Anspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz der ehemaligen DDR;
Erfüllung der betrieblichen Voraussetzungen; Begriff des Versorgungsbetriebes
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 24.5.1973 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit
zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte
festzustellen.
Der 1952 geborene Kläger erwarb an der Ingenieurschule das Recht, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (Urkunde vom
24.5.1973). Ab dem 1.9.1972 arbeitete er beim Volkseigenen Betrieb (VEB) W. - N. zunächst als technischer Sachbearbeiter und
ab dem 1.1.1974 als Ingenieur für Invest-Vorbereitung. In derselben Funktion war er ab Mitte 1975 für den VEB W. B. tätig.
Vom 1.1.1976 bis zum 15.1.1978 fungierte er im VEB P. W. als Objektbauleiter und kehrte anschließend als Ingenieur für Investitionen
zum VEB W. - B. zurück. Von Mitte März 1981 bis Mitte August 1986 wurde er als Ingenieur für Bautechnik am Institut "P." eingesetzt
und war danach bis Ende 1988 Objektingenieur AUS/TUL beim VEB E.. Ab dem 1.1.1989 arbeitete er als Sektorenleiter in der Kombinatsleitung
des VEB Kombinat M., der später in die M. Mineralölhandel AG umgewandelt wurde. Die AG wurde am 10.7.1990 in das Register
der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Eine Versorgungszusage der AVItech erhielt er nicht. Den Antrag des Klägers, seine
Zusatzversorgungsanwartschaften festzustellen und zu überführen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 19.11.2003 und Widerspruchsbescheid
vom 11.2.2004).
Das SG Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.1.2005). Das LSG Berlin-Brandenburg hat die Berufung des Klägers am
21.11.2005 durch Urteil der Berichterstatterin als Einzelrichterin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Auf die Revision
des Klägers hat das BSG dieses Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, weil
die Voraussetzungen für eine Entscheidung der Berichterstatterin als Einzelrichterin nicht vorgelegen hätten (Urteil vom 23.8.2007
- B 4 RS 2/06 R - SozR 4-1500 § 155 Nr 1).
Mit Urteil vom 3.6.2010 hat das LSG die Berufung erneut zurückgewiesen: Der Kläger sei am 1.8.1991 keinesfalls Inhaber einer
fingierten Versorgungsanwartschaft gewesen, obgleich er die persönliche und sachliche Voraussetzung dafür erfülle. Denn es
fehle jedenfalls die betriebliche Voraussetzung, weil der Kläger am Stichtag (30.6.1990) weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb
der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb iS des § 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2.
DB) vom 24.5.1951 (GBl DDR 487) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen
und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl DDR 844) gearbeitet habe. Dabei könne offenbleiben, ob
rechtlicher Arbeitgeber des Klägers am Stichtag noch der VEB Kombinat M. oder schon die M. Mineralölhandel AG in Gründung
(iG) gewesen sei: Der VEB Kombinat M. habe im Wesentlichen Kraft- und Schmierstoffe vertrieben und deshalb weder Sachgüter
industriell hergestellt bzw seriell (an)gefertigt noch bauliche Anlagen in Massenproduktion errichtet. Dasselbe gelte für
die M. Mineralölhandel AG iG, die schon wegen ihrer Rechtsform nicht zu den volkseigenen Betrieben gezählt habe. Im Übrigen
seien weder der VEB Kombinat M. noch die M. Mineralölhandel AG iG gleichgestellte Versorgungsbetriebe (Gas bzw Energie) iS
des § 1 Abs 2 der 2. DB gewesen. Nach dem maßgeblichen Sprachgebrauch am Ende der DDR hätten zu den Versorgungsbetrieben in
den Bereichen Gas und Energie nur solche kommunalwirtschaftlichen Unternehmen gehört, die die öffentliche Versorgung mit leitungsgebundenen
Energieträgern in Versorgungsnetzen sichergestellt hätten. Dies ergebe sich aus einschlägigen Publikationen der DDR, dem §
161 des Zivilgesetzbuches der DDR (ZGB-DDR) vom 19.6.1975 (GBl DDR I 465) und insbesondere aus der Verordnung über die Energiewirtschaft in der DDR (Energieverordnung
- EnVO) vom 1.6.1988 (GBl DDR I 89). Der VEB Kombinat M. und die M. Mineralölhandel AG iG seien aber nicht Bestandteil der
Kommunalwirtschaft gewesen und hätten Kraft- und Schmierstoffe weder leitungsgebunden noch in Versorgungsnetzen öffentlich
vertrieben.
Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt der Kläger die Verletzung der §§ 1, 5 und 8 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) iVm § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 und 2 der 2. DB: Der Begriff des "Versorgungsbetriebs
(Energie)" sei nicht auf solche der Kommunalwirtschaft beschränkt. Andernfalls fiele auch der VEB Energiekombinat, der Elektroenergie
über Versorgungsnetze an Energieabnehmer geliefert habe und den das LSG deshalb zu den Versorgungsbetrieben (Energie) zähle,
aus dem Kreis der gleichgestellten Betriebe, weil er nicht den Räten der Städte und Kreise (Kommunalwirtschaft), sondern den
Ministerien für Kohle und Energie, Schwerindustrie bzw Wirtschaft unterstanden habe. Im Übrigen gelte die Auslegung des LSG
nur für "öffentliche Versorgungsbetriebe (Energie)", was dem Wortlaut der Versorgungsordnung widerspreche, der die Einschränkung
"öffentlich" nicht enthalte. Da der VEB Kombinat M. die Abnehmer mit flüssigen Energieträgern versorgt habe und vom (generellen)
Geltungsbereich der EnVO erfasst werde, sei er als "Versorgungsbetrieb (Energie)" zu klassifizieren. Ein entsprechendes Verständnis
habe auch die die Anordnung über die Planung, Bilanzierung und Lieferung sowie Abrechnung und Kontrolle des Verbrauchs von
flüssigen Energieträgern (Versorgungsanordnung für flüssige Energieträger) vom 9.2.1982 (GBl DDR I 192) geprägt.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2005
sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. November 2003 und den Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2004 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 24. Mai 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem
der Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG und die hierin erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Während der gesamten Existenz der DDR habe der staatliche Sprachgebrauch immer strikt zwischen der Versorgung
mit Elektroenergie, Gas und Wärmeenergie (leitungsgebundene Energieträger) einerseits und der Versorgung mit festen und flüssigen
Brennstoffen andererseits unterschieden (zuletzt § 4 Abs 1 EnVO und Abschn I Nr 9 und 10 Anl EnVO). Energieversorgungsanlagen
seien danach nur die Versorgungsnetze und Energieumwandlungsanlagen gewesen, aus denen leitungsgebundene Energieträger an
Energieabnehmer geliefert worden seien (Abschn I Nr 8 Anl EnVO). Folgerichtig habe das Statistische Betriebsregister der DDR
den VEB M., der nach seinem Statut schwerpunktmäßig mit Kraft- und Schmierstoffen, Heizöl, Flüssiggas und kraftstoffspezifischen
Hilfsstoffen gehandelt habe, der Hauptgruppe "Handel" und die Energiekombinate dem Industriebereich "Energie- und Brennstoffindustrie"
zugeordnet.
II
Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht haben LSG und SG einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Zeit vom 24.5.1973 bis zum 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech
einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte verneint. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.11.2003 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.2.2004 ist rechtmäßig.
Anspruchsgrundlage für die begehrten Feststellungen ist § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27 (§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende
Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze
anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).
Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft trat (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung [Rentenüberleitungsgesetz
- RÜG] vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und
Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme
iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§
18 Abs
3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden
aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.
Der Kläger wird vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG nicht erfasst. Denn er hat weder einen "Anspruch" noch eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft
iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO inne. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung
das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in §
194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch §
40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen.
Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene,
in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall)
erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).
Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS
des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten
war, wie das LSG bindend (§
163 SGG) festgestellt hat. Er war zu diesem Zeitpunkt auch nicht Inhaber einer bestehenden "Anwartschaft" iS dieser Vorschrift. Denn
der Kläger war - wie das LSG ebenfalls bindend festgestellt hat - weder auf Grund eines Einzelvertrags (§ 1 Abs 3 der 2. DB)
noch durch eine Versorgungszusage (§ 3 Abs 5 der 2. DB) oder durch eine Rehabilitierungsentscheidung auf Grund von Art 17
des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit
Deutschlands (Einigungsvertrag - im Folgenden: EinigVtr) in die AVItech einbezogen. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem
einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f, SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).
