worden seien, erforderlich. Auch
bei Annahme eines Löschungsanspruchs hinsichtlich einzelner Daten auf den Kontoauszügen wegen Zeitablaufs, sei der Beklagte
wegen des nicht weiter konkretisierten Begehrens des Klägers nicht verpflichtet, von sich aus jeden Kontoauszug zu überprüfen.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage
geltend, ob die Speicherung von Kontoauszügen in der Verwaltungsakte zur Erfüllung der Aufgaben des Jobcenters erforderlich
sei, insbesondere ob deren Speicherung durch eine mögliche Korrektur von Bescheiden im Rahmen von Klageverfahren oder nach
§ 45 Abs 3 SGB X gerechtfertigt sei. Die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich aus unterschiedlichen Urteilen des LSG Rheinland-Pfalz L 6 AS 74/15 (nach Az nicht auffindbar) und des Bayerischen LSG vom 21.5.2014 (L 7 AS 347/14 B ER), dessen Entscheidung sich das LSG zu eigen gemacht habe. Für den Fall, dass das Gericht nicht von einer generellen
Unzulässigkeit der Speicherung ausgehe, sei als weitere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, ob ein Antrag
auf Entfernung von Kontoauszügen nach § 84 Abs 2 S 2 SGB X die Bezeichnung konkreter Kontoauszüge erfordere, um eine Prüfpflicht der Behörde auszulösen. Diese Rechtsfrage sei klärungsbedürftig,
weil das Gesetz zu Umfang und Qualität des Löschungsantrags keine Regelungen enthalte. Die vom LSG gezogene Parallele zu §
44 SGB X überzeuge nicht, weil ein Einzelfallbezug in § 84 SGB X fehle.
II
Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die als Zulassungsgrund geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt worden ist (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage
sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung
im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit)
ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Der Beschwerdeführer hat deshalb vorzutragen, inwiefern die Rechtsfrage unter
Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und
den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Mit seinem Vorbringen wird der Kläger diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Soweit er als Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung auf eine mögliche generelle Unzulässigkeit der Speicherung der Kontoauszüge abstellt, hätte er sich damit befassen
müssen, ob und inwieweit sich aus dem Urteil des BSG vom 19.9.2008 (B 14 AS 45/07 R) eine Klärung der aufgeworfenen Frage ergibt, was nicht geschehen ist. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass der
14. Senat in dieser Entscheidung davon ausgegangen ist, dass das "Erheben" von Daten durch die Einbeziehung von Kontoauszügen
bzw Fotokopien in die Akten des Grundsicherungsträgers im Grundsatz als noch verhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung anzusehen ist (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 ff = SozR 4-1200 § 60 Nr 2, RdNr 25 f; vgl zum automatisierten Datenabgleich auch Urteil des Senats vom 24.4.2015 - B 4 AS 39/14 R - BSGE 118, 301 ff = SozR 4-4200 § 52 Nr 1).
Auch hinsichtlich der weiteren, von dem Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage zur fraglichen Konkretisierung eines Löschungsantrags
bezogen auf Kontoauszüge fehlt es an einer Auseinandersetzung mit vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung zur hinreichenden
Bestimmtheit derartiger Anträge. Der Kläger hätte erörtern müssen, ob die auf ärztliche Unterlagen bezogenen Aussagen des
BSG, dass Sozialdaten, deren Löschung begehrt wird, so genau bezeichnet werden müssen, dass im Urteil klar ausgesprochen werden
könnte, was im Einzelnen zu löschen ist (vgl BSG Urteil vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 15; BSG Urteil vom 11.4.2013 - B 2 U 34/11 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 4 RdNr 18), hier von Bedeutung ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.