Kürzung einer Berufsunfähigkeitsrente wegen gleichzeitigem Bezugs von Arbeitslosengeld von 1999 bis 2000
Gründe:
Der 13. Senat hat in seinem Anfragebeschluss vom 27.3.2007 eine Frage ausformuliert (dazu Teil 1) und eine weitere Frage sinngemäß
gestellt (dazu Teil 2).
Teil 1
Die vom 13. Senat formulierte Frage lautet:
Durften die Rentenversicherungsträger Renten wegen Berufsunfähigkeit (BU) für Bezugszeiten vom 1.1.1999 bis zum 31.12.2000
bei gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld nur in Höhe des erzielten Arbeitslosengeldes oder aber nach Maßgabe eines Arbeitsentgelts
oder Arbeitseinkommens kürzen, das der Renten- und gleichzeitige Arbeitslosengeldbezieher in diesen Bezugszeiten nicht erzielt
hatte, das aber als früherer Arbeitsverdienst zur Bemessungsgrundlage des Arbeitslosengeldes geworden war?
Der 13. Senat teilt mit, er wolle diese Frage im Sinne der 2. Alternative bejahen. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG)
hat sich in seinem Urteil vom 17.12.2002 (B 4 RA 23/02 R) in einer verfassungskonformen Auslegung iS von Art
100 Abs
1 Grundgesetz (
GG) für die 1. Alternative entschieden. Nach erneuter Prüfung hält er an dieser Ansicht fest.
I. In seinem Anfragebeschluss zeigt der 13. Senat seine Ansichten auf (Seiten 7 bis 10 des Anfragebeschlusses):
- Der 4. Senat habe seiner Rechtsprechung unzutreffend die Rechtslage zu Grunde gelegt, die sich aus §
43 Abs
5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) aF sowie §
96a SGB VI idF des Gesetzes zur Änderung des
SGB VI und anderer Gesetze vom 15.12.1995, BGBl I 1824; § 95
SGB VI idF des Rentenreformgesetzte (RRG) 1992 vom 18.12.1989, BGBl I 2261, ergeben habe und die nur bis zum 31.12.1998 maßgeblich gewesen sei ["aa) Rechtszustand
bis 31.12.1998"]. Lege man jedoch richtigerweise die gesetzlichen Regelungen in der Fassung zu Grunde, die sie nach ihren
Änderungen durch das RRG 1999 vom 16.12.1997, BGBl I 2998, erfahren hatten, sei die Auffassung des 4. Senats unzutreffend und die Ausgangsfrage im
Sinne der 2. Alternative zu bejahen ["bb) Rechtszustand ab dem 1.1.1999"].
- Die Verweisung in §
43 Abs
5 SGB VI auf §
96a Abs
2 Nr
2 SGB VI sei nicht statisch, sondern dynamisch zu verstehen. Aus dem Gesetzeswortlaut, der nach wie vor auf den "erzielten" Hinzuverdienst
abstellt, sei nicht zwingend abzuleiten, dass kein fiktives Entgelt berücksichtigt werden dürfe. Denn der Begriff "erzielt"
könnte im vorliegenden Zusammenhang auch
"rein zeitlich zu verstehen sein, sodass aus ihm lediglich die Forderung nach der zeitlichen Übereinstimmung von (Einzelzahlbetrag
der) Rente und Hinzuverdienst abzuleiten wäre (vgl zB BSG vom 30.5.1978, BSGE 46, 203 LS 2 = SozR 2200 § 1241 Nr 9; BSG vom 24.7.1985, SozR 2200 § 182 Nr 99 S 210 f)".
- Selbst wenn, wovon der 4. Senat auszugehen scheine, "im Rechtszustand bb)" ein Widerspruch zwischen §
43 Abs
5 aF und §
96a SGB VI bestünde, soweit §
96a Abs
3 SGB VI auf nicht "erzielte" Einkünfte abstelle, komme es auf die letztgenannte Vorschrift als themenidentisches späteres Recht an.
Der Reformgesetzgeber habe mit ihr sicherstellen wollen, dass nicht jene Verluste, die ein Nicht-Rentner hinnehmen müsse,
wenn sein Arbeitsentgelt durch Arbeitslosengeld, Krankengeld oder eine sonstige Entgeltersatzleistung ersetzt werde, bei einem
BU-Rentner durch die Erhöhung der Rentenzahlung kompensiert werden (Hinweis auf BT-Drucks 13/8671 S 118 zu Nr 47a [neu]; dieser
Hinweis des 13. Senats betrifft den Änderungsvorschlag des 11. Ausschusses des 13. Deutschen Bundestages und dessen Begründung
zur Einfügung des Satzes 3 des §
96a Abs
3 SGB VI).
II. Darauf ist zu erwidern:
- Das in den Jahren 1999 und 2000 maßgebliche Recht beruhte nicht auf dem Anwendungsbefehl des 13. Deutschen Bundestages ("Reformgesetzgeber"
- RRG 1999), sondern auf dem des im September 1998 gewählten 14. Deutschen Bundestages ("Korrekturgesetzgeber"). Dieser hatte in
Art 1 § 1 und Art 11 seines Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom
19.12.1998, BGBl I 3843 (Korrekturgesetz), einen eigenständigen Anwendungsbefehl erteilt und die vom "Reformgesetzgeber" ua
für die Erwerbsminderungsrenten beschlossenen Verschlechterungen für die Jahre 1999 und 2000 zwecks Überprüfung ab 1.1.1999
aussetzen wollen. Der 4. Senat hat bei seiner Auslegung des 1999 und 2000 gültigen Rechts in seinem Urteil vom 17.12.2002
den - damals noch allgemein bekannten - Gesetzgebungswillen des 14. Deutschen Bundestages als "Korrekturgesetzgeber" zu Grunde
gelegt.
- Es besteht - auch auf der hypothetischen, rechtlich nicht maßgeblichen Grundlage des RRG 1999 - ein Widerspruch zwischen dem Tatbestandsmerkmal der Eingriffsermächtigung des §
43 Abs
5 SGB VI, nur ein "erzielter Hinzuverdienst" zum jeweiligen monatlichen BU-Rentenzahlungsanspruch dürfe zur Vermeidung einer Übersicherung
zu dessen Kürzung führen, und dem Abs
3 Satz 3 der Ergänzungsnorm des §
96a SGB VI, der einen im jeweiligen Monat nicht erzielten Betrag, in dessen Höhe früher einmal Arbeitsverdienst erlangt worden war,
einem Hinzuverdienst gleichstellt. Ein Betrag, der nicht zugeflossen ist, tritt jedoch zum BU-Zahlungsanspruch nicht "hinzu".
- Dieser Widerspruch kann nicht durch Bedeutungsverbiegungen bei dem vom BSG geklärten und vom Deutschen Bundestag zu Grunde
gelegten Rechtsbegriff "erzielt" und mangels einer Normenkonkurrenz auch nicht nach den Grundsätzen der "lex posterior-Regel"
aufgelöst werden.
- Der Widerspruch ist unter Beachtung des Willens des "Korrekturgesetzgebers" und nach den Anforderungen des demokratischen
Parlamentsvorbehalts bei Grundrechtseingriffen (Art
14 Abs
1 iVm Art
3 Abs
1 GG) verfassungskonform im Sinne der Maßgeblichkeit der Ermächtigungsgrundlage des §
43 Abs
5 SGB VI unter Reduktion der Ergänzungsnorm des Satzes 3 des §
96a Abs
3 SGB VI auszuräumen.
III. Dazu näher wie folgt:
1. Vom 1.1.1992 bis zum 31.12.1995 konnten monatliche Einzelansprüche auf Erwerbsminderungsrenten wegen eines Hinzuverdienstes
nur durch Anrechnung gekürzt werden, wenn für denselben Zeitraum eine Rente oder Leistungen aus der Unfallversicherung (§
93 SGB VI) gezahlt, in den in § 94
SGB VI umschriebenen Fällen für denselben Zeitraum ein Arbeitsentgelt erzielt, ein Vorruhestandsgeld geleistet oder Arbeitslosengeld
bezogen wurde (§ 95
SGB VI); angerechnet wurde nur das für denselben Zeitraum "geleistete" Arbeitslosengeld.
2. Mit Wirkung vom 1.1.1996 hat das Gesetz zur Änderung des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (
SGB VI-ÄndG) vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) durch seinen Art 1 Nr 8 Buchst c den §
43 SGB VI, in dem das Stammrecht ("Grundanspruch") auf Rente wegen BU geregelt war, um einen Abs 5 ergänzt. Danach wurde
"eine Rente wegen Berufsunfähigkeit abhängig vom erzielten Hinzuverdienst (§ 96a Abs 2 Nr 2) in voller Höhe, in Höhe von zwei
Dritteln oder in Höhe von einem Drittel geleistet".
Nach der Begründung der Gesetzesinitiative der Bundesregierung vom 11.10.1995 (BT-Drucks 13/2590) sollte diese Regelung verhindern,
dass der Versicherte durch Rente und Hinzuverdienst ein höheres Gesamteinkommen "erzielen" könne als vor dem Rentenbezug.
Im Normalfall könne ein Versicherter "neben der Rente wegen BU einen Hinzuverdienst erzielen", der den vor Eintritt der Erwerbsminderung
erzielten Verdienst im Wesentlichen ersetze (S 20 aaO). Ein "erzielter Hinzuverdienst", der zu einer solchen Übersicherung
führen kann, ist danach ein Verdienst, den der BU-Rentner im jeweiligen Monat neben der Rente wegen BU ("hinzu") erlangt und
der den wegen der Erwerbsminderung entfallenen Verdienst ersetzt.
a) Damit war durch §
43 Abs
5 SGB VI eine Ermächtigungsgrundlage für die Verwaltung geschaffen worden, in die Werte der monatlichen Zahlungsansprüche, die dem
BU-Berechtigten aus seinem (Stamm-)Recht auf BU als Versicherungsleistung zustanden, kürzend einzugreifen. Abhängig vom im
jeweiligen Monat erzielten, also zugeflossenen Hinzuverdienst, war der Versicherungsträger jetzt befugt und verpflichtet,
die betroffenen monatlichen (Einzel-)Zahlungsansprüche des Versicherten auf zwei Drittel, ein Drittel oder auf Null zu kürzen.
Dadurch sollte der monatliche Einzelanspruch erklärtermaßen wegen einer Übersicherungslage/Überkompensation unter den Wert
gesenkt werden, den der Versicherte grundsätzlich durch seine eigene Vorleistung an den Rentenversicherungsträger erworben
hatte. Dieser Eingriff hatte in ein vermögenswertes Recht zu erfolgen, das nach der bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) als Eigentum grundrechtlich geschützt ist, jedenfalls soweit es auf Eigenleistungen des Rechtsinhabers beruht. Deshalb
unterlag das zum Grundrechtseingriff ermächtigende Gesetz, also §
43 Abs
5 SGB VI, worauf zurückzukommen ist, den Anforderungen des Gesetzes- und des demokratischen Parlamentsvorbehalts.
Offenkundig konnte der Tatbestand des §
43 Abs
5 SGB VI (wie auch der in den §§ 44 Abs 5 und
45 Abs
5 SGB VI, die für die ähnlichen Kürzungen bei Erwerbsunfähigkeitsrenten und Renten für Bergleute eingefügt worden waren) allein den
Geboten der Normenklarheit und Justiziabilität nicht genügen. Denn der Tatbestand dieser Ermächtigungsgrundlage ließ aus sich
nicht erkennbar werden, was der Verwaltung mit den Worten "abhängig vom ... Verdienst (§ 96a Abs 2 Nr 2)" rechtlich vorgegeben
werden sollte. Insoweit bedurfte es einer parlamentsgesetzlichen Konkretisierung. Demgegenüber waren ua die Bedeutungen von
"erzielt" und "hinzu" durch die genannte Entstehungsgeschichte sowie durch die Rechtsprechung des BSG klar und bestimmt (dazu
unten).
