Ablehnung eines Richters im sozialgerichtlichen Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit
Die Gesuche des Klägers, die Richter am BSG X und Y, die Richterin am BSG Z sowie die Richter des 3. Senats des LSG Baden-Württemberg
wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, werden als unzulässig verworfen.
Das Ersuchen des Klägers, das Verfahren der Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des SG Reutlingen vom 29. Oktober
2007 wieder aufzunehmen, wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Durchführung der Anhörungsrüge gegen den Beschluss des
BSG vom 18. März 2010 zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Beschluss des BSG vom 10. Juni 2010 wird als unzulässig verworfen.
Die Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Berufung im Urteil des SG Reutlingen vom 29. Oktober 2007, gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG
Baden-Württemberg vom 23. Juli 2009 und der Gegenvorstellung gegen den Beschluss des BSG vom 10. Juni 2010 werden abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander für dieses Verfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I
Das SG Reutlingen hat die Klagen des Klägers auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall während einer Tätigkeit in einer Arbeitsgelegenheit
iS des § 16 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I, 1706)
durch Urteil vom 29.10.2007 abgewiesen. Das LSG Baden-Württemberg hat die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen durch Beschluss
vom 23.7.2009 (L 3 AS 2035/08 NZB) zurückgewiesen. Die dagegen vom Kläger erhobenen Einwendungen hat das LSG als Anhörungsrüge bewertet und durch Beschluss
vom 30.11.2009 als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger sich mit Schreiben vom 4.1.2010 an das BSG
gewandt. Das BSG hat das Schreiben als Beschwerde gegen den Beschluss des LSG gewertet und die Beschwerde durch Beschluss
vom 18.3.2010 als unzulässig verworfen, weil gegen die Entscheidung des LSG kein Rechtsmittel gegeben sei (§
178a Abs
4 Satz 3
SGG). Zudem sei der Kläger nicht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten gewesen. Der Beschluss ist dem Kläger
am 30.3.2010 zugegangen. Am 30.4.2010 hat er geltend gemacht, in seinem rechtlichen Gehör verletzt worden zu sein, und beantragt,
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie Prozesskostenhilfe zu gewähren. Das BSG hat durch Beschluss vom 10.6.2010 alsdann
den Prozesskostenhilfeantrag sowie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und die Anhörungsrüge als unzulässig
verworfen. Daraufhin hat der Kläger die Richter des 4. Senats des BSG mit Schreiben vom 8.7.2010 als befangen abgelehnt. Zur
Begründung hat er ausgeführt, die ordnungsgemäße Vertretung habe über ein Prozesskostenhilfeverfahren nachgeholt werden können.
Die Ablehnung der Wiedereinsetzung sei voreilig gewesen, denn er habe insoweit noch keine Erläuterungen vorgebracht und die
versäumte Handlung noch nicht nachgeholt gehabt. Zudem könne Wiedereinsetzung auch ohne einen Antrag gewährt werden. Nachdem
die drei Berufsrichter des 4. Senats des BSG dienstliche Erklärungen abgegeben und der Kläger diese zur Kenntnis erhalten
hatte, hat er in weiteren Schriftsätzen vom 26.7. und 24.8.2010 die unzulässige Besetzung des 3. Senats des Berufungsgerichts
gerügt und die dortigen Richter als befangen abgelehnt sowie dargelegt, dass auch bei einen "Ein-Euro-Job" Lohnfortzahlung
zu gewähren und daher das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem LSG wieder aufzunehmen sei. Hierfür sowie für die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantrage er zudem Prozesskostenhilfe. Er werde in den nächsten Tagen noch rechtliche
Erläuterungen und Nachweise zu der Ablehnung der verantwortlichen Richter des 4. Senats nachliefern. Nach dem Verstreichen
einer weiteren Woche hat der 4. Senat durch die Richter am BSG X, Y und Richterin am BSG Z die Gesuche des Klägers, die Richter
des 4. Senats wegen Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen (Beschluss vom 3.9.2010). Bis zur Zustellung dieses Beschlusses
an den Kläger am 16.9.2010 ist keine weitere Begründung zum Befangenheitsantrag beim BSG eingegangen. Durch einen weiteren
Schriftsatz, beim BSG eingegangen am 29.9.2010, hat der Kläger alsdann die Richter des 4. Senats in der zuletzt benannten
Besetzung (X, Y, Z) wegen Befangenheit mit der Begründung abgelehnt, sie hätten die angekündigten rechtlichen Erläuterungen
nicht abgewartet. Es dränge sich der Verdacht der Willkür auf. Zudem sei das Abstimmungsergebnis nicht bekannt.
