Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung für eine Bedarfsgemeinschaft nach Wegfall des Unterkunftskostenanteils
eines Mitglieds durch Sanktion
Gründe:
I
Streitig ist die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in der Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009.
Die Klägerin zu 1 (geb 1960) sowie die mit ihr zusammenlebenden Söhne A (geb 1994), Kläger zu 2, und D (geb 1987 [22 Jahre];
im Folgenden: D) bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die KdU, welche der Beklagte direkt an den Vermieter zahlte, beliefen sich für die 63 qm große Wohnung auf 526,50 Euro monatlich
(Kaltmiete in Höhe von 406,50 Euro, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 50
Euro, Hausmeisterpauschale in Höhe von 12 Euro, SAT-Antennenpauschale in Höhe von 8 Euro). Der Beklagte bewilligte der Klägerin
zu 1 und ihren Söhnen als Bedarfsgemeinschaft SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.11.2008 bis 30.4.2009. Unter Berücksichtigung eines geringen Einkommens der Klägerin zu 1 aus
Beschäftigung sowie des Kindergeldes bewilligte er jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die KdU übernahm
er in tatsächlicher Höhe und berücksichtigte den "Kopfanteilen" entsprechend bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft KdU
in Höhe von 175,50 Euro (Bescheid vom 13.10.2008). Nach vorangegangenen Sanktionen entzog er dem Sohn D die SGB II-Leistungen wegen des Abbruchs einer Bildungsmaßnahme für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 vollständig (bestandskräftiger
Bescheid vom 6.1.2009).
Für den bewilligten Zeitraum errechnete der Beklagte die SGB II-Leistungen mehrfach neu (Bescheide vom 6.1., 1.2., 18.2. und 18.3.2009) und setzte den auf D entfallenden KdU-Anteil für
die Monate Februar bis April 2009 mit "0 Euro" fest. Mit dem von den Klägern (erstmals) mit Widerspruch angefochtenen weiteren
Bescheid vom 2.4.2009 bewilligte er die SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens der Klägerin zu 1 und der Sanktion für D für den streitigen
Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 erneut (dabei ergab sich für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 jeweils ein verbleibender
Betrag an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; KdU wurden in bisheriger Höhe übernommen; für D entfielen wegen des
"Minderungsbetrags aufgrund von Sanktionen" die KdU vollständig). Den Widerspruch, mit dem die Klägerin zu 1 und der Kläger
zu 2 den Wegfall des KdU-Anteils für D beanstandeten, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009).
Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 verurteilt,
den Klägern für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 weitere KdU-Leistungen in Höhe von 175,50 Euro monatlich zu gewähren (Urteil
vom 16.8.2010). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22.3.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung
hat es ausgeführt, der von den Klägern angefochtene Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009
sei ein sogenannter Zweitbescheid, der ungeachtet der zuvor über denselben Gegenstand getroffenen bestandkräftigen Regelungen
erneut den Rechtsweg eröffnet habe. Der Beklagte habe spätestens im Widerspruchsbescheid erneut über die den Klägern zustehende
KdU entschieden. Er habe hervorgehoben, dass er die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Sanktion und
auf die Höhe der KdU für die Kläger als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erneut und intensiv geprüft habe. Hierbei habe
er sich bewusst dafür entschieden, den durch die Sanktion entstandenen KdU-Anteil der Bedarfsgemeinschaft als Ausfall zuzuordnen.
Auf die Inhalte der ab 6.1.2009 ergangenen Bescheide und deren (fragliche) Bekanntgabe komme es daher nicht an. Für die Zeit
vom 1.2. bis zum 30.4.2009 bestehe ein Anspruch der Kläger auf Übernahme des jeweils hälftigen KdU-Anteils ohne Abzug des
Kopfanteils für D. Es könne offen bleiben, ob D im streitigen Zeitraum noch Mitglied der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft
gewesen sei. Für eine Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung fehle es an einer Kostensenkungsaufforderung. Selbst wenn
man eine solche als bereits mit den ab 1.6.2009 erteilten Bescheiden verbundene ansehe, fehle eine zeitliche Vorgabe zur Reduzierung.
