Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters im sozialgerichtlichen Verfahren; Prüfung durch Rechtsmittelgericht von
Amts wegen; Entscheidung durch Berichterstatter als Einzelrichter ohne Einverständnis der Beteiligten
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten des Klägers in der DDR als
Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die dabei erzielten Arbeitsverdienste
festzustellen.
Der Kläger, dem am 24.5.1973 der Titel eines Ingenieurs zuerkannt wurde, arbeitete in der DDR zuletzt ab 1.1.1989 als Sektorenleiter
in der Kombinatsleitung des VEB Kombinat M., später M. AG. Er war in der DDR in kein Versorgungssystem iS des Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) einbezogen worden.
Den Antrag des Klägers, die Zeit vom 24.5.1973 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech und die dabei erzielten
Arbeitsverdienste festzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 19.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 11.2.2004). Das Sozialgericht Berlin hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 20.1.2005). Das Landessozialgericht Berlin-
Brandenburg (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil des Berichterstatters als Einzelrichter vom 21.11.2005 zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der VEB Kombinat M. sei als Vertrieb von Benzin und Heizöl weder ein Produktionsbetrieb
iS des § 1 Abs 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487) zur Verordnung über die zusätzliche
Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950
(GBl Nr 93 S 844) noch als Versorgungsbetrieb ein gleichgestellter Betrieb iS des § 1 Abs 2 der 2. DB gewesen. Energieträger
wie Benzin und Heizöl seien nicht durch Versorgungs-, sondern durch Handelsbetriebe zum Endverbraucher gebracht worden.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 1, 5 und 8 AAÜG iVm § 1 VO-AVItech iVm §
1 Abs
1 und
2 der 2. DB sowie des §
103 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Der VEB Kombinat M. sei ein Versorgungsbetrieb iS des §
1 Abs 2 der 2. DB.
Dieser habe als wirtschaftlichen Hauptzweck die stabile Versorgung der Bevölkerung und der Volkswirtschaft mit Kraft- und
Schmierstoffen, Heizöl, Flüssiggas und kraftstoffspezifischen Hilfsstoffen verfolgt und dabei Energieumwandlungen selbst vorgenommen,
was nach dem Sprachgebrauch am Ende der DDR zur Energieversorgung gehört habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21.11.2005 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20.1.2005
sowie die Ablehnung im Bescheid der Beklagten vom 19.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.2.2004 aufzuheben
und
die Beklagte zu verpflichten, die Zeiten vom 1.5.1973 bis zum 30.6.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem
der Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG und die daraus erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits
zur Verhandlung und Entscheidung durch den 17. Senat dieses Gerichts begründet. Das Bundessozialgericht (BSG) konnte mangels
bindender Tatsachenfeststellungen (§
163 SGG) nicht erkennen, ob dem Kläger wegen einer fiktiven Einbeziehung in den Anwendungsbereich des AAÜG im Sinne der Rechtsprechung des BSG (zuletzt BSG vom 7.9.2006 - B 4 RA 41/05 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 11) auf Grund seiner Beschäftigung am 30.6.1990 als Sektorenleiter bei der Kombinatsleitung des VEB
Kombinat M. ein Anspruch auf Datenfeststellungen nach den §§ 5 bis 8 AAÜG zustand.
Das LSG hat Bundesrecht (Art
101 Abs
1 Satz 2
Grundgesetz [GG], §
155 Abs 3, 4
SGG) dadurch verletzt, dass der Berichterstatter den Berufungsrechtsstreit als Einzelrichter (§
155 Abs
4 SGG) entschieden hat, obwohl die Voraussetzungen dafür offensichtlich nicht vorlagen. Es gab kein wirksames Einverständnis der
Beteiligten, weil die Erklärung der Beklagten im Gegensatz zu der des Klägers nicht ausdrückte, allein der Berichterstatter
des LSG-Senats solle als Einzelrichter entscheiden.
A. Die Revision ist statthaft und wurde zulässig eingelegt.
Insbesondere ist die Zulassung der Revision nicht unwirksam. Das
SGG bestimmt nicht, dass ein Einzelrichter die Revision nicht zulassen kann; das BSG ist an die Zulassung gebunden, §
160 Abs
3 SGG (so zu §
161 Abs
2 Satz 2
SGG: BSG vom 16.3.2006 - B 4 RA 59/04 R - SozR 4-1500 §
105 Nr 1 RdNr 11; zur Rechtsbeschwerde der
Zivilprozessordnung [ZPO]:
ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs [BGH], seit BGH vom 13.3.2003 - IX ZB 134/02 - BGHZ 154, 200, 203 f).
B. Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des Berichterstatters des LSG und der Zurückverweisung der Sache an
dessen 17. Senat begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Das BSG darf die vom Berichterstatter des LSG festgestellten Tatsachen seiner Sachentscheidung nicht zu Grunde legen. Denn
sie waren von einem anderen als dem gesetzlichen Richter mittels eines vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachtenden
Verstoßes gegen das grundrechtsgleiche Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art
101 Abs
1 Satz 2
GG) festgestellt worden. Würde das BSG diese grundrechtswidrig von einem dazu nicht befugten Richter festgestellten Tatsachen
seiner Sachentscheidung zu Grunde legen, würde der Grundrechtsverstoß intensiviert und verfahrensentscheidend fortwirken.
Das wäre mit der Pflicht des BSG, Grundrechtsverletzungen auszuräumen, unvereinbar. Dazu näher im Folgenden:
1. Nach Art
101 Abs
1 Satz 2
GG darf in jedem Einzelfall kein anderer als der Richter tätig werden, der in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne
der Gerichte dafür vorgesehen ist (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] vom 9.5.1978 - 2 BvR 952/75 - BVerfGE 48, 246, 254; BVerfG vom 8.2.1967 - 2 BvR 235/64 - BVerfGE 21, 139, 145).