II
Die vom Kläger gestellten Anträge sind unzulässig bzw unbegründet.
1.a) Gesuch der Ablehnung der Richter am BSG X und Y sowie der Richterin am BSG Z wegen Besorgnis der Befangenheit:
Das bezeichnete Gesuch ist unzulässig, da es rechtsmissbräuchlich ist.
Nach §
60 SGG iVm §
42 Abs
2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen
gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der
betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit
des oder der abgelehnten Richter zu befürchten (vgl ua Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 67. Aufl 2009, §
54 RdNr 10 mwN).
Der Kläger hat keine konkreten Anhaltspunkte dargelegt, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Befangenheit
der Mitglieder des Spruchkörpers in der oben benannten Besetzung hindeuten könnten. Anhaltspunkte für eine Befangenheit ergeben
sich insbesondere nicht aus dem Vorbringen des Klägers, der Spruchkörper habe die angekündigten rechtlichen Erläuterungen
nicht abgewartet, sodass die Entscheidung den Verdacht der Willkür nahelege. Das ursprüngliche Ablehnungsgesuch bezogen auf
die drei Richter des 4. Senats des BSG datiert vom 8.7.2010. Die Entscheidung über dieses Befangenheitsgesuch trägt das Datum
des 3.9.2010 und ist dem Kläger am 16.9.2010 zur Kenntnis gelangt. Der Kläger hatte somit über zwei Monate Zeit, sein Ablehnungsgesuch
über die Darlegungen aus dem Schriftsatz vom 8.7.2010 hinaus zu begründen. Dieses ist nicht geschehen. Er hat auch weder in
dieser Zeit, noch bis zur heutigen Entscheidung Gründe benannt, warum es ihm nicht möglich gewesen sein könnte, das Ablehnungsgesuch
zu konkretisieren. Soweit er auf noch fehlende rechtliche Erwägungen abstellt, vermag er damit nicht durchzudringen. Entscheidend
für die Annahme der Besorgnis der Befangenheit ist die Befürchtung der Voreingenommenheit der befassten Richter. Diese ist
jedoch nicht rechtlichen Erwägungen zu entnehmen. Unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen oder Tatsachenwürdigungen
eines Richters sind nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl BverwG Buchholz 303 §
43 ZPO Nr 1). Es müssen vielmehr objektive Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass eine mögliche Fehlerhaftigkeit einer
Entscheidung auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten beruht oder willkürlich im
Sinne einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit ist (BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 13). Derartige Gründe hat der Kläger hier nicht
vorgebracht.
Das erneute Ablehnungsgesuch ist damit jedoch nicht nur offensichtlich unbegründet (s hierzu BSG 17.12.2009 - B 3 KR 32/09 B), sondern auch rechtsmissbräuchlich. Der Kläger verfolgt mit dem erneuten Befangenheitsgesuch verfahrensfremde Gründe (vgl
hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
60 RdNr 10c). Er benutzt die Befangenheitsanträge, um einen "Wiedereinstieg" in das Verfahren vor dem Berufungsgericht zu erlangen.
Dies verdeutlichen seine umfassenden Ausführungen zu dem rechtsfehlerhaften Vorgehen des LSG in den Schriftsätzen des Klägers
vom 26.7.2010 und 7.12.2010 während des Verfahrens über das Befangenheitsgesuch und die wiederholte Verquickung des Befangenheitsgesuchs
mit den seiner Ansicht nach unzutreffenden rechtlichen Bewertungen und der verfahrensrechtlichen Vorgehensweise des LSG. Der
Senat hatte jedoch bereits durch Beschluss vom 18.3.2010 die Beschwerde gegen den Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom
30.11.2009 als unzulässig, weil unstatthaft, verworfen. Ein Rechtsmittel gegen einen Beschluss über die Anhörungsrüge ist
nach §
178a Satz 3
SGG nicht gegeben. Ein nochmaliges Zuwarten - nach immerhin über zwei Monaten Gelegenheit zur Stellungnahme - ist daher nicht
geboten.
b) Gesuch der Ablehnung der Richter des 3. Senats des LSG Baden-Württemberg wegen Besorgnis der Befangenheit:
Das Gesuch ist ebenfalls als unzulässig zu verwerfen. Zur Entscheidung über die Ablehnung eines Richters am LSG ist nicht
das BSG berufen, sondern der Senat des LSG, dem er angehört, ohne seine Mitwirkung (§
60 Abs
1 Satz 2
SGG).
