Gründe:
I
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit
zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte
hat.
Der 1943 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom der Lebensmittelindustrie" zu führen (Zeugnis
der Ingenieurschule der Lebensmittelindustrie G. - vom 15.7.1982). Im Anschluss an die Verleihung dieser Berechtigung war
der Kläger bis 30.6.1990 beim VEB S. in folgenden Funktionen tätig:
- 16.7.1982 bis 28.2.1983
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Gruppenleiter NS-Schaltgeräte
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- 1.3.1983 bis 14.10.1984
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Abteilungsleiter Materialplanung und Organisation
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- 15.10.1984 bis 31.12.1985
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Abteilungsleiter KM
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- 1.1.1986 bis 31.12.1988
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Objektingenieur
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- 1.1.1989 bis 30.6.1990
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Abteilungsleiter Objektüberwachung.
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Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht. Seit dem 1.10.2003 bezieht er eine Altersrente
wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit.
Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.7.2003
und Widerspruchsbescheid vom 27.11.2003).
Das SG Magdeburg hat die Beklagte mit Urteil vom 18.7.2007 verurteilt, die Zeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit
zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 19.8.2010 das Urteil des SG Magdeburg aufgehoben
und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß § 8 Abs
3 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen
des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz [AAÜG] vom 25.7.1991, BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten
zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der
DDR eine Versorgung zugesagt noch sei er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden.
Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung
des BSG, nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der Senat nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieurökonom
die persönliche Voraussetzung und sei auch entsprechend seiner erworbenen Qualifikation tätig gewesen. Zum Stichtag 30.6.1990
sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten
Betrieb beschäftigt gewesen. Der VEB S. sei - wie der Senat bereits entschieden habe - weder ein volkseigener Produktionsbetrieb
der Industrie noch ein gleichgestellter Betrieb. Der Begriff des Produktionsbetriebs erfasse nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt hätten. Die industrielle Serienproduktion müsse dem
Betrieb das Gepräge gegeben haben. Dies sei hier nicht der Fall. Hauptzweck des VEB S. sei die Herstellung von Schaltschränken
als Endprodukt gewesen. Der VEB habe pro Jahr über 10 000 Schaltschränke gefertigt. Nach den Einlassungen des Klägers im Verfahren
L 1 R 400/06 habe deren Herstellung individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen erfolgen müssen. Die Schaltschränke
seien von ihrem Aufbau her auf die einzelne Anlage bezogen gewesen, deren Versorgung sie dienen sollten und seien deshalb
"in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen. Daneben habe der VEB Trafo- und Kabelkompaktstationen in geringer
Stückzahl und serienmäßig Schaltschränke für den Waggonbau von ca 600 Einheiten produziert. Gehe man davon aus, dass die Produktion
von Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat K. sowie von Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen als Serienproduktion
anzusehen seien, kämen maximal 300 Einheiten dazu. Die individualisierte Schaltschrankproduktion überwiege auch dann noch
deutlich. Nichts anderes ergebe sich, wenn unterstellt werde, dass die Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat E.
seriell produziert worden seien. Denn diese Produktion habe einen jährlichen Warenwert von 20 bis 30 Mio Mark umfasst, also
in jedem Fall weniger als 20 % des Gesamtwertes der Warenproduktion, die nach der Aussage des im Verfahren L 1 R 162/07 als Zeugen vernommenen Dr. K. Ende der 80er Jahre 160 Mio Mark betragen habe. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem VEB
S. um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt haben könnte, lägen nicht vor.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 8 iVm § 1 Abs 1 AAÜG, die unvollständige Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts und eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG. Hierzu führt er im Wesentlichen aus:
Das LSG habe keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen erhoben, um beurteilen zu können, ob der VEB ein Produktionsbetrieb
im Sinne der Rechtsprechung des BSG gewesen sei. Die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verfahren L 1 R 400/06 und L 1 R 162/07 enthielten widersprüchliche Sachverhalte. Im Verfahren L 1 R 162/07 sei festgestellt worden, dass im Betrieb Schienensysteme eingebaut gewesen seien, um die Produktion von Schaltschränken durchführen
zu können. Die einzelnen Schaltanlagen seien an einer Taktstraße entlang bewegt und zum Schluss in eine Prüfanlage geführt
worden. Die Schaltschränke seien von außen immer gleich aufgebaut gewesen, die eingesetzten Module hätten sich aber nach den
Anforderungen des Kunden gerichtet. Die Schaltschränke seien dann zu Einheiten von ca 20 Schaltanlagen zusammengesetzt worden.
