Ruhen beim Zusammentreffen von Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung
Auf die Anfrage des 13. Senats des BSG vom 20.7.2005 - B 13 RJ 38/04 R -, die der 4. Senat des BSG als auf diese Einordnung des §
266 SGB VI gerichtet versteht, antwortet der 4. Senat wie folgt:
1. Der 4. Senat des BSG hält in Bezug auf Anrechnungslagen und Anrechnungsentscheidungen gegen Einzelansprüche, die aus (Stamm-)Rechten
auf Rente hervorgehen, die vor dem 1.1.1992 entstanden sind, nicht daran fest, dass §
266 SGB VI keine Sonder- oder Ausnahmeregelung zu §
93 SGB VI, sondern stets nur ergänzend und modifizierend bei der Ermittlung der Rentensumme nach §
311 Abs.
2 Nr.
1 Buchst. a
SGB VI anzuwenden ist.
2. Der 4. Senat gibt diese einfachgesetzliche Auslegung des Anwendungsbereichs des §
266 SGB VI im Verhältnis zu §
93 SGB VI einerseits, §
311 SGB VI andererseits auf. Sie kann bei "Altrentnern" zu einer problematischen (Art.
3 Abs.
1 GG) Aufteilung des durch §
266 SGB VI bewirkten Schutzes führen, obwohl sie - ohne dass es insoweit einer verfassungskonformen Auslegung bislang bedurft hätte
- einen Grundrechtseingriff in das Renteneigentum der "Altrentner" verhindern.
3. Der 4. Senat hält hingegen die Auffassung des 5. Senats im Urteil vom 21.4.1999 - B 5 RA 1/97 R für angemessen, wenn die Anrechnungslage nach "altem Recht", also für Bezugszeiten vor dem 1.2.1992, entstanden war, aber
sich danach strukturell geändert und eine neue Anrechnungsregelung für Bezugszeiten nach dem 1.2.1992 notwendig gemacht hat.
Der 5. Senat des BSG hatte allerdings über eine Anrechnungsentscheidung (1993) gegen Ansprüche aus einem Stammrecht auf Regelaltersrente
zu entscheiden, das bei dem im Jahr 1919 geborenen Kläger im Jahr 1984 entstanden war. Ferner hatte dieser ab 1969 bis zum
Ablauf des 31.12.1991 ein Stammrecht auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, da er, anders als sein Recht auf Altersruhegeld, vor
1992 geltend gemacht hatte. Der 5. Senat hat - obwohl auch das Stammrecht auf die Regelaltersrente und der erste Einzelanspruch
hieraus ("Folgerente") vor dem 1.1.1992 entstanden waren (vgl BSG vom 8.11.1995 - 13 RJ 5/95 = SozR 3-2600 §
300 Nr. 5), §
93 SGB VI auf den ersten Anrechnungsverwaltungsakt gegen die Einzelansprüche aus dem Recht auf Altersrente auch für die Bezugszeiten
vor dem 1.2.1992 angewandt und §
266 SGB VI ergänzend herangezogen, also dem Versicherten den neuen "Freibetrag" schon ab01.1992 uneingeschränkt (insoweit im Grundsatz
anders als bisher der 4. Senat, aber konkret mit gleichem Ergebnis) und daneben den "Bestandsschutz" des §
311 SGB VI zuerkannt. Der 5. Senat hat zutreffend darauf hingewiesen, dass seine - weitergehende - Auffassung von vornherein jede ungerechtfertigte
Leistungskürzung verhindert, während die des 4. Senats nicht in jedem Fall eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vermeidet.