Die erforderliche Konkretisierung der drei Tatbestandsmerkmale erfolgte (auch für die beiden anderen Kürzungsermächtigungen)
in dem zugleich eingeführten §
96a SGB VI in dessen beiden Absätzen.
In seinem Abs 1 konkretisierte diese Norm den Begriff "Verdienst" iS von §
43 Abs
5 SGB VI als "Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und Vorruhestandsgeld". Ferner legte sie fest, was "abhängig vom Verdienst (§ 96a Abs
2 Nr 2)" bedeuten sollte, nämlich das Überschreiten einer der drei in seinem Abs 2 Nr 2 ausgestalteten Hinzuverdienstgrenzen.
Demgegenüber bedurften die anderen Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsgrundlage, insbesondere "erzielten" und "Hinzu"-Verdienst,
sowie die allein in §
43 Abs
5 SGB VI geregelte Rechtsfolge keiner näheren Bestimmung (dazu unten); sie sind deshalb in §
96a Abs
1 und
2 SGB VI auch nicht angesprochen worden.
b) Bei §
96a SGB VI handelte es sich um eine bloße Ergänzungsnorm, die lediglich einzelne Eingriffsvoraussetzungen in der mit Tatbestand und
Rechtsfolge nur in §
43 Abs
5 SGB VI geregelten Ermächtigungsgrundlage konkretisiert.
Sie selbst ist keine Ermächtigungsgrundlage, dies ua schon deshalb nicht, weil nicht sie, sondern ausschließlich §
43 Abs
5 SGB VI festlegt, in welchem Ausmaß monatliche BU-Zahlungsansprüche zu kürzen sind. Nach der Begründung der Bundesregierung zu ihrer
Gesetzesinitiative sollte mit §
96a SGB VI klargestellt werden, dass der schädliche "Hinzuverdienst nicht den Rentenanspruch berührt, sondern lediglich den Umfang der
Rentenzahlung bestimmt" (BT-Drucks 13/3150 S 42 zu Nr 15a des Entwurfs).
c) Damit war durch §
43 Abs
5 iVm §
96a SGB VI auch bei der Rente wegen BU ein Übersicherungseinwand eingeführt worden, dessen Durchsetzung nicht den Wert des Stammrechts
(Monatsbetrag der Rente), sondern nur die Höhe des monatlichen Zahlungsanspruchs hieraus betraf. "Rentenschädlich" konnte
daher nur ein benannter Verdienst werden, der dem Versicherten zu seinem ihm im jeweiligen Monat zu leistenden BU-Rentenbetrag
"hinzu" zufloss und durch die BU entgangenes Erwerbseinkommen ersetzte. Wenn die Summe aus beiden Einkünften eine Hinzuverdienstgrenze
überschritt, lag eine Übersicherung vor. Deshalb war der Einzelanspruch auf BU-Rentenzahlung nach Maßgabe der Rechtsfolge
des §
43 Abs
5 SGB VI auf zwei Drittel, ein Drittel oder auf Null zu kürzen.
3. Unter dem 11.12.1997 verabschiedete derselbe 13. Deutsche Bundestag als "Reformgesetzgeber" unter Zurückweisung des Einspruchs
des Bundesrates das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG 1999) vom 16.12.1997 (BGBl I 2998). Dieses sah ua eine grundlegende Änderung des Rechts der Erwerbsminderungsrenten und damit
eine vollständige Neugestaltung auch des §
43 SGB VI (Art 1 Nr 19 RRG 1999) vor.
Diese Neufassung sollte am 1.1.2000 in Kraft treten. Durch Art 1 Nr 50 RRG 1999 sollte § 95
SGB VI aF über die Anrechnung geleisteten Arbeitslosengeldes zum 1.1.1999 aufgehoben werden. Ab dem 1.1.2000 sollte nach Art 1 Nr 51 RRG 1999 in § 95
SGB VI eine völlig neu gestaltete Regelung über die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Erwerbsminderung eingefügt werden. Wäre
dies so Gesetz geworden, hätte im Jahr 1999 keine Erwerbsminderungsrente wegen gleichzeitigen Bezugs von Arbeitslosengeld
gekürzt werden dürfen. Dies fiel während des Gesetzgebungsverfahrens auf.
Demgemäß sollte nach dem Änderungsbeschluss des 11. Ausschusses des 13. Deutschen Bundestages (dazu unten) dem dargestellten
§
96a SGB VI ein Abs
3 angefügt werden, der für das Jahr 1999 zwar nicht die Anrechnung eines Arbeitslosengeldes ermöglichen, aber eine Rentenkürzung
nach der dreistufigen Rechtsfolge des §
43 Abs
5 SGB VI erlauben sollte. In ihn wurde der fragliche Satz 3 mit der Gleichstellung eines im jeweiligen Monat nicht erzielten Betrags
mit einem Hinzuverdienst eingeschoben. Dieser neue Abs 3 aaO sollte nach Art 1 Nr 53 RRG 1999 nur für das Jahr 1999 gelten, also bis zum Inkrafttreten der "Rentenreform 1999". Die genannten Zeitpunkte für das vom
13. Deutschen Bundestag geplante Inkrafttreten oder Außerkrafttreten ergeben sich jeweils aus Art 33 RRG 1999.
Käme es - wie der 13. Senat anzunehmen scheint - auf den Willen des "Reformgesetzgebers" an, wäre §
96a Abs
3 Satz 3
SGB VI im Jahre 2000 kein geltendes Recht und schon deshalb nicht anzuwenden gewesen.
4. Wäre der Anwendungsbefehl des 13. Deutschen Bundestages als "Reformgesetzgeber" maßgeblich geblieben, hätte sich die Gesetzeslage
vom 1.1.1999 bis zum 31.12.1999, nicht im Jahr 2000, im Wesentlichen wie folgt dargestellt:
a) §
43 Abs
5 SGB VI idF des
SGB VI-ÄndG des 13. Deutschen Bundestages hätte unverändert fortgegolten. Danach hätte die Kürzungsbefugnis weiterhin nach dem Tatbestand
der Ermächtigungsgrundlage "vom erzielten Hinzuverdienst (§ 96a Abs 2 Nr 2)" abgehangen. Die Geltung dieser Ermächtigungsgrundlage
hat der "Reformgesetzgeber" für das Jahr 1999 gerade bekräftigt, weil er sie ausdrücklich erst am 1.1.2000 aufgehoben wissen
wollte.
b) Zugleich hätten auch die Abs
1 und
2 des §
96a SGB VI unverändert mit dem genannten Inhalt weiter gegolten. Ferner hätte der neue Abs 3 der Vorschrift ebenfalls wie ihr Abs
1 zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals "Verdienst" in §
43 Abs
5 SGB VI beigetragen. Denn er stellte bei der Feststellung des Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen BU ... erzielt wird,
ua die dort genannten Sozialleistungen ("Lohnersatzleistungen"), darunter auch das Arbeitslosengeld, "dem Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen gleich".
In seinem Satz 3 ordnete er aber außerdem an:
"Als Hinzuverdienst ist das der Sozialleistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen."
Die Ausschussmehrheit gab zu dieser sonst im Gesetzgebungsverfahren nicht erwähnten und im Plenum nicht angesprochenen Eingriffsintensivierung
die vom 13. Senat zutreffend zitierte Begründung ab (BT-Drucks 13/8671 S 118 zu Nr 47a [neu]): "Die Änderung stellt sicher,
dass ein Versicherter, dessen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen eines Hinzuverdienstes gekürzt wird, nicht besser
gestellt wird, wenn an die Stelle des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens eine kurzfristige Lohnersatzleistung tritt."
Der "Reformgesetzgeber" hatte durch diesen Satz 3 der Ergänzungsnorm nach der Begründung des 11. Ausschusses des 13. Deutschen
Bundestages dem "Hinzu-Verdienst" iS des Ermächtigungstatbestandes des §
43 Abs
5 SGB VI einen im jeweiligen Monat gerade nicht hinzuverdienten Betrag gleichgestellt.
Dies war ein rein fiktiver Betrag, der dem Versicherten im jeweiligen Monat gerade nicht zur Verfügung stand und kein Erwerbseinkommen
ersetzte, das wegen der BU ausgefallen war. Daher konnte dadurch keine Übersicherung eintreten, die allein den Eingriff in
das durch Eigenleistung erworbene grundrechtliche Renteneigentum rechtfertigt. Dem Versicherten mit aus Beiträgen erworbenem
BU-Rentenanspruch, der daneben aus einem anderen Versicherungszweig der Sozialversicherung (oder aus sozialer Entschädigung)
eine "Lohnersatzleistung" auf Grund seiner dort gezahlten Beiträge (bzw wegen eines "Sonderopfers") erworben hat, wird seine
Rentenversicherungsleistung vorenthalten, ohne dass er in Höhe des fiktiven Betrags etwas anderes erhalten hätte, das seinen
durch die BU bedingten Einkommensverlust ausgleicht. Diese BU-Rentner werden insoweit ohne erkennbaren Differenzierungsgrund
schlechter behandelt als zB BU-Rentner unter sonst gleichen Voraussetzungen, die im selben Monat keine "Lohnersatzleistung"
und keinen Arbeitsverdienst erhalten, also ebenfalls nichts hinzuverdienen. Für sie wirkt ein früherer Arbeitsverdienst nicht
"rentenschädlich". Benachteiligt werden sie auch gegenüber Beziehern von "Lohnersatzleistungen", die kein Renteneigentum durch
Rentenversicherungsbeiträge erworben haben. Denn deren sonstiges Eigentum wird, anders als das Renteneigentum der BU-Rechtsinhaber,
nicht in Höhe von fiktiven Beträgen entzogen. Der Rechtfertigungsgrund der Verhinderung einer Übersicherung greift offensichtlich
nicht ein, wenn mit dem früher bezogenen Arbeitsverdienst jetzt ein Betrag, der rechtlich und wirtschaftlich nicht vorhanden
ist, also ein Nullbetrag, zu dem monatlichen BU-Anspruch "addiert" wird.
c) Der 4. Senat musste (2002) auf der Grundlage des vom "Korrekturgesetzgeber" für 1999 und 2000 geschaffenen Rechts auf die
Frage nach der materiellen Verfassungswidrigkeit dieser Intensivierung des Rechtseingriffs nicht eingehen. Denn der neue Satz
3 der Ergänzungsnorm widersprach direkt der in der Ermächtigungsgrundlage des §
43 Abs
5 SGB VI selbst enthaltenen Vorgabe des "erzielten Hinzuverdienstes". Der Widerspruch war (und ist) unter Beachtung des Willens des
"Korrekturgesetzgebers" und der Anforderungen des Parlamentsvorbehalts verfassungskonform so aufzulösen, dass der Ermächtigungstatbestand
in §
43 Abs
5 SGB VI maßgeblich ist (dazu unten).
5. Der 4. Senat hält nach erneuter Prüfung daran fest, dass dieser Widerspruch zwischen der Ermächtigungsgrundlage und der
Ergänzungsregelung (nach dem RRG 1999 und nach dem Korrekturgesetz) vorliegt. Nach Satz 3 aaO ist früher bezogenes (der Sozialleistung zu Grunde liegendes)
Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen "als Hinzuverdienst" zu berücksichtigen; hingegen ist nach §
43 Abs
5 SGB VI ein Arbeitsverdienst, der dem BU-Rentner im jeweiligen Monat nicht zufließt und für diesen Monat auch nicht zusteht, niemals
ein zum BU-Zahlungsanspruch "erzielter" Hinzuverdienst. Dieser Widerspruch verstößt ua gegen das Gebot der Normenklarheit,
weil die Ergänzungsnorm einen neben dem monatlichen BU-Zahlungsanspruch hinzuerworbenen Verdienst mit seinem Gegenteil, dem
Nichtvorhandensein eines Verdienstes, gleichsetzt und deshalb zwei einander ausschließende Eingriffsbegrenzungen vorliegen.