Das
SGG bestimmt für Entscheidungen über das Rechtsmittel der Berufung den jeweils nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen
Fachsenat zum gesetzlichen Richter, der bei Urteilen sowie bei Beschlüssen auf Grund mündlicher Verhandlung mit einem Vorsitzenden,
zwei Berufs- und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt ist (§§
33,
29,
30,
31 Abs
1,
153 Abs
3 Satz 1
SGG). Nur unter den im Gesetz selbst bestimmten Voraussetzungen des §
155 Abs
3 und
4 SGG kann statt dieses Spruchkörpers der Vorsitzende oder der Berichterstatter als gesetzlicher Richter zur Entscheidung über
die Berufung eingesetzt sein. Diese Voraussetzungen waren bei dem hier angefochtenen Urteil des Berichterstatters nicht erfüllt,
weil offensichtlich kein "Einverständnis der Beteiligten" vorlag.
2. Gemäß §
155 Abs
3 SGG kann der Vorsitzende im Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senats entscheiden. Nach Abs 4 aaO gilt: "Ist ein Berichterstatter
bestellt, so entscheidet dieser an Stelle des Vorsitzenden".
Grundvoraussetzungen für eine Entscheidung eines Einzelrichters (des Vorsitzenden oder des Berichterstatters) an Stelle des
Senats sind nach §
155 Abs
3,
4 SGG, dass der Vorsitzende und ggf der Berichterstatter (nach dem Gesetz und dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan) als
gesetzliche Richter zur Mitwirkung an der Entscheidung über die Berufung bestellt sind und dass die Beteiligten übereinstimmend
erklärt haben, dass sie mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden oder aber durch den Berichterstatter einverstanden sind.
2.1. Der Vorsitzende ist kraft Gesetzes immer zur Mitentscheidung im Senat bestellt. Wer iS des §
155 Abs
4 SGG bestellter Berichterstatter ist, ergibt sich grundsätzlich durch die Bestimmung in dem vom Senat beschlossenen senatsinternen
Geschäftsverteilungsplan nach §
6 SGG iVm §
21g Abs
3 Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG). Dort ist geregelt, welcher der für die Streitsache abstrakt und im Voraus zur Mitentscheidung im Senat berufenen Richter
die Sache (vorbehaltlich der dem Vorsitzenden kraft Gesetzes zugewiesenen Kompetenzen) bis zur Entscheidungsreife vorzubereiten,
dem Senat ein Votum vorzulegen, den Sachstand in der mündlichen Verhandlung vorzutragen und dem Senat in der Beratung einen
Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten hat. Soweit dort kein anderer Richter als Berichterstatter benannt ist, hat der Vorsitzende
diese Aufgaben wahrzunehmen, der aber auch ausdrücklich zum Berichterstatter ernannt werden kann. Ob es darüber hinaus noch
andere Arten einer wirksamen Bestellung zum Berichterstatter gibt, kann offen bleiben. Denn der Einzelrichter, dessen Urteil
hier angefochten ist, war der im Geschäftsverteilungsplan des LSGSenats für diesen Fall bestellte Berichterstatter.
2.2. Das Einverständnis setzt zwei inhaltlich übereinstimmende Prozesserklärungen der Beteiligten voraus. Sie müssen eindeutig
darauf gerichtet sein, statt des Senats solle (nur) einer der beiden im Gesetz genannten Richter, der Vorsitzende oder aber
der Berichterstatter, über ihren Rechtsstreit entscheiden. Auch ein Berichterstatter darf - trotz des Wortlauts des Abs 4
aaO - nur entscheiden, wenn die Beteiligten gerade darin übereinstimmen, er und kein anderer solle zur Entscheidung berufen
werden. Denn das Verfahrensgrundrecht des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG lässt nicht zu, dass den Beteiligten an Stelle des von ihnen "konsentierten" Vorsitzenden der "nicht konsentierte" Berichterstatter
als Einzelrichter (auch an Stelle des Senats) aufgezwungen wird.
Einziger Erlaubnisgrund dafür, dass an Stelle des vom Gesetz grundsätzlich zur Entscheidung berufenen Senats ein Einzelrichter
(Vorsitzender oder Berichterstatter) über den Berufungsrechtsstreit entscheiden darf, ist nach §
155 Abs
3,
4 SGG das Einverständnis der Beteiligten.
Dieses muss sich daher auf einen konkreten Richter beziehen und ist an diesen gebunden. Die Einverständniserklärungen müssen
dabei so konkret, klar und eindeutig sein (Bernsdorff in:
Hennig,
SGG, §
155 Rz 56), dass sich alleine auf ihrer Grundlage eindeutig bestimmen lässt, welcher Richter von den Beteiligten zum konsentierten
und damit zum gesetzlichen Richter gewählt ist und welche der anderen zur Verfügung stehenden Spruchkörper von der Entscheidung
ausgeschlossen sind. Andernfalls wäre die Vorschrift des §
155 Abs
3 und
4 SGG im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG zu unbestimmt (dazu unter 5.).
2.3. Eine eindeutige und konkrete Einverständniserklärung der Beklagten zur Entscheidung gerade durch den Berichterstatter
als konsentierten Einzelrichter iS des §
155 Abs
4 iVm Abs
3 SGG lag nicht vor. Die Beklagte hatte gegenüber dem LSG erklärt: "Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§
