Prozessordnungsgemäßer Beweisantrag
Befragung eines Sachverständigen
Sachdienliche Fragen
1. Merkmal eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels
für diese Tatsache.
2. Der abstrakte Hinweis auf "gesundheitliche Beeinträchtigungen", verdeutlicht aber nicht ansatzweise, welche gesundheitlichen
Defizite welchen Einfluss auf das zeitliche und/oder qualitative Leistungsvermögen haben.
3. Den Beteiligten stehen - zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1 GG; §
62 SGG) - das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich
erachten.
4. Sachdienliche Fragen in diesem Sinne liegen vor, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder
bereits eindeutig beantwortet sind.
5. Hierbei müssen keine Fragen formuliert werden; es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret
zu bezeichnen; hingegen fehlt es an der Sachdienlichkeit, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich
gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird oder nur beweisunerhebliche
Fragen angekündigt werden.
Gründe:
Mit Urteil vom 4.9.2014 hat das LSG Sachsen-Anhalt einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden Verfahrensmängel geltend gemacht.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.
Rügt der Beschwerdeführer, das LSG habe die Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) verletzt, so muss er in der Beschwerdebegründung (1) einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnen, den das Revisionsgericht
ohne Weiteres auffinden kann, (2) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf Grund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig
hätten erscheinen müssen, (3) die Tatumstände darlegen, die den Beweisantrag betreffen und weitere Sachaufklärung erfordert
hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) schildern, dass und warum die
Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG also von seinem Rechtsstandpunkt
aus zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wenn es das behauptete Ergebnis der unterlassenen
Beweisaufnahme gekannt hätte (Senatsbeschluss vom 14.4.2009 - B 5 R 206/08 B - NJW 2010, 1229; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN und Nr 21 RdNr 5). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger behauptet, er habe erfolglos "mit Schriftsatz vom 04.02.2014 eine Ergänzung der Begutachtung beantragt, mit der
Maßgabe gutachterlich zu klären, dass eine Kausalität zwischen den aus dem Unfall vom 01.08.1978 verursachten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen besteht und dadurch eine Erwerbs- und Berufsunfähigkeit beim Kläger vorliegt."
Hiermit hat er jedoch keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag (iS von §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG iVm §
118 Abs
1 S 1
SGG, §
414 ZPO) bezeichnet. Merkmal eines solchen Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels
für diese Tatsache (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Der abstrakte Hinweis auf "gesundheitliche Beeinträchtigungen", die "aus dem Unfall vom 01.08.1978" resultieren,
verdeutlicht aber nicht ansatzweise, welche gesundheitlichen Defizite (es fehlen zB Angaben zur Art, Häufigkeit, Dauer und
Intensität der Beschwerden in bestimmten Körperregionen) welchen Einfluss auf das zeitliche und/oder qualitative Leistungsvermögen
haben. Deshalb hätte der im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Kläger - was keine besondere Sachkunde erforderte -
von sich aus Art, Intensität und Ausmaß der Leistungsstörungen konkret, detailliert und substantiiert beschreiben und diese
Tatsachenbehauptungen unter Sachverständigenbeweis stellen müssen. Soweit er die Rechtsansicht vertritt, er sei aufgrund der
Unfallfolgen erwerbs- und berufsunfähig, liegt darin gerade keine Behauptung beweisbarer Tatumstände. Denn die Rechtsbegriffe
der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit sind dem Tatsachenbeweis von vornherein unzugänglich.
Darüber hinaus legt der Kläger auch nicht schlüssig dar, dass die angefochtene Entscheidung - ausgehend von der materiellen
Rechtsansicht des LSG - auf dem angeblichen Verfahrensmangel beruhen kann. Denn die Beschwerdebegründung gibt selbst an, die
Vorinstanz habe entschieden, "dass der Kläger nicht erwerbsgemindert sei", und deshalb gerade offen gelassen, "ob die kausale
Verursachung einer teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit durch [wehrdienstbedingte] Körperschäden den Kläger von
der 3/5-Belegung für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung befreien würde". In dieser Situation hätte er vertieft darauf