Der 13. Senat, der historisch nur auf der Gesetzgebungsstufe des RRG 1999 argumentiert, wendet sich dagegen, dass der 4. Senat §
43 Abs
5 SGB VI als statische Verweisung qualifiziert hat. Jedoch hat der 4. Senat damit auf die später vom "Korrekturgesetzgeber" geschaffene
Gesetzeslage abgestellt, die für 1999 und 2000 statisch sein sollte. Wenn man sich am Wortlaut des Gesetzes und am Willen
des "Korrekturgesetzgebers" orientiert, liegt auf der Hand, dass er §
43 Abs
5 SGB VI in seiner durch das
SGB VI-ÄndG 1996 eingeführten Fassung inhaltlich nicht verändert hat. Nicht einmal der "Reformgesetzgeber" hat 1997 eine inhaltliche
Änderung diskutiert oder sonst in Betracht gezogen, sondern diese Norm (für 1999) ausdrücklich als fortgeltend bestätigt.
Derselbe 13. Deutsche Bundestag hatte sich bei Einführung des §
43 Abs
5 SGB VI und des §
96a SGB VI eindeutig dazu geäußert, dass die Ermächtigungsnorm nur eine Übersicherung verhindern soll und was unter "erzieltem Hinzuverdienst"
zu verstehen ist.
Zudem hat der 4. Senat, worauf der 13. Senat nicht eingeht, sich aus der Sicht des "Korrekturgesetzgebers" zu einer erweiternden
Auslegung des §
43 Abs
5 SGB VI befugt erachtet, die gerade auch zur Anwendung des §
96a Abs
3 SGB VI führte, aber wegen des Widerspruchs auf dessen Satz 3 nicht erstreckt werden konnte. Jedoch hat der 4. Senat die Gleichstellung
von erzieltem Verdienst und Nichtverdienst durch Satz 3 aaO verfassungskonform im Sinne der Maßgeblichkeit der Eingriffsgrenzen
in der Ermächtigungsgrundlage des §
43 Abs
5 SGB VI interpretiert.
6. Der 13. Senat meint, dass der gesetzliche Ausdruck "erzielter Hinzuverdienst" nicht zwingend ausschließt, darunter auch
einen Nichtverdienst zu verstehen; der Begriff "erzielt" könne auch rein zeitlich zu verstehen sein, sodass aus ihm lediglich
die Forderung nach der "zeitlichen Übereinstimmung von (Einzelzahlbetrag der) Rente und Hinzuverdienst abzuleiten wäre". Dem
kann sich der 4. Senat nicht anschließen.
a) §
43 Abs
5 SGB VI sagt ausdrücklich, dass der Verdienst, der rentenschädlich sein soll, zu dem monatlichen BU-Rentenzahlungsanspruch "hinzu"
verdient worden sein muss. Es muss also für denselben Bezugsmonat neben dem Rentenanspruch ein anderer Verdienst erlangt worden
sein. Die gebotene Gleichzeitigkeit des monatlichen BU-Rentenanspruchs und des möglicherweise "rentenschädlichen" Verdienstes
in demselben Monat wird bereits durch das Tatbestandsmerkmal "Hinzu"-Verdienst klargestellt, wie auch der 13. Deutsche Bundestag
sagte. Wie Gesetzeswortlaut und Entstehungsgeschichte verdeutlichen, kommt als wegen Übersicherung "rentenschädlicher" Hinzuverdienst
nur ein Verdienst in Betracht, den der Rentner wirklich in dem jeweiligen Monat hinzu "erzielt" hat.
b) Schon nach allgemeinem Sprachgebrauch ist nicht ersichtlich, dass der Ausdruck "etwas erzielen" lediglich "rein zeitlich"
zu verstehen sein könnte. Denn "erzielen" bedeutet danach, etwas durch eine zielgerichtete Tätigkeit erlangen. Der 13. Senat
erläutert sein davon abweichendes Sprachverständnis nicht. Er verweist "zB" auf zwei Entscheidungen des BSG. In diesen (wie
in den anderen einschlägigen BSG-Entscheidungen) steht aber jeweils ausdrücklich das Gegenteil zu seiner Ansicht.
aa) Der 13. Senat verweist erstens auf den zweiten Leitsatz in BSGE 46, 203 zum Urteil des 1. Senats vom 30.5.1978, 1 RA 61/77. Dieser von der Herausgebergesellschaft der Bundesrichter am BSG privatrechtlich herausgegebene, nicht zum Inhalt des Urteils
gehörende Leitsatz lautet:
"Ein Arbeitsentgelt ist nur dann im letzten Lohnabrechnungszeitraum 'erzielt' worden, wenn es bis zum Ende dieses Zeitraums
in die Verfügungsgewalt des Arbeitnehmers gelangt ist. Haben sich während des letzten Lohnabrechnungszeitraums die Grundlagen
für die Berechnung des Nettoarbeitsentgelts zu Gunsten des Arbeitnehmers geändert, kann dies jedoch erst nach Beendigung des
Lohnabrechnungszeitraums berücksichtigt werden, so ist die damit verbundene rückwirkende Erhöhung des Arbeitsentgelts nicht
während des Lohnabrechnungszeitraums 'erzielt' worden (Anschluss an BSG SozR 2200 § 1241 Nr 3 und BSG SozR 2200 § 1241 Nr
4)."
Aber auch der 1. Senat selbst stellt (aaO S 206 f) darauf ab, dass ein Arbeitsentgelt "erzielt" worden ist, wenn es in die
Verfügungsgewalt des Arbeitnehmers gelangt ist.
bb) Zweitens verweist der 13. Senat auf das Urteil des 8. Senats vom 24.7.1985, 8 RK 14/84, SozR 2200 § 182 Nr 99 S 210 f. Dort führt der 8. Senat aus:
"Wie sich aus § 182 Abs 5 Satz 1 und Satz 3
RVO ergibt, ist der Berechnung des Regellohns nur 'erzieltes' Entgelt zu Grunde zu legen. Erzielt wird das Arbeitsentgelt aber
nicht schon allein dadurch, dass der Arbeitgeber es dem Arbeitnehmer zahlt. Der Begriff 'erzielen' bedeutet sprachlich: etwas
durch eine zielgerichtete Tätigkeit erlangen (vgl dazu Wahrig, Deutsches Wörterbuch; Duden, Das Bedeutungswörterbuch, und
Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch in 6 Bänden, jeweils unter dem Stichwort 'erzielen'). Ein Entgelt ist demnach erst
erzielt, wenn es durch die Arbeitsleistung verdient, also erarbeitet worden ist. Da § 182 Abs 5
RVO nicht auf das nur gezahlte, sondern auf das erzielte Entgelt abstellt, muss der letzte abgerechnete Lohnabrechnungszeitraum
herangezogen werden, in dem der Versicherte das von ihm vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zugeflossene Entgelt auch bereits
auf Grund seiner Arbeitsleistung, nicht aber nur auf Grund einer (teilweisen) Vorauszahlung erhalten hat."
Anschließend führt der 8. Senat aus, er weiche damit nicht von der Rechtsprechung des 4. Senats ab, der betont habe, dass
"erzieltes" Entgelt nur ein zugeflossenes Entgelt sein könne, während Ansprüche des Versicherten, die nicht realisiert sind,
außer Betracht zu bleiben haben. Der 8. Senat teilt mit, er stelle mit der vorgenannten Begriffsbestimmung des "Erzielens"
nur klar,
"dass das zugeflossene Entgelt nur dann erzielt ist, wenn der Zahlung ein entsprechender Anspruch zu Grunde liegt, der Arbeitnehmer
also die ihm obliegende Gegenleistung bereits erbracht hat."
Vom "Erzielen" eines Verdienstes kann also - entgegen dem 13. Senat - nach ständiger Rechtsprechung des BSG nur gesprochen
werden, wenn dem Versicherten der verdiente Geldbetrag tatsächlich zugeflossen und in seine Verfügungsgewalt gelangt ist.
Dies entspricht auch, wie oben gesagt, dem Verständnis des 13. Deutschen Bundestages, der den Abs
5 des §
43 SGB VI zum 1.1.1996 einfügte und dessen Weitergeltung bis zum 31.12.1999 wollte.
c) Ein "erzielter Hinzuverdienst" iS von §
43 Abs
5 SGB VI liegt danach nur vor, wenn dem Versicherten im jeweiligen Monat seines BU-Rentenzahlungsanspruchs daneben ein verdienter
Betrag zufließt. Deswegen hält der 4. Senat sogar schon für den geplanten "Rechtszustand bb)" nach Verkündung des RRG 1999 daran fest, dass für 1999 ein offenkundiger Widerspruch zwischen §
43 Abs
5 SGB VI und dem Satz 3 des §
96a Abs
3 SGB VI bestand. Denn dort wollte der "Reformgesetzgeber" anordnen, dass ein Geldbetrag kürzungsrelevant werden sollte, den der Versicherte
im jeweiligen Monat seines BU-Rentenzahlungsanspruchs gerade nicht verdient und auch nicht erlangt hatte.
7. Der 13. Senat führt "vorsorglich" für den Fall, dass dieser Widerspruch "bestünde", als Lösung an, dann "hätte der Regelungsinhalt
des §
96a Abs
3 SGB VI den Vorrang". Denn dann wäre auf den demokratischen Grundsatz abzustellen, dass themenidentisches späteres Recht in seinem
zeitlichen Geltungsbereich das ältere Recht verdrängt. Offenbar geht der 13. Senat davon aus, dass §
43 Abs
5 SGB VI und §
96a Abs
3 Satz 3
SGB VI in einer zeitlichen Normenkonkurrenz stehen, weil sie themenidentisch seien und die letztgenannte Vorschrift ein "späteres"
Gesetz sei. Dies trifft aber nicht zu. Im Übrigen begründet ein Widerspruch in der gesetzlichen Ausgestaltung einzelner Voraussetzungen
einer Eingriffsermächtigung allein noch keine Anwendungs- oder gar Geltungskonkurrenz zwischen den sich widersprechenden Regelungen.
a) Der 13. Deutsche Bundestag hat §
96a SGB VI, wie oben gesagt, zur konkretisierenden Ergänzung der Regelungen des §
43 Abs
5 SGB VI und zur Klarstellung eingeführt, dass der Hinzuverdienst nicht den Rentenanspruch berührt, sondern lediglich den Umfang der
Rentenzahlung bestimmt. Davon ist auch der 13. Deutsche Bundestag als "Reformgesetzgeber" ausgegangen. In den Materialien
zum RRG 1999 findet sich kein Hinweis, er habe beabsichtigt, §
43 Abs
5 SGB VI jetzt anders zu verstehen.
§
43 Abs
5 SGB VI ist die Rechtsnorm, die Tatbestand und Rechtsfolge der Ermächtigung regelt. §
96a SGB VI ist in allen Absätzen lediglich eine unvollständige Ergänzungsnorm, welche nur einen Teil der Tatbestandsmerkmale des §
43 Abs
5 SGB VI, nämlich "abhängig vom ... (Hinzu-)Verdienst (§
96a Abs 2 Nr 2)" zum Teil näher bestimmt und insbesondere nicht festlegt, was unter "erzielt" und "hinzu" zu verstehen ist.
