Anspruch auf Arbeitslosengeld II, Leistungen für Unterkunft, Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen
Gründe:
I. Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)
für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 31. März 2006.
Die 1955 geborene Klägerin bewohnte bis zum 31. März 2006 mit ihrer 1985 geborenen Tochter in A eine Drei-Zimmer-Wohnung mit
98 qm und einer Warmmiete von 847,22 Euro.
Mit Bescheiden vom 20. Mai 2005 und 7. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte ihr für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember
2005 Arbeitslosengeld II (Alg II), wobei der Klägerin die KdU zur Hälfte zugeordnet wurden. Von den Nebenkosten in Höhe von
207,22 Euro zog die Beklagte einen Betrag in Höhe von 14,70 Euro (98 x 0,15) für die Warmwasserbereitung ab, sodass sich eine
Leistung für KdU in Höhe von 416,26 Euro ergab (847,22 - 14,70 = 832,52 : 2 = 416,26). Im Oktober 2005 nahm die Tochter, die
bis September 2005 ebenfalls Alg II bezog, ein Studium auf und erhält seither Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (
BAföG) in Höhe von 377 Euro monatlich. Die Klägerin beantragte daraufhin am 29. November 2005, ihr ab Oktober 2005 höhere Leistungen
für KdU zu bewilligen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 7. Dezember 2005 ab. Den Widerspruch der Klägerin
wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2006 zurück. Mit weiterem Bescheid vom 23. November 2005 wurden für die Zeit
vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006 die Leistungen für KdU in Höhe von 416,26 Euro bewilligt. Mit Bescheid vom 10. Januar
2006 wurde diese Entscheidung geändert, indem die Leistungen für Unterkunft ab dem 1. Februar 2006 auf die Hälfte der von
der Beklagten als angemessen angesehenen Kosten abgesenkt wurden. Dem hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin half
die Beklagte mit Bescheid vom 14. Februar 2006 insoweit ab, als sie weiterhin Kosten der Unterkunft abzüglich des Anteils
der Tochter in Höhe von 416,26 Euro bis zum 30. Juni 2006 als Bedarf anerkannte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 14. Februar 2006 zurück.
Die Klagen gegen die Bescheide hat das Sozialgericht (SG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Klägerin hat vor dem SG beantragt, ihr für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 bis zum Auszug aus der bisherigen Wohnung Leistungen für KdU in Höhe von
monatlich 788,52 Euro (832,52 - 44) zu gewähren. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 5. April 2006 abgewiesen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 29. September 2006 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Sie habe im
streitigen Zeitraum mit ihrer Tochter eine Haushaltsgemeinschaft gebildet, sodass nur ein Anspruch auf die Hälfte der KdU
bestanden habe. Lebten Hilfebedürftige mit anderen Personen, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörten, in Haushaltsgemeinschaft,
so seien KdU der Bedarfsgemeinschaft anteilig (pro Kopf) zu ermitteln. Gründe, hiervon abzuweichen, lägen nicht vor. Die Aufteilung
nach Kopfteilen bedürfe nur dann der Korrektur, wenn und soweit der Hilfefall durch bedeutsame Umstände gekennzeichnet sei.
Zu denken sei zB an Fälle der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit. Besonderheiten in diesem Sinne habe die Klägerin zu keinem
Zeitpunkt geltend gemacht. Allein die Tatsache, dass die Tochter gemäß §
7 Abs
5 Satz 1 SGB II wegen des Bezugs von Leistungen nach dem
BAföG vom Bezug des Alg II ausgeschlossen sei, könne keine derartige Besonderheit begründen.
Ansonsten würde auf diesem Weg das Subsidiaritätsprinzip des SGB II umgangen. Zudem würde auf diese Weise der Leistungsträger
nach dem SGB II mittelbar Kosten für den Lebensunterhalt einer nach dem
BAföG förderungsfähigen Person übernehmen. Damit würde von dem Grundsatz abgewichen, dass die zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts
bestimmten existenzsichernden Leistungen der Grundsicherung grundsätzlich nicht dazu bestimmt seien, den Empfänger in die
Lage zu versetzen, Unterhalts- und Unterstützungspflichten gegenüber Dritten nachzukommen.