Auch sei es nur bei einer absehbar längerfristigen und endgültigen Veränderung in der Mitgliederzahl der Bedarfsgemeinschaft
für die verbliebenen Mitglieder möglich und zumutbar, die Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung
durch nur zwei Personen anzupassen. Seien die KdU-Aufwendungen daher angemessen oder als unangemessene Kosten zu übernehmen
und habe die Bedarfsgemeinschaft fortbestanden, stehe der Anrechnung eines "fiktiven" Kopfanteils entgegen, dass die (tatsächlichen)
Aufwendungen der Kläger nicht mehr gedeckt seien. Die Aufteilung nach Kopfanteilen setze voraus, dass der aktuell bestehende
Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Der anteilige Wegfall bei der Übernahme der Wohnungsaufwendungen führe
zu einer (vorübergehenden) Unterdeckung eines bisher durch die gemeinsame Nutzung der Wohnung gedeckten Bedarfs. Dann bestehe
ein Anspruch auf Tragung der tatsächlichen bzw angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch den SGB II-Träger, weil die Verpflichtung der Leistungsberechtigten zur Zahlung der KdU im Außenverhältnis unverändert fortbestehe.
Den übrigen Mitgliedern dürfe nicht (mittelbar) ein Fehlverhalten zugerechnet werden, auf das sie jedenfalls bei über 18jährigen
Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich keinen rechtlich relevanten Einfluss hätten. Es bestehe ein ungelöster
Wertungswiderspruch, weil die Umsetzung einer Sanktion anderen Kriterien zu genügen habe als die Senkung unangemessener KdU.
Während eine Sanktion rasch umgesetzt werden müsse, werde bei der Senkung der KdU eine Zeitspanne eingeräumt, um dem konkreten
Wohnbedarf in seinen rechtlichen wie tatsächlichen Aspekten Rechnung zu tragen.
Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, es bestehe kein Anlass für eine Abweichung von dem Prinzip des Individualanspruchs.
Eine Lücke im eigenen Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Wegen der Höhe der durch die
Sanktion entstehenden Mietschulden bestehe in der Regel kein Kündigungsgrund. In vergleichbaren Fallkonstellationen werde
die Aufteilung der KdU nach Kopfteilten auf die Nutzer der Wohnung ausnahmslos bestätigt ("fiktiver" Kopfanteil), obwohl auch
dort das Argument hinsichtlich der Außenwirkung zum Vermieter und möglicher Wohnungslosigkeit greife. Das angefochtene Urteil
verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Jugendliche einen Wohnungsverlust
nur durch eine Arbeitsaufnahme oder ein Darlehen vermeiden könnten. Dies sei auch den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden
Jugendlichen zumutbar, weil deren Sanktionierung ansonsten regelmäßig und teilweise "ins Leere laufe".
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom
16. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Sie führen aus, die Aufteilung nach Kopfteilen sei nicht wegen einer gemeinsamen Nutzung der Wohnung, sondern deshalb gerechtfertigt,
weil der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Eine strikte Anwendung des Kopfteilprinzips
führe dazu, dass die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in "sippenhaftähnlicher Weise" für ein Fehlverhalten eines
anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft haften würden.
II
Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Kläger in
dem hier streitigen Zeitraum jeweils Anspruch auf höhere Aufwendungen für KdU in der zuerkannten Höhe haben.
1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009,
mit dem der Beklagte KdU für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 weiterhin nur in Höhe der bisher zuerkannten Leistungen
von je 175,50 Euro bewilligt hat. Ausgehend von dem objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und dem Klageantrag
ist Streitgegenstand hingegen nicht die direkte Auszahlung der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter
der Kläger. Der Beklagte hat mit der Bestimmung eines anderen Empfängers der den Klägern bewilligten Leistungen lediglich
die Auszahlungsmodalitäten modifiziert, nicht jedoch die Bewilligung der Leistungen dem Grunde und der Höhe nach verändert.
