Rente wegen Erwerbsminderung
Verfahrensrüge
Erneute Anhörung
Keine weiteren Maßnahmen zur Verfahrensförderung
Gründe:
Mit Beschluss vom 3.4.2017 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensfehler.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG nicht dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Der Kläger rügt unter Vermengung der Prüfungsebenen primär eine Verletzung des §
153 Abs
4 SGG. So sei die Anhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere sei insoweit das Vorbringen im Schreiben vom 7.10.2016 im
Hinblick auf die geltend gemachte sehr geringe Wegefähigkeit nicht berücksichtigt worden.
Die Beschwerdebegründung führt selbst aus, dass das LSG auf die Schriftsätze vom 12.8.2016 und 20.9.2016 mit Schreiben vom
26.9.2016 Stellung genommen hat. Dass es entgegen der nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des BVerfG zugrunde zu legenden Vermutung, dass Gerichte an sie gerichtete Ausführungen der Beteiligten grundsätzlich
zur Kenntnis genommen und erwogen haben (vgl exemplarisch BVerfGE 54, 86, 91 f mwN), Vorbringen - insbesondere im Schreiben vom 7.10.2016, mit dem nach eigenem Bekunden des Klägers lediglich das
bereits am 23.5.2016 zur Akte gereichte Attest des Hausarztes erneut vorgelegt wurde - dennoch nicht zur Kenntnis genommen
habe und damit Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG verletzt haben könnte, wird nicht dargelegt. Insofern hätte es vorliegend einer ins Einzelne gehenden Wiedergabe der jeweiligen
Texte und einer Erläuterung ihres Sinngehalts bedurft, um auf dieser Grundlage durch Gegenüberstellung Rezeptionsdefizite
des LSG aufzuzeigen. Auf dieser Grundlage hätte schließlich, was ebenfalls fehlt, dargelegt werden müssen, in welcher Weise
konkret sich angeblich nicht zur Kenntnis genommene Ausführungen des Klägers notwendig auf die angegriffene Entscheidung ausgewirkt
hätten. Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang darauf beruft, dass das Berufungsgericht den Aussagegehalt seiner Ausführungen
missverstanden habe, verkennt er, dass das (Grund-)Recht auf rechtliches Gehör lediglich einen Anspruch vermittelt, gehört,
nicht aber "erhört" zu werden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bietet keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag
eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen (vgl BVerfGE
96, 205, 216). Nichts anderes gilt, soweit der Kläger einen Verstoß gegen §
62 SGG nochmals gesondert rügt. Die Rüge, der behauptete Gehörsverstoß habe Auswirkungen auf die gerichtliche Entscheidung über
die Durchführung weiterer Ermittlungen gehabt, kann nach ständiger Rechtsprechung die an besondere Voraussetzungen gebundene
Rüge einer Verletzung von §
103 SGG nicht ersetzen.
Eine erneute Anhörung nach §
153 Abs
4 S 2
SGG ist nur dann erforderlich, wenn wesentlich neue Tatsachen vorgetragen werden. Eine erneute Anhörung erübrigt sich, wenn das
auf die erste Anhörung erfolgte Vorbringen nicht entscheidungserheblich, ohne jegliche Substanz oder bloß wiederholend ist
(vgl BSG vom 17.11.2015 - B 1 KR 65/15 B - Juris RdNr 8; vgl BSG vom 9.1.2003 - B 13 RJ 199/02 B - Juris RdNr
4). Der Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung nach §
153 Abs
4 SGG verdeutlicht jedenfalls einem rechtskundig vertretenen Beteiligten wie dem Kläger ohne Weiteres, dass das Gericht weitere
Maßnahmen zur Verfahrensförderung nicht für geboten hält. Damit entfällt auch die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung
durch Sachverständige. Die Beschwerdebegründung legt nicht dar, warum bei dieser Sachlage die Bekundung, dass der Kläger an
einer ersichtlich gerade nicht mehr vorgesehenen Begutachtung teilzunehmen bereit sei, dem Gericht Anlass zu einer erneuten
Anhörung gegeben haben könnte. Dass in dem - bereits im Mai 2016 dem LSG vorgelegten - Attest des Hausarztes G. vom 20.5.2016,
wonach er - der Kläger - nur maximal 50 m gehen könne, anschließend eine Pause von mindestens 5 bis 10 Minuten eingelegt werden
müsse, eine wesentlich neue Tatsache vorgetragen worden ist, hat der Kläger ebenfalls nicht dargelegt. Nach dem mitgeteilten
Wortlaut enthält das genannte "Attest" bereits keine Diagnose, der die Behauptung einer auf maximal 50 m beschränkten Gehfähigkeit
denkbar zugeordnet werden könnte. Allenfalls dann hätte für das LSG Anlass zu einer Auseinandersetzung bestehen können.
