Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Berücksichtigung steuerfreier Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
als Einkommen
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten (noch) um höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom
1.5. bis 31.10.2005, insbesondere die Berücksichtigung von Zuschlägen für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit als Einkommen.
Die miteinander verheirateten Kläger, bei denen jeweils ein Diabetes Mellitus Typ IIa diagnostiziert wurde, bewohnen eine
60 qm große Wohnung, für die sie im streitigen Zeitraum insgesamt 404,18 Euro entrichteten (monatliche Nutzungsgebühr in Höhe
von 272,18 Euro, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 70 Euro, Vorauszahlung für Wasser/Entwässerung in Höhe von 33 Euro, sonstige
allgemeine Betriebskosten in Höhe von 29 Euro). Sie beziehen seit Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II. Die 1942 geborene
Klägerin erhielt bis einschließlich 15.1.2005 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von täglich 21,78 Euro. Der 1947 geborene Kläger
arbeitete seit Mai 2001 als Wachmann bei der S. Sein durchschnittlicher Weg zur Arbeitsstätte betrug 7 km. Im streitgegenständlichen
Zeitraum zahlten die Kläger für ihre Kfz-Haftpflichtversicherungen monatlich 99,14 Euro. Das Gehalt des Klägers war schwankend
und enthielt stets steuerfreie Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit in wechselnder Höhe. Der Arbeitgeber des Klägers
verneinte in einer Bescheinigung für die Beklagte vom 24.11.2004 die Frage nach einem monatlich gleich hohen Einkommen und
gab für Oktober 2004 ein sozialversicherungspflichtiges Entgelt in Höhe von 1027,02 Euro bzw ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe
von 795,66 Euro an. In der Zeit vom 1.4.2005 bis 30.9.2005 erzielte der Kläger als jeweils in der Mitte des Folgemonats ausgezahltes
Bruttoarbeitsentgelt (davon Nachtarbeits-, Sonn- und Feiertagszuschläge) für April 2005 1148,33 Euro (171,09 Euro), für Mai
2005 1109,54 Euro (266,07 Euro), für Juni 2005 1058,26 Euro (177,36 Euro), für Juli 2005 1118,58 Euro (168,12 Euro), für August
2005 1096,23 Euro (218,57 Euro) und für September 2005 1051,26 Euro (71,49 Euro).
Die Beklagte bewilligte den Klägern für den streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II in Höhe von 603,58 Euro (Bescheid vom 8.4.2005). Als anzurechnendes Einkommen des Klägers berücksichtigte
sie einen gleichbleibenden Betrag in Höhe von 580,65 Euro, den sie ausgehend von seinem im Oktober 2004 erzielten Nettoarbeitsentgelt
in Höhe von 795,66 Euro errechnete. Nachdem der Beklagten die schwankenden Einkünfte des Klägers mitgeteilt worden waren,
bewilligte sie mit den Bescheiden vom 14.8.2006 und 29.1.2007 für den streitigen Zeitraum erneut SGB II-Leistungen in überwiegend
geringerer Höhe, jedoch für die Monate Juli 2005 (604,23 Euro) und Oktober 2005 (637,45 Euro) mit einem höheren Betrag und
hob die bereits bewilligten Leistungen teilweise auf.
