Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende, Berücksichtigung einer britischen Kriegsopferrente als Einkommen
Gründe:
I. Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)
für die Zeit vom 2. September 2005 bis zum 31. März 2006.
Der 1961 geborene Kläger ist britischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland. Nach seinen Angaben im Leistungsantrag
haben sowohl seine 1963 geborene Ehefrau als auch sein 1983 geborener Adoptivsohn die russische Staatsangehörigkeit. Durch
Bescheid des Versorgungsamts A. vom 3. Juli 2001 ist bei dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.
Der Kläger bezog bis November 1999 Arbeitslosengeld (Alg) und bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Daneben
bezog und bezieht er von der Veterans Agency N./Großbritannien eine Kriegsopferrente in Höhe von derzeit umgerechnet 225,00
EUR monatlich.
Für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 bewilligte die Arbeitsgemeinschaft (Arge) Grundsicherung für Arbeitsuchende
Landkreis O. dem Kläger und seiner Ehefrau zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 962,88
EUR monatlich ohne Anrechnung der Kriegsopferrente (Bescheid vom 9. November 2004). Später rechnete sie die Kriegsopferrente
in Höhe von 68,47 EUR (damaliger Betrag der Kriegsopferrente in Höhe von 216,47 EUR abzüglich des bei einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit [MdE] von 30 vom Hundert maßgeblichen deutschen Grundrentenbetrags nach dem Bundesversorgungsgesetz [BVG] in Höhe von 118,00 EUR und der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR) anteilig an, hob die betreffenden Änderungsbescheide
vom 4. und 7. März 2005 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2005 im anschließenden Parallelverfahren
(B 11b AS 47/06 R) aber wieder auf.
Für die Folgezeit vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 bewilligte die Arge Grundsicherung für Arbeitsuchende Landkreis O.
- wie bisher - Grundsicherungsleistungen unter anteiliger Berücksichtigung der Kriegsopferrente, hob diese Entscheidung aber
zum 1. September 2005 wegen Verlegung der Wohnung in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten ebenfalls auf.
Auf den Fortzahlungsantrag vom 2. September 2005 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Oktober 2005 dem Kläger und seiner
Ehefrau für die Zeit vom 2. bis 30. September 2005 Leistungen in Höhe von 451,85 EUR sowie für die Zeit vom 1. Oktober 2005
bis 31. März 2006 Leistungen in Höhe von 467,43 EUR (Sozialgeld für den Kläger, Regelleistung für die erwerbsfähige Ehefrau
sowie anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung des Sohnes und Anrechnung des Kindergeldes in Höhe
von 154,00 EUR sowie der vollen Kriegsopferrente). Auf den Widerspruch des Klägers bewilligte sie nach Abzug der Versicherungspauschale
(30,00 EUR) ab 2. September 2005 und Außerachtlassung des Kindergeldes ab 1. Oktober 2005 Leistungen für die Zeit vom 2. bis
30. September 2005 in Höhe von 489,45 EUR und für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2006 in Höhe von monatlich
660,33 EUR (Änderungsbescheide vom 21. Oktober 2005, 31. Oktober 2005, 16. November 2005). Den weiter gehenden Widerspruch
wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. November 2005 zurück.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte unter Einbeziehung eines weiteren Bescheids vom 14. Dezember 2005 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 2.
September 2005 bis 31. März 2006 Leistungen unter anteiliger Anrechnung der Kriegsopferrente nur in Höhe des den halben Regelsatz
(173,00 EUR) übersteigenden Teiles (225,00 EUR - 173,00 EUR = 52,00 EUR) zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, in Höhe des nicht anzurechnenden Teils handele es sich um eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1a
SGB II (Urteil vom 7. Februar 2006). Dementsprechend hat die Beklagte für die Zeit vom 2. September 2005 bis zum 31. Mai 2006
lediglich ein monatliches "Einkommen aus Rente" in Höhe von 22,00 EUR (= 52,00 EUR abzüglich der Versicherungspauschale in
Höhe von 30,00 EUR) angerechnet und eine Nachzahlung in Höhe von 1.551,23 EUR gewährt (Ausführungsbescheid vom 26. April 2006).
