Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; höhere Leistungen nach dem sog. "Meistbegünstigungsprinzip"; Mehrbedarf für Kosten des Warmwasserverbrauchs
Gründe:
I
Streitig ist, ob die Klägerin im Zeitraum vom 1.4.2011 bis zum 30.9.2011 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II beanspruchen kann.
Die im Jahre 1957 geborene Klägerin bezieht eine Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich
370,90 Euro. Für die von ihr allein bewohnte Wohnung fallen Mietkosten in Höhe von 300 Euro einschließlich einer Heizkostenpauschale
an. Der Beklagte bewilligte ihr für die Zeit vom 1.4.2011 bis zum 30.9.2011 zunächst SGB II-Leistungen in Höhe von 318,10 Euro monatlich (Bescheid vom 9.3.2011). Nach der Neufestsetzung der Regelbedarfe ab 1.1.2011
erbrachte er Leistungen in Höhe von 323,10 Euro monatlich (23,10 Euro Regelbedarf zzgl 300 Euro für die Kosten der Unterkunft
und Heizung). Die Witwenrente rechnete er unter Abzug einer Versicherungspauschale von monatlich 30 Euro an (Bescheid vom
26.3.2011; Widerspruchsbescheid vom 6.5.2011).
Das SG hat die auf höhere Leistungen gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klägerin
habe weder nach dem SGB II noch aus dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
(Urteil vom 20.3.2012). Die Witwenrente sei unter Abzug der Versicherungspauschale gemäß § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II iVm § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V zutreffend angerechnet worden. Nach dem SGB II stehe der Klägerin ein Regelbedarf in Höhe von 364 Euro zu. Ein Mehrbedarf sei weder geltend gemacht worden noch bestünden
Anhaltspunkte für einen solchen. Die Bemessung der Höhe der Regelbedarfe nach dem SGB II verstoße nicht gegen die Vorgaben des BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010. Die Zusammensetzung der in die Einkommens- und
Verbrauchsstatistik (EVS) 2008 einbezogenen Referenzhaushalte sei ebenso wie die Entscheidung des Gesetzgebers, die unteren
15 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte als Grundlage für die Bedarfsermittlung anzusetzen,
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. In der Nichtberücksichtigung einzelner Produkte bei der Auswertung der EVS 2008
liege ebenfalls kein Verstoß gegen das
Grundgesetz.
Mit ihrer Sprungrevision trägt die Klägerin vor, problematisch sei der fehlende Ausschluss von Leistungsbeziehern nach dem
BAföG, deren Lebensstandard unter dem der Bezieher von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII liege, bei der Referenzgruppenbildung. Zudem hätten Studenten relativ hohe Ausgaben für Gaststättendienstleistungen, die
jedoch im Regelbedarf erheblich gekürzt worden seien. Durch die Herausnahme einzelner Positionen als nicht regelbedarfsrelevant
habe der Gesetzgeber das gewählte Statistikmodell verfälscht und unzulässig mit dem Warenkorbmodell vermischt. Dies treffe
zB auf die Positionen für Tabakwaren und alkoholische Getränke zu. Alkoholkonsum decke auch den Kalorienbedarf eines Menschen
und hätte daher durch nahrhafte Getränke und nicht durch Wasser ersetzt werden müssen. Den Kürzungen des Regelbedarfs bei
Gaststättendienstleistungen liege ein zu niedriger Warenwert zugrunde. Es sei auch unberücksichtigt geblieben, dass beim Zubereiten
von Mahlzeiten über den Warenwert hinausgehende Kosten entstünden, etwa für Wasser und Elektrizität. Würden - im Bereich des
Verkehrs - Kosten für die Benutzung von Kraftfahrzeugen als nicht regelbedarfsrelevant behandelt, müssten umgekehrt Beträge
für fremde Verkehrsdienstleistungen berücksichtigt werden. Wie das SG Berlin in seinem Vorlagebeschluss an das BVerfG vom
25.4.2012 (S 55 AS 9238/12) ausgeführt habe, ergäben diese Fehler einen Betrag von mindestens 100 Euro monatlich, um welchen das Existenzminimum unterschritten