4. Allerdings hält der 4. Senat daran fest, dass §
311 (§
312)
SGB VI in den "Altfällen" die Rechtmäßigkeit von nach altem Recht entstandenen Anrechnungslagen und darauf bezogenen Anrechnungsverwaltungsakten
solange fortschreibt, bis die Anrechnungsbeträge (nicht nur wegen der Rentenanpassungen, dh dynamischen Anpassungen des aktuellen
Rentenwerts >auch "Ost"<, des Jahresarbeitsverdienstes und der sich aus § 31 BVG ergebenden Beträge) aus anderen Gründen als denen des Inkrafttretens des §
93 SGB VI aufgehoben und neu festgestellt werden. Denn §
311 SGB VI soll in den "Altfällen" die Struktur des "alten Anrechnungsrechts" solange aufrechterhalten, bis eine neue Anrechnungslage
deswegen entsteht, weil sich der Geldwert des Stammrechts auf Rente gegen den Rentenversicherungsträger oder der des Rechts
auf Verletztenrente gegen den Unfallversicherungsträger nicht nur wegen der Anpassungen ändert und deshalb neu festzustellen
ist. Dass §
93 SGB VI direkt auf alle Ansprüche aus den Stammrechten anzuwenden ist, die nach dem 31.12.1991 entstanden sind, liegt auf der Hand;
insoweit wird §
93 SGB VI ohnehin von §
266 SGB VI ergänzt. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Gründe:
I
1. Der 4. Senat des BSG hat am 31. März 1998 in vier Urteilen zum Regelungsgehalt der §§
93,
266,
267,
311,
312 SGB VI Stellung genommen (B 4 RA 49/96 R = BSGE 82, 83 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7; B 4 RA 59/96 R = SozR 3-2600 § 93 Nr 8; B 4 RA 114/95 R = SozR 3-2600 § 311 Nr 1; B 4 RA 118/95 R = SozR 3-2600 § 311 Nr 2). Er hat dort die in der Anfrage als von ihm geäußert erachtete Rechtsauffassung so nicht vertreten,
"dass in den Anwendungsfällen des §
311 Abs
2 Nr
1 Buchst a
SGB VI diese Vorschrift stets durch §
266 SGB VI zu ergänzen ist". In der Sache B 4 RA 114/95 R (= SozR 3-2600 § 311 Nr 1 S 1, 7) hat er vielmehr in einem Fall, in dem §
311 SGB VI maßgeblich war, weil das Stammrecht auf Rente vor dem 1. Januar 1992 entstanden war, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
es auf §
266 SGB VI nicht ankomme; denn nach Maßgabe des §
311 SGB VI sei die Anrechnungsentscheidung der Beklagten rechtswidrig und auf die Anfechtungsklage aufzuheben gewesen: §
266 SGB VI komme schon deshalb nicht zum Tragen, weil er ausschließlich §
311 SGB VI ergänze (Hinweis auf BSG SozR 3-2600 §
311 Nr 2). Der 4. Senat hat mit Bezug nur auf Anrechnungslagen und Anrechnungsentscheidungen gegen Einzelansprüche, die aus (Stamm-)Rechten
auf Rente hervorgehen, die vor dem 1. Januar 1992 entstanden sind, die Auffassung vertreten, dass in dieser Fallgruppe "§