Die vom SG zugelassene Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung ausgeführt,
ein noch höherer Anspruch sei nicht gegeben. Auch das SG habe nicht in Zweifel gezogen, dass die englische Kriegsopferrente unter den gleichen (bzw vergleichbaren) Voraussetzungen
gewährt werde wie eine Rente nach § 31 BVG; denn auch nach englischem Recht erhalte ein Wehr- bzw Kriegsdienstleistender ab einer MdE von 30 vom Hundert eine Grundrente.
Die Kriegsopferrente sei deshalb entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des Klägers weder vollumfänglich noch anteilig
eine zweckbestimmte Einnahme, sondern nach Sinn und Zweck der deutschen Grundrente des BVG vergleichbar. In Höhe des Grundrentenbetrages von 118,00 EUR sei daher die britische Kriegsopferrente nach § 11 Abs 1 Satz
1 2. Halbsatz SGB II anrechnungsfrei. Auf diese Weise werde sichergestellt, dass Personen unterschiedlicher Nationalitäten
gleich behandelt würden. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht, da hiernach nur ein Anspruch
auf Gleichbehandlung bestehe (Urteil vom 31. August 2006).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die britische Kriegsopferrente sei
weder vom Wortlaut des Gesetzes noch von der Zielsetzung der deutschen Grundrente vergleichbar. Denn bei der Grundrente und
den in § 11 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II gleichgestellten Renten und Beihilfen handele es sich um eine Entschädigung für
gesundheitliche Sonderopfer im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, während die britische Kriegsopferrente als Ausgleich
für ein den nationalen Interessen Großbritanniens erbrachtes gesundheitliches Opfer anzusehen sei. Damit handele es sich um
eine zweckbestimmte Leistung mit einem der Grundsicherung fremden Zweck iS des § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II, die in vollem Umfang
anrechnungsfrei sei. Für eine Privilegierung lediglich in Höhe der halben Regelleistung finde sich im Gesetz kein Anhalt.
Die Grenze sei willkürlich und führe zu einer Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Schmerzensgeldberechtigten, deren Ansprüche
immer und in voller Höhe im Rahmen der Einkommensermittlung anrechnungsfrei blieben.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. August 2006 und des Sozialgerichts Augsburg vom 7. Februar 2006 sowie
die Bescheide vom 7. Oktober 2005, 21. Oktober 2005, 31. Oktober 2005 und 16. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17. November 2005 sowie den Bescheid vom 14. Dezember 2005 aufzuheben bzw abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
dem Kläger für die Zeit vom 2. September 2005 bis zum 31. März 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II ohne Anrechnung der britischen Kriegsopferrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte schließt sich den Ausführungen der Vorinstanz an. Sie weist ergänzend darauf hin, nach dem Ergebnis zwischenzeitlicher
polizeilicher Ermittlungen sei davon auszugehen, dass die Ehefrau des Klägers zumindest seit September 2005 keinen Wohnsitz
bzw gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und aus diesem Grund keinen Leistungsanspruch habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II. Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung (§
170 Abs
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz [SGG]) begründet.
Anhand der vom LSG getroffenen Feststellungen lässt sich nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger über den im Urteil
des SG vom 7. Februar 2006 zuerkannten Betrag hinaus höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der §§ 19
ff, 28 SGB II zustehen. Abgesehen davon, dass sich die vom LSG in den Vordergrund seiner Entscheidung gestellte Frage, ob
und inwieweit die britische Kriegsopferrente anrechnungsfrei bleiben kann, auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen
nicht beurteilen lässt (dazu im Folgenden 2a aa), fehlen weitere Feststellungen zu Grund und Höhe der geltend gemachten Leistungsansprüche
(dazu im Folgenden 2a bb und cc sowie 2b).
1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.
a) Die Vorinstanz hat bisher davon abgesehen, die Ehefrau des Klägers am Verfahren zu beteiligen, obwohl der Kläger ihre Zugehörigkeit
zur Bedarfsgemeinschaft (vgl § 7 Abs 3 Nr 3a SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004, BGBl I 2014) und
damit seine individuellen Ansprüche sowie die seiner Ehefrau geltend gemacht hat (vgl § 38 SGB II) und ausgehend vom "Meistbegünstigungsprinzip"
jedenfalls für eine Übergangszeit grundsätzlich alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Wege der Auslegung der Klageanträge
am Verfahren zu beteiligen sind (hierzu BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Die Entscheidung über die Beteiligung der Ehefrau des Klägers am Verfahren wird das LSG auf der
Grundlage weiterer Feststellungen im Rahmen der Zurückverweisung nachzuholen haben (hierzu BSG, Urteil vom 7. November 2006
- B 7b AS 10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 2).