Auch eine Verletzung des §
153 Abs
4 S 1
SGG ist nicht hinreichend bezeichnet. Nach dieser Vorschrift kann das LSG, außer in den Fällen des §
105 Abs
2 S 1
SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für
erforderlich hält. Wenn der Kläger geltend macht, die Voraussetzungen hätten hierfür nicht vorgelegen, hätte er zumindest
darlegen müssen, dass das SG entweder durch Gerichtsbescheid (§
105 SGG) entschieden oder die erforderliche Einstimmigkeit gefehlt oder die notwendige Überzeugung, eine mündliche Verhandlung sei
entbehrlich, in Wahrheit nicht vorgelegen habe. Hieran fehlt es.
Ebenso wenig sind (grobe) Ermessensfehler schlüssig bezeichnet. Soweit die Beschwerdebegründung zunächst rügt, das LSG habe
nicht im vereinfachten Beschlussverfahren entscheiden dürfen, weil das LSG entgegen seiner ursprünglichen Absicht das Leistungsvermögen
und insbesondere die Wegefähigkeit nicht weiter aufgeklärt habe, gilt Folgendes: Wer seinen Einwand, das Gericht habe ermessensfehlerhaft
keine mündliche Verhandlung durchgeführt, auf mangelnde Sachaufklärung stützt, muss sich auf einen Beweisantrag beziehen,
dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2 iVm §
103 SGG). Diese engen Voraussetzungen der Sachaufklärungsrüge darf der Beschwerdeführer keinesfalls dadurch leerlaufen lassen oder
umgehen, indem er auf andere Verfahrensrügen ausweicht (vgl Senatsbeschlüsse vom 16.1.2012 -B5R 376/11 B - BeckRS 2012, 65977
RdNr 8, vom 22.10.2008 - B 5 KN 1/06 B - Juris RdNr 15 und vom 26.11.1975 - 5 BKn 5/75 - SozR 1500 § 160 Nr 13). Deshalb hätte der Kläger in der Beschwerdeschrift
zumindest Fundstelle und Wortlaut eines prozessordnungskonformen Beweisantrags wiedergeben und darlegen müssen, er habe im
Rahmen der Anhörung nach §
153 Abs
4 S 2
SGG einen derartigen Beweisantrag - im hier maßgeblichen Sinn der
ZPO - erstmals gestellt oder wiederholt. Andernfalls ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich ein schriftsätzlich gestellter
Beweisantrag erledigt hat (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52). Anhaltspunkte dafür sind nicht dargetan. Da das Gericht an einen Beweisbeschluss und erst recht eine formlose
Beweisanordnung als lediglich prozessleitende Verfügung nicht gebunden ist und daher hiervon auch formlos wieder Abstand nehmen
darf (vgl insofern etwa OLG Köln vom 18.12.1991 - 2 U 119/91 - NJW-RR 1992, 719 f), hätte es im Übrigen eines Eingehens darauf bedurft, warum der Kläger entgegen dieser gefestigten Auffassung (exemplarisch
Baumbach ua,
ZPO, 75. Aufl 2017, §
360 RdNr 4 und Zöller,
ZPO, 31. Aufl 2017, §
360 RdNr 1; der vom Kläger zitierte Hinweis auf die letztgenannte Fundstelle verkennt, dass sich das dort erörterte Anhörungsgebot
nicht auf die Aufhebung des Beweisbeschlusses bezieht, sondern sich hieraus im Zivilprozess ggf weiter ergebende Vortragslasten
betrifft) auf die Durchführung der Beweisaufnahme durch Sachverständige hätte vertrauen dürfen. Dies gilt umso mehr, als er
nach eigenem Vorbringen mehrfach auf die beabsichtigte Entscheidung nach §
153 Abs
4 SGG hingewiesen worden war. Der Kläger behauptet zudem nicht wenigstens, dass er durch ein verfahrensordnungswidriges Verhalten
des LSG an der Stellung eines Beweisantrags gehindert worden sei und welchen Inhalt dieser Beweisantrag ggf gehabt hätte (vgl
hierzu BSG vom 6.9.1989 - 9 BV 64/88 - SozR 1500 § 160 Nr 70).