2. Wiederaufnahme des Verfahrens der Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des SG Reutlingen vom 29.10.2007:
Das Wiederaufnahmeersuchen ist unzulässig. Der Beschluss des LSG über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung
im sozialgerichtlichen Urteil ist nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem BSG. Der Kläger hat mit seiner Beschwerde vom 4.1.2010
den Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 30.11.2009 angegriffen. Dieser Beschluss hatte jedoch die Anhörungsrüge des Klägers
gegen den Beschluss des LSG vom 23.7.2009 zum Gegenstand und nicht mehr die Nichtzulassung der Berufung. Für die Wiederaufnahme
eines Verfahrens vor dem LSG wäre zudem das LSG zuständig (§
179 Abs
1 SGG iVm §
584 Abs
1 ZPO). Soweit sich das Ersuchen des Klägers auf Wiederaufnahme gegen den Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 30.11.2009 richtet,
wäre es auch deswegen als unzulässig zu verwerfen, weil eine Wiederaufnahme nach §
179 SGG gegen einen nicht instanzabschließenden Beschluss, wie den über eine Anhörungsrüge nach §
178a SGG, nicht statthaft ist (§
179 Abs
1 SGG iVm §
578 ZPO).
3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Durchführung der Anhörungsrüge gegen den Beschluss des BSG vom 18.3.2010:
Dieser Antrag war abzulehnen, denn der Kläger hat - wie bereits im Beschluss des erkennenden Senats vom 18.3.2010 dargelegt
- keine Wiedereinsetzungsgründe dargelegt. Er hat auch im Verlaufe des weiteren Verfahren keine Gründe angegeben, die ihn
gehindert haben könnten, die Rügefrist einzuhalten. Soweit er geltend macht, noch rechtliche Recherchen betreiben zu müssen,
stellt dieses keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Die Recherche liegt in der Sphäre des Antragstellers und eine Fristversäumnis
aus diesem Grund begründet sein Verschulden. Dieses gilt auch für die allgemein im Schriftsatz vom 7.12.2010 benannten Gründe
der Arbeit durch "Verfahrensflut", fehlendem Internetanschluss, Erstellung einer Hausordnung und Reparaturarbeiten an seiner
Wohnung. Die Unkenntnis der Frist des §
178a Abs
2 Satz 1
SGG selbst rechtfertigt keine Wiedereinsetzung (BFH 30.3.2005 - VII S 13/05).
4. Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats vom 10.6.2010:
Die Gegenvorstellung ist als unzulässig zu verwerfen. Sie kann nicht privatschriftlich erhoben werden, sondern nur durch einen
beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (BSG 10.11.2006 - B 9a SB 61/06 B), wenn die angegriffene Entscheidung - wie
hier - in einem dem Vertretungszwang unterworfenen Verfahren ergangen ist.
5.a) Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des
SG Reutlingen vom 29.10.2007 und gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 23.7.2009:
Die Anträge des Klägers sind abzulehnen. Die Erfolgsaussicht der beiden zuvor benannten Beschwerden ist von vornherein nicht
gegeben (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 ZPO). Wie bereits dargelegt, ist der Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 23.7.2009 über die Nichtzulassung der Berufung gegen
das Urteil des SG Reutlingen nicht Gegenstand des in der Revisionsinstanz anhängigen Verfahrens. Der Beschluss des LSG vom
30.11.2009 ist, wie bereits im Beschluss des erkennenden Senats vom 18.3.2010 dargelegt, unanfechtbar (§
178a Abs
4 Satz 3
SGG). Aus diesem Grunde bleibt auch die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG vom 30.11.2010
ohne Erfolgsaussicht.
b) Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Verfahrens der Gegenvorstellung gegen den Beschluss des BSG vom 10.6.2010:
Der Antrag des Klägers ist abzulehnen. Die Erfolgsaussicht einer durch einen Prozessbevollmächtigten einzulegenden Gegenvorstellung
ist nicht gegeben (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 ZPO). Die Gegenvorstellung ist zwar als nicht geregelter außerordentlicher Rechtsbehelf auch nach dem Inkrafttreten des §
178a SGG zum 1.1.2005 weiterhin als statthaft anzusehen (zur Statthaftigkeit auch nach Einführung der Anhörungsrüge vgl BVerfG, Beschluss
vom 25.11.2008, 1 BvR 848/07, BVerfGE 122, 190 = NJW 2009, 829; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 3; BSG Beschluss vom 19.1.2006 - B 10 SF 4/05 S, nicht veröffentlicht). Der Kläger hat jedoch keine Gründe vorgebracht, die eine Änderung der Entscheidung des Senats begründen
könnten. Insoweit wird auf die vorhergehenden Ausführungen verwiesen.
Die Verwerfung und Ablehnung der Ersuchen und Anträge des Klägers erfolgt ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter in entsprechender
Anwendung des §
169 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.