Solche Niederspannungsschaltanlagen seien zu ca 1000 Einheiten pro Monat hergestellt worden. Andererseits habe das LSG festgestellt,
dass nach der Aussage des Klägers im Verfahren L 1 R 400/06 die in Taktstraßen hergestellten Schaltschränke individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen anzupassen
gewesen seien. Es lasse sich nicht erkennen, welchen dieser sich widersprechenden Sachverhalte das LSG festgestellt und ob
es sich einen von diesen mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises zu eigen gemacht habe. Ferner habe das Berufungsgericht
am Ende seiner Entscheidung festgestellt, dass die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen und im Betrieb angefertigten
Einzelteile den vom 4. Senat des BSG vorgegebenen Produktionsbegriff erfüllt hätten. Auch angesichts dessen hätte sich das Berufungsgericht zur weiteren Beweiserhebung
gedrängt fühlen und dabei ermitteln müssen, wie sich die Herstellung von Einzelteilen und der einzelnen Schaltschränke in
Taktstraßen in Zeitaufwand und Materialaufwand zu dem individuellen Zusammensetzen der Schaltschränke zur Auslieferung an
den Kunden verhalten habe. Nur insoweit hätte sich der Hauptzweck des VEB S. bzw seine Prägung feststellen lassen.
Im Übrigen habe das LSG den Begriff "industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmodell)
von Sachgütern" vollständig verkannt. Für die Qualifizierung eines Betriebs als Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung
sei der Hauptzweck des Betriebs maßgeblich. Die industrielle, dh serienmäßige Produktion von Sachgütern oder Bauwerken müsse
dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Nach den Entscheidungsgründen hätten die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen
und im Betrieb hergestellten Einzelteile den Produktionsbegriff in diesem Sinne erfüllt, das Endprodukt nach individueller
Zusammenstellung der Schaltschränke aber nicht. Das LSG vertrete offensichtlich die unzutreffende Ansicht, die Produktion
der Schaltschränke selbst habe nur eine dienende Funktion gehabt gegenüber der Zusammenstellung der Schaltschränke (individueller
Ansatz) zu einer auszuliefernden Anlage. Entscheidend für die Feststellung der betrieblichen Voraussetzung seien vielmehr
Materialeinsatz und Zeitanteil der seriellen Produktion der Komponenten, die für sich gesehen ein Endprodukt darstellten,
auch wenn sie je nach individuellem Bedarf zu einer Anlage zusammengeschoben und verkabelt worden seien.
Soweit das LSG der Rechtsprechung des BSG nicht folge, sei dem nicht zuzustimmen. Die Argumente, die das Berufungsgericht gegen die Rechtsprechung des BSG einwende, griffen nicht durch.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2007 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich
sind.
Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren (§
165 Satz 1, §
153 Abs
1, §
123 SGG), das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des SG Magdeburg vom 18.7.2007 wieder herzustellen. Dieses Begehren hat Erfolg,
wenn der Bescheid vom 25.7.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2003 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet
ist, die Beschäftigungszeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten
Arbeitsentgelte) festzustellen.
Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen
nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27 (§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende
Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze
anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).
Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung [Rentenüberleitungsgesetz
- RÜG] vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und
Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme
iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§
18 Abs
3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden
aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.
Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft
hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO innehat.
A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in §
194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch §
40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen.
Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene,
in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall)
erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).
Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS
des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten
war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem
einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).
B. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund
der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur
BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des LSG geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung. Der
Senat weist allerdings nochmals darauf hin, dass er § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit auslegt, und - insofern in der Begründung anders als der 4. Senat - insbesondere nicht Satz 2 der Vorschrift
heranzieht. Die diesbezüglich vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken beziehen sich daher auf eine überholte Rechtsprechung.
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der
technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden
Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet
H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die
Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht
geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in
den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung
zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder
höherrangiges Recht verstoßen.
Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden
drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,
1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),
2. von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),
3. und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in
einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom"
zu führen und ist am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.
Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen
Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB S. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des
Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten
haben. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest. Die in der Literatur teilweise erhobenen Bedenken (vgl hierzu
Schmidt, Die Rentenversicherung 2011, S 141 ff) gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebs teilt der erkennende
Senat nicht.
Das Verständnis der Vorschriften der VO-AVItech und der 2. DB erschließt sich stets zunächst und soweit als möglich unmittelbar
aus sich heraus. Nur soweit aus bundesrechtlicher Sicht der objektivierte Wortlaut - nicht also die DDR-rechtliche Bewertung
-, der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen
Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der DDR am Stichtag 30.6.1990 ankommen,
soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung,
als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder
durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen
des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 67). Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher von vornherein
nicht etwa in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen
Zusammenhang nach einem offiziellen Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen
mit dem "Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen
Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten
Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie
gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt umso mehr, soweit dort eine Ausdehnung des Produktionsbegriffs
befürwortet wird, die die versorgungsrechtliche Gleichstellung von wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen,
Betrieben sowie wirtschaftsleitenden Organen im Ergebnis überflüssig machen würde.
Vorliegend könnten zwar die Überschrift der VO-AVItech vom 17.8.1950, deren Einleitung und ihr § 1 sowie § 1 Abs 1 2. DB darauf
hindeuten, dass deren Voraussetzungen generell durch die einschlägige Beschäftigung von Ingenieuren in allen volkseigenen
Betrieben erfüllt werden. Indessen kann der VO an diesen Stellen für den betrieblichen Anwendungsbereich einzelner Teile nichts
entnommen werden. Insbesondere zeigt der Wortlaut der Gleichstellungsregelung in § 1 Abs 2 2. DB, dass generell nur volkseigene
Produktionsbetriebe erfasst sind. Die "Rechtsfolge" der ausnahmsweisen Gleichstellung der dort im Einzelnen aufgeführten wissenschaftlichen
Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betriebe sowie wirtschaftsleitenden Organe bestimmt logisch notwendig Inhalt und Umfang
des Grundtatbestands. Versorgungsrechtlich relevant ist damit nur die Beschäftigung in einer Teilmenge der volkseigenen Betriebe.
Die positiven Bestimmungsmerkmale der Teilmenge "Produktionsbetriebe" ergeben sich mit hinreichender Bestimmtheit zunächst
aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Industrie, auf dessen Einvernehmen es nach § 5 der VO-AVItech
vom 17.8.1950 für den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch das Ministerium der Finanzen ua ankam. Die Beteiligung gerade
dieses damals für Herstellungsvorgänge in den industriellen Fertigungsbetrieben verantwortlichen Ministeriums (so auch in
der Präambel der Ersten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 26.9.1950, GBl II Nr 111 S 1043) gibt zu erkennen, dass
versorgungsrechtlich grundsätzlich nur diesem Kriterium genügende VEB erfasst sein sollten. Dies wird zudem durch die historische
Situation beim Aufbau einer zentralen Planwirtschaft durch das Interesse der Machthaber, qualifizierten Kräften gerade im
Bereich der Industrie einen Beschäftigungsanreiz zu bieten, bestätigt. Die herausragende Bedeutung der Industrie, die auch
in der DDR im Sinne der Herstellung von Erzeugnissen auf der Basis industrieller Massenproduktion verstanden wurde (vgl hierzu
Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, 2004, 370 ff), ist unabhängig davon, ob hierfür der (Wort-)Begriff
"fordistisches Produktionsmodell" gebraucht wird. Hiervon wird - ungeachtet ihrer ursprünglichen formellen Zuordnung zum Ministerium
für Aufbau - der Sache nach bereits ursprünglich auch die Bauindustrie erfasst. Diese wurde in der DDR zudem in der Folgezeit
durchgehend zusammen mit der Industrie den beiden führenden Produktionsbereichen zugeordnet und gemeinsam gegenüber anderen
Wirtschaftsbereichen abgegrenzt. Dies gilt jeweils auch und gerade noch nach dem Sprachgebrauch der am 30.6.1990 maßgeblichen
Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.1979 (GBl I Nr 38 S 355).
