Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Bezeichnung des Verfahrensmangels; Fristversäumnis
des Beteiligten bei Einhaltung der Berufungsfrist ohne Verschulden
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über eine höhere Regelaltersrente. Der Kläger stimmte am 10.7.2009 einer Entscheidung im schriftlichen
Verfahren zu, nachdem ihn das SG zum Betreiben des Verfahrens aufgefordert und ihn gleichzeitig über den Eintritt der Klagerücknahmefiktion belehrt hatte,
weil er es versäumt habe, ein - nicht aktenkundiges - Schreiben des Gerichts innerhalb von 13 Tagen zu beantworten. Das SG wies die Klage - ohne mündliche Verhandlung - durch Urteil vom 24.11.2011 ab und ließ es dem Kläger am 15.12.2011 durch Einlegen
in dessen Wohnungsbriefkasten zustellen. Der Kläger war jedoch am 12.12.2011 urlaubsbedingt nach Südafrika gereist und kehrte
erst am 25.1.2012 nach Deutschland zurück. Am 26.1.2012 legte er Berufung ein und beantragte Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist.
Das LSG hat die Berufung verworfen und die Revision nicht zugelassen (Beschluss vom 12.4.2012): Die einmonatige Berufungsfrist
sei versäumt; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren. Denn der Kläger habe keine besonderen Vorkehrungen
dafür getroffen, dass ihn eingehende Sendungen erreichten, obwohl hierzu angesichts des laufenden Klageverfahrens besonderer
Anlass bestanden habe. Auch wenn das Verfahren über längere Zeit nicht gefördert worden sei, habe er mit dessen Fortsetzung
rechnen müssen. Um einen Schuldvorwurf zu vermeiden, habe der Kläger vor Reiseantritt zumindest eine Sachstandsanfrage an
das SG richten oder seine bevorstehende längere Abwesenheit mitteilen müssen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger
beim BSG Beschwerde eingelegt und einen Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 iVm §
67 Abs
1 SGG geltend gemacht.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.
Der Kläger hat ordnungsgemäß dargetan, dass das LSG gegen §
67 Abs
1 SGG verstoßen habe und das angefochtene Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Der gerügte Verfahrensmangel liegt auch vor. Gemäß §
67 Abs
1 SGG (iVm §
153 Abs
1 SGG) ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche
Verfahrensfrist einzuhalten. Der Kläger hat die gesetzliche Verfahrensfrist des §
151 Abs
1 SGG nicht eingehalten. Danach ist die Berufung bei dem LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder
zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Das Urteil des SG ist dem Kläger am 15.12.2011 - mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung (§
66 SGG) - durch Einlegen in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten (§
63 Abs
2 S 1 iVm §
180 S 1 und 2
ZPO) im Inland wirksam zugestellt (§
133 S 1, §
135 SGG) worden. Damit begann die einmonatige Berufungsfrist am 16.12.2011 (§
64 Abs
1 SGG) und lief am Montag, dem 16.1.2012 ab (§
64 Abs
2 S 1 und Abs
3 SGG). Die Berufung ist jedoch erst am 26.1.2012 und damit verspätet beim LSG eingegangen.
Der Kläger war aus tatsächlichen Gründen "verhindert", die Berufungsfrist einzuhalten. Denn er hielt sich während der einmonatigen
Berufungsfrist (§
151 Abs
1 SGG) urlaubsbedingt im Ausland auf und erfuhr von der Ersatzzustellung des Urteils erst nach seiner Rückkehr am 25.1.2012. Dieses
Fristversäumnis des schuldfähigen (vgl §
276 Abs
1 S 2, §
827 S 1, §
104 Nr
2 BGB) Klägers erfolgte "ohne Verschulden", dh weder vorsätzlich noch fahrlässig. Es existieren keine Anhaltspunkte dafür, dass
der Kläger die Berufungsfrist vorsätzlich verpasste, weil er das Fristversäumnis zumindest billigend in Kauf nahm (bedingter
Vorsatz). Fahrlässig handelt, wer diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die einem gewissenhaften Prozessführenden, der seine
Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnimmt, nach den Gesamtumständen des konkreten Falles zuzumuten ist (BSG Beschlüsse vom 24.10.2007 - B 5a R 340/07 B - SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14 und vom 11.12.2008 - B 6 KA 34/08 B - Juris RdNr 7) und deshalb die Möglichkeit der Fristversäumnis entweder gar nicht voraussieht (unbewusste Fahrlässigkeit)
oder nicht vermeidet (bewusste Fahrlässigkeit).