Was Hinzuverdienst sein kann, wird im RRG 1999 in §
96a Abs
1 und
3 SGB VI konkretisiert. In Abs
2 regelt er in seiner Nr
2 die drei Hinzuverdienstgrenzen, auf die sich die Verweisung in §
43 Abs
5 SGB VI auf "(§
96a Abs
2 Nr
2)" bezieht. In §
96a Abs
1 Satz 1 und
2 SGB VI wird außerdem die "Abhängigkeit" iS von §
43 Abs
5 SGB VI als Überschreiten der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze qualifiziert.
Hingegen wird die Rechtsfolge, ob der monatliche BU-Rentenzahlungsanspruch, der grundsätzlich in Höhe des Geldwerts des Stammrechts
auf BU-Rente entsteht, auf zwei Drittel, ein Drittel oder auf Null zu kürzen ist, ausschließlich in §
43 Abs
5 SGB VI geregelt. Dasselbe gilt für die Tatbestandsmerkmale "Rente wegen BU", "erzielt" und "Hinzu-"Verdienst. §
96a Abs
1 und
2 SGB VI sagt hierzu nichts.
Der neue Abs 3 der Vorschrift wiederholt in Satz 1 und Satz 2 die Tatbestandsvoraussetzung des §
43 Abs
5 SGB VI, dass der rentenschädliche Hinzuverdienst neben einer Rente wegen BU oder wegen Erwerbsunfähigkeit oder für Bergleute "erzielt"
werden muss, ohne etwas zur Bedeutung von "erzielen" zu sagen. Seine Rechtsfolge lautet, dass bei der Feststellung des rentenschädlichen
Hinzuverdienstes der "Bezug" einer der jeweils nachgenannten Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion "dem Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen gleichsteht".
Sogar Satz 3 des Abs 3 aaO regelt scheinbar nur thematisch, dass bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes durch die Verwaltung
"als Hinzuverdienst das der Sozialleistung zu Grunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen
ist".
Dies steht zwar auch mehrfach in Widerspruch zu Abs 3 Satz 1 und 2 sowie 4 aaO. Dort werden jeweils die Erfordernisse wiederholt,
dass der möglicherweise rentenschädliche Verdienst "erzielt", die Lohnersatzleistung "erzielt" oder "geleistet" worden sein
muss. Dann aber steht sie dem "Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen" gleich, das in Abs 1 aaO als Hinzuverdienst bestimmt
ist. Dieser Gleichstellung der "Lohnersatzleistung" mit dem Hinzuverdienst widerspricht aber Satz 3 aaO, nach dem nur ein
im jeweiligen Monat nicht verdienter Betrag in Höhe des früheren Arbeitsentgelts, soweit es der Sozialleistung rechnerisch
zu Grunde lag, als "Hinzuverdienst" gilt. Also gilt die "Lohnersatzleistung" selbst als Hinzuverdienst, ebenso aber auch der
ihr zu Grunde liegende, früher verdiente Arbeitsverdienst .
Aber auch auf diesen Widerspruch in Abs 3 aaO selbst musste der 4. Senat damals nicht näher eingehen. Denn insoweit handelt
es sich bei Abs 3 Satz 3 aaO lediglich um eine (in sich widersprüchliche) Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals "Hinzuverdienst"
durch die Anordnung der Maßgeblichkeit eines früheren Verdienstes, soweit er einer erzielten/geleisteten "Lohnersatzleistung"
zu Grunde lag, die auch selbst ein Hinzuverdienst ist. Eine vom Grundtatbestand der Ermächtigungsgrundlage abweichende Bestimmung
der Bedeutung von "erzielt" findet sich auch in Satz 3 nicht. Ob und wann ein solcher fiktiver "Hinzuverdienst" nach Satz
3 aaO "erzielt' wurde", richtet sich allein nach §
43 Abs
5 SGB VI. Von einer thematischen Normenkonkurrenz zwischen der Hauptnorm in §
43 Abs
5 SGB VI und der diese nur in einzelnen Voraussetzungen näher ausgestaltenden Ergänzungsnorm in §
96a Abs
3 SGB VI kann keine Rede sein. Ua schon deshalb ist der "lex posterior-Satz" nicht anwendbar.
b) Zwischen beiden Normen besteht aber auch kein geltungszeitlicher Abstand. Es handelt sich nicht um "früheres" und "späteres"
Recht. Denn beide Vorschriften galten 1999 und 2000 auf Grund desselben Anwendungsbefehls desselben Gesetzgebers.
§
96a Abs
3 SGB VI sollte nach dem Willen des 13. Deutschen Bundestages nur im Jahre 1999 und nur zusammen mit §
43 Abs
5 SGB VI gelten, ohne den die Ergänzungsnorm überhaupt nicht anwendbar wäre. Der 13. Deutsche Bundestag, der ihn geschaffen hat, wollte
die Ermächtigungsgrundlage auch nicht ändern. Der "Reformgesetzgeber" hat sich im RRG 1999 ausdrücklich mit der Geltungsdauer des §
43 einschließlich des Abs
5 SGB VI befasst. Er hat die von ihm beabsichtigte völlige Neugestaltung der Vorschrift in Art 1 Nr 19 RRG 1999 entgegen Art 33 Abs 1 RRG 1999 nicht zum 1.1.1999 in Kraft setzen wollen, sondern nach Abs 13 aaO erst zum 1.1.2000. Er hat damit seinen Willen, §
43 Abs
5 SGB VI solle in der von ihm zur Aufhebung vorgesehenen Fassung im Jahre 1999 gelten, eindeutigen Ausdruck verliehen. Sein Anwendungsbefehl
erfasste für das Jahr 1999 beide Normen. Der maßgebliche "Korrekturgesetzgeber" hat die Geltung beider Normen für 1999 und
2000 angeordnet. Sie stehen in ihrer Rechtsgeltung gleichzeitig zueinander. Der "lex posterior-Satz" ist auch deshalb nicht
einschlägig.
IV. Die maßgebliche Gesetzeslage wurde in den Jahren 1999 und 2000 nicht vom 13. Deutschen Bundestag, dem "Reformgesetzgeber",
dessen Gesetz als solches nie gültig wurde, sondern von dem am 27.9.1998 gewählten 14. Deutschen Bundestag durch dessen Korrekturgesetz
bestimmt.
Der maßgebliche Rechtsanwendungsbefehl stammt allein von ihm. Für die Auslegung seines Korrekturgesetzes kommt es nach Maßgabe
der Anforderungen des demokratischen Parlamentsvorbehalts daher allein darauf an, ob und ggf inwieweit er Inhalt, Zweck und
Ausmaß dieser Intensivierung eines Grundrechtseingriffs in das Renteneigentum beraten, darüber entschieden und dies in seinem
am 19.12.1998 beschlossenen Gesetz klar und bestimmt geregelt hat. Auf spätere, hiervon möglicherweise abweichende Willensentschlüsse
des 14. Deutschen Bundestages, die ab 1.1.2001 zu einer anderen Rechtslage geführt haben, kommt es für die Auslegung des Korrekturgesetzes
und seiner Vorgaben für die Verwaltung in den beiden Jahren 1999 und 2000 nicht an.
Der 14. Deutsche Bundestag (das Plenum) hat als "Korrekturgesetzgeber" diese Verschlechterung bei der BU-Rente nicht gewollt
und diesen Eingriff in das Renteneigentum an der BU-Rente nach Inhalt, Zweck und Ausmaß selbst nicht geprüft, beraten oder
auch nur zur Kenntnis genommen.
Der 13. Senat hat in seiner Anfrage keine Ausführungen zur Gesetzeslage nach dem Korrekturgesetz gemacht. Er geht davon aus,
für sie sei der Wille des "Reformgesetzgebers" maßgeblich. Demgegenüber stellt der 4. Senat nach erneuter Prüfung weiterhin
auf den Willen des "Korrekturgesetzgebers" ab. Der 4. Senat beschränkt sich daher auf folgende Gesichtspunkte:
1. Das Korrekturgesetz hat in seiner Änderung des RRG 1999 durch seinen Art 1 § 1 Nr 2 ua bestimmt, dass die hier einschlägigen Regelungen des RRG 1999 in dessen Art 1 Nr 19, 49 bis 53 nur teilweise am 1.1.1999 in Kraft treten sollen, der andere Teil, vorbehaltlich einer anderweitigen gesetzlichen
Regelung, aber erst am 1.1.2001. In die letztgenannte Gruppe wurde der Art 1 Nr 19, 49, 51 und 53 RRG 1999 eingeordnet. Gesetzentwurf und Beschlussvorlagen enthielten im Art 1 § 1 Nr 2 zum Korrekturgesetz nur Angaben von Artikeln und Nummern des RRG 1999. Was darin stand, war aus den Entwurf- und Beschlusstexten und deren Begründungen nicht erkennbar.
Durch dieses bloße Benennen von Artikeln und Nummern des RRG 1999, die ausgesetzt werden sollten, und durch das Nichterwähnen der Artikel und Nummern des RRG 1999, die schon 1999 in Kraft gesetzt werden sollten, wurde im gesetzgebungstechnischen Ergebnis beschlossen, dass die Neuordnung
der Erwerbsminderungsrenten (§
43 SGB VI) ausgesetzt wird und die bisherige Regelung des §
43 SGB VI über die BU-Rente auch 1999 und 2000 gilt. Allerdings war der Regelungsinhalt dieser Aus- und Inkraftsetzungen dem Text des
Korrekturgesetzes nicht zu entnehmen, das außerdem bei dieser Regelungstechnik nur auf nicht gültig gewordene Vorschriften
verwies. Denn diese waren nie in Kraft getreten.