Schließlich war der Kläger am 1.8.1991 auch nicht Inhaber einer sog fingierten Versorgungsanwartschaft. Nach der Rechtsprechung
des früher für die Rentenüberleitung zuständigen 4. Senats (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 12 f, Nr 3 S 20, Nr 4 S 26 f, Nr 5 S 32, Nr 6 S 39, Nr 7 S 58 f sowie Nr 8 S 73), die das BVerfG als willkürfrei gebilligt
hat (SozR 4-8560 § 22 Nr 1 RdNr 36, 41), und des erkennenden Senats (Urteile vom 15.6.2010 - B 5 RS 10/09 R - BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17, RdNr 22; B 5 RS 2/09 R, B 5 RS 6/09 R, B 5 RS 9/09 R, B 5 RS 16/09 R und B 5 RS 17/09 R - alle Juris; sowie Urteile vom 19.10.2010 - B 5 RS 2/08 R, B 5 RS 3/09 R, B 5 RS 4/09 R und B 5 RS 5/09 R - alle Juris) können Ansprüche und Anwartschaften auch dann durch "Zugehörigkeit" erworben werden, wenn nach der bundesrechtlichen
Rechtslage am 1.8.1991 ein "Anspruch auf Versorgungszusage" bestanden hätte. Dieser fiktive "Anspruch" besteht nach Bundesrecht
unabhängig von einer gesicherten Rechtsposition in der DDR, wenn nach den leistungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Versorgungssystems
- mit Ausnahme des Versorgungsfalls - alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zusatzversorgungsrente
gegeben waren. Entscheidend ist, ob zum Stichtag der Tatbestand der Versorgungsordnungen erfüllt war, die insofern bis zum
31.12.1991 nachrangig und lückenfüllend ("soweit") als Bundesrecht anzuwenden sind (EinigVtr Anl II Kap VIII Sachgebiet H
Abschn III Nr 9 Buchst b Satz 2; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 57). Die Versorgungsordnungen sind dabei im Sinne verbindlicher Handlungsanweisungen für die Verwaltung als Tatbestände
einer ohne Entscheidungsspielraum zwingend zu gewährenden Vergünstigung zu verstehen und auch nur insoweit Bundesrecht geworden
(BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 59).
Ob nach dem am 1.8.1991 geltenden Bundesrecht auf Grund der am Stichtag 30.6.1990 gegebenen tatsächlichen Umstände ein fiktiver
bundesrechtlicher "Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage" - eine fingierte Versorgungsanwartschaft - besteht, hängt
im Bereich der AVItech gemäß § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,
1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),
2. von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),
3. und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 der 2. DB) oder
in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Das LSG hat das Vorliegen der persönlichen und sachlichen Voraussetzung bejaht und die betriebliche Voraussetzung zu Recht
verneint. Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer auf Grund
der tatsächlichen Gegebenheiten am 30.6.1990 (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 bis 8) Arbeitgeber im rechtlichen Sinn war (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 2 RdNr 31 und Nr 4 RdNr 15) und welchen Zweck dessen Betrieb tatsächlich verfolgte (BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 2).
Im rechtlichen Sinn war der VEB Kombinat M. am 30.6.1990 Arbeitgeber des Klägers. Dies kann der Senat auf Grund der Feststellungen
des LSG abschließend entscheiden, obwohl das Berufungsgericht die Frage offengelassen hat. Der VEB Kombinat M. war am 30.6.1990
nicht vermögenslos und hatte vor dem 1.7.1990 keinesfalls seine Fähigkeit eingebüßt, sich als Wirtschaftssubjekt zu betätigen
und seine Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Denn er hatte seine materiellen und finanziellen (Betriebs-)Mittel, die ihm
der Staat in Form sog "Fonds" aus dem "volkseigenen" Vermögen zur zweckgebundenen Bewirtschaftung zugeführt und überlassen
hatte, bis zu diesem Zeitpunkt nicht an die M. Mineralölhandel AG verloren. Die eingeleitete Umwandlung des VEB in eine Aktiengesellschaft
(AG) war am 30.6.1990 noch nicht vollzogen, weil nach § 7 Satz 1 der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten,
Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften (UmwVO) vom 1.3.1990 (GBl DDR I 107) die notariell beurkundete Umwandlungserklärung
vom 8.6.1990 erst mit der Eintragung der AG in das beim Staatlichen Vertragsgericht geführte Register am 10.7.1990 wirksam
wurde. Bis dahin stand die Umwandlung nach der UmwVO unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung. Konnte die Umwandlung