Welche Sorgfalt einem Bürger, der eine ständige Wohnung besitzt und diese nur vorübergehend während eines Urlaubs nicht benutzt,
allgemein zuzumuten ist, hat das BVerfG - mit Bindungswirkung gemäß § 31 Abs 1 BVerfGG (BVerfG Beschlüsse vom 10.6.1975 - 2 BvR 1018/74 - BVerfGE 40, 88, 93 f und vom 8.7.1975 - 2 BvR 1099/74 - BVerfGE 40, 182, 186 f) - bereits mehrfach entschieden (BVerfG Beschlüsse vom 21.1.1969 - 2 BvR 724/67 - BVerfGE 25, 158, 166, vom 9.7.1969 - 2 BvR 753/68 - BVerfGE 26, 315, 319 und vom 16.11.1972 - 2 BvR 21/72 - BVerfGE 34, 154, 156 f). Danach braucht niemand während eines mehrwöchigen Urlaubs für diese Zeit besondere Vorkehrungen hinsichtlich möglicher
Zustellungen zu treffen. Der Staatsbürger könne damit rechnen, dass er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalte, falls
ihm während seiner Urlaubsabwesenheit etwa eine Strafverfügung oder ein Bußgeldbescheid durch Niederlegung bei der Post zugestellt
werde und er aus Unkenntnis dieser Ersatzzustellung die Einspruchsfrist versäumen sollte. Andernfalls wäre sein Anspruch auf
Gewährung rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG) verletzt. Diese Grundsätze hat das BSG uneingeschränkt auf das sozialgerichtliche Verfahren übertragen (BSG Urteil vom 24.8.1976 - 8 RU 130/75 - SozR 1500 § 67 Nr 6) und ergänzend festgelegt, dass sie auch gölten, wenn der Betroffene mit der Zustellung eines sozialgerichtlichen Urteils
habe rechnen müssen. Zur Höchstdauer einer unschädlichen Urlaubsreise in diesem Sinne hat das BVerfG ausgeführt, die urlaubsbedingte
Abwesenheit von einer sonst ständig benutzen Wohnung dürfe nur vorübergehend und relativ kurzfristig sein; "zu denken wäre
an längstens etwa sechs Wochen" (BVerfG Beschluss vom 11.2.1976 - 2 BvR 849/75 - BVerfGE 41, 332, 336). Mit dem vorangestellten Adverb "längstens" (iS von "keinesfalls länger als") verdeutlicht das BVerfG einerseits, dass
es eine zeitliche Obergrenze gibt, und lässt mit dem nachgestellten vagen Adverb "etwa" (iS von "ungefähr") andererseits bewusst
Raum für die Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Damit bleibt der Grenzwert variabel und
kann im Einzelfall oberhalb oder auch unterhalb von sechs Wochen anzusiedeln sein (vgl dazu auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
67 RdNr 7a). Der Sechs-Wochen-Zeitraum als Richtwert für urlaubsbedingte Fristversäumnisse lässt sich auf die (generelle) Tatsache
zurückführen, dass eine deutliche Mehrheit der tarifvertraglich erfassten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer "Anspruch auf
eine Urlaubsdauer von 6 Wochen oder mehr" hat und der durchschnittliche tarifvertragliche Urlaubsanspruch im früheren Bundesgebiet
31 Arbeitstage und im Beitrittsgebiet 30 Arbeitstage beträgt (Statistisches Taschenbuch 2011, herausgegeben vom Bundesministerium
für Arbeit und Soziales, Stand: November 2011, 4.9).