124 Abs.
2 des Sozialgerichtsgesetzes -
SGG -) bzw. durch Be- schluss (§
153 Abs.
4 SGG) oder durch den Vorsitzenden (§
155 Abs.
3 und
4) sind wir einverstanden." 2.3.1. Diese Erklärung lässt völlig offen, wer entscheiden soll, der Senat in voller Besetzung,
nur die Berufsrichter des Senats ("§
153 Abs
4 SGG"), der Vorsitzende oder der noch nicht einmal genannte Berichterstatter, der nur indirekt durch die Erwähnung des §
155 Abs
4 SGG in Bezug genommen ist. Nicht deutlich wird, dass die Beklagte ihr Wahlrecht gemäß §
155 Abs
3 und
4 SGG ausgeübt hat und den schon ernannten Berichterstatter an Stelle des Senats zur Entscheidung bestimmen wollte. Sie hat es
vielmehr dem Gericht überlassen zu wählen, welcher der vom Gesetz zur Verfügung gestellten Spruchkörper zur Entscheidung berufen
sein soll. Die Beklagte hat damit keine eindeutige und klare Wahlentscheidung verlautbart und deshalb keine wirksame Einverständniserklärung
iS des §
155 Abs
3 und
4 SGG abgegeben.
2.3.2. Auch eine Auslegung der Prozesserklärung der Beklagten anhand der Fragestellung des Gerichts (Anfrage durch den Berichterstatter)
und der Erklärung des Klägers führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Erklärung der Beklagten lässt sich allenfalls dahin verstehen,
dass "auch" der in ihrer Erklärung nicht genannte Berichterstatter zur Entscheidung berufen sein solle, dass aber auch der
Senat oder der Vorsitzende entscheiden könne. Erforderlich wäre aber eine Erklärung gewesen, dass nur der Berichterstatter
zur Entscheidung berufen sein sollte.
2.3.3. Die Beklagte durfte dem Gericht die Entscheidung darüber, welcher Spruchkörper den Berufungsrechtsstreit entscheiden
solle, nicht überlassen.
Eine Ersetzung dieses Einverständnisses durch den Einzelrichter selbst ist gemäß Art
101 Abs
1 Satz 2
GG untersagt. Denn danach ist der im Einzelfall zur Mitwirkung berufene Richter durch vorher gefasste, abstrakt-generelle Rechtssätze
so genau wie möglich zu bestimmen (seit BVerfG vom 3.2.1965 - 2 BvR 166/64 - BVerfGE 18, 344, 349; BVerfG vom 2.6.1964 - 2 BvR 498/62 - BVerfGE 18, 65, 69; BVerfG vom 24.3.1964 - 2 BvR 42/63, 83/63 und 89/63 - BVerfGE 17, 294, 298 f). Dies bedeutet, dass überall dort, wo dies nach dem vom Gesetz gewählten Regelungskonzept ohne Beeinträchtigung der
Effektivität der Rechtsprechungstätigkeit möglich ist, die Bestimmung des entscheidenden Richters anhand von Kriterien zu
erfolgen hat, die subjektive Wertungen weitgehend ausschließen (BVerfG [Plenumsbeschluss] vom 8.4.1997 - 1 PBvU 1/95 - BVerfGE 95, 322, 330). Raum für derartige vermeidbare subjektive Wertungen würde aber eröffnet, wenn es in die Entscheidung eines Richters
(hier: des Berichterstatters) gestellt würde, ob er ohne Einverständnis der Beteiligten selbst an Stelle eines anderen Richters
oder des Senats über den Rechtsstreit entscheiden darf. §
155 Abs
3 und
4 SGG stellt gerade für diese Frage, wer im Konfliktfall darüber entscheidet, wer von den drei gesetzlich zur Entscheidung bereit
gestellten Spruchkörpern zur Entscheidung im Einzelfall berufen ist, kein Regelungskonzept (zB Übertragungsvorschriften) zur
Verfügung. Die Vorschrift wäre insoweit grundrechtswidrig lückenhaft. Die Lücke wird allein durch die in einem wirksamen Einverständnis
liegende übereinstimmende Wahlentscheidung der Beteiligten geschlossen.
2.3.4. Die Beklagte hat eindeutig nicht erklärt, dass nur der Berichterstatter als gesetzlicher Richter über den Berufungsrechtsstreit
zu entscheiden habe. Ihre Erklärung ist damit nicht geeignet, ein wirksames Einverständnis iS des §
155 Abs
3 und
4 SGG herbeizuführen. Die Erklärung der Beklagten ist unwirksam. Daher liegt kein Einverständnis beider Beteiligten mit einer Entscheidung
durch den Berichterstatter vor. Dieser war somit nicht zum gesetzlichen Richter bestellt und durfte den Rechtsstreit nicht
nach §
155 Abs
4 iVm Abs
3 SGG an Stelle des Vorsitzenden und des Senats entscheiden.
3. Diese Bundesrechtsverletzung ist vom BSG von Amts wegen zu beachten. Denn der Berichterstatter hat zugleich das grundrechtsgleiche
Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter iS des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG verletzt.
3.1. Da die Voraussetzungen des §
155 Abs
3 und
4 SGG (dazu oben) nicht vorlagen, war nicht der Berichterstatter zum gesetzlichen Richter bestimmt, sondern der Senat des LSG.