Den Widerspruch der Kläger, mit dem diese ua geltend gemacht hatten, dass bei der Einkommensanrechnung die in dem Bruttogehalt
in monatlich unterschiedlicher Höhe enthaltenen Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit abgezogen werden müssten,
wies die Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 7.2.2007). Für die Ermittlung des Gesamtbedarfs der Kläger
in Höhe von 1090,68 Euro berücksichtigte sie als monatliche Regelleistung jeweils 298 Euro, als Mehrbedarf für kostenaufwändige
Ernährung jeweils 51,13 Euro und Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 392,42 Euro. Die in dem Einkommen des
Klägers enthaltenen steuerfreien Zuschläge seien keine zweckbestimmten Einnahmen iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II. Ausgehend
von den jeweiligen Bruttoarbeitsentgelten und Abzügen für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, dem Pauschbetrag für Versicherungen
(30 Euro), den Kfz-Haftpflichtversicherungen (99,14 Euro), der Werbungskostenpauschale (15,33 Euro), den Fahrkosten des Klägers
(7,98 Euro) und einem Freibetrag nach § 30 SGB II in jeweils wechselnder Höhe ermittelte die Beklagte einen Anspruch der Kläger
auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1.5.2005 bis 31.5.2005 in Höhe von 476,50 Euro, vom 1.6.2005 bis 30.6.2005
in Höhe von 479,12 Euro, vom 1.7.2005 bis 31.7.2005 in Höhe von 527,70 Euro, vom 1.8.2005 bis 31.8.2005 in Höhe von 497,39
Euro, vom 1.9.2005 bis 30.9.2005 in Höhe von 498,80 Euro und vom 1.10.2005 bis 31.10.2005 in Höhe von 560,91 Euro. Ergänzend
bestehe ein Anspruch der Klägerin auf einen Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 34 Euro monatlich. Die Bewilligung höherer
Leistungen durch vorangegangene Bescheide resultiere ua daraus, dass der Zuschlag zu hoch festgesetzt worden sei.
Das SG Dresden hat die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, "an die Kläger für die Monate Mai
2005 bis Oktober 2005 weiteres Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 550,96 Euro zu gewähren" (Gerichtsbescheid vom 17.3.2008).
Dabei ging das SG davon aus, dass die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit als zweckbestimmte Einnahmen iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst
a SGB II nicht zu berücksichtigen seien, weil sie insbesondere dazu dienten, einen zu diesen Zeiten entstehenden Verpflegungsmehraufwand
abzudecken. Unter Berücksichtigung des Anspruchs der Klägerin auf einen Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 34 Euro ergebe
sich ein Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Mai 2005 in Höhe von 651,75
Euro, im Juni 2005 in Höhe von 727,11 Euro, im Juli 2005 in Höhe von 705,88 Euro, im August 2005 in Höhe von 670,03 Euro,
im September 2005 in Höhe von 710,76 Euro und im Oktober 2005 in Höhe von 653,74 Euro.
Das Sächsische LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 29.10.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung
hat das LSG ua ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 14.8.2006, mit dem sie die Leistungen im Bewilligungszeitraum von
Mai 2005 bis Oktober 2005 zu Lasten der Kläger neu berechnet und teilweise aufgehoben habe, idF des Änderungsbescheids vom
29.1.2007 und des Widerspruchsbescheids vom 7.2.2007, sei unter Verstoß gegen die §§ 45 und 48 SGB X erlassen worden. Die Kläger hätten in dem streitigen Zeitraum zumindest Ansprüche in der vom SG ausgeurteilten Höhe, weil die ihnen gezahlten Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit nicht zu dem einzusetzenden
Nettoeinkommen zählten.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 11 SGB II. Die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit
seien keine zweckbestimmten Einnahmen iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II und daher als Einkommen iS des § 11 SGB II zu
berücksichtigen. Zweckbestimmt iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II sei eine Leistung nur dann, wenn ihr eine eindeutig
erkennbare, vom Gesetzgeber gebilligte Zweckrichtung zu Eigen sei. Es müsse sich um eine Leistung handeln, deren Gewährung
durch einen besonderen, in der Person des Leistungsempfängers liegenden Tatbestand, wie zB Ausbildung, Krankheit, Pflegebedürftigkeit,
besonderer Aufwand (Aufwendungsersatz) ausgelöst werde und einem anderen Zweck als die Leistung der Grundsicherung für Arbeitsuchende
diene. Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit seien Zuschläge für unattraktive Arbeitszeiten, aus deren steuerrechtlicher
Privilegierung sich keine Zweckbestimmung nach dem SGB II entnehmen lasse.