Eine Urlaubsreise von sechs Wochen und zwei Tagen, wie sie der Kläger unternommen hat, lässt sich unter den Begriff "etwa
sechs Wochen" subsumieren. Betrachtet man zudem den Reisezeitraum vom 12.12.2011 bis 25.1.2012 konkret, so hätte ein Arbeitnehmer
(mit 5-Tage-Woche) dafür 31 Urlaubstage aufwenden müssen, wobei berücksichtigt ist, dass innerhalb dieses Zeitraums ein gesetzlicher
Feiertag (26.12.2011) auf einen Montag fiel. Der Südafrikaurlaub des Klägers bewegte sich mithin noch im Rahmen des durchschnittlichen
tarifvertraglichen Urlaubsanspruchs. Lässt sich unter diesen Umständen die urlaubsbedingte Abwesenheit des Klägers mit guten
Gründen unter den (unscharfen) Begriff "längstens etwa sechs Wochen" fassen, entfällt ein Schuldvorwurf. Ist nämlich eine
bestimmte Auslegung höchstrichterlicher Rechtssätze, die sich innerhalb des möglichen Wortsinns bewegt, möglich und vertretbar,
kann dem Rechtsuchenden nicht vorgeworfen werden, sich diese Interpretation zu Eigen gemacht zu haben. Denn ihm darf bei unklarer
Rechtslage nicht das Subsumtionsrisiko vager Rechtsbegriffe aufgebürdet werden.
Der unvertretene Kläger durfte aber auch von Verfassungs wegen darauf vertrauen, dass er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
erhalten werde, wenn ihm während seines "etwa" sechswöchigen Urlaubs ein (belastendes) Urteil zugestellt werden und er aus
Unkenntnis dieser Ersatzzustellung die Berufungsfrist versäumen sollte. Denn das SG hat das allgemeine verfassungsrechtliche Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren verletzt, das auf Art
1 Abs
1, Art
2 Abs
1 iVm Art
20 Abs
3 GG und auf Art
19 Abs
4 GG (BVerfG Beschlüsse vom 8.10.1974 - 2 BvR 747/73 - BVerfGE 38, 105, 111, vom 26.5.1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 57, 250, 275, vom 26.4.1988 - 1 BvR 669/87 ua - BVerfGE 78, 123, vom 14.10.2003 - 1 BvR 901/03 - NVwZ 2004, 334 sowie Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 3.1.2001 - 1 BvR 2147/00 - NJW 2001, 1343 und Kammerbeschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 15.4.2004 - 1 BvR 622/98 - NJW 2004, 2149, 2150; Volland, MDR 2004, 377, 378) und auf Art 6 Abs 1 S 1 EMRK beruht (BSG Beschluss vom 17.12.2010 - B 2 U 278/10 B - Juris RdNr 4). Danach darf sich das Gericht nicht widersprüchlich verhalten (BVerfG Beschluss vom 14.5.1985 - 1 BvR 370/84 - BVerfGE 69, 381, 387), darf aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile ableiten (BVerfG Beschlüsse
vom 22.5.1979 - 1 BvR 1077/77 - BVerfGE 51, 188, 192, vom 9.2.1982 - 1 BvR 1379/80 - BVerfGE 60, 1, 6 und vom 14.4.1987 - 1 BvR 162/84 - BVerfGE 75, 183, 190) und ist allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet
(BVerfG Beschlüsse vom 8.10.1974 - 2 BvR 747/73 - BVerfGE 38, 105, 111 ff, vom 10.6.1975 - 2 BvR 1074/74 - BVerfGE 40, 95, 98 f und vom 19.10.1977 - 2 BvR 462/77 - BVerfGE 46, 202, 210). Diese Grundsätze haben SG und LSG nicht ausreichend beachtet. Das SG hatte mit seiner Anfrage vom 3.6.2009, ob der Kläger einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zustimme, bereits signalisiert,
dass die Sache entscheidungsreif sei, und damit gleichzeitig die Erwartung geweckt, es werde nach Eingang der Einverständniserklärung
rasch entschieden. Diese Erwartung enttäuschte das SG durch seine 28 monatige Untätigkeit und verhielt sich damit widersprüchlich. Es ist jedoch mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens,
dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens und dem Rücksichtnahmegebot unvereinbar, von einem Verfahrensbeteiligten zu verlangen,
er müsse im Hinblick auf etwaige Handlungen des Gerichts jahrelang in einer prozessbezogenen "Hab-Acht-Stellung" verharren
oder über seine jeweiligen Aufenthaltsorte informieren, obwohl das Verfahren - wie hier - verfahrensfehlerhaft zum Stillstand
gekommen ist. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass Sachstandsanfragen der Beklagten vom Gericht weder beantwortet noch
dem Kläger zur Kenntnis zugeleitet wurden. Ebenso kann offenbleiben, ob überhaupt eine ausdrückliche und eindeutige Erklärung
der Beklagten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung vorlag.