Der Berichterstatter hat sich somit an die Stelle des nach den allgemeinen Regelungen (§§
29,
30,
31 Abs
1,
153 Abs
3 Satz 1
SGG iVm dem jeweils maßgeblichen Geschäfts- und Mitwirkungsplan) zur Entscheidung berufenen Senats gesetzt und den Beteiligten
den gesetzlichen Richter entzogen (so zu §
524 ZPO aF auch BGH vom 19.10.1988 - IVb ZR 10/88 - BGHZ 105, 270, 276).
3.1.1. Der Berichterstatter hat damit auch spezifisch Art
101 Abs
1 Satz 2
GG verletzt. Die Entscheidung eines Gerichts verstößt gegen das in Art
101 Abs
1 Satz 2
GG enthaltene Gebot des gesetzlichen Richters, wenn sie von willkürlichen Erwägungen bestimmt ist. Dies ist stets jeweils nach
den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm ist dies der Fall, wenn
die Entscheidung des Gerichts sich nach einem objektiven, vom Willen und Verschulden des jeweiligen Gerichts unabhängigen
Maßstab (BVerfG vom 26.4.2005 - 1 BvR 1924/04 - NJW 2005, 1931 ff) so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, dass sie nicht
mehr zu rechtfertigen ist und unter verständiger Würdigung der das
GG bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint (BVerfG vom 14.5.2007 - 1 BvR 2036/05 - NVwZ 2007, 942 ff; BVerfG vom 19.10.2006 - 2 BvR 1365/06 - juris; BVerfG vom 5.7.2005 - 2 BvR 497/03 - NVwZ 2005, 1304 ff; BVerfG vom 2.6.2005 - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 - NJW 2005, 3410 ff; BVerfG vom 30.6.1970 - 2 BvR 48/70 - BVerfGE 29, 45, 48 f mwN).
Objektiv hat der Einzelrichter mit seiner Entscheidung an Stelle des Senats den Beteiligten den gesetzlich zuständigen Richter
entzogen. Es liegt auch eine objektive Willkür vor, weil die Grundvoraussetzung des §
155 Abs
3 und
4 SGG, das Einverständnis der Beteiligten mit der Entscheidung durch einen bestimmten Einzelrichter, wegen der auf der Hand liegenden
Mängel der Erklärung der Beklagten nicht erfüllt waren. Der Berichterstatter hat sich damit so weit von dem verfassungsrechtlichen
Grundsatz, dass nur der vorherbestimmte Richter als gesetzlicher Richter einen Rechtsstreit entscheiden darf, entfernt, dass
dies nicht zu rechtfertigen ist. Bei jeder Entscheidung durch einen augenfällig nicht gesetzlich vorher bestimmten Richter
werden nämlich Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, die nach Art
101 Abs
1 Satz 2
GG, der sich auch gegen die rechtsprechende Gewalt richtet, gerade zu vermeiden sind.
3.2. Diesen Grundrechtsverstoß hatte das BSG von Amts wegen zu prüfen.
3.2.1. Während rechtsirrtümliche, aber nicht objektiv willkürliche Fehlanwendungen einfachrechtlicher Vorschriften über den
gesetzlichen Richter, soweit sie nicht spezialgesetzlich für unbeachtlich erklärt sind, vom Revisionsgericht nur auf Rüge
der Beteiligten zu prüfen sind, muss dieses Verstöße gegen Grundrechte und das grundrechtsgleiche Recht des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG auf den gesetzlichen Richter (bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte) von Amts wegen prüfen und ggf beseitigen. Der Grundrechtsschutz
und die Beseitigung von Grundrechtsverletzungen ist originäre Aufgabe der Fachgerichte (BVerfG vom 12.1.1983 - 2 BvR 964/82 - BVerfGE 63, 77, 79; BVerfG vom 10.10.1978 - 1 BvR 475/78 - BVerfGE 49, 252, 258).
Das Revisionsgericht ist also von Verfassungs wegen verpflichtet, die Verletzung eines Grundrechts zu beseitigen und die Perpetuierung
eines Grundrechtsverstoßes zu verhindern (vgl zB BVerfG vom 2.6.2005 - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 [3. Kammer] - NJW 2005, 3410, 3414 = BVerfGK 5, 269, 288; BVerfG vom 5.7.2005 - 2 BvR 497/03 [3. Kammer] - NVwZ 2005, 1304, 1309; BVerfG vom 16.2.2005 - 2 BvR 581/03 [3. Kammer] - juris und SozR 4-1720 § 21e Nr
1, RdNr
5, 19; zu Art
101 Abs
1 Satz 2
GG siehe: BVerfG vom 2.6.2005 - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 [3. Kammer] - NJW 2005, 3410, 3414 = BVerfGK 5, 269, 288; BVerfG vom 5.7.2005 - 2 BvR 497/03 [3. Kammer] - NVwZ 2005, 1304, 1309).
