Anspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz der ehemaligen DDR;
Erfüllung der betrieblichen Voraussetzung durch einen VEB Transportanlagen-Montagebau
Gründe:
I
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.10.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit
zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte
hat.
Der 1954 geborene Kläger ist berechtigt, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen (Zeugnis der Hochschule für Verkehrswesen
"F." vom 26.10.1979). Vom 1.9.1979 bis 30.6.1981 war er als Projektierungs- und Entwicklungsingenieur beim VEB W. und anschließend
bis mindestens 30.6.1990 als Haupttechnologe beim VEB T. L. (nachfolgend: VEB T. L.) tätig. Eine förmliche Versorgungszusage
erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.
Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 27.10.2004).
Den hiergegen am 9.3.2005 eingelegten Widerspruch wertete die Beklagte als Antrag nach § 44 SGB X, den sie ebenfalls ablehnte (Bescheid vom 30.3.2005; Widerspruchsbescheid 22.6.2005).
Das SG Halle hat die Beklagte mit Urteil vom 11.6.2007 verurteilt, die Zeit vom 1.10.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit
zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 16.12.2010 das Urteil des SG Halle aufgehoben und
die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X lägen nicht vor. Die Beklagte habe bei Erlass des Bescheides vom 27.10.2004 weder das Recht unrichtig angewandt noch sei
sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Der Kläger habe gemäß § 8 Abs 3 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 des Gesetzes zur
Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchsund
Anwartschaftsüberführungsgesetz [AAÜG] vom 25.7.1991, BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur
Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) keinen Anspruch auf die beantragte
Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der
DDR eine Versorgung zugesagt noch sei er auf Grund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen
worden. Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung
des BSG, nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der Senat nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten
Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers am Stichtag 30.6.1990,
der VEB T. L., sei weder ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch ein gleichgestellter Betrieb
gewesen. Der Begriff des Produktionsbetriebs erfasse nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im
Hauptzweck industriell gefertigt hätten. Die industrielle Serienproduktion müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Dies
sei hier nicht der Fall. Die Haupttätigkeit des VEB T. L. habe nicht in der industriellen Serienproduktion gelegen. Dagegen
spreche schon die Vielseitigkeit des betrieblichen Aufgabenspektrums. Ausweislich der Darstellung der derzeitigen Marktsituation
und Chancen (ohne Datum) habe der VEB T. L. einerseits Montageleistungen und andererseits Fertigungsleistungen erbracht. Die
Montageleistungen hätten sich in Rohrleitungsmontagen, Fördertechnik, Stahlbaumontagen, Montageleistungen allgemeiner Maschinenbau
sowie Montage von Elektrofiltern (Umweltschutz) gegliedert. Gegen eine serielle Produktion spreche bereits der Umstand, dass
im Bereich Rohrleitungsmontagen überwiegend Reparaturleistungen in Gestalt des Austausches von verschlissenen Rohrleitungen
und Aggregaten durchgeführt worden seien. Die Montageleistungen insbesondere im Bereich des allgemeinen Maschinenbaus seien
überdies sehr breit gefächert gewesen, was bereits an den vielen verschiedenen Montagestellen deutlich werde. So seien die
Montageleistungen auf die ständigen Montagestellen Zementwerk K., Zuckerfabrik A., Hydrierwerk W., Chemiewerk B., Brikettfabrik
D. usw verteilt. Einen weiteren Schwerpunkt habe die Rekonstruktion von Spanplattenwerken in G. und B. sowie Montageleistungen
für den VEB Märkische Ölwerke W. und den VEB Öl- und Fettwerke M. gebildet. In der Fachrichtung Fertigungsbetrieb seien überwiegend
Behälter für die chemische Verfahrenstechnik sowie Batterietröge für die Elektroindustrie und Behälter und Entaschungsanlagen
gefertigt worden. Die geschilderte Vielseitigkeit der Aufgaben lasse sich durch serielle Produktion nicht erfüllen, sodass
der Senat die Frage, ob die Montage überhaupt dem Produktionsbegriff des BSG unterfalle, nicht entscheiden müsse. Die Aufgabenvielfalt
werde auch ua durch die technisch-technologische Niveau-Analyse der Produktion und Sanierungserfordernisse (ohne Datum) bestätigt.
Danach sei die Erzeugnispalette des Betriebs durch die Fertigung von Druckbehältern und drucklosen Behältern, Batterietrögen
sowie Elektrofiltern und deren Komponenten charakterisiert. Die Montageleistungen hätten den Stahlbau, die Fördertechnik,
den Rohrleitungsbau sowie sonstige Montagen erfasst, wobei überwiegend keine eigenen Lieferungen montiert worden seien.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 1 Abs 1 AAÜG. Hierzu führt er im Wesentlichen aus: Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei § 1 Abs 1 AAÜG erweiternd auszulegen. Auch unterfalle er dem Anwendungsbereich der solchermaßen verstandenen Norm. Die betriebliche Voraussetzung
für die Einbeziehung in die fiktive Versorgung sei dann gegeben, wenn der Betreffende am 30.6.1990 in einem volkseigenen Betrieb
gearbeitet habe, der schwerpunktmäßig die Aufgaben der industriellen Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw Produktion von
Sachgütern wahrgenommen habe. Der Industriebegriff diene hauptsächlich der Unterscheidung zu den Dienstleistungs-, Handwerks-
und Landwirtschaftsbetrieben. Der weitergehenden Eingrenzung des Begriffs "Produktionsbetrieb" durch die Forderung des BSG
nach einer industriellen Massenproduktion auf der Grundlage des fordistischen Produktionsmodells sei dagegen nicht zu folgen.