Nachdem die Beklagte im Revisionsverfahren in einem Teilvergleich unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide einen Anspruch
der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der mit den Bescheiden vom 8.4.2005, 14.8.2006
und 29.1.2007 bereits bewilligten Höhe anerkannt hat, beantragt sie, das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 29.10.2009
und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 17.3.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten die Ausführungen des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten hatte hinsichtlich der nach dem Teilvergleich noch streitigen Beträge Erfolg. In dem streitgegenständlichen
Zeitraum vom 1.5.2005 bis 31.10.2005 können die Kläger keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II beanspruchen. Die Beklagte hat zu Recht bei der Bewilligung dieser Leistungen die dem Kläger als Teil seines Bruttoarbeitsentgelts
geleisteten Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit als Einkommen berücksichtigt.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind (noch) die Bescheide vom 14.8.2006 und 29.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 7.2.2007, mit denen die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.5.2005
bis 31.10.2005 bewilligt und dabei für die Monate Juli und Oktober 2005 höhere Leistungen als bereits mit Bescheid vom 8.4.2005
zuerkannt hat. Im Streit sind nur noch über die Bewilligung hinausgehende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II. Folgebescheide für weitere Zeiträume sind nicht in analoger Anwendung des §
96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30; BSG, Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R, RdNr 15; BSG, Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 9/09 R, RdNr 10). Die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind
nach dem so genannten "Meistbegünstigungsgrundsatz" unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen.
2. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllen die Kläger im streitigen Zeitraum dem Grunde nach die Voraussetzungen
für einen Anspruch auf Alg II. Die Kläger waren insbesondere hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II. Hilfebedürftig nach §
9 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) ist, wer seinen
Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen
nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu
berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen
oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft
leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte
Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs
zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs 2 Satz 3 SGB II). Da die Kläger in Bedarfsgemeinschaft leben (§ 7 Abs 3 Nr 1
Buchst a SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954), muss sich
die Klägerin das nach Maßgabe des § 11 SGB II zu berücksichtigende Einkommen des Klägers zurechnen lassen.
3. a) Die Beklagte hat die Höhe der Leistungsansprüche der Kläger zutreffend errechnet. Es ist - wie auch vom LSG angenommen
- von einem Gesamtbedarf der Kläger in Höhe von 1091,70 Euro monatlich auszugehen (Regelleistungen und Mehrbedarfe der Kläger
in Höhe von 596 Euro bzw 102,26 Euro, tatsächliche KdU in Höhe von 404,18 Euro abzüglich der in der Regelleistung enthaltenen
Kosten für Warmwasserbereitung in Höhe von [nur] 10,74 Euro). Von den im Folgemonat zu berücksichtigenden Bruttoarbeitsentgelten
sind die Steuern und Sozialversicherungsbeträge, der Pauschbetrag für Versicherungen in Höhe von 30 Euro monatlich für die
Beiträge zu privaten Versicherungen (§ 3 Abs 1 Nr 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung
von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung [Alg II-V] vom 20.10.2004, BGBl I 2622), die Kfz-Haftpflichtversicherungen
der Kläger in Höhe von 99,14 Euro (§ 11 Abs 2 Nr 3 SGB II), eine Werbungskostenpauschale in Höhe von 15,33 Euro monatlich
(§ 11 Abs 2 Nr 5 SGB II iVm § 3 Nr 3a) aa) Alg II-V), Fahrkosten in Höhe von 7,98 Euro monatlich (nach § 11 Abs 2 Nr 5 SGB
II iVm § 3 Nr 3a) bb) Alg II-V: 19 Arbeitstage x 7 km x 0,06 Euro) und - von dem bereinigten Einkommen des Klägers - der jeweilige
Freibetrag nach § 30 SGB II in Abzug zu bringen. Es ergibt sich ein Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II in der von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 7.2.2007 für die Monate Mai 2005 bis Oktober 2005 errechneten
Höhe zzgl eines Betrags in Höhe von monatlich 1,02 Euro, der sich aus der Differenz zu dem von der Beklagten angenommenen
Abzug für die Kosten der Warmwasserbereitung ergibt. Zumindest in Höhe dieser Leistungen hat die Beklagte die jeweiligen Individualansprüche
der Kläger (BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 12; BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 4 RdNr 14) auch unter Berücksichtigung des Zuschlags für die Klägerin in Höhe von 34 Euro bereits anerkannt
(Bescheide vom 8.4.2005, 14.8.2006 und 29.1.2007) und mit dem Teilvergleich die entgegenstehenden Aufhebungsbescheide aufgehoben.
b) Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sind die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit als Einkommen zu berücksichtigen.
Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen, Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen
nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper und
Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit unterfallen keiner der in § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II genannten Ausnahmen. Sie sind auch nicht als zweckbestimmte Leistungen iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst
a SGB II von der Einkommensberücksichtigung auszunehmen.
Nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte
Einnahmen ... einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig
beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit
dienen dem gleichen Zweck wie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, weil sich ein abweichender
Verwendungszweck nicht feststellen lässt (so im Ergebnis LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.3.2010 - L 32 AS 1771/09; Dau in jurisPR-SozR 3/2010 Anm 1; zweifelnd Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 39; Hänlein in Gagel,
SGB II/SGB III, Stand Dezember 2009, § 11 RdNr 61a; aA Thüringer LSG, Beschluss vom 8.3.2005 - L 7 AS 112/05 ER - NZS 2005, 662; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.1.2010 - L 7 AS 81/09; Brühl in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 11 RdNr 68; Söhngen in jurisPK, 2. Aufl 2007, § 11 RdNr 58; Hengelhaupt in Hauck/Noftz,
SGB II, Stand VIII/08, § 11 RdNr 231).
Die an den Begriff der zweckbestimmten Einnahmen zu stellenden Anforderungen ergeben sich aus der Systematik des § 11 SGB
II und dem Sinn und Zweck der Regelung. § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II enthält den Grundsatz, dass als Einkommen alle eingehenden
geldwerten Leistungen, unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrem Rechtscharakter zu berücksichtigen sind (BSG, Urteil vom
6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R, BSGE 99, 240 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 8, jeweils RdNr 16). Die Nichtberücksichtigung von Einnahmen erfolgt unabhängig davon, ob diese
steuerfrei sind, nur unter engen Voraussetzungen, die ausdrücklich durch den Zweck der weiteren Einnahmen gerechtfertigt sein
müssen. Es war die Intention des Gesetzgebers des SGB II, die Einkommensberücksichtigung im Wesentlichen wie bisher in der
Sozialhilfe zu regeln (BT-Drucks 15/1516 S 53 zu § 11), nicht jedoch an das Recht der Arbeitslosenhilfe anzuknüpfen (BSG,
Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R, RdNr 17). Nach sozialhilferechtlichen Vorschriften sollte es bei der Einkommensberücksichtigung verbleiben, wenn eine
Zweckidentität mit Sozialhilfeleistungen festgestellt oder die andere Leistung ohne ausdrückliche Nennung eines Zwecks "zweckneutral"
gewährt wurde (BVerwG, Urteil vom 12.4.1984 - 5 C 3/83 - FEVS 33, 353, 356; OVG NRW, Urteil vom 10.1.1989 - 8 A 1753/87 - FEVS 39, 338 ff; OVG NRW, Urteil vom 22.2.1988 - 8 A 1850/86). Sinn des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II ist es vor diesem Hintergrund zu verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung
einer Leistung durch ihre Berücksichtigung als Einkommen im Rahmen des SGB II verfehlt wird bzw für einen identischen Zweck
Doppelleistungen erbracht werden (vgl BSG, Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 15/06 R, BSGE 99, 47 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 5, jeweils RdNr 28; BSG, Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R, RdNr 24).
Die Zweckbestimmung wird sich regelmäßig aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ergeben (vgl BSG, Urteil vom 6.12.2007 - B
14/7b AS 16/06 R, BSGE 99, 240 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8, jeweils RdNr 16), jedoch können auch zweckbestimmte Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage hierunter
fallen (Urteil des Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 47/08 R, BSGE 102, 295 ff, RdNr 20, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG, Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R, BSGE 100, 83 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 6, jeweils RdNr 49). Die für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate
des BSG haben zu zweckbestimmten Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage bereits im Zusammenhang mit Abfindungszahlungen
wegen Verlust des Arbeitsplatzes gefordert, dass eine Vereinbarung vorhanden sein muss, aus der sich objektiv erkennbar ergibt,
dass die Leistung von dem Arbeitnehmer für einen bestimmten Zweck (privatrechtlicher Verwendungszweck) verwendet werden soll
(Urteil des Senats vom 3.3.2009 - B 4 AS 47/08 R, BSGE 102, 295 RdNr 21, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R, RdNr 20; vgl auch BSG, Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 9/09 R, RdNr 22), ihm also ein bestimmter Verwendungszweck "auferlegt" wird (BSG, Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 29/08 R, RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Zwar enthielten die Abfindungszahlungen wegen Verlusts des Arbeitsplatzes
auch eine gewisse immaterielle Komponente, weil sie den Arbeitnehmer dafür entschädigten, dass er seine bisherige Beschäftigung
nicht fortsetzen und aus ihr künftig kein Arbeitsentgelt erzielen könne. Eine Zweckbestimmung im Hinblick auf die Verwendung
der Abfindung durch einen Arbeitnehmer sei hiermit aber nicht verbunden (BSG, Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 47/08 R, BSGE 102, 295 ff RdNr 22; BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R, RdNr 21).