Das zuvor behandelte Begehren der Kläger auf höhere Leistungen umfasst nicht die Auszahlung der gesamten Leistungen an sie.
Der Beklagte hat die Bestimmung eines anderen Empfängers zudem im Bescheid vom 2.4.2009 in einem selbstständigen Verfügungssatz
geregelt. Insoweit haben die Kläger den Bescheid jedoch nicht angefochten (vgl hierzu Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B
4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 12).
Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid vom 2.4.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 zurecht mit
der Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
4 SGG). Wegen des sanktionsbedingten Wegfalls der KdU für D im streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 ist ihr Begehren
auf höhere KdU gerichtet, als diese in den vorangegangenen Bescheiden für den streitigen Zeitraum jeweils bewilligt wurden.
Das LSG hat zurecht angenommen, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 2.4.2009 um einen Zweitbescheid handelte,
mit dem der Beklagte die Individualansprüche für den streitigen Zeitraum erneut und in vollem Umfang überprüfbar geregelt
hat. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 können jeweils höhere Leistungen in der von den Vorinstanzen angenommenen Höhe
beanspruchen. Insofern ist - als Besonderheit des SGB II - zu berücksichtigen, dass kein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft oder Teilen der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert,
sondern Anspruchsinhaber jeweils - individuell - die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12). Mit dem Bescheid vom 2.4.2009 hat der Beklagte - in getrennt zu betrachtenden Verfügungen
- Einzelansprüche der Klägerin zu 1 und ihrer beiden Söhne bewilligt. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ist daher
dahin zu korrigieren, dass der ausgeurteilte Gesamtbetrag in Höhe von 175,50 Euro jeweils anteilig auf die Klägerin zu 1 und
den Kläger zu 2 verteilt wird.
Die Kläger haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Insofern haben
sie keine Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben, mit dem das SG ausdrücklich nur weitere KdU zugesprochen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die in den Bewilligungsbescheiden gleichfalls
geregelte Höhe der Regelleistung sowie die Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 1, das schon ihren eigenen Regelbedarf
nicht deckte, nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Bei den KdU handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids,
ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte
(BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).
2. Die materielle Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 30.9.2009 beurteilt sich nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,
die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt
der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X). Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm §
330 Abs
3 S 1
SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Haben sich Veränderungen in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen ergeben, die
dazu führen, dass der Verwaltungsakt dem Grunde oder der Höhe nach so nicht mehr ergehen dürfte, so liegt eine wesentliche
Änderung vor (Brandenburg in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 RdNr 60). Eine Änderungswirkung zugunsten des Berechtigten liegt vor, wenn die Änderung nach objektiver Betrachtungsweise
"per saldo" einen Vorteil bewirkt (BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19).
Dies ist hier ausgehend von den Individualansprüchen der Kläger zu 1 und 2 auf SGB II-Leistungen der Fall. Gegenüber den Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 13.10.2008 und den weiteren Änderungsbescheiden
zugrundelagen, mit denen der Beklagte den Klägern jeweils 175,50 Euro als KdU bewilligte, ist eine Änderung eingetreten, weil
sie für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 Ansprüche auf weitere KdU-Leistungen in Höhe von 87,75 Euro hatten. Bezogen auf
die Kläger zu 1 und 2 wird durch den tatsächlichen Wegfall des bisher an den Vermieter direkt überwiesenen KdU-Anteils für
D auf der Grundlage der Kürzung des Individualanspruchs des D durch den Bescheid vom 2.4.2009 zeitgleich eine wesentliche
Änderung bewirkt, weil bei ihnen ein höherer Bedarf an KdU entstand, den sie nicht durch Einkommen oder Vermögen innerhalb
der Bedarfsgemeinschaft decken konnten. Dieser Sonderfall rechtfertigt eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip".