nach der UmwVO - wie hier - bis zum 30.6.1990 nicht erreicht werden, so ging das Vermögen aus der Fondsinhaberschaft bzw Rechtsträgerschaft
des VEB am 1.7.1990 gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz - TreuhG) vom 17.6.1990 (GBl DDR I 300) an dessen (Nachfolge-)AG im Aufbau (i.A.) über. Neben VEB und AG existierte vor dem 1.7.1990
keine Vor-AG, wie § 7 UmwVO bestätigt. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien
(Aktiengesetz - AktG) vom 30.1.1937 (RGBl I 107, berichtigt 588, 1140), das in der DDR in dieser Fassung weiter galt, und das § 19 Nr 4 Satz 1
iVm § 34 des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der DDR vom 21.6.1990
(GBl DDR I 357) mit Wirkung zum 1.7.1990 außer Kraft setzte (vgl dazu und zum Vorstehenden ausführlich: Senatsurteil vom 15.6.2010
- B 5 RS 9/09 R - Juris). Damit konnten Fondsanteile vor dem 1.7.1990 auf eine AG nur dann übergehen, wenn diese Kapitalgesellschaft zuvor
im Handelsregister eingetragen war. Weder ist daher die Eigenschaft des VEB Kombinat M. als Wirtschaftssubjekt bereits mit
dem in der Umwandlungserklärung genannten Zeitpunkt (1.5.1990) entfallen noch konnte es vor der Eintragung am 10.7.1990 zu
einem Übergang der Arbeitsverhältnisse auf eine neue Kapitalgesellschaft als Rechtsnachfolgerin kommen.
Als Handelsbetrieb, der schwerpunktmäßig Kraft- und Schmierstoffe vertrieb, war der VEB Kombinat M. kein volkseigener Produktionsdurchführungsbetrieb
der Industrie oder des Bauwesens iS von § 1 Abs 1 der 2. DB, wie das LSG bindend festgestellt hat. Der Beschäftigungsbetrieb
des Klägers gehörte auch nicht zu den gleichgestellten Betrieben iS von § 1 Abs 2 der 2. DB. Von den dort abschließend aufgezählten
Wirtschaftseinheiten, wirtschaftsleitenden Organen und staatlichen Einrichtungen kommt vorliegend allenfalls eine Zuordnung
zu den Versorgungsbetrieben im Bereich der Energie in Betracht. Was unter einem "Versorgungsbetrieb (Energie)" zu verstehen
ist, ergibt sich auf Grund des EinigVtr Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 ("Regelungen") neben dem strikt zu beachtenden
Wortlaut der Versorgungsordnung aus dem staatlichen Sprachgebrauch der DDR bei Schließung der Versorgungssysteme, an den der
Bundesgesetzgeber am 3.10.1990 angeschlossen hat (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 59). Der staatliche Sprachgebrauch erschließt sich - unabhängig von einer Überführung in Bundesrecht - insbesondere
aus dem Kontext des einschlägigen Binnenrechts der DDR, dessen Auslegung damit nach einem bundesrechtlich objektivierten Verständnis
- unabhängig also von der tatsächlichen Handhabung durch die DDR und ihrer Verwaltungspraxis - insofern ebenfalls Aufgabe
des Revisionsgerichts ist. Bundesrecht sind zudem allgemeine Auslegungsgrundsätze, soweit sie Bundesrecht ergänzen (vgl BSGE
55, 115, 116 = SozR 1500 §
162 Nr 17; BVerwG Buchholz 310 §
132 VwGO Nr 133).
Das Verständnis der versorgungsrechtlichen Regelungen erschließt sich stets zunächst und so weit wie möglich unmittelbar aus
sich heraus. Nur soweit der aus bundesrechtlicher Sicht objektivierte Wortlaut - nicht also die DDR-rechtliche Bewertung -,
der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen
Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der DDR am Stichtag 30.6.1990 ankommen,
soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung,
als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder
durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen
des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung (BSG Urteil vom 9.4.2002 - B 4 RA 3/02 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 61). Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher
von vornherein nicht etwa in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen
Zusammenhang nach einem offiziellen Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen
mit dem "Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen
Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten
Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie
gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Den volkseigenen Produktionsbetrieben werden in §1 Abs 2 der 2. DB ua "Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie)" gleichgestellt.