Für die Ermittlung der Kostenverteilung sei auch weiterhin die "Pro-Kopf-Methode" anzuwenden und nicht nach dem so genannten
"Mehrbedarf" vorzugehen. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass der für die Ermittlung des steuerfrei zu belassenden
Existenzminimums maßgebende Wohnbedarf nicht nach der Pro-Kopf-Methode, sondern nach dem Mehrbedarf zu ermitteln sei. Die
daraufhin getroffene Neuregelung in § 6a Abs 4 Satz 2
Bundeskindergeldgesetz (
BKGG) über die Aufteilung der KdU könne nicht auf das Leistungsrecht nach dem SGB II übertragen werden. Der Gesetzgeber habe eine
entsprechende Regelung nicht in das SGB II aufgenommen, obwohl die Regelung des § 6a Abs 4 Satz 2
BKGG zum selben Zeitpunkt in Kraft getreten sei wie das SGB II. Er habe vielmehr ausweislich der Gesetzesbegründung bei der Regelung
des § 22 SGB II grundsätzlich an die Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) anknüpfen wollen. Die unter der Geltung des BSHG praktizierte Aufteilung der KdU nach Kopfteilen sei bereits seit langem ständige Rechtsprechung und dem Gesetzgeber daher
bekannt gewesen. Auch § 7 Abs 3 Wohngeldgesetz (WoGG) enthalte weiterhin eine Kopfteilregelung. Dies verdeutliche, dass § 6a Abs 4 Satz 2
BKGG eine Spezialregelung sei, die nicht auf andere Bereiche übertragen werden könne. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der
Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 sei dem § 22 SGB II ein Absatz 7 angefügt worden, wonach ab dem 1. Januar
2007 den Kindern ein eigener Anspruch auf einen Zuschuss für die KdU zustehe. In der Begründung des Gesetzentwurfs heiße es
dazu, dass die Neuregelung ua dazu dienen solle, Auszubildende zu fördern, die bei den Eltern wohnen und Kosten für die Unterkunft
beisteuern müssten, weil die Eltern den auf das Kind entfallenden Wohnkostenanteil nicht tragen könnten, insbesondere, wenn
sie selbst hilfebedürftig seien und daher einen Teil der Wohnkosten nicht erstattet bekämen. Daraus folge, dass der Gesetzgeber
das Problem gesehen habe, aber nur für die Zukunft eine Abhilfe für die Auszubildenden und ihre Eltern habe schaffen wollen.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Revision trägt die Klägerin vor, dass bei der Bedarfsberechnung nach dem SGB II von
der grundsätzlich gebotenen Aufteilung der Unterkunftskosten nach der Kopfzahl abgewichen werden müsse, weil die der Haushaltsgemeinschaft
angehörende volljährige Tochter auf Grund des Bezuges von Leistungen der Ausbildungsförderung vom Leistungsausschluss des
§ 7 Abs 5 SGB II betroffen sei. Der Gesetzgeber habe sich im Rahmen des § 22 SGB II weder für das Pro-Kopf-Prinzip noch für
das Mehrbedarfsprinzip entschieden. Beim Mehrbedarfsprinzip werde berücksichtigt, dass bei einem bestehenden Haushalt durch
eine zusätzliche Person kein proportionaler Mehrbedarf an Gemeinschaftsräumen wie Küche, Bad oder Flur entstehe. Das Mehrbedarfsprinzip
werde auch bei der Berechnung der im
BAföG-Satz enthaltenen Unterkunftskosten bei noch im Haushalt der Eltern lebenden Kindern zu Grunde gelegt. Die Leistungen der
Auszubildenden für die Unterkunft seien bei dieser Fallkonstellation gemäß §
13 Abs
2 Nr
1 BAföG erheblich abgesenkt. Dies rechtfertige sich daraus, dass die Ausbildungsförderung der Existenzsicherung diene und dem studierenden
Kind nur die im Haushalt der Eltern entstehenden Mehraufwendungen zu ersetzen seien. Es werde davon ausgegangen, dass die
Eltern bzw ein Elternteil für die überwiegenden Unterkunftskosten des Familienhaushaltes aufkommen und damit den Grundbedarf
abdecken. Da darüber hinaus ein ergänzender Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten für das Kind gemäß § 7 Abs 5 Satz
2 SGB II ausscheide, sei dieser "Grundbedarf" bei den Eltern als tatsächliche Unterkunftskosten in Ansatz zu bringen. Ansonsten
wäre die existenzsichernde Funktion des SGB II bei den Eltern nicht mehr gewährleistet. Es hätte ihr zumindest ab der Aufnahme
des Studiums durch die Tochter am 1. Oktober 2005 eine sechsmonatige Frist zum Umzug eingeräumt werden müssen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß, die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. September 2006
und des Sozialgerichts Augsburg vom 5. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihrer Bescheide vom 7. Dezember
2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2006 sowie der Bescheide vom 23. November 2005, 10. Januar 2006
und 14. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2006 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom
1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2006 weitere KdU in Höhe von 372,26 Euro monatlich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II. Die zulässige Revision der Klägerin ist insoweit begründet, als ihr für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 31. März 2006
weitere Leistungen für KdU nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe von 8,48 Euro monatlich zu zahlen sind. Im Übrigen ist die
Revision unbegründet.