Diese Einschränkung sei versorgungsrechtlich nicht zu begründen und werde auch nicht den Gegebenheiten der ehemaligen DDR
gerecht. Dem Produktionsbegriff im dargestellten Sinne werde auch ein Montagebetrieb gerecht. Dabei könne es keinen Unterschied
machen, ob Sachgüter nahtlos von Beginn bis Fertigstellung in einem Betrieb hergestellt würden oder die Herstellung unter
Verwendung von in einem anderen Betrieb vorgefertigten Bestandteilen erfolge. Der VEB T. L., dessen Aufgabenbereich die Fertigung
und Montage von Sachgütern umfasst habe, sei ein Produktionsbetrieb im hier maßgeblichen Sinne. Der Betrieb habe maschinell
und unter Verwendung standardisierter Verfahren und Bauteile Sachgüter gleicher Art zur Deckung spezieller Bedarfe im industriellen
Ausmaß hergestellt. Es habe sich weder um eine Einzelproduktion noch handwerkliche Produktion gehandelt. Dass die Ausführung
der Herstellung an verschiedenen Orten erfolgt sei, sei nicht ausschlaggebend.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Dezember 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2007 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich
sind.
Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren (§
165 Satz 1, §
153 Abs
1, §
123 SGG), das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des SG Halle vom 11.6.2007 wiederherzustellen. Dieses Begehren hat Erfolg,
wenn der Bescheid vom 30.3.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.6.2005 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet
ist, unter Rücknahme des Bescheids vom 27.10.2004 gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X die Beschäftigungszeit vom 1.10.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte)
festzustellen.
Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen
nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27 (§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende
Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus
tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich
sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).
Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung [Renten-Überleitungsgesetz
- RÜG] vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und
Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme
iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§
18 Abs
3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden
aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.
Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft
hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO innehat.
A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in §
194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch §
40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen.
Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene,
in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall)
erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).
Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS
des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten
war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem
einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570
§ 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).
B. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund
der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990
und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des LSG geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung. Der
Senat weist allerdings nochmals darauf hin, dass er § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit auslegt, und - insofern in der Begründung anders als der 4. Senat - insbesondere nicht Satz 2 der Vorschrift
heranzieht. Die diesbezüglich vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken beziehen sich daher auf eine überholte Rechtsprechung.
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der
technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden
Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Vertrag zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag - EinigVtr, BGBl II 1990, 889) Anlage II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind.
Dies sind insbesondere die Verordnungen über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen
und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung
zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder
höherrangiges Recht verstoßen.
Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden
drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 RdNr 23),
die kumulativ vorliegen müssen,
1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),
2. von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),
3. und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in
einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Das LSG hat zu der persönlichen und sachlichen Voraussetzung keinerlei Feststellungen getroffen und die betriebliche Voraussetzung
verneint.
Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich indes nicht beurteilen, ob der VEB T. L. ein volkseigener Produktionsbetrieb
der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion
erhalten haben. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 4-8570 § 1
Nr 16 RdNr 21 und 23) fest. Die in der Revisionsbegründung und teilweise in der Literatur erhobenen Bedenken (vgl hierzu Schmidt,
Die Rentenversicherung 2011, S 141 ff) gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebs teilt der erkennende Senat
nicht.
Das Verständnis der Vorschriften der VO-AVItech und der 2. DB erschließt sich stets zunächst und soweit als möglich unmittelbar
aus sich heraus. Nur soweit aus bundesrechtlicher Sicht der objektivierte Wortlaut - nicht also die DDR-rechtliche Bewertung
-, der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen
Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der DDR am Stichtag 30.6.1990 ankommen,
soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung,
als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder
durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen
des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S
67). Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher von vornherein nicht etwa
in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen Zusammenhang
nach einem offiziellen Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen mit dem
"Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen
Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten
Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie
gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt umso mehr, soweit dort eine Ausdehnung des Produktionsbegriffs
befürwortet wird, die die versorgungsrechtliche Gleichstellung von wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen,
Betrieben sowie wirtschaftsleitenden Organen im Ergebnis überflüssig machen würde.
Vorliegend könnten zwar die Überschrift der VO-AVItech vom 17.8.1950, deren Einleitung und ihr § 1 sowie § 1 Abs 1 der 2.