b) Die geltend gemachten Ansprüche auf höhere Leistungen ohne auch nur anteilige Anrechnung der britischen Kriegsopferrente
sind entsprechend den zugrundeliegenden Bescheiden (vgl § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II) auf den Zeitraum vom 2. September 2005 bis
zum 31. März 2006 begrenzt. Dementsprechend hat der Kläger seinen Leistungsantrag auch zutreffend auf diesen Zeitraum beschränkt
(vgl hierzu BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R).
c) Die Leistungsansprüche für den genannten Zeitraum sind darüber hinaus im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage
unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger ausschließlich die (anteilige)
Anrechnung der britischen Kriegsopferrente beanstandet. Bei einem Streit um höhere Leistungen nach dem SGB II sind grundsätzlich
alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen. Die Beschränkung des Streitgegenstandes auf eine bestimmte
Rechtsfrage unterliegt nicht der Disposition der Beteiligten (BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R, RdNr 16; Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 29/06 R, RdNr 13).
2. Das LSG hat keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger und seine Ehefrau (hierzu unter 2b) zum Kreis
der Leistungsberechtigten nach § 7 SGB II gehören. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II idF bis
zum Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I 554) Personen, die das 15. Lebensjahr
vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind
und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Während nicht zweifelhaft ist, dass der
Kläger und seine Ehefrau ihrem Lebensalter nach dem berechtigten Personenkreis zugerechnet werden können, trifft dies auf
die weiteren Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit (hierzu unter a), der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts
(hierzu unter b) nicht in gleicher Weise zu.
a) Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt
der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften oder Mitteln,
hierin einbezogen das zu berücksichtigende Einkommen (§ 11 SGB II) und Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe
nicht von anderen erhält. Für die Beurteilung kommt es daher darauf an, ob die britische Kriegsopferrente als Einkommen zu
berücksichtigen ist oder anrechnungsfrei bleibt.
aa) Ob und inwieweit die britische Kriegsopferrente im Rahmen der Einkommensermittlung nach § 11 SGB II zur Anrechnung kommt,
lässt sich nicht abschließend beurteilen. Nach der gesetzlichen Regelung des § 11 Abs 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB II sind grundsätzlich
alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen berücksichtigungsfähig. Hiervon erfasst werden deshalb nach dem klaren
Wortlaut des Gesetzes auch Einnahmen aus ausländischen Leistungen; sie sind zum Kurswert in Euro umzurechnen (vgl Schellhorn,
BSHG, 16. Aufl, § 76 RdNr 7). Ausgenommen von der Einkommensanrechnung sind nach § 11 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II lediglich Leistungen nach dem SGB
II, die Grundrente nach dem BVG und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und die Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder
Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Im Wesentlichen ist damit beabsichtigt, gerade diese Renten, die im besonderen Maße ein mit dem Verlust körperlicher Unversehrtheit
einhergehendes Sonderopfer für die Allgemeinheit ausgleichen, nicht durch Anrechnung auf Grundsicherungsleistungen zu entwerten
(vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr 100 ff). Darüber hinausgehende Rentenanteile mit Entgeltcharakter sind
demnach als Einkommen zu berücksichtigen und weder als Einnahmen mit sonstiger Zweckbestimmung nach § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II
noch als Entschädigungen für Nichtvermögensschäden entsprechend § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II anrechnungsfrei. Die Privilegierung
nach § 11 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II ist für Renten nach dem BVG und vergleichbare Leistungen im Verhältnis zu § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II mit Rücksicht auf die vorausgesetzte besondere Zweckbestimmung die speziellere Regelung, § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II eine
nicht analogiefähige Sondervorschrift (hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 5. September 2007 - B 11b AS 15/06 R RdNr 30 ff [zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen] im Anschluss an die noch zu § 847
Bürgerliches Gesetzbuch ergangene Entscheidung des 2. Senats vom 3. Dezember 2002 [BSGE 90, 172 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4] - zur Anrechnung der Verletztenrente
aus der gesetzlichen Unfallversicherung).