Nicht ausgesetzt wurden hingegen Art 1 Nr 50 RRG 1999 (Aufhebung des § 95
SGB VI über die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf Erwerbsminderungsrenten) und Art 1 Nr 52 RRG 1999 (Anfügung des §
96a SGB VI), während die Aufhebung des Art 1 Nr 53 RRG 1999 (§
96a SGB VI) auf den 1.1.2001 verschoben wurde. Demgemäß ist der 4. Senat in seinem Urteil vom 17.12.2002 davon ausgegangen, dass §
96a Abs
3 SGB VI in den Jahren 1999 und 2000 gültiges Bundesrecht und materiell verfassungsgemäß war, jedoch hinsichtlich seines Satzes 3
nur unter verfassungskonformer Auflösung seines Widerspruchs zur Grundnorm des §
43 Abs
5 SGB VI, den der "Korrekturgesetzgeber" unverändert angewandt wissen wollte.
2. Der Widerspruch zwischen der Ermächtigungsgrundlage des §
43 Abs
5 SGB VI, welche jede Kürzung von dem "erzielten" Hinzuverdienst abhängig macht, also von dem Zufluss von Beträgen, und dem Satz 3
des §
96a Abs
3 SGB VI wurde ab 1.1.1999 durch das Korrekturgesetz positiviert. Er konnte, wie unter III. dargelegt, weder durch Wortlautverbiegungen
bei §
43 Abs
5 SGB VI noch mangels einer Normenkonkurrenz nach der "lex posterior-Regel" aufgelöst werden.
Jedoch sprechen schon die Regelungsabsicht des "Korrekturgesetzgebers" und die Entstehungsgeschichte des Korrekturgesetzes
für die Auflösung des verfassungswidrigen Widerspruchs im Sinne einer Maßgeblichkeit der Tatbestandsvoraussetzung des §
43 Abs
5 SGB VI, dass nur ein "erzielter" Hinzuverdienst zur Kürzung führen darf.
a) In den textidentischen Gesetzentwürfen zum RRG 1999 der Bundesregierung und der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. waren §
96a Abs
3 SGB VI und die Verschlechterung in seinem Satz 3
SGB VI nicht vorgesehen. Erst durch Änderungsbeschluss des 11. Ausschusses des 13. Deutschen Bundestages (BT-Drucks 13/8671 S 24
bis 26) wurde die Aufhebung des bisherigen § 95
SGB VI über die Anrechnung von Arbeitslosengeld mit der Einfügung des §
96a Abs
3 SGB VI (für das Jahr 1999) verbunden. Darin findet sich erstmals der hier fragliche Satz 3. Der Ausschuss schlug diese Hinzuverdienstfiktion
auch für die geplante neue Anrechnungsregelung im neu gefassten § 95
SGB VI vor. Das Korrekturgesetz hat diese Änderung bis 2001 ausgesetzt.
b) Die Verschlechterungen ua bei den Erwerbsminderungsrenten wurden von den damaligen Oppositionsparteien im 13. Deutschen
Bundestag (ua von SPD und Bündnis 90/Die Grünen) bekämpft. Im 11. Ausschuss des 13. Deutschen Bundestages beantragte die SPD
- erfolglos -, das Gesetz abzulehnen (BT-Drucks 13/8671 S 95 f). Die Mitglieder der Fraktion der SPD haben darüber hinaus
ua ausdrücklich erklärt, sie lehnten
"den Gesetzentwurf und die dazu vorgelegten Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen insgesamt ab" (BT-Drucks 13/8671 S 114
f).
Die Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen betonten ebenfalls, dass "die von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Änderungsanträge
wenig an den im Gesetzentwurf beabsichtigten Kürzungsmaßnahmen" änderten. Sie lehnten daher ausdrücklich den Gesetzentwurf
der Koalitionsfraktionen "insgesamt" ab (BT-Drucks 13/8671 S 115).
c) Die Bundestagswahl 1998 zum 14. Deutschen Bundestag führte zu einer Mehrheit der Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die
Grünen. In ihrer Gesetzesinitiative zum Korrekturgesetz (BT-Drucks 14/45) benannten sie - wie zuvor im Wahlkampf - ua als
vom Gesetz zu lösendes Problem, dass die Einschnitte des RRG 1999 die Aufrechterhaltung eines angemessenen Lebensstandards bei Alter und Invalidität gefährdeten und daher überprüft werden
müssten. Daher seien sozialpolitisch nicht vertretbare Eingriffe des RRG 1999 bis zur endgültigen Regelung auszusetzen. Diesen Willen bekräftigte der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung
Walter Riester bei der ersten Lesung vor dem 14. Deutschen Bundestag (Plenarprotokoll 14/9 S 519). Er betonte ua:
"Unsere Reformen sollen Verbesserungen und keine Verschlechterungen bringen. Umgekehrt werden wir das, was in der Vergangenheit
als Reform vertreten worden ist, in der Realität aber die Lebenswirklichkeit der Menschen verschlechtert hat, zurücknehmen."
Weiter führte er aus:
"Zurücknehmen werden wir auch die Kürzungen bei den Renten derjenigen, die nicht mehr aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt
verdienen können. Die Verschlechterung bei den Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsrenten wie auch die Geltung des
demografischen Faktors werden wir bis zu einer Neuregelung der Rentenreform für die Jahre 1999 und 2000 aussetzen. Beide Korrekturen
werden zum 1. Januar 1999 wirksam."
Es ging also bezüglich der Erwerbsminderungsrenten nicht nur darum, die Reform dieser Renten auszusetzen. Vielmehr sollte
die Verschlechterung ua bei den Berufsunfähigkeitsrenten, welche es nach der Reform nicht mehr geben sollte, bis zur Reform
zurückgenommen und sollten ab dem 1.1.1999 gerade keine Verschlechterungen eingeführt werden.
Es gibt ferner in den gesamten Gesetzesmaterialien des Korrekturgesetzes keinen Hinweis darauf, die im 14. Deutschen Bundestag
mehrheitsbildenden Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen könnten über die Einführung der Verschlechterung in §
96a Abs
3 Satz 3
SGB VI beraten und ihre Ablehnung, die sie ausdrücklich auch gegenüber den Änderungsvorschlägen des 11. Ausschusses des "Reformgesetzgebers"
erklärt hatten, aufgegeben und nunmehr das Gegenteil für richtig gehalten haben. Es gibt auch keinen Beleg dafür, dass die
beiden mehrheitsbildenden Fraktionen diese von ihnen zuvor abgelehnte Änderung jetzt plötzlich für "sozialpolitisch vertretbar"
gehalten hätten.
3. Der 14. Deutsche Bundestag (das Plenum) hat die Verschlechterung in §
96a Abs
3 Satz 3
SGB VI auf Grund der Gesetzgebungstechnik nicht einmal zur Kenntnis genommen. Er hat Inhalt, Zweck und Ausmaß dieses Eingriffs in
das Renteneigentum nicht selbst beraten und selbst keine Entscheidung darüber getroffen. Daher verwundert es nicht, dass er
Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs auch im Gesetzestext selbst, obwohl andernfalls leicht möglich, nicht bereichsspezifisch
präzise und nicht normenklar festgelegt, sondern nur widersprüchlich umschrieben hat. Damit genügt das Gesetz nicht den Anforderungen
des Gesetzes- und Parlamentsvorbehaltes (dazu zuletzt Beschluss des BVerfG vom 13.6.2007 [1 BvR 1550/03; 1 BvR 2357/04; 1 BvR 603/05], NJW 2007, 2464; ebenso schon der Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23.2.2007 [1 BvR 2368/06], RdNr 45 ff, NJW 2007, 2320 = NVwZ 2007, 688; zusammenfassend schon BVerfGE 101, 1, 30, 34 mwN).
a) Nach dem Parlamentsvorbehalt muss das Parlament ua bei Grundrechtseingriffen deren Zweck, Inhalt und Umfang selbst prüfen,
beschließen und so im Gesetzestext festschreiben, dass Verwaltung und betroffener Bürger sie daraus verlässlich entnehmen
und die Gerichte das Verwaltungshandeln daran messen können. Soweit im jeweiligen Lebensbereich möglich, darf das Parlament
die Entscheidung über die Eingriffsvoraussetzungen nicht der vollziehenden Gewalt oder der Rechtsprechung überlassen. Das
gilt auch beim Eigentumsschutz des Art
14 Abs
1 GG. Es ist nicht ersichtlich, dass das BVerfG jemals entschieden hätte, es gebe für das auf Eigenleistung beruhende Rentenversicherungseigentum
einen qualitativ geringeren Schutz. Dafür gäbe es auch keinen Sachgrund.
b) Der Parlamentsvorbehalt, ein Sachvorbehalt, setzt deshalb ua nach den Vorgaben des BVerfG voraus, dass der Gesetzgeber,
dh der jeweilige Bundestag (das Plenum), aus den eingebrachten Gesetz- und Beschlussentwürfen oder aus deren Begründungen
oder aus speziellen Redebeiträgen in einer der Lesungen, in jedem Fall aber spätestens aus dem ihm zur abschließenden Beschlussfassung
vorgelegten Gesetzestext ohne weitere Nachforschungen erkennen kann, dass er um eine Ermächtigung der Verwaltung zu einem
nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmten Grundrechtseingriff (hier in das Renteneigentum) gebeten wird.
Nur so kann sein Vorbehaltsbereich und ferner der demokratische Öffentlichkeitsbezug des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens
gesichert und eine "U-Boot-Gesetzgebung" verhindert werden, bei der die vorbereitenden Gremien aus Regierung, Verwaltung und
Parlamentsfachleuten Ermächtigungen zu Grundrechtseingriffen beschließen, diese für das Plenum nicht oder nur schwer erkennbar
in das Gesetzgebungsverfahren einführen und von diesem unerkannt "abnicken" lassen ("parlamentslose Parlamentsgesetze").
Hingegen ist nicht erforderlich, dass jeder Abgeordnete die Eingriffsregelung erkannt hat, jedoch, dass er (und so auch die
Öffentlichkeit) sie als solche aus den genannten Quellen normalerweise hätte erkennen können. Auch wenn es der parlamentarischen
Wirklichkeit entspricht, dass im Regelfall die Abgeordneten das "Gesetz als Wille ohne Vorstellung" (Helmut Quaritsch, Das
parlamentslose Parlamentsgesetz, 2. Aufl., Hamburg 1961, S 41) beschließen, und dies wegen ihrer Arbeitsbelastung zu einem
großen Teil unvermeidbar sein dürfte, muss es ihnen stets möglich sein, anstehende Grundrechtseingriffe aus den genannten
parlamentsinternen Quellen verlässlich erkennen zu können. Hingegen wäre die aus dem Vorbehalt folgende Prüfungspflicht des
Parlaments überzogen, wenn es nur solche Gesetze beschließen dürfte, deren Inhalt und Tragweite es nach Beratung des jeweiligen
Gesetzentwurfs in vollem Umfang überschauen kann und sie daher "bewusst" in seinen Willen aufnimmt (in diesem Sinn aber ua
Hans-Jürgen Papier/Bernd-Dietrich Olschewski, Vollziehung ausländischer Verwaltungsakte, DVBl 1976, 475, 477; zu den anderen weitergehenden Teilen des Schrifttums wie hier ablehnend Friedrich E. Schnapp, Die Richtlinien im Kassenarztrecht
[§ 92 SGB V] auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, Festschrift für Otto Ernst Krasney, München 1997, 437, 450, FN 50).
c) Diese Voraussetzungen waren für den Eingriff nach §
96a Abs
3 Satz 3
SGB VI nicht erfüllt. Die Abgeordneten des 14. Deutschen Bundestages konnten dem Text des Gesetzentwurfs des Korrekturgesetzes und
dessen Begründung auf Grund der geschilderten Gesetzgebungstechnik nicht entnehmen, dass die Aussetzung der meisten Regelungen
des RRG 1999 bis Ende 2000 ua mit der Einführung der Eingriffsintensivierung/Verschlechterung durch den Satz 3 des §
96a Abs
3 SGB VI verbunden war. Auch die Ausschussbeschlüsse und ihre Begründungen und die Lesungen im Plenum haben diesen Eingriff nicht
erwähnt. Der neu gewählte 14. Deutsche Bundestag und seine Abgeordneten müssen sich auch nicht zurechnen lassen, dass der
Eingriff einmal Erörterungsgegenstand im 11. Ausschuss des 13. Deutschen Bundestages und von diesem beschlossen worden war,
zumal dieser Beschluss noch kein wirksames Recht geworden war. Die nunmehr mehrheitsbildenden Fraktionen hatten, wie oben
gesagt, weder erkennbar beraten noch dem Plenum mitgeteilt, dass sie den von ihren Vorgängerinnen im 13. Deutschen Bundestag
ausdrücklich abgelehnten Eingriff nun selbst erlauben wollten. Der 14. Deutsche Bundestag hat also diesen Eingriff aus den
für ihn maßgeblichen Quellen nicht ersehen können, ihn nicht beraten und erst recht nicht in seinen Willen aufgenommen. Diese
gesetzgebungstechnisch verdeckte Verschlechterung ist wohl vom Plenum des 14. Deutschen Bundestages "unbewusst abgenickt"
worden.
