Höhe einer großen Witwenrente
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Klägerin begehrt ab dem 1.7.2017 einen höheren Zahlbetrag der von ihr bezogenen großen Witwenrente. Nach ihrer Auffassung
ist ab diesem Zeitpunkt das tatsächlich bezogene Krankengeld auf die Rente anzurechnen und nicht das höhere Erwerbseinkommen
aus dem Vorjahr. Das SG hat ihre Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7.2.2019), das LSG ihre dagegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 25.2.2021 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt,
die Berufung bedürfe gemäß §
144 Abs
1 SGG der Zulassung, die nicht erfolgt sei. Der Gegenstand des Rechtsstreits werde allein durch den Bescheid der Beklagten vom
19.5.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.6.2018 gebildet. Die darin vorgenommene Einkommensanrechnung habe die
Klägerin lediglich insoweit angegriffen, als die Beklagte über die Anrechnung von monatlich 55,99 Euro hinaus weitere 30,69
Euro monatlich anrechne. In zeitlicher Hinsicht entfalte der angegriffene Bescheid nur Wirkung vom 1.7.2017 bis zum 5.1.2018,
weil er für den Zeitraum ab dem 6.1.2018 durch den während des Widerspruchsverfahrens erlassenen Bescheid vom 13.2.2018 ersetzt
worden sei. Letzterer sei selbst nicht gemäß §
86 Satz 1
SGG Gegenstand des (Widerspruchs-)Verfahrens geworden, weil er die im Bescheid vom 19.5.2017 enthaltene Beschwer der Klägerin
weder modifiziert noch verstärkt habe. Vielmehr habe die Beklagte darin wegen des zum 6.1.2018 einsetzenden Arbeitslosengeldbezugs
ab diesem Zeitpunkt überhaupt keine Einkommensanrechnung mehr vorgenommen. Ausgehend von einer Beschwer von 30,69 Euro monatlich
über einen Zeitraum von sechs Monaten und fünf Tagen werde weder die Wertgrenze von 750 Euro überschritten (§
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG) noch seien wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§
144 Abs
1 Satz 2
SGG).
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 7.6.2021 begründet hat. Sie macht Verfahrensmängel geltend.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Form begründet worden ist. Sie ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung vom 7.6.2021 nicht gerecht.
Die Klägerin zeigt darin schon nicht hinreichend auf, gegen welche Verfahrensvorschriften das LSG nach ihrem Dafürhalten verstoßen
hat. Obgleich die vermeintlich verletzte Rechtsnorm nicht ausdrücklich anzugeben ist, muss sich aus der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde
ohne Weiteres ergeben, welche Rechtsnorm der Beschwerdeführer als verletzt angesehen wissen will (vgl Becker, SGb 2007, 328, 329 mwN; BSG Beschluss vom 16.07.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 5; BSG Beschluss vom 22.10.2020 - B 5 R 138/20 B - juris RdNr 9; vgl auch bereits BSG Urteil vom 23.9.1955 - 3 RJ 26/55 - BSGE 1, 227, 231 in Bezug auf die Revisionsbegründung). Dem genügt das pauschale Vorbringen der Klägerin, die Revision sei "wegen eines Verfahrensfehlers" zuzulassen und die Entscheidung
des LSG sei "unter Verletzung von Verfahrensregeln rechtswidrig zustande gekommen", nicht.