Soweit sich das LSG auf den Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 7.8.2007 (1 BvR 685/07 - NJW 2007, 3486) und den Beschluss des BSG vom 14.11.2008 (B 12 KR 82/07 B - Juris) beruft, gilt nichts anderes. Der Kammerbeschluss des BVerfG hat - anders als die zitierten Senatsbeschlüsse des
BVerfG - schon keine Bindungswirkung iS des § 31 Abs 1 BVerfGG (BVerfG Beschluss vom 7.3.1968 - 2 BvR 354/66 ua - BVerfGE 23, 191, 207; vgl auch Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - Juris RdNr 44): Beiden Entscheidungen kommt zudem keine materielle Rechtskraft zu, weil sie lediglich die Zulässigkeit
einer Verfassungsbeschwerde bzw Nichtzulassungsbeschwerde verneinen. Sie stellen die oben genannten höchstrichterlichen Rechtssätze
aber auch inhaltlich nicht in Frage. Denn nach beiden Entscheidungen obliegt es einem Verfahrensbeteiligten lediglich dann,
seinen Posteingang zu kontrollieren und für eine rechtzeitige Erledigung fristwahrender Handlungen zu sorgen, wenn er "erwarten
musste", dass während seiner Abwesenheit Fristen in Lauf gesetzt oder Termine bestimmt werden. Ein künftiges Ereignis ist
aber nur zu "erwarten", wenn es prognostisch zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Für eine derartige Wahrscheinlichkeitsaussage
benötigt der Verfahrensbeteiligte konkrete Anhaltspunkte, wie zB einen bereits zurückliegenden Verkündungstermin (BGH Beschluss
vom 24.7.2000 - II ZB 22/99 - NJW 2000, 3143), die Anhängigkeit eines Eilverfahrens (vgl Keller, aaO, § 67 RdNr 7a), das Scheitern von Vergleichsverhandlungen und der
Ablauf einer zuvor gesetzten Zahlungsfrist (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 7.8.2007 - 1 BvR 685/07 - NJW 2007, 3486) oder die Information über eine beabsichtigte baldige Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung. Als der Kläger
seine Auslandsreise antrat, existierten keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Kammer bereits ein Urteil ohne mündliche
Verhandlung gefällt hatte und ihm in der ersten Urlaubswoche zustellen würde, nachdem 28 Monate zuvor nichts geschehen war.
Die bloße Möglichkeit oder gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das SG während der ersten Urlaubsphase mit der Ersatzzustellung eines belastenden Urteils die einmonatige Berufungsfrist in Gang
setzen würde, verdichtete sich nicht allein deshalb zu einer hohen Wahrscheinlichkeit, weil ein Gerichtsverfahren anhängig
und - entgegen Art
19 Abs
4 S 1
GG, Art 6 Abs 1 EMRK - trotz Entscheidungsreife seit 28 Monaten nicht mehr gefördert worden war. Das SG hatte damit gleichermaßen die normative Erwartung des Klägers, Rechtschutz "innerhalb angemessener Frist" (Art 6 Abs 1 S 1 EMRK) zu erhalten, wie auch dessen faktische Erwartung enttäuscht, nach Erklärung seines Einverständnisses mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung zeitnah eine Entscheidung zu erhalten. Die Rückkehr des SG zu einer prozessordnungsgemäßen Vorgehensweise war gänzlich ungewiss. Umgekehrt oblag es nicht dem Kläger, die überlange
Verfahrensdauer, die auf staatlichem Fehlverhalten beruhte, mit besonderen Vorkehrungen für etwaige Zustellungen zu kompensieren
(in diesem Sinne auch Kopp/Schenke,
VwGO, 18. Aufl 2012, §
60 RdNr 10 Fußnote 35: abgeschwächte Anforderungen, "selbst bei anhängigen Verfahren, wenn längere Zeit nichts mehr 'los' war").
Auf dem Verfahrensmangel kann die angefochtene Entscheidung beruhen. Hätte das LSG dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gewährt, dann hätte es die Berufung aller Voraussicht nach für zulässig erachtet und nicht als unzulässig verworfen.
Dann wäre anstelle eines Prozessurteils eine Sachentscheidung ergangen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Sachentscheidung
zugunsten des Klägers ausgefallen wäre.
Nach §
160a Abs
5 SGG kann das erkennende Gericht in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliegen. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.
Das LSG wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.