DB darauf hindeuten, dass deren Voraussetzungen generell durch die einschlägige Beschäftigung von Ingenieuren in allen volkseigenen
Betrieben erfüllt werden. Indessen kann der VO an diesen Stellen für den betrieblichen Anwendungsbereich einzelner Teile nichts
entnommen werden. Insbesondere zeigt der Wortlaut der Gleichstellungsregelung in §1 Abs 2 der 2. DB, dass generell nur volkseigene
Produktionsbetriebe erfasst sind. Die "Rechtsfolge" der ausnahmsweisen Gleichstellung der dort im Einzelnen aufgeführten wissenschaftlichen
Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betriebe sowie wirtschaftsleitenden Organe bestimmt logisch notwendig Inhalt und Umfang
des Grundtatbestands. Versorgungsrechtlich relevant ist damit nur die Beschäftigung in einer Teilmenge der volkseigenen Betriebe.
Die positiven Bestimmungsmerkmale der Teilmenge "Produktionsbetriebe" ergeben sich mit hinreichender Bestimmtheit zunächst
aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Industrie, auf dessen Einvernehmen es nach § 5 der VO-AVItech
vom 17.8.1950 für den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch das Ministerium der Finanzen ua ankam. Die Beteiligung gerade
dieses damals für Herstellungsvorgänge in den industriellen Fertigungsbetrieben verantwortlichen Ministeriums (so auch in
der Präambel der Ersten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 26.9.1950, GBl Nr 111 S 1043) gibt zu erkennen, dass versorgungsrechtlich
grundsätzlich nur diesem Kriterium genügende VEB erfasst sein sollten. Dies wird zudem durch die historische Situation beim
Aufbau einer zentralen Planwirtschaft durch das Interesse der Machthaber, qualifizierten Kräften gerade im Bereich der Industrie
einen Beschäftigungsanreiz zu bieten, bestätigt. Die herausragende Bedeutung der Industrie, die auch in der DDR im Sinne der
Herstellung von Erzeugnissen auf der Basis industrieller Massenproduktion verstanden wurde (vgl hierzu Abelshauser, Deutsche
Wirtschaftsgeschichte seit 1945, 2004, 370 ff), ist unabhängig davon, ob hierfür der (Wort-)Begriff "fordistisches Produktionsmodell"
gebraucht wird. Hiervon wird - ungeachtet ihrer ursprünglichen formellen Zuordnung zum Ministerium für Aufbau - der Sache
nach bereits ursprünglich auch die Bauindustrie erfasst. Diese wurde in der DDR zudem in der Folgezeit durchgehend zusammen
mit der Industrie den beiden führenden Produktionsbereichen zugeordnet und gemeinsam gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen
abgegrenzt. Dies gilt jeweils auch und gerade noch nach dem Sprachgebrauch der am 30.6.1990 maßgeblichen Verordnung über die
volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.1979 (GBl I Nr 38 S 355).
Soweit der Rechtsprechung der Instanzgerichte neben dem damit primär maßgeblichen Umstand, dass die industrielle Fertigung
dem VEB das Gepräge gegeben haben muss, konstitutiv auf die Frage der organisatorischen Zuordnung abstellt, ist darauf hinzuweisen,
dass sich dies aus der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ergibt. Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend
- nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium
nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere
Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium
allenfalls bestätigend heran (vgl Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11).
Entsprechendes gilt, wenn ein Betrieb (auch) Montagearbeiten verrichtet hat.
Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend wurde auch in der DDR unter Montage der planmäßige Zusammenbau von Bauteilen zu einem
Endprodukt verstanden.
Der Zusammenbau von im Wege industrieller Massenproduktion vorgefertigten Bauteilen zum fertigen Produkt kann seinerseits
Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens (vgl BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 3 RdNr 20) sein, wobei unerheblich
ist, ob die Bauteile im eigenen oder einem Drittbetrieb angefertigt worden sind. Von einer industriellen Produktion der Endprodukte
ist dann auszugehen, wenn diese ihrerseits massenhaft hergestellt werden und daher ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch
anfällt. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender
Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden
dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau
eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere
Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion.
Ob der VEB T. L. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen
des LSG nicht entnehmen.
Allein die Vielfältigkeit des Angebots und die Leistungserbringung an verschiedenen Orten sprechen nicht gegen das Vorliegen
von Massenproduktion. Vielmehr erfordern gerade sie Feststellungen zum Gepräge. Diese können schlüssig nur durch eine Feststellung
der Tätigkeitsbereiche eines Betriebs, ihrer jeweiligen Zugehörigkeit zur industriellen Produktion oder einem anderen Bereich
und ihres quantitativen Verhältnisses zueinander nach einem einheitlichen Maßstab erfolgen. Insoweit bietet sich insbesondere
ein Vergleich nach dem jeweiligen Anteil an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag an.
Sollte sich danach ergeben, dass der VEB T. L. ein volkseigener Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens
gewesen ist, wird das Berufungsgericht ferner Feststellungen zur persönlichen und sachlichen Voraussetzung zu treffen haben.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.