3.2.2. Das Rechtsmittelgericht muss nicht nur das eigene Verfahren an den Maßgaben des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG prüfen, sondern auch einen entsprechenden überprüfenden Grundrechtsschutz im Hinblick auf die Entscheidung der Vorinstanz
gewährleisten. Grundrechtsrelevante Verletzungen des Rechts auf den gesetzlichen Richter iS des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG sind vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen zu beachten (vAw geprüft aber dennoch 'offen gelassen': BAG vom 28.9.1961 - 2 AZR 32/60 - BAGE 11, 276 = NJW 1962, 318; so zur Besetzung des LG in FGG-Verfahren: BGH vom 13.7.1995 - V ZB 6/94 - BGHZ 130, 304, 307; so zur sachlichen Zuständigkeit gemäß §
6 StPO: BGH vom 3.8.1995 - 4 StR 416/95 - StV 1995, 620 - 621; BGH vom 21.4.1994 - 4 StR 136/94 - BGHSt 40, 120 - 124; BGH vom 27.2.1992 - 4 StR 23/92 - BGHSt 38, 212 - 213; BGH vom 6.2.1992 - 4 StR 626/91 - NStZ 1992, 397; BGH vom 12.12.1991 - 4 StR 506/91 - BGHSt 38, 172 - 177; anders zur "zweistufigen" Prüfungsregel des §
328 Abs
2 StPO: BGH vom 30.7.1996 - 5 StR 288/95 - BGHSt 42, 205 - 214; so zur fehlerhaften Entscheidung durch den Einzelrichter gemäß §
568 Satz 2
ZPO: ständige Rechtspre- chung seit BGH vom 13.3.2003 - IX ZB 134/02 - BGHZ 154, 200 - 205; BGH vom 20.3.2003 - IXa ZB 55/03 - DGVZ 2003, 90; BGH vom 10.4.2003 - VII ZB 17/02 - BB 2003, 1200 = BGH Report 2003, 9001 = MDR 2003, 949; BGH vom 29.7.2003 - VIII ZB 59/03 - WuM 2003, 637; BGH vom 11.9.2003 - XII ZB 188/02 - NJW 2003, 3712; BGH vom 3.11.2003 - II ZB 35/02 - juris; BGH vom 5.11.2003 - XII ZB 105/03 - FamRZ 2004, 363; BGH vom 10.11.2003 - II ZB 14/02 - NJW 2004, 448 f; BGH vom 25.11.2003 - VIII ZB 122/02 - NJW-RR 2004, 1714 f; BGH vom 13.7.2004 - VI ZB 63/03 - NJW-RR 2004, 1717; BGH vom 27.10.2005 - III ZB 66/05 - NJW-RR 2006, 286-287; so zur amtswegigen Prüfung der Merkmale des §
96 SGG und der Frage, ob das LSG damit als gesetzlicher Richter zur Sachentscheidung über den Folgebescheid befugt ist: BSG vom
17.11.2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 15; BSG vom 31.7.2002 - B 4 RA 113/00 R - juris; so auch die herrschende Rechtsprechung zur Rechtswegzuständigkeit bis zur Einführung des §
17a GVG: zB BSG vom 9.5.1984 - 4 RJ 44/83 - SozR 1500 § 141 Nr 13; früher schon BSG vom 11.12.1968 - 10 RV 606/65 - BSGE 29, 44 - insoweit nur in juris veröffentlicht [RdNr 16]).
3.2.3. Darüber hinaus sind auch nach der Rechtsprechung des BSG in der Berufungsinstanz begangene Verfahrensfehler vom Revisionsgericht
von Amts wegen zu beachten, wenn sie im Revisionsverfahren derart fortwirken, dass sie bei ihrer Nichtbeachtung auch das Verfahren
des Revisionsgerichts fehlerhaft machen würden (seit BSG vom 28.7.1961 - 8 RV 145/59 - BSGE 14, 298 f; May, Die Revision, 2. Aufl 1997, Teil VI RdNr 95). So führt die Nichtbeachtung und das Unterbleiben der Beseitigung einer
Grundrechtsverletzung des Vordergerichts iS des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG durch das Rechtsmittelgericht nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG dazu, dass auch die Rechtsmittelentscheidung gegen
Art
101 Abs
1 Satz 2
GG verstößt (BVerfG vom 5.7.2005 [stattgebender Kammerbeschluss] - 2 BvR 497/03 - NVwZ 2005, 1304, 1309; BVerfG vom 2.6.2005 [stattgebender Kammerbeschluss] - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 - NJW 2005, 3410, 3414 = BVerfGK 5, 269, 288; BVerfG vom 16.2.2005 [stattgebender Kammerbeschluss] - 2 BvR 581/03 - SozR 4-1720 § 21e Nr 1, RdNr 5, 19; BVerfG vom 3.7.1962 - 2 BvR 628/60, 2 BvR 247/61 - BVerfGE 14, 156, 162) und damit fehlerhaft ist.
Der Sinn von Verfahrensvorschriften, wozu auch die Vorschriften über den Umfang der amtswegigen Prüfung durch das Revisionsgericht
gehören, kann nicht sein, eine andernfalls nur im Wege der Verfassungsbeschwerde mögliche Überprüfung des grundrechtsgleichen
Rechts auf den gesetzlichen Richter iS des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG durch das Rechtsmittelgericht auszuschließen (so zum ausdrücklichen Rechtsmittelausschluss gemäß §
568 Satz 3
ZPO: BGH vom 25.11.2003 - VIII ZB 122/02 - NJW-RR 2004, 1714 f). Dies würde auch die Subsidiarität des Grundrechtsschutzes durch das BVerfG beeinträchtigen.
3.2.4. Die Prüfungs- und Beseitigungspflicht des Revisionsgerichts hängt nicht von einer Rüge der spezifischen Verletzung
des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter durch den Verletzten ab. Denn der Betroffene hat nicht die Rechtsmacht,
durch sein prozessuales Verhalten die Unbeachtlichkeit dieses Grundrechtsverstoßes für das Gericht herbeizuführen.
Schon die Verletzung jener einfachgesetzlichen Verfahrensvorschriften, deren Befolgung nach §
295 Abs
2 ZPO unverzichtbar sind, bedarf im Revisionsverfahren nicht der Rüge (May, aaO, RdNr 97; vgl zur Unverzichtbarkeit der Rechte
aus solchen einfachgesetzlichen Verstößen in Verfahren, in denen die vorschriftswidrige Besetzung allerdings gerügt worden
war, BGH vom 19.10.1992 - II ZR 171/91 - NJW 1993, 600, 601; BVerwG vom 23.8.1996 - 8 C 19/95 - BVerwGE 102, 7, 10 f; BVerwG vom 16.12.1980 - 6 C 110/79 - Buchholz 310 §
138 Ziff 1
VwGO Nr 20; BFH vom 28.3.2006 - IV B 119/05 - juris). Das gilt erst recht für das aus einer spezifischen Verletzung des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG resultierende verfassungsrechtliche Beseitigungsrecht des Bürgers, das schon wegen des Vorrangs der Verfassung durch einfachgesetzliche
Regelungen nicht eingeschränkt werden kann. Denn der Grundsatz des gesetzlichen Richters dient der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit
im gerichtlichen Verfahren schlechthin; er enthält objektives Verfassungsrecht (BVerfG vom 3.12.1975 - 2 BvL 7/74 - BVerfGE 40, 356, 361), das nicht zur Disposition Privater steht.