§ 11 Abs 1 Satz 1 SGB II entspricht inhaltlich dem Sozialhilferecht (BT-Drucks 15/1516 S 53). Die korrespondierende Regelung
des § 82 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch knüpft ihrerseits an die Vorgängervorschrift des § 76 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) an, die im Unterschied zur jetzigen Regelung Grundrenten, die nach Gesetzen gezahlt werden, die eine entsprechende Anwendung
des BVG vorsehen - beispielsweise das Opferentschädigungsgesetz oder das Infektionsschutzgesetz - noch nicht erfasste. In der zeitlichen Abfolge wird deutlich, dass der Gesetzgeber eine bis dahin unterschiedliche Anrechnungsregelung
im Bereich der Sozialhilfe vereinheitlichen wollte. Mit der Neuregelung wird deshalb klargestellt, dass nicht nur Grundrenten
nach dem BVG vom berücksichtigungsfähigen Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB II ausgenommen sind, sondern ebenfalls alle der Grundrente nach Grund und Höhe vergleichbare Leistungen
(BT-Drucks 15/1514 S 65).
Die britische Kriegsopferrente wird zwar als ausländische Leistung nicht unmittelbar von der Privilegierung des § 11 Abs 1
Satz 1 2. Halbsatz SGB II erfasst, kann und muss aus Gründen der Gleichbehandlung aber (zur analogen Anwendung von Ausnahmevorschriften
vgl BSG, Urteil vom 13. September 2006 - B 11a AL 33/05 R = SozR 4-4300 § 133 Nr 4; zu den fehlenden Voraussetzungen bei der
Verletztenrente s Urteil des erkennenden Senats vom 5. September 2007 - B 11b AS 15/06 R RdNr 22 [zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen] im Anschluss an die zu § 76 BSHG ergangene Entscheidung des 2. Senats vom 3. Dezember 2002 [BSGE 90, 172, 175 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4 S 12]) der vorgenannten
Regelung gleichgestellt werden, wenn sie nach Grund und Höhe einer anrechnungsfreien Grundrente vergleichbar ist (zur Gleichstellung
einer ukrainischen Invaliditätsrente im Geltungsbereich des § 76 BSHG vgl VG Karlsruhe ZfF 2006, 273). Erforderlich ist eine rechtsvergleichende Betrachtung von Funktion und Struktur der beiden Leistungsarten. Dabei liegt
es entgegen der Rechtsmeinung des Klägers in der Natur der Sache, dass entscheidend auf einen (abgrenzbaren) Ausgleich eines
für die Allgemeinheit erbrachten Sonderopfers abzustellen ist und nicht auf die ggf dahinter stehenden einzelstaatlichen Interessen.
Das LSG hat in seiner Entscheidung zwar festgestellt, dass die britische Kriegsopferrente unter den gleichen Voraussetzungen
gewährt werde wie eine Grundrente nach § 31 BVG. Denn auch "nach englischem Recht" erhalte ein Wehr- bzw Kriegsdienstleistender ab einer MdE von 30 vom Hundert eine Grundrente.
Diese Feststellungen können jedoch die Entscheidung über die Revision nicht tragen. Zwar besteht grundsätzlich eine Bindung
an die Feststellungen des Berufungsgerichts zum ausländischen Recht, weil es sich insoweit um nicht revisibles Recht handelt
(§
162 SGG; hierzu BSGE 71, 163 = SozR 3-5050 § 15 Nr 4; BSGE 80, 295 = SozR 3-4100 §
142 Nr 1; Meyer-Ladewig,
SGG, 8. Aufl, §
162 RdNr 6a mwN). Die Feststellungen der Vorinstanz beruhen aber - auch soweit sie auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug
nehmen - auf keiner nachvollziehbaren Grundlage. Unbeschadet der fehlenden tatsächlichen Feststellungen (§
163 SGG) sind weder die zugrundeliegenden Rechtsvorschriften noch sonstige Erkenntnisquellen genannt. Für die Ermittlung des ausländischen
Rechts verweist §
293 Zivilprozessordnung, der auch im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist (§
202 SGG), auf die Vorschriften über die Beweisaufnahme zur Tatsachenermittlung (BSG SozR 3-1750 § 293 Nr 1 mwN). Unabhängig von der
Frage, ob hier dem Revisionsvorbringen des Klägers eine Aufklärungsrüge entnommen werden kann (vgl BSG aaO), fehlt es für
eine Überprüfung der Vergleichbarkeit der britischen Kriegsopferrente mit einer Rente nach § 31 BVG an den erforderlichen Feststellungen zum maßgeblichen ausländischen Recht. Die nach den Feststellungen des LSG allein erkennbare
Übereinstimmung des nach deutschem Recht anerkannten GdB mit dem von der Kriegsopfer-Rentenbehörde Norcross ausweislich der
Akten angegebenen "Grad der Schwerbeschädigung" (nicht autorisierte Übersetzung einer Auskunft vom 4. April 2002) kann jedenfalls
keine Gleichstellung rechtfertigen. Die nötigen Feststellungen, auch zu Existenz und Inhalt des britischen Rechts, werden
- soweit es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf ankommen sollte (dazu im Folgenden bb, cc sowie b) - nachzuholen
sein.