266 SGB VI nicht etwa als Sonder- oder Ausnahmeregelung zu §
93 SGB VI zu verstehen" sei, sondern "eine den §
311 Abs 2 Nr
1 Buchst a ergänzende Regelung" enthalte.
2. In der letztgenannten Entscheidung hatte der 4. Senat in einem Fall zu entscheiden, in dem das Stammrecht auf Altersruhegeld
im Jahr 1985 entstanden war. Gegen die Einzelansprüche hieraus war nach altem Recht der Anrechnungsbetrag als Erfüllungssurrogat
festgesetzt worden. Anlässlich von Rentenanpassungen (1992, 1993) begehrte der Kläger die Aufhebung des bisherigen Anrechnungsbetrages
und eine Neufeststellung für Bezugszeiten ab Februar 1992 nach §
93 SGB VI. Dies hat der 4. Senat abgelehnt, §
311 SGB VI für anwendbar gehalten und für die Anrechnungslage und die Anrechnungsentscheidung bei Einzelansprüchen aus solchen (Stamm-)Rechten
auf Rente, die vor dem 1. Januar 1992 entstanden sind, §
266 SGB VI als §
311 SGB VI ergänzende und modifizierende Norm eingeordnet. Er hat in einer einfachgesetzlichen systematischen Eingliederung §
266 SGB VI für diese Fallgruppe materiell-rechtlich so verstanden, dass er mangels Anwendbarkeit des §
93 SGB VI, falls die Anrechnungsentscheidung nicht schon gegen §
311 SGB VI verstoße, nur den §
311 SGB VI ergänze und modifiziere, mit dem §
266 SGB VI einen übereinstimmenden Tatbestand habe. Sofern sich nicht bereits materiell-rechtlich aus §
311 SGB VI ergebe, dass eine nach dem 31. Dezember 1991 getroffene Anrechnungsentscheidung der Beklagten für Bezugszeiten ab 1. Februar
1992 rechtswidrig sei (wie in BSG SozR 3-2600 § 311 Nr 1), müsse sichergestellt werden, dass dem Rechtsinhaber trotz der "Anrechnung"
ein Zahlungsanspruch verbleibe, der dem eigentumsgrundrechtlich garantierten Betrag in Höhe des Geldwerts des Stammrechts
auf Rente und einem Betrag in Höhe des sog Freibetrages entspreche; dies komme im Rahmen des §
311 SGB VI - abhängig von der Höhe der jeweiligen Rentensumme und der des individuellen Regelgrenzwertes ("80 vH") - nicht allen Rechtsinhabern
und ggf nicht allen in gleicher Höhe zugute und könne rechentechnisch unterschiedlich ermittelt werden.
3. Auf die Anfrage des 13. Senats des BSG, die der 4. Senat des BSG als auf diese Einordnung des §
266 SGB VI gerichtet versteht, antwortet der 4. Senat des BSG wie folgt:
Der 4. Senat des BSG hält in Bezug auf Anrechnungslagen und Anrechnungsentscheidungen gegen Einzelansprüche, die aus (Stamm-)Rechten
auf Rente hervorgehen, die vor dem 1. Januar 1992 entstanden sind, nicht daran fest, dass §
266 SGB VI keine Sonder- oder Ausnahmeregelung zu §
93 SGB VI, sondern stets nur ergänzend und modifizierend bei der Ermittlung der Rentensumme nach §
311 Abs
2 Nr
1 Buchst a
SGB VI anzuwenden ist.
4. Der 4. Senat gibt diese einfachgesetzliche Auslegung des Anwendungsbereichs des §
266 SGB VI im Verhältnis zu §
93 SGB VI einerseits, §
311 SGB VI andererseits auf. Sie kann bei "Altrentnern" zu einer problematischen (Art
3 Abs
1 GG) Aufteilung des durch §
266 SGB VI bewirkten Schutzes führen, obwohl sie - ohne dass es insoweit einer verfassungskonformen Auslegung bislang bedurft hätte
- einen Grundrechtseingriff in das Renteneigentum der "Altrentner" verhindert.