3.2.5. Diese Pflicht des Revisionsgerichts, bei Vorliegen von Anhaltspunkten Verstöße gegen das grundrechtsgleiche Verfahrensrecht
des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG von Amts wegen zu prüfen und zu beseitigen, findet ihr Spiegelbild darin, dass auch das BVerfG bei Verfassungsbeschwerden
im Einzelfall eine Verletzung des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG ohne Rüge von Amts wegen prüft (BVerfG vom 29.7.2004 [stattgebender Kammerbeschluss] - 2 BvR 2248/03 - BVerfGK 3, 355, 359 = NVwZ 2004, 1224, 1225; BVerfG vom 8.5.1991 [stattgebender Kammerbeschluss] - 2 BvR 1380/90 - NJW 1991, 2893; BVerfG vom 29.6.1976 - 2 BvR 948/75 - BVerfGE 42, 237, 240).
4. Um den dargelegten Grundrechtsverstoß zu beseitigen, ist das Urteil des Berichterstatters mit seinen Tatsachenfeststellungen
aufzuheben und der Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung an den 17. Senat des LSG zurückzuverweisen, §
170 Abs
2 Satz 2
SGG.
Im Übrigen wären Tatsachenfeststellungen eines Richters, welche dieser unter Verletzung gerade des Verfahrensgrundrechts auf
den gesetzlichen Richter getroffen hat, für das Revisionsgericht nicht bindend; es darf sie nicht zur Grundlage seiner Entscheidung
machen.
Andernfalls würde es die Grundrechtsverletzung verfestigen und dadurch selbst Art
101 Abs
1 Satz 2
GG verletzen.
5. Die Zurückverweisung erfolgt an den 17. Senat des LSG selbst. Da derzeit kein wirksames Einverständnis der Beteiligten
mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter vorliegt, ist der Senat des LSG gesetzlicher Richter. Für das weitere Verfahren
wird er Folgendes zu berücksichtigen haben:
Das Gesetz stellt abstrakt für die Entscheidung über einen Berufungsrechtsstreit beim LSG drei Spruchkörper zur Verfügung,
den grundsätzlich zuständigen Senat (nach §§
29,
30,
31 Abs
1 SGG), an dessen Stelle mit Einverständnis der Beteiligten den Vorsitzenden (nach §
155 Abs
3 SGG) oder an dessen Stelle mit Einverständnis der Beteiligten den Berichterstatter (nach §
155 Abs
4 iVm Abs
3 SGG). Dabei regelt es weder den Konfliktfall der Annahme oder der Ablehnung der Entscheidungskompetenz durch einen oder mehrere
dieser Spruchkörper noch eine Übertragung der Zuständigkeit noch, nach welchen Maßgaben der Richter iS des §
155 Abs
3 und
4 SGG den Rechtsstreit selbst zu entscheiden hat oder einen anderen dieser Spruchkörper mit der Entscheidung befassen darf oder
sogar muss. Das Regelungskonzept des §
155 Abs
3 und
4 SGG ist insoweit lückenhaft.
5.1. Nach Art
101 Abs
1 Satz 2
GG ist eine Beeinflussung der Entscheidung durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter
unzulässig, gleichgültig, von welcher Seite eine solche Manipulation ausgeht (BVerfG vom 8.4.1997 [Plenumsbeschluss] aaO,
327). Art
101 Abs
1 Satz 2
GG enthält deshalb das Erfordernis nach einem Bestand von Rechtssätzen, der für jeden Streitfall den Richter bezeichnet, der
für die Entscheidung zuständig ist (BVerfG [Plenumsbeschluss] aaO, 328; sowie: BVerfG vom 18.5.1965 - 2 BvR 40/60 - BVerfGE 19, 52, 60; BVerfG vom 10.6.1953 - 1 BvF 1/53 - BVerfGE 2, 307, 319 f). Die bis auf die letzte Regelungsstufe (Person des konkreten Richters) hin vorzunehmende abstrakt-generelle Vorausbestimmung,
welcher Richter in einem bestimmten Verfahren mitwirkt, muss möglichst eindeutig sein (BVerfG [Plenumsbeschluss] aaO, 329;
BVerfG vom 24.3.1964 - 2 BvR 42, 83, 89/63 - BVerfGE 17, 294, 298; BVerfG vom 19.3.1959 - 1 BvR 295/58 - BVerfGE 9, 223, 226). Gesetz, Geschäftsverteilungs- und Mitwirkungspläne eines Gerichts dürfen keinen vermeidbaren Spielraum bei der Heranziehung
der einzelnen Richter zur Entscheidung und damit keine unnötige Unbestimmtheit hinsichtlich des gesetzlichen Richters lassen
(BVerfG [Plenumsbeschluss] aaO, 329; BVerfG vom 24.3.1964 - 2 BvR 42, 83, 89/63 - BVerfGE 17, 294, 299 f). Das bedeutet, dass überall dort, wo dies nach dem vom Gesetz gewählten Regelungskonzept ohne Beeinträchtigung der
Effektivität der Rechtsprechungstätigkeit möglich ist, die Bestimmung des gesetzlichen und damit des allein zur Entscheidung
berufenen Richters anhand von Kriterien zu erfolgen hat, die subjektive Wertungen weitgehend ausschließen (BVerfG [Plenumsbeschluss]
aaO, 330). Damit muss auch die Entscheidung, ob ein Richter den Rechtsstreit selbst entscheidet oder die Entscheidung einem
anderen Richter überträgt bzw welcher von mehreren Spruchkörpern im Einzelfall zur Entscheidung berufen ist, anhand gesetzlich
vorher bestimmter Merkmale erfolgen.