Die Klägerin legt auch keinen Verfahrensfehler im Berufungsverfahren dar, indem sie ausführt, der Bescheid vom 13.2.2018 sei,
anders als vom LSG vertreten, gemäß §
86 SGG Gegenstand des (Widerspruchs-)Verfahrens geworden. Damit behauptet sie lediglich, das LSG habe die Anwendung des Verwaltungsverfahrensrechts
durch die Beklagte falsch beurteilt (vgl dazu, dass bei Teilabhilfe der Teilabhilfebescheid nach §
86 SGG Gegenstand des den Ausgangsbescheid betreffenden Widerspruchsverfahrens wird, BSG Urteil vom 24.9.2020 - B 9 SB 4/19 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 31 RdNr 31). Auf die Unrichtigkeit einer Entscheidung oder einzelner Begründungselemente kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht
gestützt werden (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 21.10.2020 - B 5 R 206/20 B - juris RdNr 7). Im Übrigen zeigt die Klägerin nicht auf, unter welchem Gesichtspunkt das Berufungsverfahren für sie günstiger hätte ausgehen
können, wenn das LSG von einer Einbeziehung des Bescheids vom 13.2.2018 ausgegangen wäre.
Falls die Klägerin mit ihren Ausführungen zu §
86 SGG rügen will, das LSG habe den Streitgegenstand iS des §
123 SGG verkannt, hat sie einen solchen Verfahrensmangel nicht anforderungsgerecht bezeichnet. Die Darlegung eines Verfahrensmangels,
der in der Verkennung des Rechtsmittel- bzw Streitgegenstands liegt, erfordert die lückenlose Darlegung des Verfahrensgangs
unter Auslegung der den Rechtsmittel- bzw Streitgegenstand bestimmenden Entscheidungen und Erklärungen und die sorgfältige
Auseinandersetzung mit dem Regelungsgehalt der angegriffenen Verwaltungsentscheidungen, dem Klagebegehren, der Entscheidung
1. Instanz und dem Berufungsbegehren (vgl zB BSG Beschluss vom 8.5.2019 - B 14 AS 86/18 B - juris RdNr 5 mwN). Dem genügt das Beschwerdevorbringen schon deswegen nicht, weil die Klägerin sich nicht ausreichend substantiiert mit den
Ausführungen des LSG auseinandersetzt, wonach die Beklagte die angegriffene Einkommensanrechnung ab dem 6.1.2018 nicht mehr
vornahm. Das gilt umso mehr, als die Klägerin selbst vorbringt, mit dem Bescheid vom 13.2.2018 sei in der Sache eine Teilabhilfe
ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.5.2017 erfolgt.
Sollte die Klägerin mit ihrem Vorbringen, das LSG habe ihr mit gerichtlichem Schreiben vom 4.8.2020 einen aus ihrer Sicht
fehlerhaften Hinweis gegeben, eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG; §
62 Halbsatz 1
SGG) in Form einer sog Überraschungsentscheidung rügen wollen, hat sie auch einen solchen Verfahrensmangel nicht anforderungsgerecht
bezeichnet. Sie legt keine Umstände dar, die eine unerwartete Prozesswendung zu begründen in der Lage wären. Nach ihrem Gesamtvorbringen
hat das LSG sie mit dem angeführten Hinweisschreiben gerade auf die beabsichtigte Verwerfung der Berufung als unzulässig hingewiesen.
Dass die Klägerin dies für inhaltlich falsch hält, vermag wie ausgeführt ihre Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu tragen.
Ein Verfahrensmangel ist auch nicht anforderungsgerecht bezeichnet, indem die Klägerin kritisiert, das LSG habe ihr vorgehalten,
sie habe pauschal gemeint, zum 1.7.2020 habe keine Rentenanpassung stattgefunden; zudem habe das LSG ihre rechtskundige Vertretung
während des Klageverfahrens hervorgehoben und daraus nach dem Dafürhalten der Klägerin abgesenkte gerichtliche Fürsorgepflichten
abgeleitet. Sofern die Klägerin damit eine Verletzung ihres aus Art
2 Abs
1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Anspruchs auf ein faires Verfahren rügen will, lässt sich ihrem Vorbringen nicht
nachvollzielbar entnehmen, unter welchem Gesichtspunkt die Ausführungen des LSG einen "deutlich negativen Beigeschmack" haben
sollen bzw darin eine "Subjektivität (…) offensichtlich" werde.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 und 4
SGG.