Der 4. Senat hält hingegen die Auffassung des 5. Senats im Urteil vom 21. April 1999 (B 5 RA 1/97 R) für angemessen, wenn die Anrechnungslage nach "altem Recht", also für Bezugszeiten vor dem 1. Februar 1992, entstanden
war, aber sich danach strukturell geändert und eine neue Anrechnungsregelung für Bezugszeiten nach dem 1. Februar 1992 notwendig
gemacht hat. Der 5. Senat des BSG hatte allerdings über eine Anrechnungsentscheidung (1993) gegen Ansprüche aus einem Stammrecht
auf Regelaltersrente zu entscheiden, das bei dem im Jahr 1919 geborenen Kläger im Jahr 1984 entstanden war. Ferner hatte dieser
ab 1969 bis zum Ablauf des 31. Dezember 1991 ein Stammrecht auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, das er, anders als sein Recht
auf Altersruhegeld, vor 1992 geltend gemacht hatte. Der 5. Senat hat - obwohl auch das Stammrecht auf die Regelaltersrente
und der erste Einzelanspruch hieraus ("Folgerente") vor dem 1. Januar 1992 entstanden waren (stellv BSG SozR 3-2600 §
300 Nr 5), §
93 SGB VI auf den ersten Anrechnungsverwaltungsakt gegen die Einzelansprüche aus dem Recht auf Altersrente auch für die Bezugszeiten
vor dem 1. Februar 1992 angewandt und §
266 SGB VI ergänzend herangezogen, also dem Versicherten den neuen "Freibetrag" schon ab Januar 1992 uneingeschränkt (insoweit im Grundsatz
anders als bisher der 4. Senat, aber konkret mit gleichem Ergebnis) und daneben den "Bestandsschutz" des §
311 SGB VI zuerkannt. Der 5. Senat hat zutreffend darauf hingewiesen, dass seine - weitergehende - Auffassung von vornherein jede ungerechtfertigte
Leistungskürzung verhindert, während die des 4. Senats nicht in jedem Fall eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vermeidet.
Allerdings hält der 4. Senat daran fest, dass §
311 (§
312)
SGB VI in den "Altfällen" die Rechtmäßigkeit von nach altem Recht entstandenen Anrechnungslagen und darauf bezogenen Anrechnungsverwaltungsakten
solange fortschreibt, bis die Anrechnungsbeträge (nicht nur wegen der Rentenanpassungen, dh dynamischen Anpassungen des aktuellen
Rentenwerts >auch "Ost"<, des Jahresarbeitsverdienstes und der sich aus § 31 BVG ergebenden Beträge) aus anderen Gründen als denen des Inkrafttretens des §
93 SGB VI aufgehoben und neu festgestellt werden. Denn §
311 SGB VI soll in den "Altfällen" die Struktur des "alten Anrechnungsrechts" solange aufrechterhalten, bis eine neue Anrechnungslage
deswegen entsteht, weil sich der Geldwert des Stammrechts auf Rente gegen den RV-Träger oder der des Rechts auf Verletztenrente
gegen den UV-Träger nicht nur wegen der Anpassungen ändert und deshalb neu festzustellen ist. Dass §
93 SGB VI direkt auf alle Ansprüche aus den Stammrechten anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 1991 entstanden sind, liegt auf
der Hand; insoweit wird §
93 SGB VI ohnehin von §
266 SGB VI ergänzt.
II
Zur Klarstellung von Inhalt und Tragweite seiner Entscheidung, seine bisherige Ansicht über die einfachgesetzliche Einordnung
des §
266 SGB VI in "Altfällen" aufzugeben, weist der 4. Senat auf die nachfolgenden Rechtssätze hin, an denen er festhält:
1. In den vier oben genannten Entscheidungen vom 31. März 1998 hat der 4. Senat des BSG entschieden, dass die vorgenannten
Rechtsvorschriften vor allem Folgendes verlautbaren:
a) Sie regeln materiell-rechtlich den einzelanspruchsvernichtenden Einwand der Überkompensation ("Doppelversorgung") als Erfüllungssurrogat
(ähnlich der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X) und dazu eine gebundene Ermächtigung des Rentenversicherungsträgers, diesen Einwand durch Eingriff in das Eigentumsgrundrecht
des Versicherten an seinen Einzelansprüchen aus seinem (Stamm-)Recht auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch
Verwaltungsakt (mit Dauerwirkung) durchzusetzen. Hiergegen ist die isolierte Anfechtungsklage gegeben, die - nach Wahl des
Klägers - mit der (echten) Leistungsklage verbunden werden kann.
b) Der Einwand der "Doppelversorgung" rechtfertigt den Grundrechtseingriff nur insoweit, als die Verletztenrente aus der gesetzlichen
Unfallversicherung "Lohnersatzfunktion" hat und dasselbe Sicherungsziel verfolgt wie die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung,
die zwar rechtlich keine Lohnersatz-, jedoch Einkommensersatzfunktion hat; es muss also eine sachliche Kongruenz bestehen.