4. Vor diesem Hintergrund hat der 4. Senat den Widerspruch zwischen der Ermächtigungsvoraussetzung in §
43 Abs
5 SGB VI, dass nur "erzielter Hinzuverdienst" anspruchsschädlich sein darf, und der Anordnung in §
96a Abs
3 Satz 3
SGB VI, dass auch im maßgeblichen Monat nicht zugeflossene, sondern nur früher verdiente Beträge "Hinzuverdienst" sein sollen, durch
eine verfassungskonforme Auslegung aufgelöst, die eine Vorlage nach Art
100 Abs
1 GG an das BVerfG ausschloss.
Er hat an den Willen des "Korrekturgesetzgebers" angeknüpft, der bei seiner Neugestaltung der Rechtslage für die Jahre 1999
und 2000 den (auch durch das RRG 1999 nicht veränderten) §
43 Abs
5 SGB VI inhaltlich gerade nicht verändert, sondern in seiner unveränderten Geltung für beide Jahre bestätigt hat. Danach durfte der
Eingriff nur erfolgen, wenn und soweit dem BU-Berechtigten im jeweiligen Monat ein in §
96a Abs
1 und
3 SGB VI genannter Hinzuverdienst (wirklich) zugeflossen war. Demgegenüber regelte der neue Satz 3 in der Ergänzungsnorm des §
96a Abs
3 SGB VI im Widerspruch zu §
43 Abs
5 SGB VI zwar, dass auch ein Betrag, der nur früher einmal verdient worden war, als Hinzuverdienst gelten sollte. Er bestimmte aber
den Rechtsbegriff "erzielt" nicht neu oder anders als in §
43 Abs
5 SGB VI, wie oben aufgezeigt. Der Gesetzesbeschluss zu dem in ihm angelegten zusätzlichen Eingriff in das Renteneigentum war wegen
dieses Widerspruchs zur Ermächtigungsgrundlage nicht normenklar und genügte auch nicht den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts.
Demgegenüber war der Wille des 14. Deutschen Bundestages erklärtermaßen darauf gerichtet, ab dem 1.1.1999 die im RRG 1999 geplante Verschlechterung ua bei der BU-Rente zurückzunehmen und keine neuen Verschlechterungen einzuführen. Nach dem
Willen des "Korrekturgesetzgebers" sollte die Eingriffsgrenze "erzielt", welche die Eingriffsrechtfertigung der Übersicherung
konkretisiert, 1999 und 2000 maßgeblich bleiben.
Deshalb hält der 4. Senat an seiner Rechtsauffassung zu dieser am 31.12.2000 ausgelaufenen Rechtslage fest.
Teil 2
1. Dem Anfragebeschluss des 13. Senats ist über die von ihm ausdrücklich formulierte Frage (Teil 1) hinaus noch eine weitere,
von ihm nicht ausdrücklich formulierte Frage zu entnehmen. Diese lautet sinngemäß, ob der 4. Senat an seinen im Urteil vom
16.3.2006 (B 4 RA 59/04 R, SozR 4-1500 § 105 Nr 1) vertretenen Rechtsauffassungen festhält.
Diese Fragestellung ergibt sich aus Folgendem:
a) Der 13. Senat teilt auf Seite 4 seines Anfragebeschlusses mit, dass die Sprungrevision des Klägers zulässig sei. Nachdem
er unter a) über die Erfüllung der Formerfordernisse der Zustimmungserklärung berichtet hat, führt er unter b) aus, ein von
Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel sei nicht darin zu sehen, dass das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat, obwohl es nachträglich die Sprungrevision zugelassen habe. Diese Mitteilung überrascht,
weil - soweit ersichtlich - bislang noch niemand darin einen Verfahrensfehler gesehen hat, dass der vom Gesetz allein dazu
berufene Kammervorsitzende des SG nach Erlass eines Gerichtsbescheides auf Antrag die Sprungrevision zulässt. Zudem fällt auf, dass das Vorliegen eines Verfahrensfehlers
schon bei der Zulässigkeit der Sprungrevision angesprochen wird, obwohl die Thematik sich normalerweise erst bei der Begründetheit
einer Revision stellt.
b) Sodann teilt der 13. Senat mit, insoweit habe auch keiner der Beteiligten einen Verfahrensfehler gerügt, so dass auch eine
solche Rüge die nachfolgenden Ausführungen des 13. Senats nicht erklärbar macht. Ferner sind Verfahrensrügen bei einer Sprungrevision
durch §
161 Abs
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohnehin ausdrücklich ausgeschlossen.
c) Sodann folgen, weiterhin unter b), auf Seiten 4 bis 6 (RdNr 13 bis 18) Ausführungen zum oben genannten Urteil des 4. Senats.
Danach wird unter c) dargelegt, dass der Kläger formell beschwert ist. Erst dann folgt unter 2., weshalb der 13. Senat die
Sprungrevision aus den oben in Teil 1 diskutierten Gründen für unbegründet hält.
Aus alldem ist nicht erkennbar, weshalb der 13. Senat sich im Anfragebeschluss überhaupt mit dem von ihm angesprochenen Urteil
des 4. Senats befasst hat.
d) Zu dieser Frage sagt er:
"Freilich hat der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16.3.2006 (SozR 4-1500 § 105 Nr 1) einen von Amts wegen zu berücksichtigenden
Verfahrensfehler (Entziehung des gesetzlichen Richters) darin gesehen, dass das SG mittels Gerichtsbescheid entschieden hatte, obwohl es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und deshalb im
Gerichtsbescheid die Sprungrevision zugelassen hatte (aaO RdNr 17 ff); komme einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu,
weise sie gleichzeitig iS des §
105 Abs
1 Satz 1
SGG besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art auf, die einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegenständen und deshalb
unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden seien."
Ungeachtet der zu verneinenden Frage, ob der Inhalt des Urteils des 4. Senats damit zutreffend wiedergegeben ist, geht auch
der 13. Senat ausdrücklich davon aus, dass der Kammervorsitzende in seinem Fall, anders als im Fall des 4. Senats des BSG,
den Gerichtsbescheid erlassen und erst später die Sprungrevision zugelassen hat. Er selbst teilt mit, dass er mit seiner Beurteilung
des Verhaltens des Kammervorsitzenden, das er - zutreffend - als rechtmäßig ansieht, nicht iS von §
41 Abs
3 SGG von der genannten Entscheidung des 4. Senats abweiche.
e) Dennoch teilt der 13. Senat mit:
"Der Senat kann offen lassen, ob er dieser Rechtsansicht folgt oder, wozu er neigt, sich der überwiegenden Rechtsprechungspraxis
des BSG anschließt; hiernach läge ein von Amts wegen zu prüfender Verfahrensfehler nicht vor."
Trotz dieser Erklärung stellt er im Anschluss an sie breit dar, weshalb er meint, es gebe eine überwiegende Rechtsprechungspraxis
des BSG, die mit dem Urteil des 4. Senats nicht übereinstimme.
f) Diese Ausführungen des 13. Senats stehen in keinem erkennbaren inneren Zusammenhang mit dem formulierten Anfragethema und
der Darlegung der Zulässigkeit der Sprungrevision hierzu. Wenn der 13. Senat gleichwohl jene Entscheidung des 4. Senats aufgreift
und eine davon abweichende Rechtsprechungspraxis für den Fall ankündigt, dass er einmal einen gleichgelagerten Fall haben
werde, kann der 4. Senat dies vor dem Hintergrund einer sonst nach Form und Inhalt eindeutigen Divergenzanfrage nur so verstehen,
dass der 13. Senat auch mit diesen Ausführungen eine Frage an den 4. Senat stellen will. Denn ein anderer Grund ist für diese
Darlegungen nicht erkennbar. Über die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens hat der 4. Senat nicht zu befinden. Da nicht klar
zu sehen ist, worin genau der 13. Senat bei Gelegenheit vom 4. Senat abweichen will, beschränkt sich dieser auf die für ihn
erkennbaren Teilaspekte, die sich aus der Darstellung des 13. Senats ergeben. Nach erneuter Prüfung hält er an seinen im vorgenannten
Urteil geäußerten Rechtsansichten fest.
2. Der 4. Senat hatte in seinem Urteil vom 16.3.2006 über eine Sprungrevision gegen einen Gerichtsbescheid zu entscheiden,
den der Kammervorsitzende des SG als Einzelrichter erlassen und in dem er zugleich die Sprungrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen
hatte, weil es zu der streitentscheidenden Frage eine widersprüchliche Rechtsprechung zweier anderer BSG-Senate gab. Der Gerichtsbescheid
enthielt keine Ausführungen zur Frage der Gesetzmäßigkeit einer Einzelrichterentscheidung nach §
105 SGG, die nur ergehen darf, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der
Sachverhalt geklärt ist. Der Einzelrichter hatte jedoch dargetan, weshalb er sich dem einen Senat des BSG angeschlossen hat
und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache für gegeben hielt.
3. Der 4. Senat hat entschieden:
a) Die Sprungrevision war wirksam und mit Bindung für das BSG zugelassen worden und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere
hat der 4. Senat, anders als der 13. Senat, es nicht für eine Frage der Zulässigkeit der Sprungrevision gehalten, ob der Vorinstanz
ein rügbarer Verfahrensfehler unterlaufen war.
b) Die zulässige Sprungrevision war iS der Aufhebung des Gerichtsbescheides und der Zurückverweisung an das SG iS von §
170 Abs
2 Satz 2
SGG begründet. Die Tatsachenfeststellungen, an die das BSG bei einer Sprungrevision mangels Rügbarkeit von Verfahrensfehlern
des SG strikt gebunden ist, durfte das BSG nicht zugrundelegen, weil sie unter Verletzung des grundrechtlichen Anspruchs der Klägerin
auf den gesetzlichen Richter aus Art
101 Abs
1 Satz 2
GG von einem nicht gesetzlichen Richter getroffen worden waren.
c) Es lag eine Sache mit besonderen rechtlichen Schwierigkeiten iS von §
105 Abs
1 Satz 1
SGG vor.