3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für einen Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen notwendigen Anspruchsvoraussetzungen
für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach vorlagen. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt, dass sie zum leistungsberechtigten Personenkreis
nach dem SGB II gehörten und dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der KdU hatten. Beide hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Die im Jahre 1960 geborene Klägerin zu 1 war erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II), hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II aber noch nicht erreicht (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Der 1994 geborene Kläger zu 2 lebte mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft, beide waren hilfebedürftig, der Kläger zu 2 verfügte
- mit Ausnahme des Kindergeldes - über kein eigenes Einkommen oder Vermögen, die Klägerin zu 1 erzielte in dem hier in Rede
stehenden Zeitraum nur das berücksichtigte Einkommen, welches schon ihren eigenen Bedarf nicht deckte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II).
4. a) Die Kläger können in dem hier streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 die Übernahme der KdU in tatsächlicher
Höhe und jeweils zur Hälfte unmittelbar aus § 22 Abs 1 S 1 SGB II beanspruchen.
Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.
Von § 22 Abs 1 S 1 SGB II erfasst sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung
für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 19 ff zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung; BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 15 ff zu den Kosten eines Kabelanschlusses). Angeknüpft wird an die rechtliche und tatsächliche
Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses. Ausreichend ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige
einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 21 RdNr 16 ff; BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 15).
b) Von den tatsächlichen und - mit den Überlegungen des LSG - zumindest als angemessenen zu unterstellenden Aufwendungen für
Unterkunft und Heizung im streitigen Zeitraum in Höhe von 526,50 Euro ist nicht der auf D entfallende Anteil an den KdU abzuziehen.
Zwar sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige
eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon,
ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (stRspr BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07 R - juris RdNr 19; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 = SGb 2010, 163 ff, RdNr 18 f; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 19; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung
einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen
Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.
Bei der Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, die jedoch
nicht gesetzlich als den Anspruch auf KdU begrenzend festgeschrieben ist. Insofern findet sich in § 22 Abs 1 SGB II keine bedarfsbeschränkende Festlegung des Gesetzgebers auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der KdU nach der Anzahl
der im Haushalt lebenden Personen. Bei den KdU greift der Individualisierungsgrundsatz mit der Anknüpfung an die tatsächlichen
Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Angemessenheit als begrenzend wirkt. Es besteht ein Unterschied zu den Regelleistungen
nach dem SGB II, bei denen eine anspruchsbegrenzende Pauschalierung der Bedarfe gesetzlich vorgesehen ist.
In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG, das eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen hat,
wenn und soweit der Hilfefall durch "sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände" gekennzeichnet war, die "ohne weiteres objektivierbar"
und "dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt" waren (BVerwGE 79, 17 ff, zB Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die ein anerkennenswertes Maß an Unterkunftsbedarf in der Person der oder des
Hilfebedürftigten oder eines anderen Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft ausmachten), hat es auch das BSG als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen (BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4, RdNr 19 "Sonderfälle"). Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hat der 14. Senat des BSG bei gemeinsam in einer Wohnung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine andere Aufteilung
aufgrund eines Vertrags bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen
Vertrags und der daraus folgenden Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; bereits angedeutet in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12, RdNr 19). Weiter haben die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung
der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; vgl hierzu auch Frank in GK-SGB II § 22 RdNr 19, Stand März 2010).
c) Hier sind die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen gegeben, die auch bei
gemeinsamer Nutzung der Wohnung durch eine Bedarfsgemeinschaft vorliegen können (vgl zur Übernahme der KdU bei vorübergehender
Ortsabwesenheit eines Partners: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42).