Soweit hingegen die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung dem Ersatz immaterieller Schäden, insbesondere
dem Ausgleich der durch den Integritätsverlust verursachten seelischen Beeinträchtigungen und Schmerzen dient, ohne dass ihr
eine Genugtuungsfunktion im Sinne des zivilrechtlichen Anspruchs auf Schmerzensgeld zukommt, ist die sachliche Kongruenz nicht
gegeben, eine Anrechnung nicht gerechtfertigt und grundrechtswidrig.
c) Durch klarstellende Gesetzgebung ist ab 1. Januar 1992 mit Wirkung für Bezugszeiten ab 1. Februar 1992 dieser inkongruente
Anteil der Verletztenrente in §
93 Abs
2 Nr
2 Buchst a
SGB VI als sog Freibetrag ausgestaltet worden. Diese Klarstellung war dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten.
d) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Gesetz den für die Unterstellung unter neues Recht maßgeblichen
Stichtag an das Inkrafttreten der Neuregelung (am 1. Januar 1992) gekoppelt hat und grundsätzlich nur Neuzugänge, dh Einzelansprüche
aus nach dem 31. Dezember 1991 entstandenen Stammrechten, dem neuen Recht sofort und in vollem Umfang unterstellt.
Das Gesetz hat die wertbildenden Faktoren des Instituts der Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung nicht geändert,
obwohl dies nahe gelegen hätte, wenn der Verletztenrente erstmals ab Januar 1992 zusätzlich zu ihrer bisherigen Lohnersatzfunktion
ein weiterer, bisher nicht berücksichtigter Gesetzeszweck, nämlich der eines Ausgleichs für immaterielle Schäden, beigemessen
worden wäre; jedenfalls ist durch das Gesetz mit Wirkung ab 1. Januar 1992 klargestellt worden, in welchem Umfang die Verletztenrente
aus der gesetzlichen Unfallversicherung keine Lohnersatzfunktion hat, sondern dem Ausgleich immaterieller Schäden dient und
damit keine "Doppelversorgung" zusätzlich zur
SGB VI-Rente bewirken kann.
e) Für Rentenbezugszeiten ab 1. Februar 1992 kann der materiell-rechtliche Einwand der Überkompensation ("Doppelversorgung")
deshalb nicht mehr aus dem Betrag der Verletztenrente gerechtfertigt werden, welcher der Höhe des sog Freibetrages entspricht.
Denn die Unfallentschädigung hat insoweit keinen im Wesentlichen mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung übereinstimmenden,
sachlich kongruenten Zweck ("Einkommensersatzfunktion"), sondern regelt den Ausgleich immaterieller Schäden und damit einen
anderen Versicherungsgegenstand mit anderem Versicherungsziel.
f) Daran ändert §
311 (und §
312)
SGB VI nichts; dort wurde (für Bezugszeiten ab 1. Februar 1992 sichergestellt, dass ein vor dem 1. Januar 1992 entstandener Einwand
der "Doppelversorgung" gegen Einzelansprüche aus Rechten auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die vor dem 1.
Januar 1992 entstanden waren, nach inhaltlicher Maßgabe der Struktur dieses Erfüllungssurrogats solange fortbesteht, bis eine
strukturell neue Anrechnungslage im Einzelfall entsteht. Dadurch wurde einerseits verhindert, dass die sonst bei Anwendung
des §
93 SGB VI in vielen Fällen mögliche Verschlechterung durch den dort genannten Regelgrenzbetrag ("70 vH") durchgreift; andererseits
wurde "einfachgesetzlich" verhindert, dass die nach altem Recht ergangenen Anrechnungsentscheidungen gesetzwidrig wurden,
soweit sie sich auf den inkongruenten Teil der Verletztenrente, also auf einen Betrag in Höhe des Freibetrages, gestützt hatten.