5.2. Solche Regelungen über die Ausgestaltung des Verhältnisses der drei vom Gesetz zur Verfügung gestellten Spruchkörper
iS des §
155 SGG (Senat, Vorsitzender, Berichterstatter) untereinander fehlen. Jedoch verstößt diese Gesetzeslage noch nicht gegen Art
101 Abs
1 Satz 2
GG, denn das Regelungskonzept des
SGG lässt sich noch verfassungskonform auslegen. Dabei braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden, welcher der beiden
Möglichkeiten einer verfassungsgemäßen Reduktion des §
155 Abs
3 und
4 SGG zu folgen ist, denn hier liegen schon die Voraussetzungen für eine Entscheidung des sog "konsentierten Einzelrichters" an
Stelle des grundsätzlich zum gesetzlichen Richter berufenen Senats nicht vor.
5.2.1 Im Einklang mit den Vorgaben des Art
101 Abs
1 Satz 2
GG stünde es, dem nach §
155 Abs 3 und
4 SGG konsentierten Einzelrichter die Pflicht zur Entscheidung des Rechtsstreits aufzuerlegen. Dies wäre mit dem Wortlaut des §
155 Abs
3 SGG vereinbar. Mittels des Wortes "kann" in §
155 Abs
3 SGG, das auch für dessen Abs
4 gilt, bestimmte das Gesetz die alleinige Kompetenz des Einzelrichters zur Entscheidung ("Kompetenz-Kann"), wenn die Beteiligten
ihr Einverständnis hiermit erklärt haben. Diese ausschließliche und pflichtig wahrzunehmende Kompetenz schlösse die anderen
Spruchkörper von einer Entscheidung aus. Der 2. Zivilsenat des BGH scheint dieser Ansicht zu folgen (BGH vom 26.6.2006 - II ZR 43/05 - BGHZ 168, 201 - insoweit in juris veröffentlicht [RdNr 8] und in BGH Report 2007, 115; dazu Anmerkung von Gehrlein, BGH Report 2007, 118
- 119). Ein Einverständnis der Beteiligten lag und liegt hier aber nicht vor.
5.2.2. Folgt man dagegen der "herrschenden Ansicht", die in sich sonst wenig übereinstimmt, dass das "kann" dem konsentierten
Richter eine Entscheidungsbefugnis verleiht (vgl BVerfG vom 5.5.1998 - 1 BvL 23/97 - NJW 1999, 274 f; BVerfG vom 5.5.1998 - 1 BvL 24/97 - BB 1998, 1292 f = DStZ 1998, 722 f mit Anmerkung von Rößler [723 f]; BVerfG vom 5.6.1998 - 2 BvL 2/97 - BVerfGE 98, 145, 153; zur Literatur vgl: Behn in: PSW,
SGG, §
155 RdNr 36; Bernsdorff, aaO, RdNr 63 ff; Lüdtke in: HK-SGG/Lüdtke, 2. Aufl, § 155 RdNr 12; Meyer-Ladewig in:
ders/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl, §
155 RdNr 13), kann es sich verfassungsgemäß nicht um ein "freies Ermessen" hinsichtlich der Übertragung des Rechtsstreits auf
den Senat handeln.
Andernfalls schaffte das Gesetz ein freies, nicht strukturiertes richterliches Ermessen darüber, wer gesetzlicher Richter
sein solle. Es träten leicht vermeidbare, nach Art
101 Abs
1 Satz 2
GG unzulässige Manipulationsmöglichkeiten auf und das Verbot vermeidbarer Unbestimmtheit des Gesetzes (hier als Ausprägung des
grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art
101 Abs
1 Satz 2
GG) wäre verletzt.
Anders als bei dem nur teilweise vergleichbaren §
105 SGG, der inhaltliche Vorgaben für die Entscheidung darüber festlegt, ob der Vorsitzende einer Kammer des SG sich als Einzelrichter zum gesetzlichen Richter bestellen darf oder ob gesetzlicher Richter die auch mit ehrenamtlichen Richtern
besetzte Kammer bleibt, enthält das
SGG bei der Berufung keine inhaltlichen Maßgaben für die vom konsentierten Einzelrichter des LSG stets pflichtig auszuübende
Entscheidungsbefugnis über den gesetzlichen Richter. Andere Verfahrensordnungen kennen in §
527 Abs
4 ZPO, §
87a Abs
2 und
3 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO), § 79a Abs 3 und 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) zu §
155 Abs
3 und
4 SGG vergleichbare Vorschriften. Diese be- inhalten wie §
155 Abs
3 und
4 SGG selbst zwar auch keine näheren inhaltlichen Maßgaben für die Entscheidung über den gesetzlichen Richter. Doch bestehen inhaltlich
strukturierte Maßgaben, die anhand verfassungskonformer Übertragung der in anderen Vorschriften dieser Verfahrensordnungen
gefassten Rechtsgedanken (dazu §§ 348a Abs
1 und
2,
526 Abs
1 und
2,
568 Satz 2
ZPO, §
6 Abs
1 bis
3 VwGO, § 6 Abs 1 bis 3 FGO) gewonnen wurden und bei der stets pflichtig auszuübenden Entscheidungsbefugnis über den gesetzlichen Richter zu beachten
sind (so BVerfG vom 5.5.1998 - 1 BvL 23/97 - NJW 1999, 274 f; BVerfG vom 5.5.1998 - 1 BvL 24/97 - BB 1998, 1292 f = DStZ 1998, 722 f mit Anmerkung von Rößler [723 f]).