Aus den vom Kammervorsitzenden mitgeteilten Entscheidungsgründen und nach dessen maßgeblicher Ansicht im Zeitpunkt vor Erlass
der Haupt- und Nebenentscheidungen im Gerichtsbescheid, auf die der 4. Senat abgestellt hatte, ergab sich, dass er der Ansicht
war, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Zu §
105 SGG hatte er sich nicht geäußert. Dieser Revisionszulassungsgrund des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG liegt nur vor, wenn die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat, klärungsfähig,
höchstrichterlich noch nicht geklärt ist und deren Beantwortung sich nicht unmittelbar und nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz
ergibt. Eine solche Sache erfordert bei der Entscheidung über die Klage ua die Prüfung, ob die Rechtsfrage durch die Rechtsprechung
des BSG oder des BVerfG bereits beantwortet ist, sei es auch durch nicht veröffentlichte Entscheidungen oder durch solche,
die sich nicht ausdrücklich zur Rechtsfrage verhalten, und, wenn es um die Sprungrevision geht, eine ins Einzelne gehende
Klärung der Entscheidungserheblichkeit der Frage im künftigen Revisionsverfahren. Für diese kommt es gerade auch auf die hinreichende
Feststellung der Tatsachen an, die für das BSG und aus dessen Sicht voraussichtlich erheblich sein werden, weil dieses sonst
nicht abschließend entscheiden kann. Diese und weitere Rechtsprobleme, die mit einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtssache
für das SG verbunden sind, weisen derartige Streitigkeiten im Regelfall als rechtlich besonders schwierig aus. Zwar kann sich im Einzelfall
ausnahmsweise ergeben, dass eine solche Sache wegen besonderer Umstände doch nicht rechtlich besonders schwierig ist. Anhaltspunkte
dafür lagen aber nach den Angaben des Kammervorsitzenden nicht vor und drängten sich nach dem von ihm festgestellten Sachverhalt
auch nicht auf.
Weil die Voraussetzungen des §
105 Abs
1 Satz 1
SGG in dem Zeitpunkt nicht vorlagen, in dem der Kammervorsitzende sich zum Einzelrichter bestellte, hatte er die Klägerin objektiv
ihrem gesetzlichen Richter, nämlich der Kammer in voller Besetzung (§
12 Abs
1 Satz 1 iVm §
125 SGG), entzogen.
d) Ein "einfachgesetzlicher" Anwendungsfehler bei einer den gesetzlichen Richter mitbestimmenden Bundesrechtsnorm bedeutet
bekanntlich noch nicht notwendig eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts aus Art
101 Abs
1 Satz 2
GG.
Auf solche Fehler muss daher auch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich durch Rüge hingewiesen werden. Bei einer Sprungrevision
können sie wegen des Ausschlusses jeder Verfahrensrüge durch §
161 Abs
4 SGG, worauf der 4. Senat hingewiesen hatte, vom Revisionsgericht nicht beachtet werden. Die Rügebedürftigkeit gilt allerdings
nicht, soweit die Anwendungsfehler Vorschriften betreffen, die wegen ihrer Fortwirkungen im Rechtsmittelverfahren stets von
Amts wegen zu prüfen sind.
e) Der §
105 Abs
1 Satz 1
SGG betreffende Fehler, dass der Kammervorsitzende bei einer rechtlich besonders schwierigen Sache sich selbst zum Einzelrichter
einsetzte, hatte aber hier die Grenze zum Verfassungsverstoß überschritten und den Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen
Richter verletzt.
Dies ist der Fall, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich
unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie grundlegend verkennt;
dies kann nur anhand der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (stellvertr BVerfGE 82, 286, 299; BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss der 3. Kammer des 2. Senats vom 2.6.2005, NJW 2005, 3410 ff).
Der 4. Senat ist auf der Grundlage der Ausführungen des Kammervorsitzenden zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser die Frage
nach der besonderen Schwierigkeit der von ihm für grundsätzlich bedeutsam erachteten Sache, von der seine Kompetenz abhing,
sich zum Einzelrichter zu bestellen, "offenkundig" zu Unrecht verneint hatte.
f) Der 4. Senat war zu dieser Grundrechtsprüfung von Amts wegen auch bei einer Sprungrevision verpflichtet und befugt.
Aufgrund der genannten Umstände des Falles war schon bei einer ersten Sichtung nicht auszuschließen, dass die Klägerin in
ihrem verfassungsrechtlichen Anspruch auf den gesetzlichen Richter, die Kammer in voller Besetzung, verletzt worden sein könnte.
Ferner hingen der Rechtsmittelzug und die Eröffnung der Sprungrevision von dem möglichen Grundrechtsverstoß ab, weil stets
möglich ist, dass die Kammer als gesetzlicher Richter über die Zulassung anders entscheidet. Zudem ist ein iS eines solchen
spezifischen Verfassungsverstoßes nicht gesetzlicher Richter schlechthin nicht befugt, den entscheidungserheblichen Sachverhalt,
von dem das BSG bei einer zulässigen Sprungrevision ausgehen muss, vorzugeben. Darüber hinaus gewährt §
105 Abs
1 Satz 1
SGG dem Kammervorsitzenden des SG im Interesse der Verfahrensbeschleunigung jedenfalls faktisch einen weiten Entscheidungsraum, sich selbst oder die Kammer
als gesetzlichen Richter einzusetzen. Dennoch bleibt der gesetzliche Normalfall, dass Urteile durch die Kammer in voller Besetzung
zu ergehen haben, der auch alle besonders schwierigen Sachen ausschließlich vorbehalten sind. Soll diese gesetzliche Aufgabenteilung
den ihr vom Gesetzgeber zugeordneten Zweck erfüllen, muss bei einer Sprungrevision auch von Amts wegen darauf geachtet werden,
dass die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Einzelrichter und Kollegium nicht unter Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf
den gesetzlichen Richter verschoben wird.
Es ist nicht der Sinn des Grundsatzes, eine "einfachgesetzliche" Verletzung von Bundesrechtsnormen, die den gesetzlichen Richter
bestimmen, dürfe vom Revisionsgericht nur auf Rüge als entscheidungserheblich beachtet werden, dass der in erster Linie den
"Fachgerichten" obliegende Grundrechtsschutz vom Revisionsgericht sogar dann nicht gewährt wird, wenn im Einzelfall konkrete
Anhaltspunkte dafür vorliegen, ein Grundrechtsverstoß könne erfolgt sein. Unterlässt das Revisionsgericht in solchen Fällen
den gebotenen Grundrechtsschutz, verstößt es auch gegen das verfassungsrechtliche Subsidiaritätsprinzip, weil seine Weigerung
bei einer gegebenen Verletzung des nicht verzichtbaren Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter nur noch auf eine
Verfassungsbeschwerde durch das BVerfG ausgeräumt werden kann und wird. Mit diesen Rechtsansichten hat der 4. Senat sich vor
allem an der allgemein bekannten Rechtsprechung des BVerfG und des Bundesgerichtshofs (BGH) ausgerichtet (dazu unten).
4. Der 13. Senat teilt mit, er sehe eine davon abweichende "überwiegende Rechtsprechungspraxis des BSG". Er schreibt (RdNr
15):
"Das BSG hat bereits mehrfach - ohne dass im Urteil die Frage eines Verfahrensfehlers erwähnt oder gar ein solcher bejaht
worden wäre - auf Sprungrevisionen entschieden, die in (oder auf Grund von) Gerichtsbescheiden zugelassen worden waren (BSG
1. Senat vom 21. Februar 2006 - B 1 KR 34/04 R; vom 30. März 2004 - B 1 KR 30/02 R, insoweit nicht in SozR 4-2500 § 44 Nr 1; BSG 2. Senat vom 1. Juli 1997, BSGE 80, 279 = SozR 3-2200 § 639 Nr 1; BSG 7. Senat vom 24. April 2002, BSGE 89, 213, 215 = SozR 3-2500 § 240 Nr 42; BSG 12. Senat vom 23. September 1999 - B 12 KR 1/99 R, insoweit nicht in SozR 3-2500 § 6 Nr 17; vom 13. März 1997 - 12 RK 11/96, insoweit nicht in SozR 3-2400 § 28l Nr 1; s ferner BSG 9. Senat vom 13. August 1997 - 9 RVs 1/96, insoweit nicht in SozR 3-3870 § 60 Nr 2: Fall der Zulassung der Sprungrevision gegen einen Gerichtsbescheid durch Beschluss
unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter). Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sah keinen Hinderungsgrund zu einer
Sachentscheidung, nachdem ein Verwaltungsgericht durch Gerichtsbescheid nach Art 2 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte
in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31.3.1978 [BGBl I 446] (der in seinen Voraussetzungen mit §
105 SGG nF übereinstimmt) entschieden und die Sprungrevision durch gesonderten Beschluss zugelassen hatte (BVerwG vom 23.10.1980
- 2 C 22/79, Buchholz 238.4 § 37 SG Nr 2)."
Wie der 13. Senat selbst sagt, ist in keiner der genannten Entscheidungen auch nur ein Wort zu der vom 4. Senat behandelten
Problematik zu finden.
Im Übrigen:
Die dort genannte Entscheidung 9 RVs 1/96 vom 13.8.1997 betraf eine Sprungrevision gegen ein Urteil, die Entscheidung 2 RU 26/96 vom 1.7.1997 eine nachträgliche Zulassung, ebenso die dort genannte Entscheidung des BVerwG, worauf der 13. Senat hier selbst
hinweist. Bei den anderen Entscheidungen finden sich keine Angabe des Zulassungsgrundes und keine Erwähnung einer Prüfung
der Thematik.
Aus dem Schweigen dieser Entscheidungen zur Grundrechtsproblematik ist nichts herzuleiten. Sie alle können im Einklang mit
den Rechtsansichten des 4. Senats stehen, wovon schon wegen der Grundrechtsbindung des BSG auszugehen sein dürfte.
Den Teil der Rechtsprechungspraxis des BSG, den der 13. Senat für nicht "überwiegend" hält, hat er nicht näher bezeichnet;
daher soll darauf nicht eingegangen werden.
5. Ferner sagt der 13. Senat (RdNr 16):
"Die Spruchpraxis des BSG dürfte darauf beruhen, dass nach seiner überwiegenden Rechtsprechung auch bei einer Verletzung des
Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 1 des Grundgesetzes [GG]) kein Anlass besteht, den absoluten Revisionsgrund
des §
202 SGG iVm §
547 Nr 1 der
Zivilprozessordnung [ZPO] (nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts; früher: §
551 Nr 1
ZPO) auch ohne Rüge zu berücksichtigen (s BSG 12. Senat vom 22.3.2001, SozR 3-5070 § 21 Nr 9 S 45 f; entsprechend BSG 7. Senat
vom 24.5.1984, BSGE 57, 15, 17 = SozR 1500 § 31 Nr 3 mwN zur früheren, nicht ganz einheitlichen Rspr des BSG, sowie, jeweils für Fehlbesetzungen von
ehrenamtlichen Richtern im Kassenarztrecht, BSG 6. Senat vom 15.9.1977, BSGE 44, 244, 246 = SozR 7323 § 3 Nr 1; vom 30.10.1959, BSGE 11, 1, 3; vom 27.2.1959, BSGE 9, 171, 173; die beiden letztgenannten Urteile auch mit Nachweisen aus der Zivilrechtsprechung)."
Allerdings geht der 13. Senat nicht darauf ein, weshalb diese Entscheidungen im Blick auf die Sprungrevision Bedeutung haben,
obwohl dort jede Rüge eines Verfahrensmangels nach §
161 Abs
4 SGG ausgeschlossen ist. Weshalb also die Entscheidungen zur "rügefreien" Sprungrevision auf der Rechtsprechung zum Rügebedarf
bei "normalen" Revisionen "beruhen dürfte", erschließt sich nicht recht.