Soweit der Rechtsprechung der Instanzgerichte neben dem damit primär maßgeblichen Umstand, dass die industrielle Fertigung
dem VEB das Gepräge gegeben haben muss, konstitutiv auf die Frage der organisatorischen Zuordnung abstellt, ist darauf hinzuweisen,
dass sich dies aus der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ergibt. Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung
vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium
nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere
Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium
allenfalls bestätigend heran (vgl Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11).
Entsprechendes gilt, wenn ein Betrieb (auch) Montagearbeiten verrichtet hat.
Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend wurde auch in der DDR unter Montage der planmäßige Zusammenbau von Bauteilen zu einem
Endprodukt verstanden.
Fällt sie in einem Betrieb an, der die Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst herstellt, kann auch der Zusammenbau
dieser Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens (vgl BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 3 RdNr 20) sein. Dies wird stets dann der Fall sein, wenn diese Produkte ihrerseits massenhaft hergestellt werden und
daher ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfällt. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere
Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller
standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau
eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere
Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall
ist zu prüfen, ob der Betrieb in dem gleichermaßen die industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte
Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge durch den erstgenannten Bereich erhält.
Ob der VEB S. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen
des LSG nicht entnehmen.
Nach diesen ist schon unklar, welche Produktion dem VEB das Gepräge gegeben hat. Denn das LSG wechselt bei seiner Bewertung
der einzelnen Tätigkeitsbereiche die Maßstäbe, sodass deren jeweilige Bedeutung für den Betrieb nicht beurteilbar ist. Während
Schaltschränke, Trafo- und Kabelkompaktstationen, Schaltschränke für den Waggonbau, Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat
K., Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen nach Stückzahlen aufgelistet werden, erfolgt eine Betrachtung der Produktion
von Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat E. unter Berücksichtigung des jährlichen Warenwerts.
Des Weiteren lässt sich nicht entscheiden, ob die Herstellung der Schaltschränke als Endprodukt individuell erfolgt ist. Der
Senat ist insoweit an die Feststellungen des LSG nicht nach §
163 SGG gebunden. Das angefochtene Urteil gibt den Sachverhalt diesbezüglich nur undeutlich an; insbesondere wird die pauschale Aussage,
die Schaltschränke seien "in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen, nicht mit konkreten Tatsachenangaben
untermauert, die eine Überprüfung des Ergebnisses des LSG ermöglichen (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 163).
Das LSG wird nunmehr zunächst die Tätigkeitsbereiche des VEB S. am Stichtag festzustellen haben. Diese müssen anschließend
nach jeweils einheitlichen Maßstäben bewertet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Insofern bietet sich ein lediglich
zahlenmäßiger Vergleich der angefallenen Vorgänge nicht an. Aussagekräftiger dürfte ein Vergleich der jeweiligen Anteile an
Aufwand und Umsatz bzw Ertrag sein. Nach diesen Maßstäben wird das LSG auch die Bedeutung der Montagearbeiten zu würdigen
haben. Dabei wird das LSG konkret angeben müssen, wie sich der Zusammenbau der Schaltschränke gestaltet hat, insbesondere,
ob sie aus standardisierten oder individuell konzipierten Bestandteilen im oben dargelegten Sinne gefertigt worden sind.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.