An den genannten Umständen scheitert auch seine gesonderte Rüge einer Verletzung von §
103 SGG. §
160 Abs
2 Nr
3 Teils 2
SGG ist insofern ersichtlich ohne Erkenntniswert. Weder richtet das LSG an sich selbst Beweisanträge noch rügt es deren fehlerhafte
Behandlung im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde und unter deren Voraussetzungen. Soweit der Kläger dem LSG vorwirft,
es hätte vor seiner Entscheidung ihn - den Kläger - darauf hinweisen müssen, dass nicht mehr beabsichtigt sei, die Beweisanordnung
durchzuführen, hat er nicht ausreichend dargelegt, dass das LSG Hinweispflichten aus §
106 Abs
1, §
112 Abs
2 S 2
SGG verletzt habe. Denn die Tatsachengerichte sind nicht verpflichtet, auf die Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13) oder im Rahmen von Beweisanträgen sonstige Formulierungshilfen zu geben (Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse
in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 8 RdNr 141). Hält das Tatsachengericht eine Beweisaufnahme für notwendig, so hat es keinen
entsprechenden Beweisantrag herbeizuführen, sondern den Beweis von Amts wegen auch ohne Antrag zu erheben. Lehnt es die Beweiserhebung
dagegen ab, so muss es nicht kompensatorisch auf einen Beweisantrag hinwirken und damit helfen, eine Nichtzulassungsbeschwerde
vorzubereiten (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13; Becker, SGb 2007, 328, 331; Berchtold, aaO, § 8 RdNr 141; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr
132). Vertraut der Kläger darauf und unterlässt deshalb - prozessordnungskonforme - Beweisanträge, so kann er später im Verfahren
der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend machen, das LSG habe nicht gesetzesgemäß gehandelt (vgl Krasney/Udsching, aaO,
Kap IX RdNr 127). Aufgrund des - in der Beschwerdebegründung dargestellten - nochmaligen Hinweises des LSG vom 26.9.2016,
dass eine Entscheidung nach §
153 Abs
4 SGG weiterhin erwogen werde, war ersichtlich, dass das LSG eine weitere Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen nicht anstrengen
werde. Dass der Kläger daraufhin einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat, hat er nicht vorgetragen.
Ebenso wenig legt die Beschwerdebegründung schlüssig dar, warum der Kläger die "weiteren Stellungnahmen" des LSG in dem Sinne
missverstanden haben könnte, dass noch eine weitere Begutachtung durchgeführt werde. Hierzu hätte es jedenfalls einer eingehenden
Auseinandersetzung mit dem vollständigen Inhalt des Schriftwechsels sowie der Darstellung des konkreten Kontexts der "weiteren
Stellungnahmen" des Gerichts und ihres Inhalts bedurft. Der Kläger geht zudem auch insofern nicht darauf ein, welche Hinweise
auf eine beabsichtigte Fortführung des Verfahrens er gerade den mehrfach erfolgten Hinweisen auf die beabsichtigte Entscheidung
nach §
153 Abs
4 SGG entnommen haben könnte. Schließlich bleibt auch an dieser Stelle offen, warum die ggf irrige Vorstellung des Berufungsgerichts
über die Mitwirkungsbereitschaft des Klägers für die Entscheidung des LSG, von weiteren Ermittlungen gänzlich Abstand zu nehmen
und das Verfahren durch Beschluss zu beenden, Bedeutung erlangt haben könnte.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.