werde. Dies mache eine Überprüfung des Regelbedarfs durch das BVerfG notwendig.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20. März 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom
26. März 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2011 zu verurteilen, höhere Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II, mindestens einen Betrag in Höhe von 407 Euro monatlich zuzüglich der gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, das BSG habe bereits mit Urteil vom 12.7.2012 (B 14 AS 153/11 R) entschieden, dass der Regelbedarf für Alleinstehende vom Gesetzgeber für die Zeit ab 1.1.2011 nicht in verfassungswidriger
Weise zu niedrig festgesetzt worden sei.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
II
Die Sprungrevision ist zulässig. Die Klägerin hat mit der Einlegung der Sprungrevision die Niederschrift über die mündliche
Verhandlung vor dem SG vom 20.3.2012 vorgelegt. Hiernach haben die Beteiligten "ihr Einverständnis mit der Einlegung der Sprungrevision bei dem
Bundessozialgericht unter Umgehung der Berufungsinstanz" erklärt; dies ist als Zustimmungserklärung ausreichend (Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
161 RdNr 4b mwN)
1. Die Sprungrevision ist insoweit begründet, als das Urteil des SG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen ist (§
170 Abs
2 S 2
SGG). Die bisher getroffenen Feststellungen lassen keine abschließende - positive oder negative - Entscheidung darüber zu, ob
der geltend gemachte Anspruch auf höhere SGB II-Leistungen in dem Zeitraum vom 1.4.2011 bis 30.9.2011 begründet ist.
Gegenstand des Verfahrens ist - nach den tatsächlichen Feststellungen des SG, an die der Senat gebunden ist (§
163 SGG) - allein der Bescheid vom 26.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.5.2011. Hiergegen wendet sich die Klägerin
zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 S 1 iVm 4, §
56 SGG). Ihr Begehren ist auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gerichtet und nach dem sog "Meistbegünstigungsprinzip"
unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 11; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11). Vor diesem Hintergrund fehlen Feststellungen des SG zu einem möglichen Anspruch auf einen - ab 1.1.2011 - gesetzlich vorgesehenen Mehrbedarf für Kosten des Warmwassers bei dezentraler
Warmwassererzeugung nach § 21 Abs 7 SGB II, die der Senat im Revisionsverfahren nicht nachholen kann (2). Die Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende ist nach der
Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG dagegen nicht verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt (3).
2. Ob die Klägerin Anspruch auf einen Mehrbedarf für Kosten des Warmwasserverbrauchs bei dezentraler Warmwassererzeugung hat,
bedarf noch weiterer Feststellungen des SG. Das SG hat zwar in seinem Urteil festgestellt, dass die Klägerin leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 S 1 SGB II ist, weil sie die in dieser Norm genannten Voraussetzungen sämtlich erfüllt. Insbesondere ist sie hilfebedürftig iS des §
7 Abs 1 S 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II, weil sie neben ihrem monatlichen Einkommen aus einer Witwenrente in Höhe von 370,90 Euro über kein weiteres Einkommen, etwa
aus einer Erwerbstätigkeit, verfügt. Ihr Bedarf übersteigt das abzüglich der gemäß § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II iVm § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V anzusetzenden Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro monatlich anzurechnende Einkommen. Der Beklagte hat die Regelungen
des SGB II bei der Berechnung der der Klägerin zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zutreffend angewandt und einen
Regelbedarf in Höhe von 364 Euro sowie die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe der sich aus dem Mietvertrag ergebenden
tatsächlichen Verpflichtungen berücksichtigt.
