Gewährung einer höheren Altersrente für schwerbehinderte Menschen ohne Absenkung des Zugangsfaktors
Grundsatzrüge
Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage
Unzureichende Tatsachenfeststellung
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist.
2. Ein Beschwerdeführer muss, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen.
3. Ob eine Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig ist, kann generell nur auf der Grundlage bereits getroffener
Feststellungen beantwortet werden.
4. Dagegen kann die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen werden, wenn das Berufungsgericht eine Tatsache,
die für die Entscheidung der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochenen Frage erheblich sein würde, noch nicht festgestellt
hat und damit nur die Möglichkeit besteht, dass sie nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht und weiterer Sachverhaltsaufklärung
entscheidungserheblich werden kann.
Gründe:
Mit Urteil vom 30.9.2016 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer höheren Altersrente
für schwerbehinderte Menschen ohne Absenkung des Zugangsfaktors verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 §
160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl 2014, §
160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger misst den Fragen grundsätzliche Bedeutung bei,
1. ob "die Regelung des §
77 Abs.
2 SGB VI im Hinblick auf die versicherungsmathematischen Abschläge (Erniedrigung des Zugangsfaktors) verfassungswidrig geworden (ist)
durch das zum 01.07.2014 in Kraft getretene RV-Leistungsverbesserungsgesetz unter Verstoß gegen Art.
14 GG und Art.
3 GG",
und
2. "ob Einschränkungen des Gesetzgebers aus der Vergangenheit weiterhin aufrechterhalten werden dürfen, wohingegen man Wohltaten
an andere Personenkreise der Rentenversichertengemeinschaft austeilt" bzw "ob man den älteren Teil der Versichertengemeinschaft
mit Rentenkürzungen belasten darf, wohingegen man den anderen Teil der Versichertengemeinschaft, nämlich Neurentenbezieher
und die Mütterrentenbezieher, positiv mit Wohltaten versieht".
Hinsichtlich der Frage zu 2 wird der Kläger bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Er hat insoweit keine abstrakt-generelle
Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl §
162 SGG) gestellt (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht zu den
Aufgaben des BSG, den Vortrag des Klägers darauf zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl
BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).
Hinsichtlich der Rechtsfrage zu 1 lässt der Senat dahinstehen, ob der Kläger deren Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß dargetan
hat. Er hat es zumindest versäumt, ihre Entscheidungserheblichkeit, dh Klärungsfähigkeit, schlüssig aufzuzeigen.
Entscheidungserheblichkeit bedeutet, dass es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die Beantwortung der
aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt und die Entscheidung unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers in
seinem Sinne hätte ausfallen müssen. Kann mangels entsprechenden Vortrags nicht ausgeschlossen werden, dass der geltend gemachte
Anspruch unabhängig vom Ergebnis der angestrebten rechtlichen Klärung womöglich am Fehlen einer weiteren Anspruchsvoraussetzung
scheitern müsste, fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und damit der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen
Rechtsfrage (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 3 mwN). Ein Beschwerdeführer muss daher den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der
Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt darstellen, der die Entscheidung der als grundsätzlich
bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung keine schlüssigen Ausführungen.
Ob eine Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig ist, kann generell nur auf der Grundlage bereits getroffener
Feststellungen beantwortet werden. Dagegen kann die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen werden, wenn
das Berufungsgericht eine Tatsache, die für die Entscheidung der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochenen Frage erheblich
sein würde, noch nicht festgestellt hat und damit nur die Möglichkeit besteht, dass sie nach Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht und weiterer Sachverhaltsaufklärung entscheidungserheblich werden kann (BSG Beschluss vom 10.11.2008 - B 12 R 14/08 B - Juris mwN). Welchen Sachverhalt das LSG festgestellt hat, ist der Beschwerdebegründung indes nicht zu entnehmen. Auf
deren Seite 2 gibt der Kläger lediglich Sachverhaltsfragmente an, ohne überdies darzulegen, ob sie auf Feststellungen des
LSG beruhen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.