Aus "bedarfsbezogenen Gründen", nämlich wegen des vollständigen Wegfalls der KdU-Leistungen für D, entstanden der Klägerin
zu 1 und dem Kläger zu 2 in dem streitigen Zeitraum höhere Kosten für die Wohnung und Heizung. Sie konnten schon deshalb nicht
darauf verwiesen werden, den KdU-Anteil von D zu verlangen, weil der Beklagte mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 6.1.2009
sowie mit dem Bewilligungsbescheid vom 2.4.2009 als der zur Sicherstellung des Existenzminiums zuständige Träger den vollständigen
Wegfall des KdU-Anteils für D in dem hier streitigen Zeitraum verfügte. Zwar ist zweifelhaft, ob dies berechtigt war. § 31 Abs 5 S 6 SGB II iVm § 31 Abs 3 S 6 SGB II sieht vor, dass der zuständige Träger bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung
in angemessenen Umfang ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen erbringen kann und diese nach § 31 Abs 3 S 7 SGB II erbringen soll, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. Letzteres war hier der Fall,
weil auch der minderjährige Bruder des Klägers in der Bedarfsgemeinschaft lebte. D hat jedoch - ausgehend von den seitens
der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) - den Sanktionsbescheid vom 6.1.2009 und den seinen Individualanspruch betreffenden Teil des Bescheides vom 2.4.2009 nicht
angegriffen, ohne dass die Klägerin zu 1 bei ihrem volljährigen Sohn hierauf Einfluss hatte. Nach dem Inhalt der vom LSG in
Bezug genommenen Bewilligungsbescheide war bei D auch kein Einkommen oder Vermögen vorhanden, aus dem er den auf ihn entfallenden
KdU-Anteil während des Sanktionszeitraums hätte bestreiten können. Dem Beklagten war daher bekannt, dass der durch die von
ihm veranlasste Sanktion eine Bedarfsunterdeckung bei den KdU auch bei den Klägerin zu 1 und dem minderjährigen Kläger zu
2 eingetreten war.
d) Die Kläger können auch nicht darauf verwiesen werden, ihren tatsächlichen mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig
nachzukommen und eine weitere Erhöhung der hier nach den Feststellungen des LSG bereits vorhandenen Mietschulden hinzunehmen.
Im Bereich der KdU sind die existenzsichernden Leistungen dergestalt geregelt, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU-Aufwendungen
nicht erst besteht, wenn eine Kündigung des Mietverhältnisses unmittelbar bevorsteht. Es besteht mit dieser Maßgabe eine Verpflichtung
des SGB II-Trägers zur Deckung des (hier vorübergehend erhöhten) individuellen Bedarfs jedes Grundrechtsträgers (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, juris RdNr 137; Wersig in info also 2011, 51 ff, 52).
Der Einwand des Beklagten, dass durch die Erhöhung des KdU-Anteils für die Kläger die Sanktionierung von D "abgemildert" werde,
kann aus Rechtsgründen zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin zu 1 ist wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für D verpflichtet. Eine
darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung ist nicht vorgesehen (vgl zur Vermeidung
von personenübergreifenden Sanktionsfolgen: Geiger in info also 2010, 3 ff; Berlit in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kapitel 28, RdNr 34). Zudem ist die Sanktion für D nicht vollständig
entfallen, weil auch der Regelbedarf teilweise gekürzt bzw als Sachleistung erbracht worden ist. Ob ein KdU-Anteil in diesen
Fallgestaltungen zu übernehmen ist, muss einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden. Die von dem Beklagten als mögliche
Folge beschriebene Ungleichbehandlung des D mit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer
Sanktionierung liegt schon deshalb nicht vor, weil eine andere Ausgangslage gegeben ist und wirkt sich im Übrigen auch nicht
auf den Anspruch der Klägerin zu 1 und den minderjährigen Kläger zu 2 aus.
Unschädlich ist schließlich, dass bei der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 eine höhere Belastung durch KdU während des Mietverhältnisses
eingetreten ist. § 22 Abs 1 S 1 SGB II enthält keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt
der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu zahlen waren (zu einer möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Staffelmietvereinbarung: BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 61 zu erhöhten Mietkosten wegen einer Modernisierungsmaßnahme nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.