Vergleichbare Wertungen, dass Rechtsstreite mit besonderen Schwierigkeiten nicht vom Einzelrichter entschieden werden sollen,
enthält auch das
SGG. Denn §
105 SGG weist die Entscheidungszuständigkeit für Rechtsstreite mit besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art
nicht dem Einzelrichter, sondern der mit mehreren Richtern besetzten Kammer zu. Da das
SGG also auch diese in den anderen Verfahrensordnungen vorherrschenden Rechtsgedanken kennt, lassen sich deren Wertungen und
materielle Kriterien über §
202 SGG - trotz der Entstehungsgeschichte des §
155 Abs
3 und
4 SGG (vgl dazu die Materialien zum Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege [RPflEntlG] vom 11.1.1993, BGBl I S 50, das zwar in
der
VwGO §
6 Abs
1 bis
3 einfügte aber eine vergleichbare Vorschrift nicht in das
SGG aufnahm) - in das
SGG verfassungskonform übertragen.
Mittels einer verfassungskonformen, die Überzeugung der Verfassungswidrigkeit iS des Art
100 Abs
1 GG vermeidenden Auslegung des §
155 Abs 3 und 4
SGG wäre daher bei der von der herrschenden Auffassung vertretenen Rechtsansicht in Rechtsanalogie zu den in den anderen Prozessordnungen
ausgeprägten Prinzipien (vgl dazu §§ 348a Abs
1 und
2,
526 Abs
1 und
2,
568 Satz 2
ZPO, §
6 Abs
1 bis
3 VwGO, § 6 Abs 1 bis 3 FGO) als Grenze der Entscheidungsbefugnis vorgegeben, dass der konsentierte Einzelrichter eine Übertragung auf den Senat stets
vorzunehmen hat, dies aber auch nur dann darf, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art
aufweist, sie insbesondere grundsätzliche Bedeutung hat.
6. Bei seiner Entscheidung wird das LSG ua in der Sache zu prüfen haben, - ob der Kläger, der möglicherweise nach dem vor
dem BSG vorgelegten Arbeitsvertrag zuletzt im Preisbildungsbereich eingesetzt war, die sachliche Voraussetzung für eine fiktive
Einbeziehung in die AVItech erfüllt hatte.
- ob der Kläger bei der seit dem 8.6.1990 in Aufbau befindlichen M. Vor-AG oder beim VEB Kombinat M. (und dort bei welchem
Kombinatsbetrieb) beschäftigt war (betriebliche Voraussetzung).
- welche Aufgabe dabei dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers in der Zeit bis zum 30.6.1990 das Gepräge gegeben hatte. Dabei
ist auf die Tätigkeit des kombinatsleitenden VEB abzustellen, nicht auf das Kombinat als Ganzes und auch nicht auf andere
zum Kombinat gehörende VEB, wenn der Kläger beim kombinatsleitenden VEB beschäftigt war.
- wie der Sprachgebrauch am Ende der DDR, an den der bundesdeutsche Gesetzgeber angeknüpft hat, den Begriff "Versorgungsbetrieb
(Gas, Wasser, Energie)" iS des § 1 Abs 2 der 2. DB verstanden hatte. Indizien zum Sprachgebrauch der Energieversorgung könnten
sich aus den hierzu ergangenen Rechtsvorschriften der DDR (VO über die Neuordnung der Energiewirtschaft in der sowjetischen
Besatzungszone [Energiewirtschaftsverordnung] vom 22.6.1949 [ZVOBl I Nr 54 S 472]; VO über die Leitung der Energiewirtschaft
- Energiewirtschaftsverordnung - vom 18.4.1963 [GBl II Nr 46 S 318]; VO über die Planung und Leitung der Energiewirtschaft
sowie die rationelle Energieanwendung und -umwandlung - Energieverordnung - [EVO] vom 10.9.1969 [GBl II Nr 81 S 495] iVm 1.
DB zur EVO vom 10.9.1969 [GBl II Nr 81 S 505]; VO über die Energiewirtschaft in der DDR [Energieverordnung] vom 9.9.1976 [GBl I Nr 38
S 441] iVm der 1. DB zur Energieverordnung vom 10.9.1976 [GBl I Nr 38 S 449]; Anordnung über die Lieferung von Elektroenergie,
Gas und Wärmeenergie an die Wirtschaft [ELW] vom 18.11.1976 [GBl I Nr 50 S 555]; Anordnung über die Lieferung von Elektroenergie,
Gas und Wärmeenergie an die Bevölkerung [ELB] vom 18.11.1976 [GBl I Nr 51 S 571]; Energieverordnung vom 30.10.1980 [GBl I
Nr 33 S 321] iVm der 1. DB zur Energieverordnung - Leitung/Planung/Plandurchführung - vom 10.11.1980 [GBl I Nr 33 S 330];
Energieverordnung und Anlage zur Energieverordnung [EnVO] vom 1.6.1988 [GBl I Nr 10 S 89, 105]; § 161 des Zivilgesetzbuchs
der DDR [ZGB] vom 19.6.1975 [GBl I Nr 27 S 465) ergeben.
- ob der Beschäftigungsbetrieb des Klägers im Sinne des vom LSG zu ermittelnden Sprachgebrauchs und des zu ermittelnden Gepräges
(Schwerpunkt der Tätigkeit) als Versorgungsbetrieb (Gas) bzw als Versorgungsbetrieb (Energie) ein gemäß § 1 Abs 2 der 2. DB
gleichgestellter Betrieb war.
7. Das LSG wird bei seiner Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.