Sofern die Kriegsopferrente nach britischem Recht einen der Grundrente nach dem BVG ähnlichen Charakter haben sollte, kann eine Privilegierung nicht weiter reichen als dies bei grundrentenähnlichen inländischen
Leistungen der Fall wäre. Die abweichende Rechtsprechung der für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate zum Ruhen des
Alg (bzw der früheren Alhi) bei zeitgleichen ausländischen Leistungen (vgl BSGE 80, 295 = SozR 3-4100 § 142 Nr 1; BSGE 81, 134 = SozR 3-4100 § 142 Nr 2) trägt demgegenüber dem Umstand Rechnung, dass die einschlägigen Ruhensvorschriften (§§ 118, 142 Arbeitsförderungsgesetz, § 142 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]) - von Ausnahmen abgesehen - im Unterschied zur Einkommensvorschrift des §
11 Abs
1 Satz 1 SGB II (vgl auch § 194 Abs 3 Nr 6
SGB III aF zur früheren Alhi) eine Beschränkung der Höhe nach nicht vorsehen.
Soweit der britischen Kriegsopferrente kein grundrentenähnlicher Charakter beizumessen und diese als Einkommen anzurechnen
sein sollte, begründet dies - entgegen der Auffassung des Klägers - keinen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht. In gemeinschaftsrechtlicher
Hinsicht ist nicht zweifelhaft, dass eine Antikumulierungsvorschrift des nationalen Rechts - wie hier § 11 Abs 1 Satz 1 1.
Halbsatz SGB II - international umfassend ausgestaltet sein kann (hierzu Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl, Art 12
RdNr 18 mwN). Es kann offen bleiben, ob Leistungen nach dem SGB II überhaupt gemeinschaftsrechtlich erfasst werden (vgl hierzu
Fuchs NZS 2007, 1, 3 ff) und das Verbot des Zusammentreffens von Leistungen (Art 12 Abs 2 Satz 1 der Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
Nr 1408/71) zum Tragen kommt. Selbst unter dieser Voraussetzung gewährt das Gemeinschaftsrecht - wie bereits das LSG zutreffend
ausgeführt hat - keinen Anspruch auf Besserstellung gegenüber Inländern (zuletzt auch BSG, Urteil vom 21. März 2007 - B 11a
AL 49/06 R mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR).
bb) Abgesehen von den genannten Einzelheiten zur britischen Kriegsopferrente wird bei den Feststellungen zum Einkommen des
Klägers zu klären sein, ob das an dessen Adoptivsohn ursprünglich bis zur Beendigung des Schulbesuchs gezahlte Kindergeld
(monatlich 154,00 EUR) in Anbetracht des jetzt angegebenen Studiums des Sohnes über den 1. Oktober 2005 hinaus (bei Wohnsitz
oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, vgl aber § 2 Abs 5
Bundeskindergeldgesetz) fortgezahlt worden ist. Für diesen Fall wäre wegen § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II (idF bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 24. März 2006, BGBl I 558, am 1. Juli 2006) davon auszugehen,
dass das Kindergeld für volljährige Kinder als Einkommen des Kindergeldberechtigten anzurechnen ist (BSG, Urteil vom 23. November
2006 - B 11b AS 1/06 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), es sei denn, dass es ab Oktober 2005 nachweislich an das nicht im Haushalt
des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet worden ist (vgl § 1 Abs 1 Nr 8 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung,
eingefügt mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 durch Verordnung vom 22. August 2005, BGBl I 2499).
