Übernahme einer Betriebskostennachforderung
Bedarf im Fälligkeitsmonat
Leistungsdeckelung und abstrakte kommunale Angemessenheitsgrenzen
1. Das BSG hat bereits ausgeführt, dass Nachforderungen von Betriebs- und Heizkosten, die nach regelmäßiger Übernahme der Vorauszahlungen
bzw. Abschläge der jeweiligen Monate entstehen, als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf erst im Fälligkeitsmonat
gehören.
2. Weiter hat das BSG dargelegt, dass aus der Zuordnung dieses Bedarfs zum Bewilligungszeitraum der Fälligkeit der Nachforderung nicht folgt, dass
auch die Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizkosten nach den Verhältnissen im Fälligkeitsmonat zu beurteilen ist.
3. Vielmehr sind - bei grundsätzlicher Berücksichtigung dieses Bedarfs - die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse desjenigen
Zeitraums zu berücksichtigen, dem die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen Sinne zuzuordnen ist.
4. Die Leistungsdeckelung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II greift nur ein, wenn und soweit zutreffend ermittelte abstrakte kommunale Angemessenheitsgrenzen bestehen.
Gründe:
I
Die Klägerin, die ohne Zustimmung des Beklagten sowie ohne Notwendigkeit im Juli 2010 aus ihrer Erdgeschosswohnung, für deren
Unterkunftskosten der Beklagte zuletzt 349 Euro anerkannte (355,79 Euro Bruttowarmmiete abzüglich 6,79 Euro Warmwasserpauschale),
in eine Wohnung vergleichbarer Größe in der 6. Etage des Wohnhauses umzog (363,19 Euro an Bruttowarmmiete), beantragte die
Übernahme einer Betriebskostennachforderung für das Jahr 2011 in Höhe von 602,38 Euro. Dies lehnte der Beklagte ab. Das SG hat den Beklagten verpflichtet, weitere Unterkunftskosten in beantragter Höhe zu erbringen (Urteil vom 13.8.2013). Das LSG
hat der Berufung des Beklagten stattgegeben, soweit das SG den Beklagten zur Gewährung weiterer Leistungen von mehr als 537,12 Euro verurteilt hat (Urteil vom 4.3.2015). Zur Begründung
seiner Entscheidung hat es ausgeführt, als "bisheriger Bedarf" iS des § 22 Abs 1 S 2 SGB II seien nicht 355,79 Euro, sondern 400,55 Euro monatlich zu berücksichtigen, weil die mit der letzten Betriebskostenabrechnung
für die frühere Wohnung (Zeitraum 1.1.2010 bis 30.6.2010) geltend gemachte und seinerzeit von dem Beklagten übernommene Nachzahlung
monatsanteilig als weiterer bisheriger Bedarf zu berücksichtigen sei.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
II
Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die als Zulassungsgrund geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargetan worden ist (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage
sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung
im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit)
ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN, stRspr, BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Der Beschwerdeführer hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage unter
Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und
den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Mit seinem Vorbringen wird der Beklagte diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Er trägt vor, die Rechtsfrage, ob der
SGB II-Leistungsträger, der nach nicht erforderlichem Umzug Leistungsberechtigter in eine teurere Wohnung nur den bisherigen Bedarf
für Unterkunft und Heizung anerkannt habe, Betriebskostennachzahlungen für die bisherige Wohnung zu übernehmen habe, habe
grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfrage sei klärungsbedürftig. Beim BSG sei lediglich die Rechtsfrage einer zeitlichen Beschränkung der "Deckelung" auf die bisherigen KdU anhängig (Hinweis auf
B 14 AS 6/14 R und B 14 AS 7/14 R). Es existierten unterschiedliche Entscheidungen des SG Berlin. Das LSG Mecklenburg-Vorpommern habe zutreffend ausgeführt,
dass aus einer Betriebskostenabrechnung zu erbringende Nachzahlungen nicht zu den "bis dahin zu tragenden Aufwendungen" iS
des § 22 Abs 1 S 2 SGB II gehörten (Hinweis auf LSG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 4.12.2013 - L 10 AS 285/11, RdNr 40). Dies ergebe sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Die Berücksichtigung einer solchen Nachzahlung (oder im umgekehrten
Fall einer Gutschrift) als Unterkunftsaufwendungen führe dazu, dass erst Monate nach dem erfolgten Umzug überhaupt festgestellt
werden könne, ob die Aufwendungen für die neue Wohnung diejenigen der alten überstiegen.
Nach dem Inhalt dieser Beschwerdebegründung des Beklagten, der § 22 Abs 1 S 2 SGB II offenbar eine grundsätzliche Nichtberücksichtigung von Betriebskostennachforderungen nach nicht genehmigtem Umzug entnehmen
will, fehlt eine Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG zur rechtlichen Einordnung von Betriebskostennachforderungen, insbesondere den Urteilen vom 22.3.2010 (B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 13) und vom 6.4.2011 (B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45 RdNr 15). In diesen Entscheidungen hat das BSG bereits ausgeführt, dass Nachforderungen von Betriebs- und Heizkosten, die nach regelmäßiger Übernahme der Vorauszahlungen
bzw Abschläge der jeweiligen Monate entstehen, als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf erst im Fälligkeitsmonat
gehören. Das BSG hat auch bereits dargelegt, dass aus der Zuordnung dieses Bedarfs zum Bewilligungszeitraum der Fälligkeit der Nachforderung
nicht folgt, dass auch die Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizkosten nach den Verhältnissen im Fälligkeitsmonat zu beurteilen
ist. Vielmehr sind - bei grundsätzlicher Berücksichtigung dieses Bedarfs - die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse
desjenigen Zeitraums zu berücksichtigen, dem die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen Sinne zuzuordnen
ist (BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45 RdNr 17). Mit der Konsequenz dieser Rechtsprechung für die Auslegung des Begriffs des "bisherigen
Bedarfs" iS des § 22 Abs 1 S 2 SGB II setzt sich der Beklagte nicht auseinander. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob die Rechtsfolge des § 22 Abs 1 S 2 SGB II ("Deckelung auf die im Umzugszeitpunkt angemessenen Unterkunftskosten") auch die Nichtberücksichtigung später fällig werdender
Nachforderungen beinhalten kann. Unabhängig hiervon hat sich der Beklagte auch nicht mit der Bedeutung der zur Zeit der Beschwerdebegründung
bereits ergangenen Entscheidungen des 14. Senats des BSG vom 29.4.2015 (B 14 AS 6/14 R, B 14 AS 7/14 R ua zu LSG Mecklenburg-Vorpommern - L 10 AS 285/11) befasst, wonach die Leistungsdeckelung des § 22 Abs 1 S 2 SGB II nur eingreift, wenn und soweit zutreffend ermittelte abstrakte kommunale Angemessenheitsgrenzen bestehen. Insofern fehlen
Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.