1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.
a) Gegenstand des Verfahrens sind ausschließlich Leistungen an die Klägerin. Da die volljährige Tochter gemäß § 7 Abs 5 SGB
II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, kommt ihre Einbeziehung nicht in Betracht (vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11).
b) Die Klägerin macht allein höhere Ansprüche auf KdU geltend. Es handelt sich dabei um abtrennbare selbstständige Ansprüche,
sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes möglich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind beim
Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen
(BSG SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 16; Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 29/06 R - RdNr 18; Urteil vom 5. September 2007 - B 11b AS 49/06 R - RdNr 19).
Von diesem Grundsatz hat das BSG für den Fall der KdU eine Ausnahme gemacht (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 18 ff), weil die
Zuständigkeit für die Regelleistung und die KdU nach § 6 SGB II unterschiedlich und die Leistung inhaltlich von anderen Leistungen
abgrenzbar ist.
c) Die Beklagte als eine nach § 44b SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014) gebildete Arbeitsgemeinschaft
ist beteiligtenfähig nach §
70 Nr 2
Sozialgerichtsgesetz [SGG] (BSG SozR 4-4200 §
22 Nr 1). § 44b SGB II ist ungeachtet seiner Verfassungswidrigkeit bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar (BVerfG, Urteil vom 20.
Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 - DVBl 2008, 173 ff = NVwZ 2008, 183 ff = NZS 2008, 198 ff).
2. Der Antrag der Klägerin vom 29. November 2005 ist als Antrag auf Aufhebung eines Verwaltungsaktes wegen Änderung der Verhältnisse
zugunsten des Betroffenen nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu werten. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben,
soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine Änderung zugunsten
des Betroffenen eingetreten ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Durch den Wechsel der Tochter der Klägerin vom SGB
II-Bezug in den
BAföG-Bezug haben sich die für den Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach §
22 SGB II maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht verändert.
a) Nach den Feststellungen des LSG lagen die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes
vom 30. Juli 2004 iVm § 19 Satz 1 SGB II vor.
Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig sind (Nr 3) sowie ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Die Klägerin erfüllte diese Voraussetzungen im streitigen Zeitraum,
sie war insbesondere hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus
eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen
oder Vermögen sichern konnte und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern
anderer Sozialleistungen erhielt.
b) Die Beklagte hat zu Recht der Klägerin gemäß § 22 SGB II die Hälfte der Unterkunftskosten bewilligt. Die Tochter der Klägerin
war, obwohl sie nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war, grundsätzlich gleichwohl bei der Aufteilung der KdU nach § 22
SGB II zu berücksichtigen. Ein Sonderfall, der ein Abweichen von dem Prinzip der Aufteilung nach Kopfzahl rechtfertigt, liegt
nicht vor.
aa) Nutzen Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, so sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter
oder Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft
sind (BSG Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 7/07 R - RdNr 19, FamRZ 2008, 688; Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 3 RdNr 28 unter Hinweis auf BVerwGE 79, 17 zur Sozialhilfe; vgl auch BSGE 87, 228, 236 = SozR 3-2500 § 240 Nr 34 zur Beitragsbemessung bei freiwillig gesetzlich kranken- und pflegeversicherten Sozialhilfeempfängern;
Berlit in LPK SGB II, 2. Aufl 2007, § 22 RdNr 24; Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Oktober 2007, K § 22 RdNr 17; Lang/Link
in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 38a; vgl auch § 7 Abs 4 WoGG). Die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Familienmitglieder lässt in aller Regel eine an der unterschiedlichen
Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für diese Wohnung nicht zu (vgl BVerwGE 79, 17; Berlit aaO). Das LSG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwG) zum Referenzsystem der Sozialhilfe einerseits und der Neuregelung des § 6a Abs 4 Satz 2
BKGG andererseits keine ausdrücklich auf den Mehrbedarf abstellende Regelung in das SGB II aufgenommen hat.
bb) Besonderheiten, die ein Abweichen vom Prinzip der Aufteilung nach Kopfzahl rechtfertigen könnten, bestehen nicht. Das
BVerwG (aaO) hat im Bereich der Sozialhilfe eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen, wenn und soweit
der Hilfefall durch sozial-hilferechtlich bedeutsame Umstände gekennzeichnet war, die ohne weiteres objektivierbar waren.