cc) Auf Grund der vom LSG getroffenen Feststellungen kann auch nicht abschließend beurteilt werden, ob sich uU ein höherer
Hilfebedarf hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) ergibt. Zwar hat der Kläger in seinem Fortzahlungsantrag
vom 2. September 2005 zunächst seinen volljährigen Sohn als Haushaltsmitglied angegeben, hinterher aber die Berücksichtigung
eines zu geringen Mietzinses beanstandet und ergänzend mitgeteilt, dass sich der Sohn zum Studium in Großbritannien aufhalte.
Im Rahmen der späteren polizeilichen Ermittlungen hat er dann angegeben, im Jahr 2005 habe der Sohn bei ihm gewohnt. Insoweit
wird näher zu prüfen sein, ob ggf nur für einen auf das Jahr 2005 begrenzten Zeitraum eine Haushaltsgemeinschaft (keine Bedarfsgemeinschaft,
vgl § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004, BGBl I 2014) bestanden hat und deshalb - entgegen
der Bescheidung - für das Jahr 2006 eine abweichende Aufteilung der Kosten für Unterkunft und Heizung (zur Kopfteilung vgl
BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR) vorzunehmen ist.
dd) Zur Höhe wird schließlich zu beachten sein, dass nach § 41 Abs 2 SGB II Leistungen immer als volle Eurobeträge zu erbringen
sind.
b) Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen einer Leistungsberechtigung nach § 7 SGB II, nämlich des gewöhnlichen Aufenthalts
und der Erwerbsfähigkeit (hierzu bereits BSG, Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 37/06 R [zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen]), ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger die britische und (nach seinen
Angaben) seine Ehefrau die russische Staatsangehörigkeit besitzen und daher als Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
der Bundesrepublik Deutschland nur haben und erwerbsfähig sind, wenn ihnen nach § 8 Abs 2 SGB II die Aufnahme einer Beschäftigung
erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 24.
März 2006, aaO, am 1. April 2006). Als Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaates hat der Kläger zwar einen genehmigungsfreien
Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt (§ 1 Abs 2 Nr 1 Aufenthaltsgesetz). Dies gilt unter den Voraussetzungen des Freizügigkeitsgesetzes (§§ 2 und 3) auch für seine Ehefrau. § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II nimmt aber darüber hinaus für alle Berechtigten Bezug auf den Begriff
des gewöhnlichen Aufenthalts in §
30 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I). Vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind danach Personen ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (BT-Drucks 15/1516 S 52),
mithin unter Umständen, die erkennen lassen, dass sie hier nur vorübergehend verweilen (vgl insoweit auch §
30 Abs
3 Satz 2
SGB I). Diesbezüglich bestehen insbesondere Zweifel wegen des mitgeteilten Aufenthalts der Ehefrau des Klägers in Russland seit
September 2005.
Hatte die Ehefrau des Klägers danach im maßgeblichen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik Deutschland
oder war sie nicht erwerbsfähig, ist weiter zu beachten, dass die Beklagte dem Kläger ausweislich ihrer vom LSG in Bezug genommenen
Verwaltungsakten Sozialgeld (§ 28 SGB II) gezahlt hat, ihn offenbar bislang als nicht erwerbsfähig iS des § 8 Abs 1 SGB II
eingestuft hat. Sollte dies zutreffen und war darüber hinaus auch die Ehefrau keine erwerbsfähige Hilfebedürftige, besteht
keine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3a SGB II, die dem Kläger einen Sozialgeldanspruch iS des § 28 SGB II vermitteln
könnte. Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass bei Streitigkeiten hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit § 44a Satz
3 SGB II (idF bis zum Inkrafttreten des Fortentwicklungsgesetzes vom 20. Juli 2006, BGBl I 1706) eine Nahtlosigkeitsregelung
nach dem Vorbild des §
125 SGB III enthält und die Beklagte danach in Wahrnehmungszuständigkeit für die Leistungsträger nach dem SGB II bis zu einer Entscheidung
der Einigungsstelle Leistungen gleichwohl zu erbringen hätte (näher BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 2).
3. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.