Im Übrigen:
In den vom 13. Senat angeführten fünf Urteilen haben die BSG-Senate jeweils von Amts wegen geprüft, ob eine Verletzung der
einfachgesetzlichen Vorschriften über den gesetzlichen Richter vorliegt und jeweils einen solchen Verstoß festgestellt. Mit
unterschiedlicher Wortwahl haben sie dann entschieden, dass eine Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils nicht in Betracht
komme, weil der (festgestellte) Verfahrensmangel nur auf Rüge zu beachten, aber nicht gerügt worden sei.
In keiner dieser Entscheidungen finden sich Ausführungen zur Prüfung eines spezifischen Grundrechtsverstoßes oder zu der vom
4. Senat zur Sprungrevision behandelten Thematik. Insbesondere sagt keiner der Senate, er sei nicht direkt an das Verfahrensgrundrecht
aus Art
101 Abs
1 Satz 2
GG in der Auslegung durch das BVerfG gebunden oder "einfachgesetzlich" (also durch rangniedrigeres Recht und damit verfassungswidrig)
davon entbunden worden.
6. Die grundsätzliche Rechtsposition des 4. Senats, die seinem Urteil zu Grunde lag, zu den vom 13. Senat angedeuteten Themen
kann (skizzierend) wie folgt zusammengefasst werden:
a) Verstöße gegen einfachrechtliche Vorschriften zur Bestimmung des streitentscheidenden Richters sind nur auf Rüge der Beteiligten
zu prüfen. Dagegen sind Verstöße gegen Grundrechte und das grundrechtsgleiche Recht des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG auf den gesetzlichen Richter (bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte) von Amts wegen zu prüfen und zu beachten. Der Grundrechtsschutz
und die Beseitigung von Grundrechtsverletzungen ist originäre Aufgabe der Fachgerichte (BVerfG vom 12.1.1983 - 2 BvR 964/82 - BVerfGE 63, 77, 79; BVerfG vom 10.10.1978 - 1 BvR 475/78 - BVerfGE 49, 252, 258).
b) Angesichts der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des gesetzlichen Richters durch Art
101 Abs
1 Satz 2
GG hat jedes Gericht - bei Anlass zu Zweifeln - von Amts wegen für das bei ihm geführte Verfahren nicht nur seine eigene sachliche,
örtliche, funktionelle und geschäftsplanmäßige Zuständigkeit, sondern auch die ordnungsgemäße Besetzung seiner eigenen Richterbank
zu prüfen (BVerfG [Plenumsbeschluss] BVerfGE 95, 322, 330; BVerfG vom 27.1.1994 - 1 BvR 1693/92 - BVerfGE 89, 359-364; BVerfG vom 10.7.1990 - 1 BvR 984/87, 1 BvR 985/87 - BVerfGE 82, 286, 298; BVerfG vom 11.10.1983 - 1 BvL 73/78 - BVerfGE 65, 152, 154; BVerfG vom 3.12.1975 - 2 BvL 7/74 - BVerfGE 40, 356, 360). Auch die Zulässigkeit des Rechtswegs und die Zulässigkeit einer bestimmten Verfahrensart haben Gerichte von Amts wegen
zu prüfen (BVerfG vom 26.8.1991 [stattgebender Kammerbeschluss] - 2 BvR 121/90 - NJW 1992, 359 - 361). Bei der Zulässigkeit des Rechtswegs, der Zuständigkeit, der ordnungsgemäßen Besetzung und der Zulässigkeit einer
bestimmten Verfahrensart handelt es sich um Elemente der Gewährleistung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen
Richter gemäß Art
101 Abs
1 Satz 2
GG.
c) Das Rechtsmittelgericht muss nicht nur das eigene Rechtsmittelverfahren an den Maßgaben des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG prüfen, sondern auch einen entsprechenden, überprüfenden Grundrechtsschutz im Hinblick auf die Entscheidung der Vorinstanz
gewährleisten. Grundrechtsrelevante Verletzungen des Rechts auf den gesetzlichen Richter iS des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG sind vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen zu beachten (vAw geprüft aber dennoch 'offen gelassen': BAG vom 28.9.1961 - 2 AZR 32/60 - BAGE 11, 276 = NJW 1962, 318; so zur Besetzung des LG in FGG-Verfahren: BGH vom 13.7.1995 - V ZB 6/94 - BGHZ 130, 304, 307; so zur sachlichen Zuständigkeit gemäß §
6 StPO: BGH vom 3.8.1995 - 4 StR 416/95 - StV 1995, 620 - 621; BGH vom 21.4.1994 - 4 StR 136/94 - BGHSt 40, 120 - 124; BGH vom 27.2.1992 - 4 StR 23/92 - BGHSt 38, 212 - 213; BGH vom 6.2.1992 - 4 StR 626/91 - NStZ 1992, 397; BGH vom 12.12.1991 - 4 StR 506/91 - BGHSt 38, 172 - 177; anders zur "zweistufigen" Prüfungsregel des §
328 Abs
2 StPO: BGH vom 30.7.1996 - 5 StR 288/95 - BGHSt 42, 205 - 214; so zur fehlerhaften Entscheidung durch den Einzelrichter gemäß §
568 Satz 2
ZPO: ständige Rechtsprechung seit BGH vom 13.3.2003 - IX ZB 134/02 - BGHZ 154, 200 - 205; BGH vom 20.3.2003 - IXa ZB 55/03 - DGVZ 2003, 90; BGH vom 10.4.2003 - VII ZB 17/02 - BB 2003, 1200 = BGHReport 2003, 9001 = MDR 2003, 949; BGH vom 29.7.2003 - VIII ZB 59/03 - WuM 2003, 637; BGH vom 11.9.2003 - XII ZB 188/02 - NJW 2003, 3712; BGH vom 3.11.2003 - II ZB 35/02 - juris; BGH vom 5.11.2003 - XII ZB 105/03 - FamRZ 2004, 363; BGH vom 10.11.2003 - II ZB 14/02 - NJW 2004, 448 f; BGH vom 25.11.2003 - VIII ZB 122/02 - NJW-RR 2004, 1714 f; BGH vom 13.7.2004 - VI ZB 63/03 - NJW-RR 2004, 1717; BGH vom 27.10.2005 - III ZB 66/05 - NJW-RR 2006, 286-287; so zur amtswegigen Prüfung der Merkmale des §
96 SGG und der Frage, ob das LSG damit als gesetzlicher Richter zur Sachentscheidung über den Folgebescheid befugt ist: BSG vom
17.11.2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 15; BSG vom 31.7.2002 - B 4 RA 113/00 R - juris; so auch die herrschende Rechtsprechung zur Rechtswegzuständigkeit bis zur Einführung des §
17a GVG: zB BSG vom 9.5.1984 - 4 RJ 44/83 - SozR 1500 § 141 Nr 13; früher schon BSG vom 11.12.1968 - 10 RV 606/65 - BSGE 29, 44 - insoweit nur in juris veröffentlicht [RdNr 16]).
d) Darüber hinaus sind auch nach der Rechtsprechung des BSG in der Berufungsinstanz begangene Verfahrensfehler vom Revisionsgericht
von Amts wegen zu beachten, wenn sie im Revisionsverfahren derart fortwirken, dass sie bei ihrer Nichtbeachtung auch das Verfahren
des Revisionsgerichts fehlerhaft machen würden (seit BSG vom 28.7.1961 - 8 RV 145/59 - BSGE 14, 298 f; May, Die Revision, 2. Aufl 1997, Teil VI RdNr 95). So führt die Nichtbeachtung und das Unterbleiben der Beseitigung einer
Grundrechtsverletzung des Vordergerichts iS des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG durch das Rechtsmittelgericht nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG dazu, dass auch die Rechtsmittelentscheidung gegen
Art
101 Abs
1 Satz 2
GG verstößt (BVerfG vom 5.7.2005 [stattgebender Kammerbeschluss] - 2 BvR 497/03 - NVwZ 2005, 1304, 1309; BVerfG vom 2.6.2005 [stattgebender Kammerbeschluss] - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 - NJW 2005, 3410, 3414 = BVerfGK 5, 269, 288; BVerfG vom 16.2.2005 [stattgebender Kammerbeschluss] - 2 BvR 581/03 - SozR 4-1720 § 21e Nr 1, Rz 5, 19; BVerfG vom 3.7.1962 - 2 BvR 628/60, 2 BvR 247/61 - BVerfGE 14, 156, 162) und damit fehlerhaft ist. Denn Sinn von Verfahrensvorschriften, wozu auch die Vorschriften über den Umfang der amtswegigen
Prüfung durch das Revisionsgericht gehören, kann es nicht sein, eine andernfalls nur im Wege der Verfassungsbeschwerde mögliche
Überprüfung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter iS des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG durch das Rechtsmittelgericht auszuschließen (so zum ausdrücklichen Rechtsmittelausschluss gemäß §
568 Satz 3
ZPO: BGH vom 25.11.2003 - VIII ZB 122/02 - NJW-RR 2004, 1714 f).
e) Der 4. Senat des BSG ist also von Verfassungs wegen auch verpflichtet, die Verletzung eines Grundrechts zu beseitigen und
die Perpetuierung eines Grundrechtsverstoßes zu verhindern (vgl zB BVerfG [3. Kammer des 2. Senats] vom 2.6.2005 - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 - NJW 2005, 3410, 3414 = BVerfGK 5, 269, 288; BVerfG [3. Kammer des 2. Senats] vom 5.7.2005 - 2 BvR 497/03 - NVwZ 2005, 1304, 1309; BVerfG [3. Kammer des 2. Senats] vom 16.2.2005 - 2 BvR 581/03 - juris und SozR 4-1720 § 21e Nr
1, Rz 5, 19; zu Art
101 Abs
1 Satz 2
GG siehe: BVerfG [3. Kammer des 2. Senats] vom 2.6.2005 - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 - NJW 2005, 3410, 3414 = BVerfGK 5, 269, 288; BVerfG [3. Kammer des 2. Senats] vom 5.7.2005 - 2 BvR 497/03 - NVwZ 2005, 1304, 1309). Das Rechtsmittelgericht hat insoweit zu prüfen, ob die Grenzen der den gesetzlichen Richter gewährleistenden Vorschriften
eingehalten wurden (zu §
26a StPO: BVerfG [3. Kammer des 2. Senats] vom 2.6.2005 - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 - NJW 2005, 3410, 3414 = BVerfGK 5, 269, 288; [3. Kammer des 2. Senats] vom 5.7.2005 - 2 BvR 497/03 - NVwZ 2005, 1304, 1309). Infolgedessen hat das Revisionsgericht im Rahmen seiner Befassung mit einem Rechtsstreit jede Entscheidung aufzuheben,
die spezifisch auf einer Verletzung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter iS des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG beruht, um so diese Verletzung zu beenden sowie deren Vertiefung und Fortdauer zu vermeiden (dazu BVerfG [3. Kammer des 2.
Senats] vom 5.7.2005 - 2 BvR 497/03 - NVwZ 2005, 1304, 1309; BVerfG [3. Kammer des 2. Senats] vom 2.6.2005 - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 - NJW 2005, 3410, 3414 = BVerfGK 5, 269, 288; BVerfG [3. Kammer des 2. Senats] vom 16.2.2005 - 2 BvR 581/03 - juris und SozR 4-1720 § 21e Nr 1, Rz 5, 19).
7. Der 4. Senat hält im Wesentlichen aus diesen Gründen auch in diesem Teil der Anfrage an seinen im Urteil vom 16.3.2006
tragend vertretenen Rechtsauffassungen fest.