Soweit das SG allerdings ausgeführt hat, ein Mehrbedarf sei weder geltend gemacht worden noch bestünden Anhaltspunkte für das Bestehen
eines solchen, reichen diese Feststellungen nicht, um einen möglichen Anspruch der Klägerin auf einen Mehrbedarf wegen dezentraler
Warmwasserversorgung auszuschließen. Zwar kann der Gebrauch von Rechtsgriffen (hier: "Mehrbedarf") nach den Gesamtumständen
des jeweiligen Sachverhalts eine für die Auslegung bindende Tatsachenfeststellung beinhalten, wenn sicher ist, dass dem Begriff
ein bestimmtes definitorisches Verständnis zugrunde liegt (BSG SozR 4-4300 § 64 Nr 2 RdNr 8 mwN). Hier bleibt jedoch auch unter Berücksichtigung der weiteren Feststellungen des SG unklar, ob das SG auch einen eventuellen Anspruch der Klägerin auf einen Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwasserversorgung geprüft hat.
Nach § 21 Abs 7 S 1 SGB II (idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft
installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwasserversorgung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes
Warmwasser nach § 22 SGB II als Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt werden. Aus den Ausführungen des SG zu den Kosten der Unterkunft und Heizung, wonach "die Grundmiete inklusive Heizkostenpauschale 300 Euro beträgt", ist nicht
ersichtlich, ob eine zentrale oder dezentrale Warmwasserversorgung bestand. Es ist nicht klar, ob von der "Heizkostenpauschale"
auch die Kosten für Warmwasser umfasst waren. Ist dies nicht der Fall, sondern bestand eine dezentrale Warmwasserversorgung,
ist die vom Gesetzgeber nunmehr regelmäßig vorgesehene Übernahme der tatsächlich anfallenden und angemessenen Kosten hierfür
gemeinsam mit den übrigen Kosten für die Heizung als Mietnebenkosten nach § 22 SGB II nicht möglich (vgl Brehm/Schifferdecker SGb 2011, 505, 506). Auch soweit das SG festgestellt hat, dass ein Mehrbedarf nicht geltend gemacht worden sei, ermöglicht dies hier keinen Rückschluss auf einen
eventuellen Bedarf nach § 21 Abs 7 SGB II. Das Antragsformular, welches der Leistungsbeantragung der Klägerin am 1.3.2011 zugrunde lag und auf welches das SG offenbar Bezug genommen hat, enthielt nur eine Beantragungsmöglichkeit für Mehrbedarfe nach § 21 Abs 1 bis 6 SGB II und auch keine Rubrik, in der die Art der Warmwasserversorgung abgefragt wurde (vgl zur ergänzenden Heranziehung von Schriftstücken,
auf die das Vordergericht im Urteil bei seiner Tatsachenwürdigung abgestellt hat: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
163 RdNr 4 mwN). Vor dem Hintergrund des mit Wirkung zum 1.1.2011 erst durch das Gesetz vom 24.3.2011 (BGBl I 453) eingeführten
Mehrbedarfs bei dezentraler Warmwasserversorgung nach § 21 Abs 7 SGB II bestand grundsätzlich eine Hinweis-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Beklagten über diese neue Mehrbedarfsleistung.
Allein aus fehlenden Angaben der Klägerin hierzu ist daher ein Rückschluss nicht möglich, dass ein Bedarf bei dezentraler
Warmwasserversorgung nicht besteht. Die hierzu notwendigen Feststellungen kann der Senat nicht nachholen.