Der Begriff des Versorgungsbetriebes erfährt dabei Inhalt und Begrenzung durch den dreigliedrigen Klammerzusatz. Dieser kann
seinerseits bruchlos im Sinn einer jeweils leitungsgebundenen Versorgung der Verbraucher dann verstanden werden, wenn man
den dortigen Begriff der "Energie" entgegen seinem scheinbar weiten Inhalt im Sinne der Begrenzung auf elektrische Energie
versteht. Dies vermeidet zugleich das logisch zweifelhafte Ergebnis, dass bei einem weiten Verständnis des Energiebegriffs
die gesonderte Erwähnung von "Gas" überflüssig gewesen wäre. Eine Fortschreibung der einschlägigen versorgungsrechtlichen
Regelungen, die damit ein abschließendes Verständnis aus Wortlaut und Sinnzusammenhang ermöglichen, ist seit ihrem Erlass
nicht erfolgt. Für den Stichtag 30.6.1990 gilt nichts anderes.
Auch die Entstehungsgeschichte und der historische Kontext der VO-AVItech sowie der 2. DB sprechen für eine enge Interpretation
des mehrgliedrigen Begriffs "Versorgungsbetrieb (Energie)" im Sinne einer leitungsgebundenen Versorgung. Historisch betrachtet
waren die VO-AVItech und die 2. DB Teil eines breit angelegten Anreiz- und Motivierungssystems, mit dem die Staatsführung
der neu gegründeten DDR den Massenexodus der akademischtechnischen Eliten in den Westen stoppen wollte. Denn die Abwanderung
(hoch)qualifizierter Fachkräfte und Spezialisten gefährdete die Funktionsfähigkeit der DDR, den Wiederaufbau nach Krieg und
Demontage sowie die Erfüllung des ersten Fünfjahrplans, der am 1.1.1951 in Kraft getreten war (vgl dazu das Gesetz über den
Fünfjahrplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik - Fünfjahrplan - vom 1.11.1951, GBl
DDR 973). Dieser Fünfjahrplan passte die DDR an den sowjetischen Rhythmus der Planwirtschaft an und gab - bezogen auf die
Kalenderjahre 1951 bis 1955 - für die gesamte Wirtschaft Ziele vor, die detailliert in Zahlen gefasst waren. Besonderes Anliegen
des Fünfjahrplans war die "Steigerung der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion" (Präambel des Fünfjahrplans),
wobei der massive Ausbau der Schwerindustrie (Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie sowie Chemie) im Mittelpunkt stand (vgl §
9 Abs 2 Fünfjahrplan). Die Industrieproduktion sollte im Vergleich zum Vorkriegsstand (1936) mehr als verdoppelt (§ 1 Nr 1
und § 2 Abs 1 Fünfjahrplan) und bis 1955 ein Ausmaß von 192,3 % erreichen (Basis 1950 = 100 %); die Produktion der Landwirtschaft
sollte sich im selben Zeitraum wertmäßig um mindestens 57 % erhöhen (§ 1 Nr 1 Fünfjahrplan). Vermehrte Qualifizierungsanstrengungen
für das notwendige Fachpersonal und technische Fortschritte in der Produktion sollten dies ermöglichen. Der persönliche Anwendungsbereich
der 2. DB erfasste deshalb vor allem die Berufsgruppen, die einerseits für die Planerfüllung besonders wichtig waren und sich
anderseits als besonders fluchtanfällig erwiesen hatten (vgl dazu: van Melis, "Republikflucht" - Flucht und Abwanderung aus
der SBZ/DDR 1945 bis 1961, Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 2006 S 38): Ingenieure, Konstrukteure,
Architekten und Techniker aller Spezialgebiete sowie Lehrer technischer Fächer an den Fach- und Hochschulen. Der betriebliche
Anwendungsbereich der AVItech erstreckte sich in erster Linie auf volkseigene Produktionsdurchführungsbetriebe der Industrie
und des Bauwesens, wobei die Bruttoproduktion der volkseigenen Betriebe im Verlauf des Jahrfünfts (1951 bis 1955) im Vergleich
zum Kalenderjahr 1950 auf 224,8 % gesteigert werden sollte (§ 2 Abs 4 Satz 1 Fünfjahrplan). Ihnen gleichgestellt wurden Wirtschaftseinheiten, wirtschaftsleitende Organe (VVB, Hauptverwaltungen, Ministerien) sowie staatliche Einrichtungen (zB Schulen, Institute, Akademien), die mit den Begriffen
"Betrieb", "volkseigen" und "Produktion" nicht erfasst werden konnten, aus Sicht der Regierung der DDR für die Erfüllung des
Fünfjahrplans aber unerlässlich waren. Die detaillierte Liste der gleichgestellten Betriebe ist abschließend und - anders
als der dynamische Begriff des volkseigenen Produktionsbetriebs - tendenziell starr. Sie konserviert den Status quo der DDR-Volkswirtschaft
Anfang der 50iger Jahre des letzten Jahrhunderts und ist praktisch eine Blaupause des ersten Fünfjahrplans. Nach ihrem Erlass
ist die 2. DB nicht mehr aktualisiert worden. Dies war nach dem Mauerbau (13.8.1961) schon deshalb nicht mehr notwendig, weil
die technische Intelligenz ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in den Westen fliehen konnte und der Staat deshalb keine "Bleibeprämien
und -instrumente" mehr benötigte. Da die 2. DB den Zustand der DDR-Volkswirtschaft Anfang der 50iger Jahre widerspiegelt,
erfasst sie keine neuen Entwicklungen, wie zB den Flugverkehr (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7). Da es andererseits versorgungsrechtlich auf die Verhältnisse am 30.6.1990 ankommt, ist die Gleichstellung in Bezug
auf einige Wirtschaftseinheiten, wirtschaftsleitende Organe und staatliche Einrichtungen im Laufe der Zeit überholt und damit
teilweise gegenstandslos geworden.