Erst wenn ein "alter" Anrechnungsverwaltungsakt aus anderen Gründen als denen von "Rentenanpassungen" aufzuheben und der Anrechnungsbetrag
deshalb neu festzusetzen ist, verliert §
311 SGB VI seine rechtfertigende Wirkung, die sich gerade nicht mehr aus dem Sachgrund der "Doppelversorgung" ergibt, soweit die "UV-Rente"
dem Ausgleich immaterieller Schäden dient.
g) Bei den nach dem 31. Dezember 1991 entstandenen Rechten auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es danach
von vornherein keinen materiell-rechtlichen Rechtfertigungsgrund, einen Betrag der Verletztenrente in Höhe des Ausgleichs
für immateriellen Schaden trotz sachlicher Inkongruenz als materiell-rechtlichen einzelanspruchsvernichtenden Einwand (Erfüllungssurrogat)
vorzusehen; daher ist es einfachgesetzlich selbstverständlich, §
93 SGB VI anzuwenden; insoweit ist §
266 SGB VI überflüssig, zumal eine gegenteilige Regelung verfassungsrechtlich "sehr problematisch" wäre. Andererseits wäre ab 1992 bei
alleiniger Anwendung des §
93 SGB VI auf "Folgerenten" und auf "Aufhebungen von Anrechnungsverwaltungsakten und Neufeststellungen der Anrechnungsbeträge" (aus
anderen Gründen als "Rentenanpassungen") ein stärkerer Eingriff in manche Einzelansprüche möglich geworden, den der hierauf
nicht anwendbare §
311 SGB VI nicht hätte verhindern können; insoweit ergänzt §
266 SGB VI, ohne verfassungsrechtlich geboten zu sein, den §
93 SGB VI, indem er auch in diesem Zusammenhang begünstigend die "alte Rechtslage" alternativ aufrechterhält.
2. Der 4. Senat teilt die Kritik des 13. Senats des BSG an dem Kammerbeschluss des BVerfG vom 8. Februar 1995 (SozR 3-2200
§ 636 Nr 1) ebenso wenig wie dessen Verständnis des Beschlusses des Ersten Senats des BVerfG vom 7. November 1972 (BVerfGE
34, 118, 128, 132 bis 134) und des diesen Beschluss inhaltlich übernehmenden Beschlusses des Zweiten Senats des BVerfG vom 8. Januar
1992 (BVerfGE 85, 176, 186, 187). Diese Rechtsprechung des BVerfG hält der 4. Senat des BSG weiterhin für richtig und für bindend. Der Beschluss
der 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG vom 8. Februar 1995 geht zutreffend ua davon aus, dass durch die vorgenannten Senatsentscheidungen
verfassungsrechtlich geklärt ist, dass (schon 1972) ein "Funktionswandel" der Verletztenrente jedenfalls bei MdE-Graden bis
50 vH weg vom Ersatz materieller Schäden (Lohnersatzfunktion) hin zum Ausgleich immaterieller Schäden stattgefunden hatte,
der bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Gesamtsystems zu beachten war, weil eine Beseitigung des unfallversicherungsrechtlichen
Haftungsausschlusses (für Schmerzensgeld, um den es damals ging) in diesen Fällen dazu führen würde, dass der verletzte Arbeitnehmer
besser gestellt würde als der (nur) nach den §§
823 ff
BGB Schadensersatzberechtigte. Nach Auffassung des 4. Senats des BSG handelt es sich bei diesen Gründen der Senatsentscheidungen
des BVerfG um tragende Aussagen des BVerfG. Das hat die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG im Beschluss vom 8. Februar
1995 in gleicher Weise verstanden und als verfassungsrechtlich geklärte Rechtslage ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt. Demnach
hat die Verletztenrente - bei Anwendung des Art
3 Abs
1 GG - in Höhe des Freibetrages keine Lohnersatzfunktion, wie der parlamentarische Gesetzgeber, dem diese Regelung vorbehalten
war, mit Wirkung ab 1. Januar 1992 klargestellt hat.