3. Bei der Prüfung, ob der Gesetzgeber die ab 1.1.2011 neu festgesetzte Höhe der Regelbedarfe für Alleinstehende zu niedrig
festgesetzt hat, wird das SG - ohne Bindung an die folgenden Ausführungen des Senats gemäß §
170 Abs
5 SGG - unter Berücksichtigung des weiteren Urteils des Senats vom 28.3.2013 (B 4 AS 12/12 R) an seiner Rechtsauffassung festhalten dürfen, dass der Regelbedarf für Alleinerziehende in dem hier streitigen Zeitraum
nicht verfassungswidrig zu niedrig festgelegt war. Der erkennende Senat hat sich insofern dem 14. Senat des BSG angeschlossen, der dies im Juli 2012 in zwei Entscheidungen im Einzelnen dargelegt hat (BSGE 111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 19 ff; vom 12.7.2012 - B 14 AS 189/11 R - RdNr 14). Die Verfassungsbeschwerden gegen die benannten Urteile sind nicht zur Entscheidung angenommen worden (BVerfG
Beschluss vom 20.11.2012 - 1 BvR 2203/12 - unveröffentlicht; BVerfG Beschluss vom 27.12.2012 - 1 BvR 2471/12 - unveröffentlicht; zur Bedeutung dessen: Rixen, SozSich 2013, 73 ff).
Der Gesetzgeber hat den ihm vom BVerfG in dessen Urteil vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) erteilten Auftrag, das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, erfüllt.
Der 14. Senat hat hierzu ausgeführt, dass bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Neuermittlung der Regelbedarfe der
Entscheidungsprozess des Gesetzgebers bei der Neuordnung der §§ 28 ff SGB XII auf die Bemessung des Regelbedarfs in § 20 Abs 2 S 1 SGB II zu übertragen sei. Der Gesetzgeber habe den Umfang des konkreten gesetzlichen Auftrags auch in einem transparenten und sachgerechten
Verfahren ermittelt, das den Vorgaben des BVerfG nach realitätsgerechten sowie nachvollziehbaren Feststellungen auf der Grundlage
verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren entspreche. Dabei habe er sich des vom BVerfG gebilligten "Statistikmodells
mit begründeter Herausnahme einzelner Positionen" bedienen können. Innerhalb dieses Ansatzes habe er - ausgehend von der EVS
2008 - die Referenzgruppe anhand der unteren Einkommensgruppen bestimmt, ohne seinen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum
zu überschreiten. Den Maßstab der sachlichen Angemessenheit und Vertretbarkeit habe er bei der Veränderung der Bezugsgröße
von 20 % auf 15 % der Einpersonenhaushalte gemäß § 4 S 2 Nr 1 RBEG nicht verlassen. Diese Anpassung der Referenzgruppe führe
nicht zu einer Verringerung, sondern zu einer Erhöhung des absoluten oberen Grenzwertes der betrachteten Haushalte im Vergleich
zu 2003 von 20,4 % auf 22,3 % aller nach dem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte (Hinweis auf BT-Drucks 17/3404 S 89; BSGE
111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 37 f).
Soweit die Klägerin den fehlenden Ausschluss sog "atypischer Haushalte", insbesondere von Leistungsbeziehern nach dem BAföG, kritisiert, hat der 14. Senat des BSG im Einzelnen ausgeführt, dass die mögliche Einbeziehung sog "atypischer Haushalte", insbesondere von Auszubildenden, die
Berufsausbildungsbeihilfe nach dem
SGB III oder Leistungen nach dem BAföG erhielten, nach dem Erkenntnisstand des Gesetzgebers des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und des SGB XII (vom 24.3.2011, BGBl I 453) nicht zu einer signifikanten Verschiebung der Referenzgruppe auf der Einkommensskala führe (BSGE
111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 46 f). Dem folgt der erkennende Senat, der in seinem Urteil vom 28.3.2013 (B 4 AS 12/12 R) in Auseinandersetzung mit den vorhandenen Forschungsansätzen zur Ermittlung der "verdeckt Armen" ausgeführt hat, dass
der Gesetzgeber wegen des nur zur Verfügung stehenden knappen Zeitrahmens in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise von einer Korrektur der Referenzgruppe abgesehen habe. Der Auftrag des BVerfG, seine Abgrenzungssystematik über § 3
RBEG hinaus fortzuentwickeln, bezieht sich auf die Auswertung künftiger EVS, und nicht bereits auf diejenige der EVS 2008
(BSGE 111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 44). Beide für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben betont, dass der Gesetzgeber mit § 10 Abs 2 Nr 1 iVm Abs 1 RBEG das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verpflichtet habe, in dem bis zum 1.7.2013 vorzulegenden Bericht
über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik Vorschläge für die Abgrenzung der
Referenzhaushalte nach § 3 Abs 1 RBEG hinsichtlich der Bestimmung von Haushalten der EVS zu unterbreiten, die nicht als Referenzhaushalte
zu berücksichtigen seien, weil deren eigene Mittel nicht zur Deckung des jeweils zu unterstellenden Bedarfs nach dem SGB II oder SGB XII ausreichten (BSGE 111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 45; BSG Urteil vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R).