Auch bezogen auf die hier streitigen Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit existiert keine privatrechtliche Vereinbarung,
aus der sich deren Nichtberücksichtigung als Lohnbestandteil für den allgemeinen Lebensunterhalt des Empfängers unmittelbar
ableiten lässt. Mit der Zahlung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge ist arbeitsvertraglich ein konkreter, von dem Arbeitgeber
vorgegebener Verwendungszweck nicht verbunden. Es verbleibt daher bei dem Grundsatz der Berücksichtigung dieser Einnahmen
als Einkommen.
Auch aus den die Zuschläge betreffenden Normen des Steuer- und des Arbeitsrechts kann eine besondere Zweckbestimmung nicht
hergeleitet werden. Insoweit ist zwar das BSG in einer Entscheidung aus dem Jahr 1962 davon ausgegangen, dass bei der Anrechnung
von Einkommen auf eine Ausgleichsrente des Versorgungsamts Zuschläge für Nachtarbeit unberücksichtigt bleiben sollten, weil
Nachtarbeit mit besonderen Aufwendungen, insbesondere zusätzlichen Mahlzeiten, verbunden sei (BSG, Urteil vom 21.8.1962 -
11 RV 1056/60 - BSGE 17, 242 = SozR Nr 18 zu § 33 BVG; zustimmend BSG, Urteil vom 21.3.1990 - 7 RAr 86/87 - SozR 3-4100 § 138 Nr 2; BSG, Urteil vom 11.1.1990 - 7 RAr 128/88 - BSGE 66, 134 = SozR 3-4100 § 138 Nr 1). Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser den damaligen Regelungen des Einkommensteuergesetzes (
EStG) unterstellte Verwendungszweck unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Bemessung der steuerfreien Zuschläge für Sonn-,
Feiertags- und Nachtarbeit nach §
3b Abs
1 EStG nicht an konkreten Mehraufwendungen für Verpflegung, sondern an einem festgelegten prozentualen Verhältnis zum Grundlohn
noch Geltung beanspruchen kann. Auch kommen als weitere Motive für die steuer- und arbeitsrechtlichen Regelungen zur Nacht-,
Sonn- und Feiertagsarbeit ein Ausgleich der hiermit verbundenen immateriellen Beeinträchtigungen des biologischen bzw kulturellen
Lebensrhythmus des Arbeitnehmers (BVerfG, Urteil vom 28.1.1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/01, BVerfGE 85, 191, 208; BVerfG, Beschluss vom 2.5.1978 - 1 BvR 174/78 - DB 78, 2002; BT-Drucks 12/5888 S 52; Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 2. Aufl 2004, § 6 RdNr 82) und eine Verteuerung der Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers (BAG, Urteil
vom 11.2.2009 - 5 AZR 148/08; BAG, Urteil vom 31.8.2005 - 5 AZR 545/04 - BAGE 115, 372 RdNr 16; Vogelsang in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 13. Aufl 2009, § 157 RdNr 4) in Betracht. Unabhängig von diesen eher
allgemeinpolitischen Zielsetzungen, denen keine einheitliche Zweckrichtung zu entnehmen ist, fehlt es jedenfalls schon an
von der Rechtsprechung des BSG geforderten Bestimmung hinsichtlich der Verwendung der vereinnahmten Mittel.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.