Das konnte sowohl ein über das normale Maß hinausgehender Bedarf des Hilfesuchenden als auch eines anderen Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft
sein. Genannt wurden insbesondere Fälle der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit. Auch im Rahmen des § 22 SGB II kann in Sonderfällen
ein Abweichen vom Grundsatz der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl gerechtfertigt sein (BSG SozR 4-4200 § 20 Nr
3 RdNr 28).
Der Fall, in dem ein
BAföG-Berechtigter bei seinen Eltern wohnt und sein bei der BAföGLeistung berücksichtigter Unterkunftsbedarf hinter seinem nach
Kopfzahl ermittelten Anteil an den Wohnungskosten zurückbleibt, begründet jedoch eine solche Ausnahme nicht. Dass in den an
die Tochter der Klägerin gezahlten Leistungen nach dem
BAföG nur ein Bedarf in Höhe von 44 Euro für die Unterkunft enthalten ist, entspricht dem gesetzlichen Regelfall. Nach §
13 Abs
1 BAföG gelten als monatlicher Bedarf für Auszubildende in höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen 333 Euro. Dieser Bedarf
erhöht sich nach §
13 Abs
2 Nr
1 BAföG für die Unterkunft, wenn der Auszubildende bei seinen Eltern wohnt, um monatlich 44 Euro. Im Hinblick auf diesen beim
BAföG berücksichtigten Unterkunftsbedarf hat die Klägerin ihren Antrag vor dem SG auf Zahlung von insgesamt 788,52 Euro monatlich beschränkt.
Dass im hier streitigen Zeitraum auch beim Vorliegen einer solchen Konstellation eine Aufteilung nach Kopfteilen vorzunehmen
war, zeigt die Einfügung des § 22 Abs 7 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende
(BGBl I 2006, 1706, 1709) zum 1. Januar 2007. Danach erhalten abweichend von §
7 Abs
5 SGB II Auszubildende, die Leistungen nach dem
BAföG erhalten, und deren Bedarf sich nach §
13 Abs
1 iVm Abs
2 Nr
1 BAföG bemisst, einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen KdU. Begünstigt werden sollen von dieser Regelung nach dem Willen
des Gesetzgebers Auszubildende, die
BAföG als Studierende im Haushalt ihrer Eltern beziehen und KdU beisteuern müssen, weil die Eltern den auf das studierende Kind
entfallenden Wohnkostenanteil nicht tragen können, insbesondere wenn sie selbst hilfebedürftig sind und daher einen Teil der
Wohnkosten nicht erstattet bekommen (BT-Drucks 16/1410 S 24). Der Gesetzgeber setzt damit voraus, dass vor der Neuregelung
das Pro-Kopf-Prinzip Anwendung findet und der auf das studierende Kind entfallende Anteil nicht vom SGB II-Träger erstattet
wird. Die Novellierung macht deutlich, dass der Gesetzgeber gesehen hat, dass in diesen Fällen eine Unterdeckung der Bedarfe
entstehen kann.
Die Neuregelung gilt aber erst ab dem 1. Januar 2007. Eine rückwirkende Anwendung kommt nicht in Betracht. Sie scheidet hier
auch bereits deshalb aus, weil Ansprüche der Tochter nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Es kann daher auch offen bleiben,
ob die Tochter auf die Aufnahme einer Nebentätigkeit hätte verwiesen (vgl LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. März 2006
- L 8 AS 307/05 -, Revision anhängig unter B 11b AS 13/06 R) oder Ansprüche nach dem WoGG hätte geltend machen können (so Berlit, Wohnung und Hartz IV, NDV 2006, 5, 28 unter Hinweis auf § 7 Abs 4 und § 41 Abs 3 WoGG).
Dem LSG ist im Übrigen zuzustimmen, dass die von der Klägerin begehrte Übernahme der gesamten KdU abzüglich des im
BAföG enthaltenen Anteils dazu führen würde, dass vom SGB II-Leistungsträger Kosten für den Unterhalt einer nach
BAföG geförderten Person übernommen und damit der grundsätzliche Leistungsausschluss des §
7 Abs 5 SGB II umgangen würde. Außerdem würde von dem Grundsatz abgewichen, dass die existenzsichernden Leistungen des SGB
II nicht dazu bestimmt sind, den Empfänger in die Lage zu versetzen, Unterhaltspflichten gegenüber Dritten nachzukommen (vgl
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. März 2006 - L 8 AS 307/05; Berlit, NDV 2006, 5, 28). Derartige Verpflichtungen gehören nicht zu dem von Leistungen des SGB II im Fall der Hilfebedürftigkeit zu deckenden
Bedarf nach §§ 19 ff SGB II.
3. Die Revision ist aber begründet, soweit die Beklagte zu Unrecht nur Nebenkosten in Höhe von 192,52 Euro monatlich anerkannt
hat, weil sie 15 Cent pro qm, mithin 14,70 Euro als Kosten für die Warmwasserbereitung abgezogen hat. Richtigerweise können
die auf die Klägerin entfallenden Heizkosten nur um den in der Regelleistung enthaltenen Anteil für Warmwasserbereitung in
Höhe von 6,22 Euro monatlich gekürzt werden (vgl hierzu Urteil des Senats vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 64/06 R). In Höhe der Differenz von 8,48 Euro monatlich besteht noch ein Leistungsanspruch der Klägerin.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Angesichts des äußerst geringfügigen Obsiegens der Klägerin war kein Raum für eine Kostentragung der Beklagten.