Soweit die Klägerin einwendet, der Gesetzgeber habe durch die Herausnahme einzelner Positionen aus der EVS 2008 das Statistikmodell
mit dem Warenkorbmodell in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise vermischt, lässt sie unberücksichtigt, dass der verfassungsrechtlich
verbürgte Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gemäß Art
1 Abs
1 GG iVm Art
20 Abs
1 GG ua von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche abhängt. Dies beinhaltet
auch eine wertende Entscheidung des Gesetzgebers, welche Waren und Güter als zur Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums
erforderlich angesehen werden (BSGE 111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 51 ff). Einzelne Positionen der EVS dürfen herausgenommen werden, wenn der Gesetzgeber hierfür
eine nachvollziehbare Begründung gibt und ein solch wertender Eingriff des Gesetzgebers in die EVS nicht dazu führt, dass
ein interner Ausgleich nicht mehr möglich ist (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 170 ff; BSGE 111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 53). Der 14. Senat des BSG, dessen Rechtsprechung sich der erkennende Senat auch insoweit angeschlossen hat, hat ausgeführt, dass der auf Grundlage
des Regelbedarfsermittlungsgesetzes festgelegte Regelbedarf für alleinstehende Erwachsene in Höhe von 364 Euro monatlich ab
1.1.2011 insgesamt nicht evident unzureichend sei (BSGE 111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 60; BSG Urteil vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R).
Dass die einzelnen regelbedarfsrelevanten Verbrauchsgruppen innerhalb der Grenzen, welche die Verfassung dem Gesetzgeber zieht,
zutreffend ermittelt und in nicht evident unzureichender Höhe festgesetzt wurden, hat der 14. Senat des BSG gleichfalls bereits dargelegt (BSGE 111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 64 ff). Soweit sich die Klägerin gegen die Herausnahme und Substituierung alkoholischer Getränke und Tabakwaren
aus der EVS 2008 bei der Bemessung der Regelbedarfshöhe wendet, hat der Gesetzgeber seiner Pflicht zur nachvollziehbaren Begründung
der - verfassungsrechtlich zulässigen - wertenden Entscheidung, Bedarfe für Alkoholika aus dem Regelbedarf zu streichen, genügt.
Er hat im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen diese Bedarfe als regelbedarfsirrelevant unberücksichtigt bleiben (vgl
BT-Drucks 17/3404 S 53). Eine Substituierung alkoholischer Getränke in der Verbrauchsgruppe durch andere Flüssigkeiten als
Wasser (vgl hierzu BT-Drucks 17/3404 S 53) ist nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Auch durch die von der Klägerin
weiter beanstandete Nichtberücksichtigung eines Bedarfs für Schwund und Verderb von Lebensmitteln hat der Gesetzgeber den
ihm zukommenden Gestaltungsspielraum nicht unter- bzw überschritten. Schließlich bestehen gegen die Berücksichtigung eines
Bedarfs für Verkehr in der aus § 5 RBEG ersichtlichen Höhe ebenfalls keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierzu hat sich der 14. Senat des
BSG (BSGE 111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 72 f) bereits ausführlich geäußert. Der erkennende Senat schließt sich den dortigen Ausführungen an (BSG Urteil vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R).
Das SG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahren zu entscheiden haben.