Knüpft die 2. DB damit an die Situation der DDR-Volkswirtschaft Anfang der 50iger Jahre an, so ist der versorgungsrechtliche
Begriff des Versorgungsbetriebs "Energie" zunächst entstehungszeitlich anhand des damals gültigen Binnenrechts der DDR zu
bestimmen. Als die 2. DB in Kraft trat, galt auf dem Energiewirtschaftssektor die Verordnung über die Neuordnung der Energiewirtschaft
in der sowjetischen Besatzungszone (Energiewirtschaftsverordnung 1949) vom 22.6.1949 (ZVOBl I 472). Sie verstand unter Energieversorgung
die öffentliche Versorgung von Elektrizitäts- und Gasverbrauchern (vgl § 1 Abs 1 Satz 1 und § 3 Satz 1 Energiewirtschaftsverordnung
1949), die damals wie heute nur leitungsgebunden erfolgen konnte. Der Fünfjahrplan, der 1951 als Gesetz erlassen worden ist
(GBl DDR 973), verengt den Begriff der "Energiewirtschaft" sogar auf die Erzeugung von "Elektroenergie" bzw "elektrischer
Energie" (vgl § 2 Abs 6 Buchst a Fünfjahrplan). Den Vertrieb von Kraft- und Schmierstoffen erwähnt der Fünfjahrplan nicht
einmal unter der Rubrik "Entwicklung des Verkehrs" (§ 7 Fünfjahrplan), die sich - korrespondierend mit dem Ausbau der Schwerindustrie
- schwerpunktmäßig mit dem Auf- und Ausbau des Eisenbahn- und Schiffsverkehrs beschäftigt. Der "gewerbliche Kraftverkehr"
und der "Personenverkehr mit Omnibussen" (§ 7 Abs 6 Fünfjahrplan) spielten dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Auch die
Energie(wirtschafts)verordnungen aus den Jahren 1963 (GBl DDR II 318), 1969 (GBl DDR II 495), 1976 (GBl DDR I 441) und 1980
(GBl DDR I 321) iVm den jeweiligen Durchführungsbestimmungen umschrieben die Begriffe der "Energiewirtschaft", "Energieversorgung",
"Energieversorgungsbetriebe" und "Energiekombinate" relativ konstant mit der Belieferung der Energieabnehmer mit Elektroenergie,
Gas und (Fern-)Wärme aus Versorgungsnetzen. Spätere Erweiterungen in der ab 1.6.1988 geltenden Energieverordnung (GBl DDR
I 89) sind auf deren Anwendungsbereich beschränkt geblieben. Sie haben keinen Niederschlag im Versorgungsrecht gefunden. Dieses
hat damit bis zum Stichtag 30.6.1990 auch keine Änderung durch einen versorgungsrechtlich relevanten Bedeutungswandel des
dort verwandten Energiebegriffs im staatlichen Sprachgebrauch der DDR erfahren.
Der hier in Frage stehende Vertrieb von Kraft- und Schmierstoffen ist damit ungeachtet der Tatsache, dass die Gleichstellung
entgegen der Auffassung des LSG nicht auf kommunale Träger beschränkt ist, nicht erfasst, weil der VEB Kombinat M. weder Gas
noch Wasser oder Elektroenergie leitungsgebunden an Konsumenten lieferte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.