eingehen müssen, warum es im Rahmen der mehrgliedrigen Tatbestände der §§
43,
240 SGB VI für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die vorzeitige Wartezeiterfüllung (§
43 Abs
1 S 1 Nr
2, Abs
2 Nr
2 und Abs
5 SGB VI) und die damit verbundenen Kausalitätsfragen ("wegen" iS von §
53 Abs
1 Nr
2 SGB VI) ankommen könnte, obwohl das LSG bereits das Vorliegen einer Erwerbsminderung (§
43 Abs
1 S 1 Nr
1 und Abs
2 Nr
1 SGB VI) verneint hat.
Soweit sich der Kläger darauf beruft, er habe "mit Schriftsatz vom 04.02.2014 eine Ergänzung der Begutachtung beantragt",
behauptet er im Übrigen auch nicht, dieses Beweisgesuch aufrechterhalten zu haben, als er sich mit einer Entscheidung durch
Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärte (stRspr BSG, vgl SozR 3-1500 § 160 Nr 31 mwN). Denn im vorbehaltslosen Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ist grundsätzlich der Verzicht auf eine zuvor
beantragte Beweiserhebung zu sehen (Senatsbeschluss vom 7.1.2013 - B 5 R 348/12 B - BeckRS 2013, 66085 RdNr 8; BSG Beschluss vom 17.5.2010 - B 13 R 57/10 B; BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4; vgl auch BFH Beschluss vom 29.6.2010 - III B 168/09 -BFH/NV 2010, 1847). Warum hier ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, erläutert die Beschwerdebegründung nicht.
Die dargestellten Erwägungen gelten entsprechend, soweit der Kläger eine weitere Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht
(§
103 SGG) geltend macht und dabei sinngemäß rügt, das LSG habe es ermessensfehlerhaft unterlassen, das Erscheinen des Sachverständigen
Dr. Z. von Amts wegen anzuordnen, damit er sein schriftliches Gutachten erläutere (§
118 Abs
1 S 1
SGG iVm §
411 Abs
3 ZPO).
Wenn sich die Beschwerdebegründung schließlich darauf beruft, das LSG habe "das Recht des Klägers auf Stellung sachdienlicher
Fragen gegenüber dem Sachverständigen verletzt", beruft er sich auf einen Verstoß gegen §
116 S 2, §
118 Abs
1 S 1
SGG iVm §§
397,
402,
411 Abs
4 ZPO. Danach steht den Beteiligten - zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG; §
62 SGG) - das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich
erachten (BVerfG Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom 3.2.1998 - 1 BvR 909/94 - NJW 1998, 2273 = Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7 und Nr 2 RdNr 5 sowie Beschlüsse vom 17.4.2012 - B 13 R 355/11 B - Juris RdNr 13, vom 28.12.2010 - B 13 R 320/10 B - Juris RdNr 10, vom 19.11.2009 - B 13 R 247/09 B - Juris RdNr 10, vom 27.8.2009 - B 13 R 185/09 B - Juris RdNr 15 und vom 12.12.2006 - B 13 R 427/06 B - Juris RdNr 7; BGH Urteil vom 7.10.1997 - VI ZR 252/96 - NJW 1998, 162, 163 = Juris RdNr 10 - alle mwN). Sachdienliche Fragen in diesem Sinne liegen vor, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas
halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 10). Hierbei müssen keine Fragen formuliert werden; es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte
hinreichend konkret zu bezeichnen (BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1). Hingegen fehlt es an der Sachdienlichkeit, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich
gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird oder nur beweisunerhebliche
Fragen angekündigt werden (vgl BVerfG [Kammer] vom 29.8.1995 - 2 BvR 175/95 - NJW-RR 1996, 183 = Juris RdNr 29, mwN zur Rspr des BGH). Vor diesem Hintergrund hat der Kläger es jedoch versäumt darzulegen, warum seine
"Frage ... zum Zusammenhang zwischen den Folgen der Wehrdienstbeschädigung und der damit verursachten Erwerbsminderung" beweiserheblich
und damit sachdienlich gewesen sein könnte, obwohl das LSG bereits das Vorliegen einer rentenrelevanten Erwerbsminderung verneint
hat.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.